Stellungnahme: 06-19


Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes BT-Drs 16/1889 - Vorschlag einer Neuregelung für kurze Geburtenfolgen und Mehrkindfamilien

Stellungnahme vom

Offener Brief
an die Mitglieder des
Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend des Deutschen Bundestages
 

Berlin, 12. September 2006

Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes BT-Drs 16/1889
hier: Vorschlag einer Neuregelung für kurze Geburtenfolgen und Mehrkindfamilien

In der Anhörung des Familienausschusses des Deutschen Bundestags zum Elterngeld, aber auch schon in der Verbändeanhörung durch das zuständige Ministerium ist allgemein deutlich geworden, dass die Berechnung des Elterngeldes bei Familien mit mehreren Kleinkindern nicht befriedigend gelöst ist. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass beim zweiten oder weiteren Kind oft nicht mehr beide Elternteile voll erwerbstätig sind, was an der persönlichen Lebensentscheidung der Eltern oder an den schlechten Betreuungsmöglichkeiten für unter Dreijährige in Deutschland liegt, die eine Vollzeiterwerbstätigkeit neben der Kinderbetreuung praktisch unmöglich macht. Aus der Sicht der Eltern bedeutet dies, dass für das zweite oder weitere Kind ein wesentlich geringeres Elterngeld gewährt werden wird. Wir haben daher im Anschluss an die Anhörung durch das Ministerium und den Deutschen Bundestag nach einem alternativen Modell für Mehrkindfamilien gesucht, das die unterschiedlichen Familienkonstellationen und Erwerbsverläufe beider Eltern bei der Elterngeldberechnung angemessen berücksichtigt.

Konzeptionell sollte bei zwei oder mehr Kindern ein höherer Leistungssatz als 67%des zuletzt erzielten Nettoeinkommens gewährt werden, der mit einem festen Erhöhungsbetrag zu kombinieren ist. Wir schlagen vor, das nach den allgemeinen Vorschriften errechnete Elterngeld um 10 % zu erhöhen, was einer Erhöhung des Leistungssatzes auf 73,7 % entspricht. Damit würde berücksichtigt, dass es schwerer möglich ist, bei mehreren Kindern auf ein Drittel des Einkommens zu verzichten. Eine Erwerbstätigkeit mit kleinen Kindern oder ein Wechsel in der Betreuung durch die Eltern wäre so bei der Berechnung des Elterngeldes für das Geschwisterkind finanziell attraktiv. Gleichzeitig sollte das Elterngeld mindestens um einen Festbetrag von vorgeschlagenen 75 Euro monatlich erhöht werden, um eine merkbare Leistungserhöhung auch für Einverdienerehen und solche Familien anzubieten, in denen zwischen den Geburten der Kinder nur eine gering entlohnte Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde. Die besondere Problematik, dass bei sehr kurzen Geburtenfolgen von bis zu 24 Monaten wegen des Einkommensbezugszeitrahmens von 12 Monaten vor der Geburt bzw. Mutterschutzfrist kein voller neuer Elterngeldanspruch entstehen kann, wenn Elternzeit in Anspruch genommen wurde, sollte dadurch gelöst werden, dass der Elterngeldbezug aus dem Einkommensbezugszeitraum herausgerechnet wird.

Gesetzestechnisch ausformuliert könnte das Konzept wir folgt umgesetzt werden:

Neu: § 3 Geschwisterbonus

(1) Leben einschließlich des Kindes, für das Elterngeld beansprucht wird, zwei Kinder in einem Haushalt, die das 3. Lebensjahr nicht vollendet haben, oder drei und mehr Kinder, die das 6. Lebensjahr nicht vollendet haben, so wird das nach § 2 bestimmte Elterngeld um 10 Prozent, mindestens jedoch 75 Euro erhöht (Geschwisterbonus). Zu berücksichtigen sind nur Kinder, für die ein Elternteil kindergeldberechtigt ist. Die Altersgrenze nach Satz 1 erhöht sich bei behinderten Kindern im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 3 Bundeskindergeldgesetz auf 14 Jahre.

(2) Der Geschwisterbonus entfällt mit dem Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen nach Abs. 1 wegfallen.

(3) § 2 Abs. 6 bleibt unberührt.

§ 2 Abs. 1 Satz 3 wird wie folgt gefasst:

Die nach Satz 1 maßgeblichen zwölf Kalendermonate sind ohne Berücksichtigung der Zeiten des Bezuges von Mutterschaftsgeld oder Elterngeld im Bezugszeitraum nach § 4 Abs. 1 und ohne Berücksichtigung der Zeiten zu bestimmen, in denen das Einkommen wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückgehenden Erkrankung ganz oder teilweise ausfällt.

§ 2 Abs. 4 wird gestrichen.

Wir bitten um Überprüfung, ob auf dieser Grundlage eine Lösung im Elterngesetz gefunden werden kann, durch die die Problematik von Mehrkindfamilien besser gelöst werden kann.

Mit freundlichen Grüßen

  • Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V., Ilsa Diller-Murschall, stellv. Geschäftsführerin, Bonn
  • Prof. Dr. Miriam Beblo, Fachhochschule für Wirtschaft, Berlin - als Sachverständige vom Familienausschuss des Deutschen Bundestages zum Elterngeld gehört
  • Prof. Dr. Hans Bertram, Humboldt-Universität zu Berlin – als Sachverständiger vom Familienausschuss des Deutschen Bundestages zum Elterngeld gehört
  • Deutscher Frauenrat e.V., Brunhilde Raiser, Vorsitzende, Berlin[1]
  • Deutscher Gewerkschaftsbund, Claudia Menne, Berlin – als Sachverständige vom Familienausschuss des Deutschen Bundestages zum Elterngeld gehört
  • Deutscher Hausfrauen-Bund e.V., Angelika Grözinger, Präsidentin, Hamburg
  • Deutscher Juristinnenbund e.V., Dr. Christine Fuchsloch, Berlin - als Sachverständige vom Familienausschuss des Deutschen Bundestages zum Elterngeld gehört
  • Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen e.V., Prof. Dr. Ute Gerhard, Berlin – als Sachverständige vom Familienausschuss des Deutschen Bundestages zum Elterngeld gehört
  • Dr. Thomas Gesterkamp, Freier Journalist und Autor, Köln – als Sachverständiger vom Familienausschuss des Deutschen Bundestages zum Elterngeld gehört
  • Verband alleinerziehender Mütter und Väter Bundesverband e.V., Edith Schwab, Bundesvorsitzende, Berlin
  • Wirtschaftsjunioren Deutschland , German Drechsler, Bundesvorsitzender, Berlin[2]
  • Zentralkomitee der deutschen Katholiken, Prof. Dr. Hans Joachim Meyer, Bonn - als Sachverständiger vom Familienausschuss des Deutschen Bundestages zum Elterngeld gehört
  • Zukunftsforum Familie e.V., Christiane Reckmann, Vorsitzende, Bonn

 


[1]    Der Deutsche Juristinnenbund e.V., der Deutsche Hausfrauenbund e.V. und der Verband alleinerziehender Mütter und Väter Bundesverband e.V. sind Mitgliedsverbände des Deutschen Frauenrates, die sich in besonderer Weise mit dieser Frage befasst haben. Der Vorstand des Deutschen Frauenrates unterstützt diese Forderungen für den Deutschen Frauenrat.

[2]    Die Zustimmung gilt unter der Voraussetzung, dass der bisher gesetzte Finanzierungsrahmen des Elterngeldes nicht überschritten wird.