Stellungnahme: 06-18


zum Entwurf des zweiten Gesetzes zur Änderung des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes (HGlG)

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) begrüßt den Entwurf. Nach Auffassung des djb ist die Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Berufsleben noch nicht erreicht. Gesetzliche Regelungen zur Durchsetzung der Gleichberechtigung bleiben deswegen weiter erforderlich. Positiv sind die Ansätze zur Verankerung des Gender Mainstreaming im Gesetz sowie die Verpflichtung des Dienstherren zum aktiven Abbau der Unterrepräsentanz von Frauen im öffentlichen Dienst. Der djb begrüßt auch, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in die Zielbestimmung des Gesetzes aufgenommen wurde.

Vereinzelt stellt der djb Verschlechterungen gegenüber der gegenwärtigen Gesetzeslage fest. Ein Zurückfallen des Entwurfes hinter das bisher geltende Gesetz ist unverständlich, da der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 28. März 2000 in der Rechtssache Badeck (Rs.C-158/97) das HGlG in seiner gegenwärtigen Fassung bestätigt hat.

Bei folgenden Punkten sieht der djb einen dringenden Verbesserungsbedarf:

§ 1 – Ziel des Gesetzes

Das Gesetz sollte deutlich machen, dass es ihm nicht nur um die allgemeine Beseitigung von Unterrepräsentanz von Frauen im öffentlichen Dienst geht, sondern insbesondere auch um die Beseitigung der Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen. Der djb fordert daher die Ergänzung des § 1 um folgende kursiv gedruckte Worte:

Ziel des Gesetzes ist die Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern, die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Beseitigung bestehender Unterrepräsentanz von Frauen im öffentlichen Dienst auf allen Ebenen.

§ 2 – Geltungsbereich

Das Tatbestandsmerkmal „alleinigen“ in § 2 Abs. 2 Satz 1 und § 2 Abs. 1 Nr.10 ist zu streichen. Zwar wiederholt der Entwurf lediglich den Wortlaut des bisherigen §2 Abs.2 der geltenden Gesetzesfassung, es hat sich jedoch in der Vergangenheit gezeigt, dass es durch dieses Tatbestandsmerkmal zu Geltungslücken etwa im Bereich länderübergreifender Kooperationen kommen kann, die durch dessen Streichung vermieden werden können.

Der Staat darf sich seinen verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Verpflichtungen nicht durch Privatisierung staatlicher Vermögen und Übertragung staatlicher Aufgaben auf Private entziehen. Die Diskriminierungsverbote gelten auch unter Privaten (s. EuGH in der Rechtssache Mangold vom 22. Oktober 2005, Rs. C-144/04). Dasselbe gilt für die Auftragsvergabe und Leistungsgewährung. Die Verpflichtung der öffentlichen Gewalt, Gleichstellung aktiv zu fördern, erstreckt sich auch auf Bereiche, in denen der Staat sich Privater zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient. Sie hat daher auch im Bereich der Auftragsvergabe die Auftragnehmenden zur Einhaltung der Grundsätze des Gleichstellungsrechts zu verpflichten. Zudem ist im Bereich der Vergabe freiwilliger Leistungen (der öffentlichen Hand) eine entsprechende Verpflichtung des Leistungsempfängers vorzusehen. Mehrere Landesgleichstellungsgesetze (etwa Brandenburg, Thüringen, Berlin und das BGleiG) sehen bereits entsprechende Regelungen vor.

Damit der Geltungsbereich des Gesetzes auch privatisierte Unternehmungen erfasst, sollte §2 durch die Aufnahme eines zusätzlichen Absatzes wie folgt erweitert werden:

Bei der Gründung eines Unternehmens in Rechtsformen des Privatrechts durch das Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband soll die Anwendung dieses Gesetzes im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden. Es ist darauf hinzuwirken, dass Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmen, deren Anteile sich unmittelbar oder mittelbar ganz oder überwiegend in öffentlicher Hand befinden oder die überwiegend mit Landesmitteln unterhalten werden, dieses Gesetz berücksichtigen. Dasselbe gilt für die öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungskörperschaften der Wirtschaft und der freien Berufe.

Damit der Geltungsbereich des Gesetzes auch die Auftragsvergabe und Leistungsgewährung umfasst, sollte §2 durch die Aufnahme eines weiteren zusätzlichen Absatzes erweitert werden. In Anlehnung an § 27 LGG Saarland schlagen wir folgende Formulierung vor:

Beim Abschluss von Verträgen über Leistungen sowie bei allen freiwilligen staatlichen und kommunalen Leistungen soll durch vertragliche Vereinbarung bzw. Auflagen sichergestellt werden, dass bei der Ausführung des Auftrages bzw. der Verwendung der Mittel die Grundzüge dieses Gesetzes Beachtung finden.

Soweit Aufträge öffentlich ausgeschrieben werden, ist darauf hinzuweisen, dass die Grundzüge dieses Gesetzes Beachtung finden. Ebenso ist darauf hinzuweisen, dass der Zuschlag zwischen zwei wirtschaftlich gleichwertigen Angeboten danach erfolgen kann, welcher Anbieter bereits konkrete Maßnahmen zur Frauenförderung ergriffen hat.

§ 3 – Grundsätze

Der Gesetzgeber hat zwar Gender Mainstreaming als Ziel abstrakt im Gesetz verankert, dem Gesetzentwurf liegt aber ein verkürztes Verständnis des in Art. 3 Abs. 2 EGV niedergelegten Prinzips des Gender Mainstreamings zu Grunde, indem lediglich Entscheidungen einbezogen werden, die Auswirkungen auf die Beschäftigten haben können. Eine derartige Beschränkung auf das Innenverhältnis wird dem Charakter des Gender Mainstreaming als Querschnittsaufgabe in allen Bereichen nicht ausreichend gerecht. Vielmehr ist auch die Außenperspektive einzubeziehen. Gender Mainstreaming fordert eine Berücksichtigung bei allen Entscheidungen und Maßnahmen der öffentlichen Verwaltung, auch solchen mit Außenwirkung. Der djb fordert deswegen, dass die Beschränkung auf Beschäftigungsverhältnisse aufgehoben wird. Zudem fordert der djb, dass die Verantwortlichkeit der Leitungsebene für das Gender Mainstreaming ausdrücklich im Gesetz verankert wird.

§ 3 Abs. 1 sollte deswegen folgende Fassung erhalten:

Die Dienststellen und ihre Beschäftigten, insbesondere mit Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben, haben bei allen Entscheidungen und Maßnahmen die Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern als Leitprinzip zugrunde zu legen.

§ 6 - Frauenförderpläne

Es fehlen ernstzunehmende Sanktionen bei der Verletzung der Pflicht zur Aufstellung und Beachtung von Frauenförderplänen. Das ist unverständlich angesichts des Befundes, dass schon die bisherigen Frauenförderpläne nicht befriedigend erstellt und umgesetzt wurden.

§ 8 – Ausschreibung

Der Entwurf verzichtet auf die öffentliche Ausschreibung. Dies ist eine Verschlechterung gegenüber der gegenwärtigen Gesetzeslage. In Bereichen, in denen kaum Frauen beschäftigt sind, lassen sich über interne Ausschreibungen schwerlich zusätzliche Bewerberinnen finden. Mangels Zugang zum Intranet haben Quereinsteigerinnen keine Möglichkeit, sich zu bewerben. Diese Regelung führt deswegen dazu, dass Unterrepräsentanz nicht etwa abgebaut, sondern geradezu zementiert und reproduziert wird. Sie verstößt deswegen gegen das Untermaßverbot, weil eine effektive Maßnahme (öffentliche Ausschreibung) durch eine weniger effektive (interne Ausschreibung im Intranet) ersetzt wird. Der Abbau bereits bestehender Instrumente zur Förderung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern ist unzulässig. Der Wegfall der öffentlichen Stellenausschreibung wird in der Begründung zum Gesetzentwurf als Anpassung an § 8 Abs. 2 Hessisches Beamtengesetz (HBG) bezeichnet. Dieses Argument überzeugt aber schon deshalb nicht, weil dieses Gesetz bereits fünf Jahre vor dem HGlG in Kraft trat. Zudem beschränkt sich § 8 HBG auf die Ausgestaltung und Begründung von Beamten- und Richterverhältnissen, der Anwendungsbereich des HGlG geht jedoch darüber hinaus. Ferner lässt zwar § 8 Abs. 2 Satz2 HBG innerhalb gewisser Grenzen Ausnahmen von der Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung zu, diese sind aber nicht zwingend vorgeschrieben. Mit dem Verzicht auf die öffentliche Ausschreibung gefährdet der Gesetzgeber das Prinzip der Bestenauslese (Art. 33 GG) und fördert Intransparenz bei der Stellenvergabe. Daher muss die Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung beibehalten werden.

§ 10 Abs. 3 – Auswahlkriterien

Der djb lehnt die Streichung von § 10 Abs. 3 ab, wonach Familienstand und Partnereinkommen bei der Auswahlentscheidung nicht berücksichtigt werden dürfen. Dieser Ausschluss muss jedoch beibehalten werden, weil gerade solche Überlegungen geeignet sind, Frauen, die in der Regel immer noch weniger verdienen als ihre Partner, als bloße Zuverdienerinnen zu benachteiligen. Dies will § 3 Abs. 2 gerade verhindern. Deshalb bleibt eine klare Handlungsanweisung notwendig.

§ 11 Abs. 2 – Fortbildung

Der djb ist der Ansicht, dass § 11 Abs. 2 in der derzeitigen Fassung beizubehalten ist. Der kontinuierlich steigende Anteil von Frauen an Fortbildungsmaßnahmen ist zwar erfreulich, darf aber nicht zum Anlass genommen werden, auf zielgenaue Angebote für Frauen zu verzichten. Solange in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung strukturelle Barrieren für die berufliche Fortentwicklung von Frauen bestehen, reicht es nicht aus, sich auf die für den Personalentwicklungsbedarf der konkreten Dienststelle erforderlichen Maßnahmen zu beschränken.

§ 12 – Gremien

Um die effektive Umsetzung des Zieles der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten, soll § 12 durch folgenden Satz ergänzt werden:

Sitzungszeiten von Gremien sind so zu gestalten, dass sie den Teilnehmenden die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen.

§ 17 – Widerspruchsrecht/Klagerecht

Der djb hält es für unerlässlich, ein Klagerecht für die Frauenbeauftragte vergleichbar zu § 22 Bundesgleichstellungsgesetz zu schaffen.

§ 19 - Auflösung und Teilauflösung von Dienststellen

Will man die Unterrepräsentanz von Frauen im öffentlichen Dienst wirklich beseitigen, dürfen sich entsprechende Maßnahmen nicht auf Neueinstellungen beschränken. Sie müssen vielmehr auch im Rahmen des Stellenabbaus greifen. Hier ist in Bereichen, in den Frauen ohnehin schon unterrepräsentiert sind, darauf zu achten, dass sich dort der Frauenanteil infolge des Stellenabbaus nicht noch weiter verringert. Der Deutsche Juristinnenbund schlägt daher folgende Ergänzung durch einen weiteren Absatz vor:

Führen personalwirtschaftliche Maßnahmen zu einem Stellenabbau, so ist darauf hinzuwirken, dass sich der Anteil von Frauen in Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind, nicht verringert. Dies gilt auch für Vorgesetzten- und Leitungsfunktionen.

Gesetzliche Verankerung von Berichtspflichten, Evaluation- und Controlling-Instrumentarien

Die Vermeidung geschlechtsspezifischer Auswirkungen von Verwaltungsentscheidungen ist nur anhand gesicherter empirischer Daten und Kontrolle der getroffenen Entscheidungen möglich. Gender Main­streaming erfordert daher eine Implementierung von wirksamen Evaluations- und Controlling-Instrumentarien. Diese Pflicht zur verstärkten Folgenabschätzung im Rahmen des Entscheidungsprozesses und die Pflicht zu stetiger Überprüfung getroffener Entscheidungen lässt sich auch aus den europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien ableiten. Sie definieren den Begriff der mittelbaren Diskriminierung neu: Danach liegt mittelbare Diskriminierung bereits dann vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen des Geschlechts in besonderer Weise benachteiligen können. Es geht also nicht nur darum, nicht zu diskriminieren, sondern auch darum, Diskriminierungsgefahren bei der Ausgestaltung von Normen und Entscheidungen zu vermeiden. Entsprechend leitet der EuGH in seiner Entscheidung Mangold (Rs. C-144/04) eine Pflicht des Gesetzgebers ab, in den Normsetzungsprozess empirische Daten und genaue Analysen der sozialen Realität einzubeziehen. Ähnliche Vorgaben finden sich auch im Mutterschutzurteil des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 302/96 vom 18. November 2003): "Der Gesetzgeber ist gehalten, der Gefahr, dass sich die von ihm erlassenen Schutzvorschriften in der Wirklichkeit des Arbeitslebens diskriminierend auswirken können, zu begegnen und sie so weit wie möglich durch geeignete Regelungsmechanismen auszugleichen."

Im Entwurf fehlt eine hinreichende Verpflichtung zur Evaluation. Zwar sieht der Gesetzentwurf in § 6 Abs. 6 eine gegenüber der gegenwärtigen Gesetzesfassung detailliertere Berichtspflicht für Frauenförderpläne vor. Diese hält der djb jedoch immer noch nicht für ausreichend. Es wäre wünschenswert, die geforderte Datenbasis noch stärker zu konkretisieren wie dies beispielsweise in § 19 Abs. 2 und 3 LGG Berlin realisiert wird. Auch sieht der Entwurf in § 6 Abs. 7 eine Berichterstattung an den Landtag lediglich am Ende der nächsten vier Jahre vor. Erkenntnisse, die sich aus den Zwischenberichten an die jeweils zuständigen Dienststellen ergeben, können so nicht für (übergreifende) Veränderungsprozesse (die über den Bereich der einzelnen Dienststelle hinausgehen) nutzbar gemacht werden. Der Deutsche Juristinnenbund fordert den Landesgesetzgeber auf, eine Berichtspflicht wie in § 19 des LGG Berlin in einer gesonderten Vorschrift einzuführen.

Noreen von Schwanenflug
Vorsitzende des Landesverbands Hessen