Stellungnahme: 24-10


zum Entwurf eines Thüringer Gesetzes zur Anpassung der Besoldung und Versorgung in den Jahren 2024 und 2025 und zur Änderung besoldungs- und versorgungsrechtlicher sowie anderer Vorschriften

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf eines Thüringer Gesetzes zur Anpassung der Besoldung und Versorgung in den Jahren 2024 und 2025 und zur Änderung besoldungs- und versorgungsrechtlicher sowie anderer Vorschriften. Die vorliegende Stellungnahme beschränkt sich auf Artikel 2 Ziffer 7 (§ 39a ThürBesG-E) und Artikel 5 Ziff. 10c) (§ 64 Abs. 3 ThürBeamtVersG-E), die den alimentativen Ergänzungszuschlag regeln.

1.

Der djb begrüßt die intensive Auseinandersetzung des Landesgesetzgebers mit der Aufgabe, eine verfassungsgemäße Alimentation der Landesbeamt*innen und Richter*innen im Landesdienst sicherzustellen, wie sie aus dem Beschluss des Thüringer Landtags vom 22.10.2021 (LT-Drs. 7/4296) und der Unterrichtung des Landtags durch die Landesregierung vom 24.01.2023 (LT-Drs. 7/7169) erkennbar wird. Dies betrifft auch die Frage, ob weiterhin die Alleinverdienerehe der Bemessung der Besoldung zugrunde gelegt wird (hierzu BVerfG, Beschluss vom 04. Mai 2020 - 2 BvL 6/17, 2 BvL 8/17, 2 BvL 7/17 – zum Besoldungsgesetz NW) oder realitätsnäher die sog. „Hinzuverdienerehe“. Hierzu führt die genannte Unterrichtung aus, dass in Thüringen etwa 75,3 Prozent der Ehefrauen in Thüringen erwerbstätig sind (LT-Drs. 7/7169, S. 31).

2.

Die Umsetzung der geplanten Änderung des Besoldungsmodells von der Alleinverdienerehe zur Hinzuverdienerehe über den alimentativen Ergänzungszuschlag lehnt der djb indes ab.

Die hier beabsichtigte Modelländerung bei der Besoldung müsste – wie die o.g. Unterrichtung vom 24.01.2023 zutreffend unter Hinweis auf den grundgesetzlichen Schutz der Familie ausführt – dem Anspruch genügen, keine Lenkungswirkung auf die interne Struktur der Familien der besoldeten Person zu entfalten. Das ist bei dem in Thüringen aus tatsächlichen Gründen überholten Besoldungsmodell der Alleinverdienerehe insoweit der Fall, als wegen der unterstellten Alimentation der besoldeten Person und bis zu drei weiteren Familienmitgliedern jedenfalls keine Lenkungswirkung auf die Erwerbstätigkeit von Ehegatt*innen ausgeübt wird. 

Der alimentative Ergänzungszuschlag wird diesem Anspruch demgegenüber nicht gerecht. Er prämiert in nicht gerechtfertigter Weise besoldungsgruppenunabhängig die Alleinverdienerehe mit Kindern bis zur Grenze eines Hinzuverdienstes nach § 8 Abs. 1a SGB IV. Hierdurch wird ein Anreiz regelmäßig für die Ehefrau dafür geschaffen, auf eine Erwerbstätigkeit zu verzichten oder im Fall der Erwerbstätigkeit unter dieser Hinzuverdienstgrenze zu bleiben. Diese liegt nach der Bekanntmachung der Geringfügigkeitsgrenze vom 30.11.2023 (BAnz AT 07.12.2023 B1) ab dem 1. Januar 2024 bei 538 Euro und ab dem 1. Januar 2025 bei 556 Euro. Diese Grenzen entsprechen denen für sog. Minijobs.

Der djb kritisiert seit vielen Jahren das Modell der Minijobs, die wegen der mit dem Modell verbundenen Abgabenprivilegierung die eigenständige Existenzsicherung von Frauen behindern (vgl. Pressemitteilung „Für eine Reform der Minijobs“ vom 25.06.2013, Pressemitteilung „Minijobs wirken der gleichstellungspolitisch notwendigen eigenständigen Existenzsicherung von Frauen entgegen“ vom 20.09.2010). Auf diese Kritik wird hier ausdrücklich verwiesen.

Zu kritisieren ist auch, dass der Ergänzungszuschlag gesondert zu beantragen ist. Hierdurch wird ein erheblicher Verwaltungsaufwand erzeugt. Er zwingt auch dazu, das Einkommen von Ehegatt*innen offenzulegen und zu belegen, und führt so zu einer nicht gerechtfertigten Datensammlung bei den Bezügestellen.

3.

Das Alimentationsprinzip (Art. 33 Abs. 5 GG) gibt unter Berücksichtigung der im Gesetzentwurf vorgesehenen Besoldungsstruktur keinen Anlass für einen alimentativen Ergänzungszuschlag. Das Alimentationsprinzip gebietet bei der Bemessung der Grundbesoldung und Familienzuschlägen eine amtsangemessene Besoldung, überlässt es aber dem Besoldungsgesetzgeber zu bestimmen, wie diesem Verfassungsgebot Rechnung zu tragen ist.

Die Entscheidung für einen alimentativen Ergänzungszuschlag legt nahe, dass die Grundbesoldung einschließlich der Zuschläge für bis zu zwei Kinder nur in Verbindung mit einem weiteren Familieneinkommen, das über der Geringfügigkeitsgrenze nach § 8 Abs. 1a SGB IV liegt, amtsangemessen sein soll. Fehlt es an einem solchen relevanten Zweiteinkommen, soll der Dienstherr offensichtlich mit dem Ergänzungszuschlag den im Gesamteinkommen der vierköpfigen Modellfamilie fehlenden Betrag leisten, um eine amtsangemessene Besoldung zu sichern.

Ob die Besoldung in Thüringen dem Alimentationsprinzip entspricht, kann im Rahmen der vorliegenden Stellungnahme nicht geklärt werden. Allerdings ist offensichtlich, dass der Gesetzentwurf für den beabsichtigten Modellwechsel abgesehen von der Einführung des Ergänzungszuschlags nichts hergibt. Insbesondere sieht Artikel 1 die lineare Erhöhung der bisherigen Besoldung einschließlich von Leistungszuschlägen vor. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Behandlung der Kinderzuschläge. Diese sollen sich zwar nur ab dem dritten Kind erhöhen, Artikel 2 Nr. 12 (§ 67g ThürBesG-E). Der bisherige Zuschlag für das erste Kind in Höhe von 304,93 EUR und für das zweite Kind in Höhe von 494,34 EUR fällt indes nicht von den Kinderzuschlägen ab, die in anderen Bundesländern gewährt werden und übersteigt diese teilweise auch deutlich.

4.

Der djb fordert nach alledem, Artikel 2 Ziffer 7 (§ 39a ThürBesG-E) und Artikel 5 Ziff. 10c) (§ 64 Abs. 3 ThürBeamtVersG-E) zu streichen.

 

 

Claudia Muck

Vorsitzende des djb-Landesverbands Thüringen

 

Dr. Stefanie Killinger

Vorsitzende der Kommission Verfassungsrecht, Öffentliches Recht, Gleichstellung