Stellungnahme: 08-09


zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts des Bundeswirtschaftsministeriums BMWi I B 3-26 0 5 13/1 (Stand 3. März 2008 – Anhörung im Bundeswirtschaftsministerium am 8. April 2008)

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) setzt sich seit über einem Jahrzehnt für eine Koppelung der öffentlichen Auftragsvergabe mit Maßnahmen der Frauenförderung ein und hält diese sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich für geboten. Eine solche Regelung im Vergaberecht wird für die Wirtschaft ein Anreiz sein, Frauen zu fördern und strukturelle Benachteiligungen abzubauen. Der djb begrüßt daher außerordentlich die Einfügung der sozialen Aspekte im Vergaberecht. Auch die Tatsache, dass im Rahmen des Gesetzentwurfs unter A 8 Gender Mainstreaming eine gleichstellungspolitische Relevanzprüfung nach § 2 GGO vorgenommen worden ist, hält der djb für sehr positiv, da gerade diese Prüfung leider immer noch bei vielen Gesetzentwürfen fehlt.

Das Gebot der Wirtschaftlichkeit steht im Vergaberecht als Grundsatz an oberster Stelle. Die Einhaltung des Grundsatzes ist keinesfalls dadurch gefährdet, dass Frauen- und Familienfördermaßnahmen als soziale Aspekte künftig in die Vergabekriterien aufgenommen werden sollen, denn solche Maßnahmen bleiben kostenneutral für den Auftraggeber, weil sie sich an anderer Stelle beziehungsweise längerfristig wieder amortisieren.

Allerdings wird der Gesetzentwurf dem in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG verfassungsrechtlich verankerten Staatsziel zur Förderung der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern in manchen Details immer noch nicht vollständig gerecht. Hierzu im Einzelnen:

1.

Nach der EU-Vergaberichtlinie (EURILI 2004/18/EG = ABL EU Nr. Nr. L 134 Seite 1 f.) können die öffentlichen Auftraggeber zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags vorschreiben, sofern diese mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind und in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen angegeben werden. Die Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags können insbesondere soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen (Artikel 26 EU-Richtlinie 2004/18/EG). Nach dem Vorschlag des Bundeswirtschaftsministeriums soll nunmehr in § 97 Abs. 4 Satz 2 folgendes eingefügt werden: „Für die Auftragsausführung können zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben.“

Es erscheint hier erforderlich, zumindest in der Gesetzesbegründung beispielhaft zu erläutern, was unter sozialen Aspekten im Sinne der staatlichen Pflicht zur Förderung der Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu verstehen ist. Dass die Herstellung von Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern ein anerkannter sozialer Aspekt im Sinne von § 97 Abs. 4 Satz 2 ist, sollte in der Gesetzesbegründung ausdrücklich klargestellt werden.

Zwar ist nach dem Wortlaut der europäischen Vergaberichtlinie lediglich die Möglichkeit vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten eine entsprechende Regelung mit der Aufnahme von sozialen Aspekten im Vergaberecht erlassen können. Die Bundesrepublik Deutschland hat jedoch bei der Umsetzung der Richtlinie auch die Verpflichtung aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG strikt zu beachten, die eine optionale Regelung – „können“ – nicht zulässt, sondern ein tatsächliches aktives Eintreten des Staates für die Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern verlangt. Dies entspricht im Übrigen auch den völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands aus dem UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (CEDAW).

Der djb fordert daher für die Aufnahme von sozialen Aspekten in Vergabeentscheidungungen statt der Formulierung „können“ die Formulierung "müssen".

2.

Eine weitere Forderung des djb ist darauf gerichtet, die Einschränkung zu streichen, die darin liegt, dass im Entwurf bisher ein Sachzusammenhang zwischen sozialen Kriterien und dem Auftrags­gegen­stand gefordert wird. Ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Maßnahmen der Frauenförderung im Unternehmen des Auftragnehmers und dem ausgeschriebenen Auftragsgegenstand erscheint realitätsfern. Die sozialen Aspekte wie beispielsweise die Maßnahmen zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern im Erwerbsleben oder auch die Quotierung von Führungspositionen zugunsten der Frauenförderung haben üblicherweise keinen Sachzusammenhang zum Auftragsgegenstand. Bei einer Vergabeentscheidung von Bauleistungen beispielsweise besteht die Gefahr, dass kein Zusammenhang mit den Maßnahmen der Frauenförderung gesehen wird. Die vorgeschlagene Einschränkung zwischen Auftragsgegenstand und Sachzusammenhang erscheint keinesfalls ausreichend, um dem grundgesetzlichen Staatsziel zur Erreichung der tatsächlichen Gleichberechtigung gerecht zu werden.

3.

Es bedarf in jedem Fall der Klarstellung, dass die gesetzlich normierte Entgeltgleichheit von Frauen und Männern eine Frage der Zuverlässigkeit des sich im Bieterverfahren beteiligenden Unternehmens ist.

Sowohl nach der bisherigen Regelung des § 97 Abs. 4 GWB wie auch nach der zukünftigen Regelung des § 97 Abs. 4 Satz 1 GWB werden Aufträge nur an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben.

Zur Zuverlässigkeit gehört, dass alle Unternehmen, die zum Wettbewerb im Rahmen eines öffentlichen Auftrages zugelassen werden, die vorgegebenen Gesetze einhalten. Dazu gehört ausdrücklich auch das Entgeltgleichheitsgebot von Frauen und Männern. Auch die Einhaltung anderer gesetzlicher Bestimmungen wie des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und des darin umfassend normierten Diskriminierungsschutzes sind zu beachten. So begrüßt der djb ausdrücklich die Gesetzesbegründung des Bundeswirtschaftsministeriums auf Seite 9, in der beschrieben ist, dass diejenigen Auftragnehmer, die diese Gesetze nicht einhalten, wegen fehlender Zuverlässigkeit vom Wettbewerb ausgeschlossen werden.

Allerdings besteht dann ein gewisser Widerspruch im Rahmen der Gesetzesbegründung des Bundes­wirtschaftsministeriums auf Seite 10. Denn dort heißt es: „Zu den Anforderungen, die insbesondere soziale Aspekte betreffen können, sind auch Maßnahmen zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern im Erwerbsleben zu rechnen, das betrifft insbesondere die Sicherstellung der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern bei der konkreten Ausführung eines Auftrags“.

Hier ist die Gesetzesbegründung richtig zu stellen dergestalt, dass die Sicherstellung der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern aufgrund der gesetzlichen Vorgabe bereits eine Frage der Zuverlässigkeit darstellt. Lediglich Gesichtspunkte der Frauenförderung bzw. der Chancengleichheit und der verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehören zu den sozialen Aspekten und fallen dann unter den Wortlaut des § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB und nicht unter Satz 1, der die Zuverlässigkeit des Auftragnehmers als Grundvoraussetzung regelt.

In diesem Punkt besteht der djb auf einer Klarstellung der Abgrenzung zwischen der Zuverlässigkeit nach § 97 Abs. 4 Satz 1 GWB und den sozialen Aspekten im Rahmen der Auftragsausführung nach § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB. Hier ist die Einführung einer Präventions- und Sanktionsregelung erforderlich, da dies die Effizienz des Gesetzes zugunsten integrer Bieter fördert.

4.

Die Forderungen des djb lauten in der Zusammenfassung:

  • Beispielhafte Aufzählung der sozialen Aspekte in der Gesetzesbegründung.
  • In § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB: anstelle „können“ das Wort „müssen“.
  • Streichung des Sachzusammenhangs mit dem Auftragsgegenstand bei den sozialen Aspekten.
  • Klarstellung, dass die Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern ein Kriterium innerhalb der Zuverlässigkeit des Auftragnehmerunternehmens darstellt (Gesetzesbegründung).
  • Klarstellung in der Gesetzesbegründung, dass § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB sich nicht auf § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB bezieht. Denn insoweit erscheint die Gesetzesbegründung im Teil B zu Nr. 2 § 97 zu lit. b (Seite 9) unklar.
  • Sanktion im Falle der Nichtbeachtung durch Effizienz im Nachprüfungsverfahren gem. § 97 Abs. 7 GWB für die sozialen Aspekte.
  • Einführung eines Registers zur Erfassung unzuverlässiger Bieter.

Gerade wegen der gewünschten Übersichtlichkeit und Transparenz durch die Modernisierung des Vergabe­rechtsänderungsgesetzes erscheinen die geforderten Nachbesserungen aus Sicht des djb notwendig.

Jutta Wagner
Präsidentin

Prof. Dr. Sibylle Raasch
Vorsitzende der Kommission
Arbeits-, Gleichstellungs- und Wirtschaftsrecht

Prof. Asoc. Dr. jur. Jutta Glock
Kommission Arbeits-, Gleichstellungs- und Wirtschaftsrecht