Stellungnahme: 08-12


zum Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG) vom 30. Juni 2008

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Referentenentwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen vom 30. Juni 2008. Er begrüßt, dass damit das Verfahren für das seit langem angekündigte Gendiagnostikgesetz vorangetrieben wird. Dieses Gesetz ist dringlich, damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, der Schutz vor genetischen Diskriminierungen, eine sachangemessene Praxis genetischer Untersuchungen und ein sachgerechter Umgang mit den Ergebnissen und den genetischen Proben gewährleistet werden.

I. Allgemeines

Der Gesetzentwurf konzentriert sich auf genetische Untersuchungen und auf die Verwendung genetischer Proben und Daten. Von diesem Ausgangspunkt aus setzt er mit seinen Begrifflichkeiten breit an, so dass trotz der Einschränkungen auf genetische Analysen und vorgeburtliche Risikoabklärungen an einigen Stellen Abgrenzungs- und Anwendungsschwierigkeiten entstehen können. Die Konzentration auf genetische Untersuchungen, Proben und Daten wird mittlerweile zunehmend als ein „genetischer Exzeptionalismus“ kritisiert, der nicht tragfähig sei. Zwar trifft es zu, dass auch bei anderen medizinischen, insbesondere prädiktiven Untersuchungen und Daten spezifische Schutzerfordernisse bestehen können. Der djb hält es trotzdem für sinnvoll, dass, wie in dem Gesetzentwurf vorgesehen, genetische Untersuchungen sowie der Umgang mit genetischen Proben und Daten in einem gesonderten Gesetz geregelt werden. Angesichts der Möglichkeiten und der Entwicklung der Gendiagnostik und mit Blick auf die Untersuchungspraxis kommerzieller Labore müssen zumindest insoweit die vorhandenen Regelungslücken möglichst schnell geschlossen werden. Etwa ist von allen Seiten auf die Regelungslücken hingewiesen worden, die nach der Neuregelung des § 1598a BGB hinsichtlich der Durchführung der genetischen Untersuchung, des Umgangs mit den Proben und Daten und der Anforderungen an Labore bestehen (vgl. dazu die Stellungnahme des djb vom 20. Juni 2007).

II. Zu den Regelungen im Einzelnen

Zu § 2  Anwendungsbereich

Trotz des grundsätzlich breiten Ansatzes beschränkt sich das Gesetz auf die Regelung von gendiagnostischen Untersuchungen an Embryonen und Föten während der Schwangerschaft. Damit wird die Präimplantationsdiagnostik (PID) ausgeklammert. Diese wird vom Regelungskonzept des Embryonenschutzgesetzes allerdings nicht hinreichend klar erfasst, so dass es einige Rechtsunsicherheiten gibt. Längerfristig ist hier eine Klärung der Rechtslage angebracht.

Ebenfalls ausgeklammert wird der Umgang mit genetischen Proben und Daten zu Forschungszwecken. Das lässt sich damit rechtfertigen, dass es sich hierbei um einen Sonderbereich handelt, der eigenständiger Bestimmungen bedarf. Die allgemeinen Datenschutzbestimmungen, auf die die Entwurfsbegründung hinweist (S. 33 des Umdrucks), reichen allerdings nicht aus, dies insbesondere nicht für den Problemkomplex der immer bedeutsameren Biobanken.

Zu § 5  Qualitätssicherung genetischer Analysen

Der djb unterstützt es, dass in § 5 GenDG-E Anforderungen an die Qualitätssicherung genetischer Analysen festgelegt werden, aufgrund derer Analysen nach dem allgemeinen Stand von Wissenschaft und Technik durchzuführen sind, ein System interner Qualitätssicherung zu institutionalisieren und eine Teilnahme an externen Qualitätssicherungsprogrammen nachzuweisen ist, die Tätigkeiten durch hinreichend qualifiziertes Personal durchgeführt werden müssen und die Umsetzung der Vorgaben für den Umgang mit Proben und Daten sichergestellt sein muss. Diese Anforderungen sind notwendig, damit betroffene Personen nicht mit Testergebnissen konfrontiert werden, die sich im Nachhinein als unrichtig oder nicht hinreichend abgesichert erweisen, oder damit der Datenschutz mit den notwendigen organisatorischen und technischen Vorkehrungen sichergestellt wird. Sinnvoll ist es auch, mittels näherer Richtlinien zu gewährleisten, dass Analysen und ihre Ergebnisse tatsächlich einen wissenschaftlich abgestützten Aussagewert haben (§ 5 S. 1 Nr. 1 GenDG-E in Verbindung mit § 23 Abs. 2 GenDG-E). Gerade bei prädiktiven molekulargenetischen Analysen besteht die Gefahr, dass Personen aufgrund vermeintlich aussagekräftiger Gentests benachteiligt werden, obwohl tatsächlich kein wissenschaftlicher Zusammenhang zwischen genetischem Merkmal und der zugeschriebenen Eigenschaft besteht.

Zu §§ 7 ff.  Arztvorbehalt, Einwilligung, Aufklärung, genetische Beratung, Mitteilung der Ergebnisse

Aus Sicht des djb sind die Grundlinien des im 2. Abschnitt verankerten Schutzkonzepts und die hier festgehaltenen, partiell gesteigerten und näher ausgestalteten Anforderungen zum Arztvorbehalt, zur Einwilligung und Aufklärung, zur genetischen Beratung vor der genetischen Untersuchung und nach Vorliegen des Untersuchungsergebnisses sowie zur Mitteilung der Ergebnisse genetischer Untersuchungen und Analysen sachgerecht. Die Regelungen weisen zwar zum Teil unbestimmte Rechtsbegriffe auf, die in der Praxis zu Schwierigkeiten führen könnten. Wegen der Komplexität der Sachlage lässt sich dies allerdings auf Gesetzesebene und im gegenwärtigen Stadium kaum vermeiden. Es bleibt abzuwarten, ob notwendige Klärungen in der Praxis herbeigeführt werden oder ob sich ein gesetzgeberischer Nachbesserungsbedarf ergibt.

Zu § 15  Vorgeburtliche genetische Untersuchungen

Der djb hält die Vorgaben des § 15 GenDG-E, die die Pränataldiagnostik betreffen, für ausgewogen. Es ist sachgerecht, dass § 15 Abs. 1 S. 2 GenDG-E die Mitteilung einer anlässlich einer genetischen oder sonstigen vorgeburtlichen Untersuchung erfolgten Feststellung des Geschlechts des Embryos oder Fötus nicht vor Ablauf der 12. Schwangerschaftswoche zulässt. Dadurch wird verhindert, dass vorgeburtliche Untersuchungen, bei denen das Geschlecht als „Nebenergebnis“ ermittelt wird, zur Geschlechterselektion genutzt werden. Die umfassende obligatorische Beratung nach § 15 Abs. 2 GenDG-E ist sinnvoll, damit vorgeburtliche genetische Untersuchungen nicht in Form ärztlicher Routinen, sondern nur aufgrund eines angemessenen und hinreichend ausführlichen Dialogs mit der Schwangeren durchgeführt werden.

Zu § 17  Genetische Untersuchungen zur Klärung der Abstammung

Der djb begrüßt es und hält es für dringlich, dass die Neuregelung der Klärung der Abstammung in § 1598a BGB durch Anforderungen an die Durchführung der genetischen Untersuchung und an den Umgang mit den erlangten genetischen Proben und Daten ergänzt wird (siehe bereits die Stellungnahme des djb vom 20. Juni 2007).

 

Jutta Wagner 
Präsidentin

Prof. Dr. Marion Albers
Vorsitzende der Kommission Gentechnologie