I. Grundsätzliche Anmerkungen
- Der Deutsche Juristinnenbund (djb) begrüßt die von der Europäischen Kommission eingeleitete öffentliche Konsultation zum Grünbuch Arbeitsrecht und insbesondere die frühzeitige Einbeziehung der Zivilgesellschaft.
- Die Legitimität der Europäischen Union hängt - wie die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen - aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger in hohem Maße davon ab, dass ihre Initiativen, soweit sie das Arbeitsrecht berühren, als sozial gerecht empfunden werden. Dies hat die Diskussion um die Dienstleistungsrichtlinie deutlich gezeigt wie auch die Auseinandersetzung mit dem Europäischen Verfassungsvertrag.
- In Hinblick auf den demografischen Wandel kann Europa auf die Potentiale von Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr verzichten. Das künftige Arbeitsrecht der EU muss dieser Herausforderung gerecht werden, insbesondere durch Regelungen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen und Männer ermöglichen und Frauen die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt einräumen.
- Der djb sieht als zentrale Frage im Grünbuch Arbeitsrecht, ob und gegebenenfalls wie eine Fortentwicklung des Individualarbeitsrechtes die Verwirklichung der Lissabon-Strategie unterstützen kann, also nachhaltiges Wachstum und gleichzeitig mehr und bessere Arbeitsplätze bei ausreichendem Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schaffen. Die Debatte ist unter Berücksichtigung der Schutzfunktion für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als strukturell schwächerer Part im Arbeitsverhältnis zu führen.
- Der djb mahnt eine Gleichstellungsprüfung (Gender Impact Assessment) an. Der Europäische Pakt für die Gleichstellung, den der Europäische Rat im März 2006 auf den Weg gebracht hat, unterstreicht dessen Notwendigkeit. Zumindest hätte jeder Fragenkomplex im Grünbuch Arbeitsrecht auch die unterschiedlichen Auswirkungen auf Frauen und Männer thematisieren müssen.
- Die Prioritäten einer Agenda der Europäischen Union zur Arbeitsrechtsreform sind im Lichte der Gemeinschaftscharta der Sozialen Grundrechte der Arbeitnehmerinnen sowie Arbeitnehmer und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festzulegen. Hierbei ist insbesondere die Verpflichtung der Union auf die Gleichstellung von Frauen und Männern zu berücksichtigen. Dies folgt auch aus den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, insbes. Art. 11 des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) und Art. 2, 23 und 24 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.
- Der djb spricht sich grundsätzlich für das Standardarbeitsverhältnis mit unbefristeter Beschäftigung aus, also einem arbeitsrechtlich geregelten Beschäftigungsverhältnis auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags zwischen Beschäftigten und Arbeitgebenden, der eine Existenz sichernde Vergütung und angemessene Arbeitsbedingungen gewährt. Der djb hält es für notwendig, diese arbeitsrechtliche Beschäftigungsform zu stärken und ihren rechtlichen Schutz auf andere Beschäftigungsformen nach Möglichkeit zu übertragen. Für Frauen ist dies besonders wichtig, denn ihre Entscheidung für Kinder hängt auch von der Absicherung durch ein Standardarbeitsverhältnis ab.
- Frauen machen den größten Anteil der Teilzeitbeschäftigten aus und sind auch überproportional in befristeten Arbeitsverhältnissen tätig. Gegebenenfalls notwendige europäische Regelungen haben daher der Situation und den Bedürfnissen derjenigen Rechung zu tragen, die wegen der Wahrnehmung von Familienaufgaben Teilzeit arbeiten, zum Teil aus Mangel an gesellschaftlich organisierter Kinderbetreuung; das sind insbesondere Frauen. Die Übergänge von abweichenden Arbeitsvertragsformen in Standardarbeitsverhältnisse und auch die Übergänge von Teilzeit- in Vollzeitarbeit müssen aus Frauensicht deshalb besonders gefördert werden. Auch in anderen Ländern sind Beispiele guter Praxis für die Regelung von Teilzeitarbeitsverhältnissen vorhanden, die von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gewünscht und durch Sozialpartnervereinigungen geregelt werden. Der djb unterstreicht, dass eine nachhaltige Verbesserung der Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt nur erreicht werden kann, wenn die Reformen nicht auf das Arbeitsrecht beschränkt bleiben, sondern sich auch auf Strukturen des Steuerrechts und des Sozialrechts erstrecken.
- Hinsichtlich der von Standardarbeitsverhältnissen abweichenden Arbeitsvertragsformen bzw. Beschäftigungsverhältnissen ist nach Ansicht des djb zu unterscheiden zwischen prekären und teilweise sogar illegalen einerseits sowie andererseits solchen, deren Eingehen und Gestaltung auch im Interesse der darin Beschäftigten liegt, wenn auch in der Regel nur zeit- bzw. übergangsweise. Frauen befinden sich häufiger als Männer in prekären und illegalen Beschäftigungsverhältnissen.
- Lebenslanges Lernen ist ein Schlüssel im Zusammenhang mit Beschäftigung. Jedwedes Beschäftigungsverhältnis muss die Möglichkeit eröffnen, diesem Anspruch gerecht zu werden. Dies ist insbesondere bei den abweichenden Arbeitsvertragsformen Teilzeit und Befristung wichtig, die in besonderer Weise Frauen betreffen.
- Der djb erkennt die besondere Verantwortung und zentrale Rolle der Sozialpartner bei der Formulierung von Tarifverträgen bzw. Lösungen auf Firmenebene an. Der in Art. 138 f. EGV geregelte Soziale Dialog bietet ein gutes Instrumentarium und eröffnet den Sozialpartnern die Möglichkeit, durch Vereinbarungen den europäischen Rahmen selbst zu bestimmen. Dabei ist zu unterstreichen, dass die gesellschaftliche und rechtliche Akzeptanz und Glaubwürdigkeit der von den Sozialpartnern gefundenen Lösungen auch davon abhängt, inwieweit im Verhandlungsprozess Frauen und Männer gleich vertreten und beteiligt waren. Wenn die Sozialpartner an Stelle des Gemeinschaftsgesetzgebers tätig werden, tragen sie eine besondere Verantwortung, die Durchsetzung der Gleichstellung als Querschnittsaufgabe laufend zu berücksichtigen und die Verhandlungsergebnisse aus eigenem Antrieb stets auf Vermeidung von Diskriminierung zu überprüfen.
- Der djb unterstützt den Konsultationsprozess zum Grünbuch Arbeitsrecht auch als Beitrag zur Flexicurity-Debatte, ohne dabei die gesamte Bandbreite zu thematisieren, beobachtet die diesbezüglichen Arbeiten und wird sich zu der für Juni 2007 angekündigten Mitteilung positionieren. Der djb beschränkt sich in der vorliegenden Stellungnahme deshalb auf die seiner Ansicht nach notwendigen individualarbeitsrechtlichen europäischen Aktivitäten.
II. Zu den im Grünbuch Arbeitsrecht aufgeworfenen Fragen nimmt der djb wie folgt Stellung:
Frage 1
Ganz oben auf der Agenda einer sinnvollen Arbeitsrechtsreform
sollte nach Meinung des djb das Herausstellen der Potentiale von
Frauen auf dem Arbeitsmarkt zur Verwirklichung der Ziele der
Lissabonstrategie stehen. Frauen sind auf dem Arbeitsmarkt
benachteiligt. Die Arbeitsmarktreform soll auch der
Diskriminierung von Frauen entgegenwirken und soll zu diesem
Zweck zusätzliche Instrumentarien entwickeln, die ermöglichen,
dass Frauen in den unterschiedlichen Lebenslagen gleichberechtigt
am Arbeitsleben teilnehmen können.
Frage 2
1. Ein flexibler, integrativer Arbeitsmarkt
Das Individualarbeitsrecht muss sich um den Ausgleich zwischen
dem notwendigen Schutz der Arbeitnehmenden und den
Gestaltungsinteressen der Arbeitgebenden bemühen. Hinzu kommen
inzwischen auch Gestaltungsinteressen der Arbeitnehmenden, die
angesichts komplexer werdender Lebensformen ein eigenes Interesse
an Flexibilisierung ihrer Arbeitsverhältnisse haben, sog.
optionale Beschäftigung, ohne dass dabei jedoch ihr
Schutzinteresse entfallen würde. Das nationale Arbeitsrecht
regelt innerhalb der Europäischen Union diese Balance für den
jeweiligen Arbeitsmarkt unterschiedlich.
Arbeitnehmerfreizügigkeit und zunehmende Mobilität sowie
grenzüberschreitendes Tätigwerden von Unternehmen machen es
erforderlich, einen europäischen Rahmen zu setzen. Eine
Harmonisierung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner darf hierbei
nicht das vorrangige Ziel sein. Es geht um Regelungen, die die
Sicherheit der Erwerbstätigen garantieren und die Kosten der
Unternehmen, die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind,
begrenzen sowie die Drohung mit Unternehmensverlagerung zumindest
innerhalb der EU ins Leere laufen lassen. Der europäische Rahmen
für die Ausgestaltung des nationalen Arbeitsrechtes kann den
Binnenmarkt stärken und den Wettbewerb um die geringsten
Standards beenden. Der djb unterstützt das Ziel
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Flexibilität und Beschäftigungssicherheit in ein ausgewogenes
Verhältnis zu bringen und die Segmentierung der Arbeitsmärkte zu
verringern. Flexibilisierung ohne flankierenden Schutz der
Arbeitnehmenden wird vom djb ausdrücklich abgelehnt. Neben der
Notwendigkeit des flankierenden Schutzes - worauf in der
anstehenden Flexicurity-Debatte im Detail zurückzukommen sein
wird - ist zu beachten, dass zunehmende Flexibilität, zum
Beispiel in Form von Arbeitszeitkonten, Arbeitnehmenden mit
täglichen Familienpflichten, häufig Frauen, zwar entgegenkommen
kann, jedoch nur in dem Maße, wie die tatsächliche tägliche
Arbeitszeit nicht einseitig nach den Interessen der
Arbeitgeber/innen festgelegt werden kann. Deshalb sollte neben
Flexibilisierungsrechten der Unternehmen auch Optionalität für
die Beschäftigten gegeben werden. Nationale Gesetzgeber und
Sozialpartner sollten den durch die beiden Rahmenvereinbarungen
über Befristete Arbeitsverträge und Teilzeitarbeit gesteckten
Rahmen voll ausnutzen und - wie zuletzt in Spanien mit einem
entsprechenden Sozialpartnerabkommen geschehen - dafür sorgen,
dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht in eine
"Befristungsfalle" geraten.
Der djb setzt sich dafür ein, dass für die auch in der
Verfassungsvertragsdebatte als erforderlich gesehene Stärkung
sozialer Aspekte Gemeinschaftskompetenzen über das
Instrumentarium der Richtlinie 96/71 über die Entsendung von
Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen
hinaus geschaffen werden, um unter anderem eine europäische
Regelung zum Mindestlohn zu ermöglichen. Dieser Mindestlohn
erleichtert es insbesondere Frauen, eine Berufstätigkeit in einem
anderen Mitgliedstaat aufzunehmen, weil er Planungssicherheit
bietet. Dabei soll kein einheitliches europäisches Entgelt
festgelegt, sondern es sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet
werden, bei ausreichendem Umsetzungsspielraum einen Mindestlohn
national festzulegen.
2. Modernisierung des Arbeitsrechts
Aus Sicht des djb ist zu betonen, dass Teilzeitarbeit nicht
prekäre bzw. atypische Arbeit ist. Ein Teilzeitarbeitsvertrag ist
ein ganz normaler Arbeitsvertrag (auch mit dessen
Bestandsschutz), eben nur mit geringerer Arbeitszeit. Diese
Arbeitsform wird von vielen Erwerbstätigen gewünscht und wäre im
Idealfall u.a. eine Lösungsmöglichkeit für das
Beruf-Familie-Problem, indem beide Eltern Teilzeit arbeiten, so
wie es aus dem Norden Europas als Praxis bekannt ist.
Der Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit darf aber keine
Einbahnstraße sein. Wenn der Grund für die Reduzierung oder
Unterbrechung der Berufstätigkeit - oft aufgrund von
Familienpflichten - entfällt, muss auf Wunsch der Arbeitnehmenden
auch eine schrittweise Wiederaufstockung der Arbeitszeit
ermöglicht werden. Generell sind Übergänge zwischen Teil- und
Vollzeit und umgekehrt für Frauen und Männer zu erleichtern.
Darüber hinaus hält der djb eine Richtlinie mit
Mindestvorschriften zum Recht auf Freistellung zur Pflege
erkrankter Angehöriger für erforderlich.
Frage 5
Beim Kündigungsschutz darf es nicht um die einfache Festlegung
einer Frist gehen, sondern auch um die Verpflichtung, die Balance
zu halten, indem entsprechende flankierende Maßnahmen für die
Erwerbstätigen gleichfalls ergriffen werden. Zu beachten ist,
dass eine Kündigungsschutzregelung mit dem in dem jeweiligen
Mitgliedstaat vorhandenen Sozialschutz und
arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in Wechselbeziehung steht. Eine
europäische Regelung müsste alle diese Elemente umfassen.
Frage 7
Der djb erkennt an, dass ein transparenter Arbeitnehmerbegriff
Rechtssicherheit schafft. Daher ist notwendig, dass jeder
Rechtsakt, der diesen Begriff verwendet, ihn auch ausdrücklich
definiert.
Außerdem ist jeweils sorgfältig zu prüfen, ob es im Interesse der
Freizügigkeit der Arbeitnehmer/innen und/oder eines einheitlichen
Sockels sozialer Rechte in der europäischen Union angezeigt ist,
den Begriff nach dem Gemeinschaftsrecht zu bestimmen und in
Anlehnung an den Arbeitnehmer-Begriff des Art. 39 EGV sowie unter
Berücksichtigung der Empfehlung Nr. 198 betreffend das
Arbeitsverhältnis (2006) der ILO (Employment Relationship
Recommendation) zu definieren. In jedem Fall darf ein
gemeinschaftsrechtlicher Arbeitnehmer-Begriff nicht als
Rechtfertigungsgrund zu einer Absenkung des von den
Mitgliedstaaten bereits garantierten Schutzniveaus führen.
Soweit ein Verweis auf den nationalen Arbeitnehmer-Begriff nicht
zu vermeiden ist, regt der djb an, eine Internet-Plattform zu
schaffen, auf der die Mitgliedstaaten Informationen über das
jeweilige nationale Recht einstellen können (vergleichbar mit dem
Europäischen Justitiellen Netz für Zivil- und Handelssachen
(http//ec.europa.eu/civiljustice/)
Frage 8
Grundsätzlich und unabhängig von der Form des Vertrages hält der
djb besondere Maßnahmen zum Schutz von allein erziehenden Eltern,
die ja in der großen Mehrzahl Frauen sind, gegen Diskriminierung
für erforderlich.
Frage 10
Der djb spricht sich dafür aus, dass für die Leiharbeit ein
europäischer Rahmen mit Mindeststandards gesetzt werden und dafür
das bereits laufende Gesetzgebungsverfahren zu dem entsprechenden
Richtlinienvorschlag der Kommission unbedingt abgeschlossen
werden muss. Die Lohngleichstellung der Leiharbeitnehmerinnen und
-arbeitnehmer mit der festangestellten Belegschaft sollte von der
Einarbeitungszeit abhängig gemacht werden, spätestens aber nach
sechs Monaten erfolgen. Gleiche Arbeitsbedingungen müssen
selbstverständlich sein. Denkbar ist auch ein besonderer
Kündigungsschutz der Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer
gegenüber den Verleihunternehmen.
Frage 11
Erforderlich ist eine umfassende, nicht auf das Arbeitsrecht
beschränkte Zeitpolitik, die auf die Koordinierung der Zeiten
hinwirkt und auf diese Weise die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf fördert (Abstimmung der Zeiten z.B. von öffentlichen
Verkehrsverbindungen, Öffnung von Ämtern, Öffnung von Schulen und
Kindertagesstätten sowie auch anderer Dienstleistungen mit
Arbeitszeiten).
Der djb ist der Auffassung, dass eine Einigung zu dem in der
Diskussion befindlichen Arbeitszeitrichtlinienänderungsvorschlag
auf europäischer Ebene erforderlich ist. Die Lösung drängt und
muss den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den notwendigen
Schutz bieten. Der djb spricht sich gegen eine Absenkung des
Schutzniveaus und damit auch gegen die Möglichkeit einer
Ausstiegsklausel (opt out) aus. Vielmehr kann durch die Erhöhung
der Wochenarbeitszeit in Stoßzeiten eine durchschnittliche
angemessene Wochenarbeitszeit über einen längeren Zeitraum
erreicht werden. Aus Gründen der Vereinbarkeit von Familie und
Beruf spricht sich der djb gegen die Einführung einer dritten
Kategorie Bereitschaftsdienst aus. Dieser soll auch zukünftig
Arbeitszeit bleiben. Unerlässlich bleibt außerdem die
Beibehaltung des geltenden Standards von höchstens 48 Stunden
Wochenarbeitszeit. Vorschläge, die zulässige Wochenarbeitszeit
darüber hinaus zu erhöhen, dienen nicht gewünschter flexibler
Arbeitszeitgestaltung, sondern stellen eine Verschlechterung von
Arbeitsbedingungen dar.
Die Tatsache, dass die europäischen Regelungen zur Arbeitszeit
auf die Verbesserung des Gesundheitsschutzes und die Sicherheit
der Arbeitnehmer bei der Arbeit gerichtet ist, darf nicht dazu
führen, dass der Zusammenhang zwischen der Arbeitszeitgestaltung
und der Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben ausgeblendet
wird. Der Eindruck, dass dieser Zusammenhang negiert wird, drängt
sich jedoch auf, wenn man einige der Stellungnahmen der
Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene betrachtet, wie sie in dem
Papier "Zweite Phase der Anhörung der Sozialpartner auf
Gemeinschafsebene hinsichtlich der Überarbeitung der Richtlinie
93/104/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung" zum
Ausdruck kommen. Entgegen einem solchen Trend in den genannten
Stellungnahmen möchte der djb betonen, dass
gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen zur Arbeitszeitgestaltung
stets die Förderung der Vereinbarkeit von Berufs- und
Familienleben einbeziehen sollten. Es reicht nicht aus, das Thema
"Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben" nur in einer
eigenen Richtlinie anzugehen. Dieses Thema muss als
"Querschnittaufgabe" in allen Regelungsbereichen des
Arbeitsrechts mitgedacht werden. Denn diese Vereinbarkeit steht
in Frage, für Männer ebenso wie für Frauen, wenn z.B. die
Arbeitszeit ausufert und dieses über Opt-out-Möglichkeiten und
weitere Ausnahmeregelungen gebilligt wird. Schließlich möchten
wir darauf hinweisen, dass es sich wettbewerbsverzerrend
auswirkt, wenn die derzeitige Praxis des Opt-out beibehalten
wird.
Strukturelle Engpässe in Wirtschaftsbereichen, die kommerziell
weniger lukrativ erscheinen, z. B. im Gesundheits- und
Pflegewesen, wo viele Frauen tätig sind, dürfen nicht zu Lasten
der Beschäftigten, ihrer Gesundheit und ihrer Familien gelöst
werden, indem die Arbeitszeit ausgedehnt wird. Zum Beispiel
stehen Bereitschaftszeiten, die am Arbeitsplatz oder in seiner
Nähe verbracht werden müssen, nicht der Familie und den dort zu
erledigenden Aufgaben zur Verfügung, oder Rufbereitschaft für
Personen mit Familienpflichten implizieren die Notwendigkeit der
Absicherung einer sofort verfügbaren Kinderbetreuung im Fall des
Rufes zur Arbeit. In unserer mobilen Gesellschaft, in der es
längst nicht mehr selbstverständlich ist, dass Angehörige wie
z.B. Großeltern, die schnell und unkompliziert einspringen
könnten, in der Nähe leben, muss es selbstverständlich werden,
solche Aspekte bei jeder Arbeitszeitregelungen aktiv zu
berücksichtigen. Das kann wettbewerbsneutral am besten durch
einheitliche Regelungen auf europäischer Ebene erreicht
werden.
Es ist wünschenswert, die bestehende - und an sich ausreichende -
rechtliche Regelung zum Mindesturlaub (Artikel 7 der RL
2003/88/EG) mit flankierenden Maßnahmen der Aufklärung und
Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen, um zu zeigen, wie in den
vielfältigen Formen der Nicht-Standard-Beschäftigungsverhältnisse
der Anspruch auf tatsächlichen Erholungsurlaub praktisch
verwirklicht werden kann (und im Ergebnis verwirklicht werden
muss, da unabdingbar). Dabei muss deutlich gemacht werden, dass
z.B. befristete Verträge nicht dazu führen dürfen, dass
Urlaubsansprüche während der Vertragsdauer kaum verwirklicht,
sondern im Ergebnis ausgezahlt werden.
"Arbeit auf Abruf", z.B. im Verkaufsbereich, trifft insbesondere
Frauen und sollte mit europäischen Rahmenvorschriften so geregelt
werden, dass bei Vertragsabschluss das Ausmaß der Arbeit in einem
bestimmten Bezugszeitraum und das daraus resultierende Entgelt
klar ersichtlich sind. Eine einseitige Verlagerung des
Geschäftsrisikos auf die Beschäftigten könnte damit vermieden
werden (vgl. zur Problematik: Rechtssache C-313/02, Wippel / Peek
& Cloppenburg GmbH & Co. KG).
Fragen 13 und 14
Der djb hält eine verstärkte Verwaltungszusammenarbeit bei der
Aufnahme grenzüberschreitender Arbeitstätigkeit und zur
Bekämpfung von Schwarzarbeit auf EU-Ebene zwischen den
zuständigen Behörden für erforderlich mit dem Ziel der
Sicherstellung der Einhaltung des Gemeinschaftsrechts durch
Aufdeckung und Bekämpfung von Missbrauch und der Umgehung der
Arbeitsgesetze. Strategien zur Überprüfung von Arbeitsbedingungen
und Arbeitspraktiken müssen verbessert werden. Hierfür sind
Regelungen auf europäischer Ebene notwendig. Hierbei sollte
überprüft werden, ob die Erfahrungen mit der
Verwaltungszusammenarbeit in Zusammenhang mit den selbständigen
Dienstleistungen für diesen Bereich fruchtbar gemacht werden
können.
Berlin, 28. März 2007
Jutta Wagner
Präsidentin
Dr. Katja Rodi
Vorsitzende der Kommission Öffentliches Recht, Europa- und
Völkerrecht
Prof. Dr. Sibylle Raasch
Vorsitzende der Kommission Arbeits-, Gleichstellungs- und
Wirtschaftsrecht
im Folgenden: Grünbuch Arbeitsrecht
Leitlinie 21, Anhang zur Entscheidung des Rates über
Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der
Mitgliedstaaten vom 12. Juli 2005