Stellungnahme: 06-24


zum Entwurf eines Gesetzes zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge und zur Anpassung des Rechts der Insolvenzanfechtung (BT/Drs. 16/886) - Öffentliche Anhörung im BT-Rechtsausschuss am 27.9.2006

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem sozial- und frauenpolitisch bedeutsamen Gesetzentwurf. Mit Blick auf den weiterhin notwendigen Abbau bestehender geschlechtsspezifischer Diskriminierungen beziehen sich unsere Ausführungen auf § 851 c E-ZPO und auf § 173 VVG.

Vorbemerkung

Die geplante Einführung eines Pfändungsschutzes für die private Altersvorsorge Selbständiger ist eine notwendige Folge des Abbaus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse. Zutreffend wird in der allgemeinen Begründung (A.I.1.) des Gesetzentwurfes ausgeführt, dass die ungleiche Behandlung von Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmern und Selbständigen, die der bzw. dem Selbständigen auf Grund ihrer bzw. seiner „gehobenen sozialen Stellung eine höhere soziale Verantwortung und Mündigkeit“ unterstelle, welche sie bzw. ihn nicht in gleicher Weise schutzbedürftig erscheinen lasse wie die „Angehörigen der sozialen Unterschichten“, heute nicht mehr überzeugen könne.

Tatsächlich lässt der Rückgang sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse einer wachsenden Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern nur noch die Entscheidung zwischen Selbständigkeit und Erwerbslosigkeit. Neben den „traditionell Selbständigen“ mit dem oben beschriebenen hohen Sozialprestige und Einkommen gibt es die vielen „neuen Selbständigen“, deren Einkommen häufig genug gerade für den täglichen Bedarf und die notwendigen Anschaffungen für den Betrieb ausreichen, nicht aber für den Aufbau einer Alterssicherung. Sie stehen zudem dem verwirrenden Angebot der Finanzdienstleister eher unmündig gegenüber. Zu dieser Gruppe gehören auch viele (ehemalige) Familienfrauen, die nach Trennung und Scheidung ohne ausreichende Unterhaltszahlungen und ohne eine reale Chance auf ein auskömmliches abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht nur im fortgeschrittenen Lebensalter den Schritt in die Selbständigkeit als einzige Chance sehen.

Insbesondere diese „neuen (kleinen) Selbständigen“ werden nur dann in ihre Altersvorsorge investieren, wenn sie sicher sein können, dass das Ansparkapital im Falle der Insolvenz nicht gepfändet wird. Sie werden auch nur dann eine langfristige Vertragsbindung eingehen, wenn sie nachvollziehen können, was mit ihrem Geld bis zum Auszahlungszeitpunkt geschieht – das heißt, wenn sie aus der inzwischen nur noch für Spezialisten durchschaubaren Vielzahl von Produkten ohne zusätzliche Beratung eine begründete Auswahlentscheidung treffen können. Gesetzlich festgelegte Kriterien für die pfändungssicheren Produkte helfen dabei. Darüber hinaus wäre zu überlegen, wie die notwendige Aufklärung vor Vertragsabschluss sichergestellt werden kann – hier sieht der djb noch einigen Handlungsbedarf des Gesetzgebers.

1. § 851 c ZPO-E

1.1 Die Vorschrift spricht von „Renten“ und schränkt damit den Anwendungsbereich auf Lebensversicherungen ein. Der Abschluss einer Lebensversicherung ist wegen der hohen Abschlussprovision im fortgeschrittenen Alter unattraktiv. Wer einen späten Start in die Selbständigkeit erfolgreich bewältigt hat, wird nach einer anderen Vorsorgestrategie Ausschau halten müssen, die gleichfalls pfändungssicher ist. Der djb hält es daher für geboten, die klar definierten Kriterien des § 851 c Abs.1 Nr 1-4 ZPO-E auch auf andere geeignete Produkte wie z.B. Sparpläne etc. auszuweiten und die Vorschrift klarstellend redaktionell anzupassen.

1.2  § 851 c Nr. 3 ZPO-E schließt die Bestimmung eines Dritten als Berechtigtem aus. Damit wird anders als nach § 53 SGB I ein Vollstreckungsschutz für die Hinterbliebenenabsicherung nicht gewährt und ein großer Teil der abgeschlossenen Altverträge vom Pfändungsschutz ausgenommen.

Der djb tritt seit vielen Jahren im Interesse der Verwirklichung des Verfassungsgebotes der Gleichberechtigung der Geschlechter für die eigenständige Existenzsicherung in der Erwerbsphase wie im Alter ein. Er hat im Jahr 2000 ein Rentenmodell vorgestellt, welches in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Aufteilung der in der Ehe von beiden Partnern erworbenen Rentenanwartschaften auf zwei getrennte Rentenkonten vorsieht. Die abgeleitete Hinterbliebenensicherung für Ehegatten soll - mit den in der Sozialversicherung üblichen Übergangsfristen - durch die so ermöglichte Begründung eigenständiger Anwartschaften insgesamt entbehrlich werden.

Dieses Prinzip der Eigenständigkeit muss umso mehr für die private Alterssicherung gelten. Grundsätzlich begrüßt der djb daher die implizite Förderung einer individuellen Alterssicherung der Ehegatten durch die Regelung des § 851 c Nr. 3 ZPO-E. Allerdings müssen für Altfälle (wie auch im Sozialversicherungsrecht) Übergangsregelungen geschaffen werden. Dies kann z.B. dadurch geschehen, dass Altverträge, das heißt solche, die vor Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen wurden, unter der Bedingung, dass die bzw. der Begünstigte unwiderruflich bestimmt wird, in Abweichung von § 851 c Nr. 3 ZPO-E in den Pfändungsschutz einbezogen werden. Weiter muss die Grenze des jährlich pfändungsfrei anzusparenden Vermögens für diese Altverträge erhöht werden. Wer mit einem Lebensversicherungsvertrag nicht nur den eigenen Bedarf im Alter absichern will, sondern auch den seiner unterhaltsberechtigten Partnerin oder seines Partners, wird schwerlich mit einer Rendite aus 194.000 Euro auskommen. Zutreffend wird in der Begründung festgestellt, dass eine langfristige Prognose über die Entwicklung der Kapitalmarktzinsen, Sterblichkeitsrisiko und Pfändungsfreigrenzen nicht möglich ist. Offensichtlich wird aber angenommen, dass 194.000 Euro eine Rente von derzeit pfändungsfreien 930 Euro ergeben. Das mag für eine Person ausreichen, nicht jedoch für zwei.

Grundsätzlich verschieden von der Absicherung der Ehegatten ist die Absicherung der Kinder zu beurteilen. Sie sollten, soweit für sie die Voraussetzungen eines Kinderfreibetrages oder von Kindergeld vorliegen, durch unwiderrufliche Zuwendung einer Waisenrente in den pfändungssicheren Alterssicherungsvertrag einbezogen werden können. Insoweit wäre § 851 c Nr. 3 ZPO-E zu ergänzen, wobei die redaktionelle Ausformung dem Gesetzgeber überlassen bleibt.

2. § 173 VVG-E i.V. mit § 166 VVG

Die Möglichkeit der Umwandlung von Altverträgen in solche, die den Kriterien des § 815c Abs. 1 Nr. 1-4 ZPO-E genügen, ist im Sinne des Vertrauensschutzes geboten. Mit Blick auf die vorerwähnten Altfälle fordert der djb, dass eine Umwandlung von Versicherungsverträgen mit Hinterbliebenenabsicherung abhängig gemacht wird von einer unwiderruflichen Bestimmung der bzw. des Bezugsberechtigten.

Jutta Wagner                     
Präsidentin        

Claudia Altschwager-Hauser 
Kommission Recht der sozialen Sicherung,
Familienlastenausgleich