Stellungnahme: 08-04


zum Berliner Vergabegesetz anlässlich der Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft, Technologie und Frauen im Abgeordnetenhaus von Berlin am Montag, den 25. Februar 2008

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) setzt sich seit Jahren für eine Koppelung der öffentlichen Auftragsvergabe an Maßnahmen der Frauenförderung ein und hält diese sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich für geboten. Denn die Regelungen im Vergaberecht zur weiteren Förderung von tatsächlicher Frauen­förderung kann für die Wirtschaft ein Anreiz sein, Frauen zu fördern und strukturelle Benachteiligung abzubauen.

Seit 1999 ist für Aufträge oberhalb der EU-Schwellenwerte das Deutsche Vergaberecht im GWB geregelt. Für Aufträge unterhalb des Schwellenwertes gilt das Berliner Vergabegesetz. Für die Vergabe sind in beiden Fällen nur fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen zu berücksichtigen. Andere oder weitergehende Anforderungen können an Auftragnehmer gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz geregelt ist. Wird diese Option genutzt, handelt es sich nicht um vergabefremde Kriterien. Die Option entspricht der von der EU-Kommission im Jahre 1998 an die Mitgliedstaaten gerichtete Aufforderung, soziale Belange bei der öffentlichen Auftragsvergabe in rechtlich zulässiger Weise zu berücksichtigen.

Aus Sicht des djb stellt eine solche gesetzliche Regelung der Koppelung im Bieterverfahren im Rahmen des Vorauswahlverfahrens keine Sanktion dar, da die Wirtschaft dann jeweils selbst entscheiden kann, ob sie den Nutzen, den Frauen der Wirtschaft bieten, anerkennen möchte oder nicht.

Die Koppelung von Frauenförderung und Auftragsvergabe im öffentlichen Bereich dient dazu, politische Ziele, denen der Staat nicht durch direkte Eingriffe in die Wirtschaft nachkommen will, zu erreichen.

Gerade im Bundesland Berlin gibt es schon seit 1999 die tatsächliche Koppelung zwischen Auftragsvergabe und Frauenförderung.

Der djb ist der Auffassung, dass diese Koppelung nicht nur rechtlich möglich, sondern vor allem auch verfassungsmäßig geboten ist. Denn der Staat ist durch Artikel 3 Abs. 2 S. 2 GG gehalten, aktiv zu werden, um die Gleichstellung von Frauen und Männern voranzutreiben. Auch die Europäische Kommission, die sich immer wieder als Schrittmacher für Frauenpolitik erwiesen hat, weist ausdrücklich darauf hin, dass das Vergaberecht zur Frauenförderung genutzt werden soll.

Der djb begrüßt daher ausdrücklich die Ausweitung der Koppelung im Vergaberecht an Maßnahmen der Frauenförderung auch außerhalb des Baugewerbes.

Zum Antrag der Grünen Fraktion in § 3 ist folgendes anzumerken:

Hiernach soll in der Formulierung "bei der Beschaffung und Vergabe öffentlicher Aufträge" Unternehmen, die Maßnahmen zur Frauenförderung oder zur Förderung zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie durchführen, bevorzugt werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in seiner Grundsatzentscheidung vom 11. Juli 2006 beschlossen, dass das Berliner Vergabegesetz mit dem Grundgesetz und mit dem übrigen Bundesrecht vereinbar sei. Allerdings ist in dieser Entscheidung keine Festlegung darüber getroffen worden, ob in der zukünftigen Formulierung des Berliner Vergabegesetzes nicht danach zu differenzieren ist, ob das Kriterium der Frauenförderung beim Zuschlag an sich oder im Vergabeverfahren anzusetzen ist. Denn die Auswirkungen für den Wettbewerb können bei allen Regeln, die beim Zuschlag ansetzen, gravierend sein. Die Auswirkungen können hingegen bei allen Kriterien, die im Vorfeld im Vergabeverfahren ansetzen, sogar in einer Weise ausgestaltet sein, dass sie wettbewerbsneutral sind.

Denn im Wege der tatsächlichen Vergabe ist der abschließende Zuschlag immer zu Gunsten des wirtschaftlich günstigsten Angebots vorzunehmen. Hier gibt es dann keine Möglichkeit, struktur- oder sozialpolitische Kriterien zu integrieren, soweit sie nicht wegen des Auftrags Inhaltsgegenstand der Wirtschaftlichkeitsprüfung sind.

Es wird daher vom djb unter Berücksichtigung der Auffassung der Europäischen Kommission gefordert, dass das Kriterium der Frauenförderung im Rahmen der geltenden Vergaberichtlinien als Ausschlusskriterium und Vorbedingung ausgestaltet wird. Wir schlagen daher folgende Korrektur im Wortlaut vor:

"(2) In der vorgeschalteten Phase des Vergabeverfahrens öffentlicher Aufträge können Unternehmen, die Maßnahmen zur Frauenförderung und zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie durchführen, dergestalt bevorzugt werden, dass das Betreiben der aktiven Frauenförderung eine Bedingung für die Beteiligung am Bieterverfahren ist. Im Übrigen finden die Regelungen gemäß § 13 Abs. 1 Landesgleichstellungsgesetz vom 31. Dezember 1990, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juni 2006 (GVBL Seite 575) in Verbindung mit der Verordnung über die Förderung von Frauen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Frauenförderungsverordnung VVF vom 23. August 1999 (GVBL Seite 489) Anwendung. Das Kriterium der aktiven Frauenförderung ist in einem solchen Fall in die Allgemeinen Bedingungen im Rahmen der Bekanntgabe der Ausschreibung mit aufzunehmen. Es wird klargestellt, dass die Zuschlagskriterien nach Durchführung des Bieterverfahrens auftragsbezogen bleiben."

Der djb begrüßt ausdrücklich die Initiative, das Ziel der Frauenförderung zukünftig in allen Wirtschaftsbereichen als Voraussetzung im Bieterverfahren vorzusehen. Auch die Initiative der Grünen, Frauenförderung im Auftragnehmerunternehmen als Voraussetzung der Beteiligung im Bieterverfahren zu regeln, ist positiv zu bewerten, um in Zukunft das Ziel der Frauenförderung im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe tatsächlich umsetzen zu können.

Prof. Asoc. Dr. jur. Jutta Glock
Vorsitzende des djb-Landesverbands Berlin