Stellungnahme: 06-14


zum ergänzten Referentenentwurf vom 14. Februar 2006 eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbar-keit (FGG-Reformgesetz)

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme und begrüßt ausdrücklich die Absicht des Gesetzgebers, die Verfahrensordnungen aus dem vergangenen Jahrtausend (das FGG stammt aus dem Jahre 1898) einer Überprüfung und Anpassung im Sinne von „mehr Transparenz“ und „Bürgernähe“ zuzuführen.

Der vorgelegte Referentenentwurf des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit hat sich dabei gleich mehreren anspruchsvollen Aufgaben gestellt. Zum einen soll eine Verfahrensordnung neu konzipiert werden, deren Anwendungsbereich eine Vielzahl von Verfahrensgegenständen - es mag dahinstehen, ob es 228 oder gar mehr sind – umfasst, und zum anderen soll das familiengerichtliche Verfahren vollständig einbezogen und zusammengefasst geregelt werden.

Die nachfolgende Stellungnahme befasst sich vorrangig mit dem familiengerichtlichen Verfahren, wobei nur die Vorschriften näher erörtert werden, denen der djb in Inhalt und Bedeutung kritisch gegenübersteht.

Allgemein bleibt anzumerken, dass das Ziel des Entwurfs – die Vereinfachung und Überschaubarkeit der verfahrensrechtlichen Regelungen im Familienrecht - nicht durchgängig erreicht worden ist. Bedingt durch die häufigen Verweisungen ist das Auffinden der einschlägigen Vorschriften zeitintensiv und fehleranfällig. Auch regen wir an, durch eine sprachliche Überarbeitung einzelner Vorschriften deren Lesbarkeit zu erleichtern (z.B. § 135 Abs. 2 FamFG).

Unabhängig von der Neuordnung der familiengerichtlichen Verfahren wird die Einrichtung eines Großen Familiengerichts - insgesamt - begrüßt. Insbesondere bei den Ansprüchen zwischen den Ehegatten im Rahmen der so genannten unbenannten Zuwendungen und den Ausgleichsansprüchen zwischen Ehegatten als Miteigentümern ist es sachdienlich, wenn diese Angelegenheiten demselben Gericht zugewiesen sind und im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit den übrigen familienrechtlichen Ansprüchen verhandelt werden können. Auch die Aufspaltung der Zuständigkeiten im Rahmen von steuerrechtlichen Ansprüchen ist nicht nachvollziehbar. Es wird hier aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Aufgabenerweiterung des Familiengerichts durch personelle Maßnahmen unterstützt werden muss, damit die Vorteile der Neuregelung nicht durch eine Verzögerung und Verlängerung der Verfahrensdauer zunichte gemacht werden.

Artikel 1:    Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)

Buch 1 – Allgemeiner Teil
Abschnitt 6 – Rechtsmittel
Titel 2 – Rechtsbeschwerde

Zu § 73 FamFG (Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde)
und § 75 FamFG (Gründe der Rechtsbeschwerde)

Die §§ 73, 75 sind für den Bereich von betreuungs- und unterbringungsrechtlichen Verfahren zu ergänzen.

Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde darf nicht nur auf die Verletzung des Bundesrechts gestützt werden, sondern ist auch auf die Verletzung von Landesrechten zu erweitern, um eine einheitliche Auslegung von landesrechtlichen Vorschriften insbesondere im Bereich der PsychKG zu gewährleisten.

Abschnitt 7 – Verfahrenskostenhilfe

Zu § 80 FamFG (Bewilligung)

Die neue Regelung, nach der entgegen § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Erklärung der Antragstellerin/des Antragstellers über ihre/seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die entsprechenden Belege der Antragsgegnerin/dem Antragsgegner auch ohne Zustimmung der Antragstellerin/des Antragstellers zugänglich gemacht werden dürfen, sofern die Antragsgegnerin/der Antragsgegner nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen der antragstellerin/des Antragstellers hat, verletzt nach Ansicht des djb das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Antragstellerin/des Antragstellers. Auch ein Hinweis auf die Prozessökonomie vermag diesen Grundrechtseingriff nicht zu rechtfertigen, da der Auskunftsanspruch lediglich im Rahmen des Unterhaltsrechts und des Güterrechts besteht und dieser im Rahmen der weiteren Familiensachen nicht hinreichend überprüft werden kann. Lediglich bei Unterhalts- und Gütersachen ist diese Regelung daher folgerichtig. § 80 Abs. 2 FamFG ist daher auf Unterhalts- und Gütersachen zu begrenzen.

Abschnitt 8 - Kosten

Zu § 83 Abs. 1 FamFG (Grundsatz der Kostenpflicht)

Die Vorschrift sollte im Buch 2 Abschnitt 2 (Verfahren in Kindschaftssachen) durch eine Kostenvorschrift ergänzt werden, die lautet: In Kindschaftssachen nach § 161 Nr. 1 bis Nr. 3 FamFG sind die Kosten in der Regel gegeneinander aufzuheben; das Gericht kann die Kosten des Verfahrens einer/einem Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen, wenn dies der Billigkeit entspricht.

Die in § 83 Abs. 1 Satz 1 FamFG vorgesehene Möglichkeit, den Ausgang des Verfahrens auf die Kostenentscheidung durchschlagen zu lassen, ist geeignet, in Verfahren um das Sorge- und Umgangsrecht den Konflikt der Eltern zu verschärfen und damit das Kind in Folgezeit zusätzlich zu belasten. Sie verschafft den Eltern eine zusätzliche Ebene, um Streitigkeiten gegeneinander auszutragen und Schuldzuweisungen vorzunehmen. Daher sollte es inhaltlich bei der bisherigen Regelung bleiben, wonach in Streitigkeiten um das Kind eine Kostenerstattung nur stattfindet, wenn dies „der Billigkeit entspricht“ (d.h. hierfür besondere, über das reine Obsiegen hinaus gehende Gründe vorliegen müssen). Die Aufhebung der Kosten in den Verfahren zur elterlichen Sorge und zum Umgang entspricht am besten der Tatsache, dass zu den in den Bereich der elterlichen Sorge fallenden Konflikten in aller Regel beide Elternteilen beigetragen haben. Für die Scheidung samt Folgesachen ist dieser Erkenntnis in § 158 FamFG Rechnung getragen; sie sollte auch für den ebenso sensiblen Bereich der Streitigkeiten um das Kind umgesetzt werden.

Kritisch sieht der djb auch § 83 Abs. 2 Nr. 5 FamFG, wonach einer/einem Beteiligten die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise auferlegt werden sollen, wenn jene/jener einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 165 Abs. 4 S. 3 FamFG nicht nachkommt und dies nicht genügend entschuldigt. Diese Norm enthält zunächst einen Schreibfehler, der berichtigt werden müsste: Eine richterliche Anordnung nach § 165 Abs. 4 Satz 4 FamFG ist nur für eine Beratung durch die Träger der Kinder- und Jugendhilfe gemäß § 165 Abs. 4 S. 2, nicht für den richterlichen Hinweis auf die Möglichkeit der Mediation und der sonstigen außergerichtlichen Streitbeilegung vorgesehen. Der wesentliche Kritikpunkt an der Vorschrift besteht aber darin, dass diese Regelung zwar das äußere Wohlverhalten der Eltern befördern dürfte, aber wohl kaum die notwendige innere Bereitschaft, sich auf eine Beratung durch die Träger der Kinder- und Jugendhilfe einzulassen. Es ist sehr fraglich, ob die außergerichtliche Konfliktlösung hiermit tatsächlich vorangetrieben werden kann. Stattdessen wird dem Gericht durch die im Vorfeld wirkende Kostendrohung eine der Möglichkeiten genommen, anhand des Prozessverhaltens der Beteiligten die Tiefe des bestehenden Elternkonflikts und den jeweiligen Beitrag der Eltern hierzu objektiv einzuschätzen. § 83 Abs. 2 Nr. 5 FamFG sollte daher gestrichen werden.

Abschnitt 9 – Vollstreckung
Titel 2 – Vollstreckung in sonstigen Fällen

Zu § 102 FamFG (Ordnungsmittel)

Der djb verkennt nicht, dass mit der Vorschrift ein Gleichlauf mit internationalen Verfahrensordnungen geschaffen werden soll. Nach Ansicht des djb bestehen aber auch gegen diese Vorschriften Bedenken, hierauf ist bereits in einigen Stellungnahmen hingewiesen worden, zuletzt in der Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zum internationalen Familienrecht vom 7. April 2004.

Die Anordnung von Ordnungsmitteln wie Ordnungsgeld oder sogar Ordnungshaft im Rahmen der Kindschaftssachen ist nicht zielführend und verschlechtert die Situation der Kinder. Das Kindeswohl bleibt hier auf der Strecke.

Nach der bisherigen Regelung des § 33 FGG sind vor der Festsetzung eines Zwangsgeldes Eltern und Kind persönlich zu hören, im Einzelfall muss geprüft werden, ob die Regelung unter dem Aspekt des Kindeswohls noch gerechtfertigt ist (OLG Düsseldorf, FamRZ 1993, 1349; OLG Zweibrücken, FamRZ 1996, 877 ff). Wenn schon im Verfahren auf Herausgabe eines Kindes eine am Kindeswohl orientierte Überprüfung der Maßnahme notwendig ist, so muss diese erst recht notwendig sein, wenn Ordnungshaft gegen den betreuenden Elternteil verhängt werden soll. Ob es überhaupt mit dem Kindeswohl vereinbar ist, ein Kind zwangsweise unter Inhaftnahme des betreuenden Elternteils zur/zum Umgangsberechtigten zu verbringen, muss hier bezweifelt werden, jedenfalls wird das Kind den Besuch bei der/bei dem Umgangsberechtigten kaum positiv erleben. Es geht hier um die Durchsetzung der Rechte der/des Umgangsberechtigten ohne Rücksicht auf die Interessen und das Wohl des Kindes.

Im Übrigen ist es systemwidrig, die zivilprozessualen Ordnungsmittel mit ihrem Sanktionscharakter in familienrechtlichen Konflikten zu verwenden und insoweit auch noch mit einem Anscheinsbeweis für das Verschulden der/des Umgangsverpflichteten zu arbeiten, dem nach § 102 Abs. 3 FamFG der Nachweis für ihr/sein mangelndes Vertretenmüssen obliegt. Die Schuld der Täterin/des Täters ist jedoch im Rahmen des Strafrechts – und um eine Norm mit strafrechtlichem Charakter handelt es sich hier – nachzuweisen. Ein Anscheinsbeweis kann hier nicht genügen. Das BVerfG hat eine zivilprozessuale Beweiserleichterung für die Feststellung der Schuld im Verfahren gemäß § 890 ZPO in einer Entscheidung vom 23. April 1991 (BVerfG, NJW 91, 3139) nur deshalb für verfassungsgemäß erklärt, weil es sich um die Durchsetzung privatrechtlicher Verpflichtungen zwischen Gläubigerinnen/Gläubigern und Schuldnerinnen/Schuldnern handelte und der Grundsatz der Amtsermittlung nicht galt. Dies ist bei Kindschaftssachen aber eben nicht der Fall. Eine strafrechtsähnliche Ahndung der Tat ohne Feststellung der Schuld der Täterin/des Täters ist rechtsstaatswidrig, BVerfGE 58, 159 (163).

Der djb spricht sich ganz entschieden gegen die Anordnung von Ordnungshaft als verfassungswidrig aus.

Abschnitt 10 - Verfahren in Familienstreitsachen

Zu § 106 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 (erste Alt.) FamFG (Anwendung der Vorschriften der Zivilprozessordnung)

Die Vorschrift, wonach sich die Parteien im Verfahren der einstweiligen Anordnung nicht durch eine/einen bei einem Amts- oder Landgericht zugelassene Rechtsanwältin/zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen, sollte gestrichen werden. Nach § 61 Abs. 1, Satz 1 FamFG sind Entscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen nicht anfechtbar, wenn es sich nicht um eine der in § 61 Abs. 1 Satz 2 FamFG aufgezählten einstweiligen Anordnungen handelt. Es wird der Bedeutung der einstweiligen Anordnung – insbesondere im Unterhaltsrecht – nicht gerecht, wenn unter diesen Voraussetzungen kein Anwaltszwang besteht.

Nach der jetzigen Verfahrensordnung können Einstweilige Anordnungen in Unterhaltssachen nicht ohne Hauptsacheverfahren anhängig gemacht werden. Wenn sich dies nach dem neuen FamFG ändern wird, sollten die Einstweiligen Anordnungen auch von einer Rechtsanwältin/einem Rechtsanwalt betreut werden, weil der Bruch im System sonst nicht verständlich wäre. Wenn der Gesetzgeber - zu Recht - davon ausgeht, dass die Einführung des Zwangs zur anwaltlichen Vertretung bereits im erstinstanzlichen Verfahren dem Schutz der Beteiligten, insbesondere der/des Unterhaltsberechtigten dient und die Waffengleichheit gewährleistet, muss dies auch für die isolierte Anordnung gelten.

Zu §§ 108 Abs. 3, 71 Abs. 3 Satz 2 FamFG (Rechtsmittel, Wiederaufnahme des Verfahrens)

Gemäß §§ 108 Abs. 3, 71 Abs. 3 S. 2 FamFG ist gegen die (End-) Entscheidungen des Familiengerichts die sofortige Beschwerde gegeben, bei der das Beschwerdegericht von der Durchführung eines Termins oder einer mündlichen Verhandlung absehen kann, wenn diese bereits im ersten Rechtszug stattgefunden haben und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Diese Regelung ist hoch problematisch und wird abgelehnt. Sie ist § 69 g Abs. 5 Satz 3 FGG nachgebildet, einer in der gerichtlichen Praxis häufig angewandten Verfahrensvorschrift in Betreuungssachen. Die Vorschrift geht über die Möglichkeit der Zurückweisung von Berufungen im Beschlussverfahren gemäß § 522 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO weit hinaus, weil sie auch die Abänderung erstinstanzlicher Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung ermöglicht. Die mündliche Verhandlung in zweiter Instanz sollte in Familienstreitsachen (Unterhaltssachen, Güterrechtsstreitigkeiten, sonstigen Familiensachen nach § 277 Abs. 1 sowie den jeweils entsprechenden Lebenspartnerschaftssachen) nicht in das Ermessen des Beschwerdegerichts gestellt werden. Die in § 108 Abs. 3 Satz 2 FamFG mit Blick auf die in § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO vorgesehene Hinweispflicht des Gerichts auf seine Absicht, von der mündlichen Verhandlung abzusehen, ist zu schwach, um die Interessen der Beteiligten zu wahren.

Buch 2 - Verfahren in Familiensachen
Abschnitt 1 – Verfahren in Ehesachen; Verfahren in Scheidungssachen und Folgesachen
Titel 1 – Verfahren in Ehesachen

Zu § 127 FamFG (Örtliche Zuständigkeit)

Diese Norm modifiziert die bisherige Regelung zur örtlichen Zuständigkeit. Nach Auffassung des djb sollte jedoch die bewährte Zuständigkeitsregelung des § 606 ZPO in das FamFG übernommen werden.

Zusätzlich sind Lösungen für die Fälle notwendig, in denen mehrere gemeinschaftliche Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei jeweils einem Elternteil in verschiedenen Gerichtsbezirken oder an einem dritten Ort in einem anderen Bezirk haben.

Wenn nicht sämtliche Geschwister bei einem Ehegatten, sondern aufgeteilt bei jeweils einem Elternteil leben, ist die in § 127 Nummer 1 FamFG vorgesehene Anknüpfung nicht einschlägig. Die Zuständigkeit richtet sich in diesen Fällen nach Nummer 2 oder 3. Es ist sachgerechter, vergleichbar § 36 Abs. 1 Satz 2 FGG, auf das Alter des jüngsten Kindes abzustellen. Als Beweggrund lässt sich anführen, dass jüngere Kinder i.d.R. schutzbedürftiger sind als ältere, dass ihnen im Falle der persönlichen Anhörung vor Gericht eine weitere Anreise erspart werden soll und dass für sie die Zusammenarbeit zwischen Familiengericht und dem örtlich zuständigen Jugendamt von größerer Wichtigkeit sein kann.

Zuständigkeitsprobleme bleiben auch nach der Entwurfsregelung, wenn die Kinder in verschiedenen Bezirken und nicht sämtlich bei einem Elternteil leben. Wenn z.B. beide Ehegatten den Bezirk des bisherigen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts verlassen und in verschiedene Bezirke ziehen, ein Ehegatte ein Kind mitnimmt und eins bei Dritten (Großeltern oder Pflegeeltern nach einer Entscheidung nach § 1666 BGB) im bisherigen Bezirk zurücklässt, ist nach Nummer 3 das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Antragsgegnerin ihren oder der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Auch wenn bei diesem Ehegatten kein Kind lebt, gelangt die Scheidungssache vor ein Gericht, in dessen Bezirk sich keines der Kinder aufhält. Dieses Ergebnis, das sich ausschließlich nach der jeweiligen Parteistellung richtet, ist nicht sachgerecht.

Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Die Eltern lebten bisher mit zwei Kindern in Berlin. Die Mutter zieht mit einem Kind nach Köln, das zweite Kind bleibt bei der Großmutter in Berlin, der Vater zieht ohne Kind nach Hannover. Wenn die Ehefrau einen Antrag auf Ehescheidung stellen will, ist das Familiengericht in Hannover zuständig, obwohl keines der Kinder dort seinen Aufenthalt hat. Ein derartiges Resultat sollte vermieden werden.

Zu § 131 FamFG (Antrag)

Absatz 1 Satz 2 ist irreführend, weil direkt auf die Zivilprozessordnung verwiesen wird. Erforderlich ist zunächst ein Verweis auf § 141 FamFG und dann erst auf die Zivilprozessordnung.

Zu § 132 Abs. 2 FamFG (Entscheidung durch Beschluss, Rechtsmittel)

Der Verweis auf § 71 Abs. 3 Satz 2 sollte gestrichen werden. In der zweiten Instanz kann keinesfalls in familiengerichtlichen Verfahren auf die mündliche Verhandlung verzichtet werden. Vgl. insoweit auch die Anmerkung zu § 108 Abs. 3 FamFG).

Zu § 136 FamFG (Persönliches Erscheinen der Ehegatten)

Dass das Familiengericht die Ehegatten nicht nur zum Sorgerecht, sondern zusätzlich zum Umgangsrecht anzuhören hat, wird vom djb seit langem gefordert. Dieses Vorgehen entspricht einer bei einer Reihe von Gerichten geübten Praxis und ist geeignet, z.B. zur Aufnahme unterbrochener oder Verbesserung schleppend verlaufender Umgangskontakte beizutragen. Allerdings bestehen Schwierigkeiten, die Ehegatten auf bestehende Möglichkeiten der Beratung hinzuweisen bzw. ihnen Beratungsstellen zu benennen. In der Realität besteht an derartigen Einrichtungen Mangel oder die Wartezeiten dort sind zu lang. Auch fehlen Fachkräfte, die einen begleiteten Umgang gestalten können, insbesondere für berufstätige Elternteile an den Wochenenden. Darauf hat der djb in früheren Stellungnahmen wiederholt hingewiesen, ohne dass bisher eine Verbesserung der Situation erkennbar geworden ist.

Titel 2 - Verfahren in Scheidungssachen und Folgesachen

Zu § 141 FamFG (Inhalt der Antragsschrift)

Die Beschränkung der Angaben in Absatz 1 Nummer 1 auf minderjährige Kinder ist nicht zweckmäßig. Das Vorhandensein von Kindern allgemein ist auch relevant für den Versorgungsausgleich. Die Antragsschrift sollte konkret die Namen und Geburtsdaten sämtlicher, auch der volljährigen Kinder, und zusätzlich für die minderjährigen Kinder deren gewöhnlichen Aufenthalt aufführen. Das erspart Rückfragen; das Jugendamt kann ggf. zügig beteiligt werden.

Zu § 143 FamFG (Vereinfachtes Scheidungsverfahren)

Nach dem vereinfachten Scheidungsverfahren soll es möglich sein, dass sich kinderlose Ehepartner einverständlich ohne anwaltliche Vertretung scheiden lassen, wenn sie einen Titel nach § 794 ZPO oder eine übereinstimmende notariell beurkundete Erklärung über die gegenseitige Unterhaltshaltspflicht vorlegen und wenn sie zuvor zumindest eine wirksame Übereinkunft über die Rechtsverhältnisse am Haushalt und an der Ehewohnung getroffen haben. Ziel soll es sein, Justizressourcen zu sparen, sicherzustellen, dass sich die Ehegatten über die Scheidungsfolgen wirklich und wirksam einigen und ihnen ein kostengünstiges und schnelles Verfahren zu bieten.

Gegen die Einführung dieses Verfahrens bestehen jedoch erhebliche Bedenken.

Eine nennenswerte Entlastung der Familiengerichte wird durch das vereinfachte Verfahren nicht zu erwarten sein. Dieses Verfahren als solches kommt nur für einen zahlenmäßig beschränkten Personenkreis in Betracht. Da für den Abschluss von Verträgen vor der Notarin/dem Notar die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht vorgesehen ist, werden lediglich Eheleute, die über ausreichende Mittel verfügen, dieses Verfahren wählen können. Parteien, die die Kosten für eine notarielle Beurkundung nicht aufbringen können, werden weiterhin das reguläre Verfahren wählen. Das ist die erheblich größere Anzahl der Fälle, so dass auch eine Verminderung des Aufwands für Prozesskostenhilfe nicht zu erwarten ist.

Da das vereinfachte Verfahren nicht voraussetzt, dass sich die Eheleute zuvor auch über Ansprüche aus dem Güterrecht einigen müssen, werden die Gerichte gerade von diesen arbeitsaufwendigen Folgestreitigkeiten nicht entlastet. Im Gegensatz zu den Scheidungsverfahren, die in der Regel ohne größeren Einsatz entschieden werden können, bringen z.B. Zugewinnausgleichsverfahren erhebliche Mehrarbeit mit sich.

Das vereinfachte Verfahren ist nicht geeignet sicherzustellen, dass sich die Ehegatten über die Scheidungsfolgen wirklich und wirksam einigen.

Wenn die Eheleute vorab nicht über ihre Rechte sowie die Bedeutung und Konsequenz abzuschließender Vereinbarungen aufgeklärt werden, besteht die Gefahr, dass später konfliktreiche Anfechtungs- und/oder Abänderungsverfahren notwendig werden. Das bringt erheblichen personellen Mehraufwand für die Justiz, Verdruss für die Eheleute und Unkosten für die Parteien oder die Staatskasse mit sich. Der derzeitige Anteil der einvernehmlichen Scheidungen bei den Familiengerichten von fast 71% ist hauptsächlich damit zu erklären, dass die Parteien zuvor anwaltlich über die Scheidungsfolgen beraten worden sind und dass eine interessengerechte Regelung erarbeitetet worden ist. Notarinnen/Notare können im Gegensatz zu den in familienrechtlichen Fragen erfahrenen Anwältinnen/Anwälten keine fachspezifische Beratung in Unterhaltsfragen oder über die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und am Hausrat erteilen. Sie sind zur Unparteilichkeit und Neutralität verpflichtet. Ihre Aufgabe ist es in erster Linie, Vereinbarungen zu beurkunden und allgemein über Rechtsfolgen zu belehren. Hinzukommt die größere Erfahrung der Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälte gegenüber den Notarinnen/Notaren in der forensischen Praxis, insbesondere in Regionen mit Nur-Notariat. Ohne vorherige fachliche Beratung kann es z.B. dazu kommen, dass in die notarielle Urkunde ein gegenseitiger Unterhaltsverzicht aufgenommen wird, ohne dass die Beteiligten insoweit ihre Rechte und Pflichten kennen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei kinderlosen Ehen grundsätzlich kein Anspruch auf Zahlung nachehelichen Unterhalts besteht.

Ohne anwaltliche Beratung und Unterstützung besteht weiterhin die Gefahr, dass der wirtschaftlich oder emotional schwächere Partner benachteiligt wird. Von dieser Situation sind mehrheitlich Frauen betroffen. Um den Schutz des schwächeren Ehegatten sicherzustellen, muss eine richterliche Inhaltskontrolle der getroffenen notariellen Vereinbarungen stattfinden. Da aber das Familiengericht weder die Einzelheiten der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien kennt noch Einsicht in die Notarunterlagen hat, ist eine zuverlässige Überprüfung nicht möglich. Dass notarielle Verträge nicht unbedingt wirksame Vereinbarungen darstellen, wurde in jüngster Vergangenheit deutlich: Notarielle Eheverträge haben – wie Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zeigen – in der Vergangenheit die wirtschaftlich unterlegene Partei oft übervorteilt. Die aktuellen Gebührensätze der Notarinnen/Notare erlauben in der Regel auch nicht die eingehende Belehrung der Parteien. Die aktuellen Gebührensätze der Notarinnen/Notare erlauben in der Regel auch nicht die eingehende Belehrung der Parteien. Im Übrigen werden keine Justizressourcen frei, wenn anstelle einer anfänglichen anwaltlichen Beratung dem Familiengericht zusätzliche Aufgaben in Form von nachträglichen Überprüfungen von Notarverträgen übertragen werden.

Es bedarf nicht der Einführung des vereinfachten Verfahrens, um den Parteien ein kostengünstiges Verfahren zu bieten. Auch unter der gegenwärtigen Rechtslage haben die Parteien die Möglichkeit, gemeinsam eine Anwältin/einen Anwalt aufzusuchen, wenn kein Streit über Folgesachen besteht. Scheitern jedoch die Verhandlungen vor der Notarin/dem Notar, werden sich die Parteien beim Auftauchen geringster Zweifel anwaltlichen Rat holen und ggf. zusätzliche Kosten tragen müssen.

Eine anwaltliche Vertretung ist unumgänglich. Oft gehen dem gerichtlichen Verfahren emotionale familiäre Auseinandersetzungen voraus, die nicht immer zu sachlichen und oft zu übereilten Entscheidungen führen. Nur durch fachlich beratenden Beistand, der auf die individuelle Situation des jeweiligen Partners eingeht, kann sichergestellt werden, dass die Eheleute eine Einigung über Folgesachen treffen, die der Interessenlage beider gerecht wird.

Zu § 143 Absatz 1 Nr. 2b) und c) FamFG:

Eine nähere Erklärung über die Art der vorzulegenden Titel über die Scheidungsfolgen wäre notwendig, z.B. ob auch Entscheidungen im Rahmen der einstweiligen Anordnung mit umfasst sind. Es wäre auch sinnvoll, Anwaltsvergleiche einzubeziehen.

Zu § 144 FamFG (Außergerichtliche Streitbeilegung über Scheidungsfolgen)

Diese Vorschrift sollte gestrichen werden.

Die Parteien sind anwaltlich beraten bzw. sollten sich anwaltlich beraten lassen. Mediatorinnen/Media­toren sind in der Regel nicht geeignet, über Scheidungsfolgen von erheblicher finanzieller Bedeutung wie Versorgungsausgleich, Unterhalt und Güterrechtssachen zu beraten. „Mediator/in“ ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Rechtsberatung ist Aufgabe der Anwaltschaft. Eine rechtliche Beratung durch andere Personen kann gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen.

Im Übrigen dürfte es zu weit gehen, dass das Gericht durch unanfechtbare Entscheidung und mit der Kostenfolge nach § 158 Absatz 4 Satz 2 FamFG den Eheleuten bestimmte Personen oder Stellen zwecks Mediation verbindlich zuweisen und insoweit ihre Wahlfreiheit einschränken darf. Das liefe de facto auf eine Zwangsberatung hinaus. Dem Familiengericht dürfte auch die Kompetenz fehlen, dritte Stellen wie das Jugendamt oder die freien Träger in die Pflicht zu nehmen, ohne Rücksicht auf ihre Kapazität entsprechend tätig zu werden.

Ungeklärt ist auch die Kostenübernahme für Parteien, die prozesskostenhilfeberechtigt sind.

Sinnvoll und erforderlich allein ist Mediation in Kindschaftssachen, wie es der djb seit langem unter Hinweis auf die Notwendigkeit der Einrichtung von kompetenten und kostenfreien Beratungsstellen fordert.

Zu § 147 FamFG (Beiordnung eines Rechtsanwaltes)

Abgesehen von der grundsätzlichen Kritik an der Einführung eines vereinfachten Scheidungsverfahrens (§ 143 FamFG) bestehen weitere Bedenken gegen die Möglichkeit, auch in derartigen Verfahren der Antragsgegnerin/dem Antragsgegner eine Anwältin/einen Anwalt zu ihrem/seinem Schutz beiordnen zu können.

Zum einen bedeutet das ein Systembruch, denn das vereinfachte Verfahren soll mit der Zielvorgabe geschaffen werden, gerade ohne anwaltliche Vertretung eine Ehescheidung erreichen zu können. Falls die Antragsgegnerin/der Antragsgegner ungewandt ist und ihre/seine Situation nicht einzuschätzen weiß, müsste das der Notarin/dem Notar im Beratungsgespräch aufgefallen sein, die/der eine Beurkundung einer Scheidungsfolgenvereinbarung daraufhin abzulehnen hätte.

Zum anderen dürfte, wenn es auf den Schutz eines ungewandten Ehegatten ankommen soll, nicht auf die Parteistellung abgestellt werden. Es ist nicht zwingend, dass nur die Antragsgegnerin/der Antragsgegner schutzbedürftig ist. Wenn eine anwaltliche Beratung vor Einleitung des Verfahrens fehlt, kann die Parteistellung eine zufällige oder manipulierte sein.

Zu § 149 Absatz 2 Nummer 4. und Absatz 4 FamFG (Abtrennung)

Hinsichtlich der grundsätzlichen Bedenken gegen die Schaffung eines vereinfachten Scheidungsverfahrens wird auf die Ausführungen zu § 143 FamFG Bezug genommen.

Das Verlangen nach einer möglichen Beschleunigung des Ausspruchs der Ehescheidung sollte keinen Anlass bieten, für derartige Verfahren eine erleichterte Abtrennungsmöglichkeit des Versorgungsausgleichs einzuführen. Eine vorzeitige Abtrennung kann bei der ausgleichsberechtigten Partei zu wirtschaftlichen Nachteilen führen, denn Unklarheiten gehen zu ihren Lasten. Hiervon sind in der Mehrzahl Frauen betroffen, die anspruchsberechtigt sind, weil sie in der Regel geringere Anwartschaften besitzen. Anwaltliche Unterstützung wäre in einem vereinfachten Scheidungsverfahren nicht zu erlangen.

Des Weiteren ist die Anknüpfung der 6-Monatsfrist an den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit nicht sachgerecht. Wenn sich beispielsweise die Parteien nach Zustellung des Scheidungsantrags wochenlang Zeit lassen, Erklärungen zum Versorgungsausgleich abzugeben, besteht keine Veranlassung, diese Folgesache abzutrennen.

Ob beide Parteien alles Erforderliche getan haben, kann das Gericht nicht ohne weiteres beurteilen. Bereits der Begriff der „erforderlichen Mitwirkungshandlung“ ist unklar und gibt Anlass zu Zweifeln. Reicht es aus, die Formulare zum Versorgungsausgleich auszufüllen oder müssen auch die Anträge auf Kontenklärung bzw. auf Anrechnung von Kinderziehungszeiten mit oder ohne Anlagen vollständig vorliegen? Die bisherige lange Verfahrensdauer lässt sich in der Mehrzahl der Fälle damit erklären, dass die Parteien zum Versorgungsausgleich eben gerade nicht das Erforderliche tun und ihre Fehlzeiten nicht rechtzeitig klären.

Eine vorzeitige Abtrennung der Folgesache Versorgungsausgleich dürfte für die Justiz zudem Nachteile bringen. Ob die Parteien die erforderlichen Mitwirkungshandlungen vorgenommen haben, kann letztlich erst beurteilt werden, wenn für beide ein vollständiger Versicherungsverlauf vorliegt. Wenn die Parteien aber bereits geschieden sind, haben sie oder einer von ihnen häufig kein Interesse mehr, etwa bestehende Versicherungslücken aufzuklären und weiter in dem Verfahren mitzuwirken. Die Kontenklärung seitens des Familiengerichts führt zu erheblichem Arbeitsaufwand verbunden mit Anschreiben, Mahnungen, Anhörungen und häufig fruchtlosen Zwangsmaßnahmen. Derzeit ist der Scheidungsverbund die einzige wirksame Handhabe, unwillige Parteien zur Klärung ihrer Versicherungskonten zu veranlassen.

Unter diesen Umständen sollte es bei der Abtrennungsmöglichkeit nach § 149 Absatz 2 Nummer 5 FamFG verbleiben, damit das Familiengericht bei außergewöhnlicher Verzögerung die Voraussetzungen für eine Abtrennung prüfen kann.

Soweit Absatz 4 Satz 1 die Fristberechnung bei Einreichung eines verfrühten Scheidungsantrags ändern will, ist das grundsätzlich zu begrüßen. Notwendig dürfte es indes sein, dass der Schutz des ausgleichsberechtigten Ehegatten im materiellen Recht geregelt wird. Praktisch dürfte sich die Vorschrift bei dem vereinfachten oder sonstigen einverständlichen Scheidungsverfahren nicht auswirken, weil die Parteien sich erfahrungsgemäß über den Trennungszeitpunkt, den sie dem Familiengericht vortragen wollen, einig sind.

Abschnitt 2 - Verfahren in Kindschaftssachen

Zu § 164 FamFG (Abgabe bei einseitiger Änderung des Aufenthalts des Kindes)

Während die Zuständigkeitsbestimmung zu §§ 162, 163 FamFG sinnvoll erscheinen, bestehen Bedenken gegen die Abgabemöglichkeit an das Gericht des früheren gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes bei einseitiger Änderung des Kindesaufenthaltes während der Trennungsphase. Unter dem Aspekt, dass die Kindesinteressen im Zentrum des Verfahrens stehen sollen, erscheint die Neuregelung nicht sachgerecht.

Nach der Begründung könnte der Eindruck entstehen, es handele sich um eine Strafbestimmung gegen einen unbotmäßigen Elternteil - in der Regel gegen Frauen-, es wird eine Kindesentziehung unterstellt. Nun besteht beim Scheitern der Ehe oft der Konsens zwischen den Ehegatten, dass sie sich räumlich trennen wollen, nur über die Modalitäten sind sie sich noch nicht einig geworden. Es fragt sich, ob ihnen bei einem in Aussicht genommenen Ortswechsel des betreuenden Elternteils zugemutet werden soll, sich wegen des Aufenthalts der Kinder bereits in einem frühen Stadium an das Familiengericht zu wenden. Dann müssten sie für die Dauer des Verfahrens entweder getrennt in der Ehewohnung leben, was bei Streitigkeiten in der Familie nicht zum Wohle der Kinder sein dürfte. Oder es müsste eine vorübergehende Unterkunft am bisherigen Aufenthaltsort gesucht werden, was mit zusätzlichen Kosten und ggf. weiterem Schulwechsel für die Kinder verbunden ist.

Ein Wegzug - auch gegen den Willen des anderen Elternteils - ist nicht stets negativ zu bewerten. Eine räumliche Distanz zum bisherigen Umfeld kann durchaus zum Wohle des Kindes sein. Zu denken ist an die Fälle, in denen an einem anderen Ort bessere Betreuungs-, Wohn- oder Arbeitsmöglichkeiten bestehen oder in denen die Kinder räumlichen Abstand von hoch streitigen Familienkonflikten und unzumutbaren Verhältnissen wie Gewalt in der Familie, Suchtprobleme oder Einmischung in die Streitigkeiten von anderen Familienangehörigen (Großfamilie) bekommen sollen. Es würde das Verfahren der Zuständigkeitsprüfung überfrachten und die Justizkapazitäten vermeidbar belasten, wenn das Familiengericht in diesem Verfahrensstadium die regelmäßig streitigen Einzelheiten zum Zwecke der Abgabemöglichkeit zu prüfen hätte.

Die Regelung kann Kinder dadurch benachteiligen, dass ihre Anhörung erschwert wird, wenn sie zu einem weiter entfernten Gerichtsort gebracht werden müssen.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist es - dies ergänzend - sogar möglich, das Verfahren an ein Gericht abzugeben, in dessen Bezirk sich auch der andere Elternteil nicht mehr aufhält.

Zu § 165 Absatz 4 FamFG (Beschleunigungsgebot, Hinwirken auf Einvernehmen)

Soweit das Gericht auf das Einvernehmen der Eltern hinwirken soll, legt der djb Wert auf die Feststellung, dass die Erörterungen ergebnisoffen geführt werden müssen. Um die Verhandlungen führen zu können, sollten alle beteiligten Professionen über eine qualitative Zusatzausbildung verfügen oder sie erhalten.

Im Übrigen fordert der djb seit vielen Jahren, die Familienberatung in Kindschaftssachen zu verbessern, d.h. die Angebote auszuweiten und sicherzustellen, dass eine zeitnahe und qualitative Beratung und/oder Mediation stattfinden kann. Im Gegensatz zu anderen Folgesachen, die in § 144 FamFG genannt sind, sind die oft hoch emotionalen Themen, die Kinder betreffen, in Mediationsverfahren besser aufgehoben.

Die Einführung der (unanfechtbaren) Anordnung zur Beratung mit der Kostenfolge des § 83 Abs. 2 Nr. 5 FamFG bei Nichtbefolgung wird allerdings nicht unterstützt. Zum einen ist es zweifelhaft, ob eine „Zwangsberatung“ in hoch streitigen Kindschaftssachen zum Einvernehmen zwischen den Eltern wirksam beitragen kann. Für den Kreis der Prozesskostenhilfeberechtigten dürfte die Androhung ohnehin ohne Belang sein. Zum anderen wäre die Kostenübernahme grundsätzlich zu klären. Es kann unter Umständen nicht zumutbar sein, dass Eltern mit Kosten der Beratung oder Mediation belastet werden, insbesondere wenn ihnen Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist.

Zu § 166 (Verfahrensbeistand)

Statt dem bisherigen „das Gericht kann einen Verfahrenspfleger bestellen“ (§ 50 Abs. 1 FGG) heißt es nunmehr „hat einen Verfahrensbeistand zu bestellen“. In der Sache entsprach dies aber auch der bisher herrschenden Auffassung. Trotzdem gibt es viele Gerichte, die Verfahrenspflegerinnen/Verfahrenspfleger nie bestellen oder die Verfahrenspflegerinnen/Verfahrenspfleger nur bestellen, um sich der Anhörung des Kindes zu entledigen. Das Problem liegt in den Auslegungsfragen.

Zusätzlich zu den bisherigen Voraussetzungen, in denen eine Verfahrenspflegerin/ein Verfahrenspfleger in der Regel zu bestellen war, kommen nunmehr neue hinzu, dies wird vom djb ausdrücklich begrüßt, da es eine erhebliche Stärkung der Rechtsposition des Kindes in Verfahren mit widerstreitenden Interessen bedeutet.

Auch die Aufgaben des Verfahrensbeistandes werden erheblich erweitert. Es wird vom djb begrüßt, dass der Verfahrensbeistand das Kind über das Verfahren informieren soll und insbesondere, dass er Gespräche mit weiteren Bezugspersonen führen und auch auf eine einvernehmliche Regelung hinwirken kann. Er kann auch im Interesse des Kindes Rechtsmittel einlegen.

Problematisch ist, dass wie bisher keine Mindestanforderungen an die Qualifikation des Verfahrensbeistandes bestehen. Es wird nicht verkannt, dass in den allermeisten Fällen vom Gericht eine geeignete und insbesondere verantwortungsvolle Person bestellt wird.

Der djb fordert trotzdem Mindeststandards für Verfahrenspflegerinnen/Verfahrenspfleger.

Zu § 171 FamFG (Fristsetzung bei schriftlicher Begutachtung; Inhalt des Gutachtenauftrags)

Zu Abs. 1:

Im Einklang mit dem Bestreben, familiengerichtliche Verfahren zu beschleunigen, dürfte die Maßnahme stehen, der/dem Sachverständigen bereits zum Zeitpunkt der Auftragserteilung eine Frist für die Fertigung des Gutachtens zu setzen. Es trägt einerseits zur Beruhigung der Situation bei, wenn Eltern und Kinder konkret wissen, mit welcher Verfahrensdauer sie in etwa zu rechnen haben. Andererseits nimmt eine konkrete Fristbestimmung die Sachverständige/den Sachverständigen besser in die Pflicht und erspart Debatten darüber, ob von der Kann-Bestimmung des § 411 Abs.1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht werden soll.

Zu Abs. 2:

Die nunmehr vorgesehene Möglichkeit, die Sachverständige/den Sachverständigen zusätzlich zu beauftragen, auf die Herstellung des Einvernehmens zwischen den Beteiligten hinzuwirken, erscheint grundsätzlich vernünftig. Sie entspricht einer weit verbreiteten familiengerichtlichen Praxis, die sich bisher allerdings in einer Art Grauzone bewegt hat.

Allerdings muss sichergestellt werden, dass die Verfahrenabschnitte übersichtlich bleiben. Zunächst sollte das Gutachten – ggf. schriftlich – erstattet werden, damit erkennbar ist, von welchen Feststellungen die/der Sachverständige ausgeht. Erst in einem zweiten Schritt kann sie/er mit der Herstellung des Einvernehmens zwischen den Beteiligten betraut werden. Die/der Sachverständige darf nicht zur Familientherapeutin bzw. zum Familientherapeuten mutieren.

Die Vorschrift ist aus Sicht des djb dahin zu ergänzen, dass die Erteilung des Zusatzauftrags von der Zustimmung der Beteiligten abhängig zu machen ist, da andernfalls bei erfolgloser „Vermittlung“ die Gefahr besteht, dass eine Partei die Sachverständige/den Sachverständigen später wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnt. Das Verfahren würde dadurch unangemessen verzögert.

Abschnitt 3 Verfahren in Abstammungssachen

Zu § 180 FamFG (Antrag)

Bedenken bestehen, soweit in Vaterschaftsfeststellungs- und Anfechtungsklagen auf das Erfordernis einer Begründung verzichtet wird (§ 180 Abs. 2 S. 2).

Zwar ist unter Berücksichtigung der verfahrensrechtlichen Neuordnung („FGG“ statt „ZPO“ - Verfahren) Raum für Ermittlungen von Amts wegen. Um jedoch Klagen „ins Blaue hinein“ zu verhindern, sollte an der Darlegung zumindest eines „Anfangsverdachts“ festgehalten werden.

Eine solche Regelung erscheint unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten problematisch. Ein Antrag ohne Begründung dürfte das Persönlichkeitsrecht des Kindes und das durch Artikel 6 Grundgesetz geschützte Recht der Mutter auf ungestörte sozial-familiäre Beziehungen zu ihrem Kind tangieren (auf die beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren zu 1 BVR 425/05 und 1 BVR 465/05 darf verwiesen werden).

Hinzu kommt, dass es bei der so genannten abgestuften Darlegungslast mit Blick auf die Frist des § 1600d BGB ohnehin verbleibt, ebenso wie bei der Regelung des § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Davon ausgehend festzuschreiben, dass der Antrag nicht zu begründen ist, ist weder sachlich zutreffend noch überzeugend.

Ein Exkurs zur Prozesskostenhilfe für diese Verfahren:

Nach dem Wortlaut der Vorschrift wäre Prozesskostenhilfe in jedem Fall zu bewilligen. Dies könnte in der praktischen Konsequenz dazu führen, dass die Vaterschaftsfeststellungen zwar aus der „Illegalität“ (mit Blick auf heimliche Vaterschaftstests) herauskommen, aber nunmehr auf Kosten der Staatskasse erfolgen, was die Bereitschaft zu solchen Klagen erhöhen dürfte.

Abschnitt 8 - Verfahren in Unterhaltssachen
Titel 1 - Besondere Verfahrensvorschriften

Zu § 246 und § 247 FamFG (Verfahrensrechtliche Auskunftspflicht der Beteiligten und Dritter)

Die Neugestaltung der Auskunftspflichten gegenüber dem Gericht nach §§ 246 und 247 FamFG ist insofern positiv, als das Gericht nach § 246 Abs. 2 und § 247 Abs. 2 FamFG auf Antrag einer/eines Beteiligten von seinen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten Gebrauch machen muss.

Es ist jedoch bedenklich, dass §§ 246 und 247 FamFG die Auskunftsverpflichtung der Beteiligten und der in § 248 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 FamFG genannten Dritten zum Vermögen der Parteien einschränkt. Anders als bisher brauchen die Beteiligten nach § 246 Abs. 1 Satz 1 FamFG nur noch über ihre Einkünfte Belege vorzulegen und darf das Finanzamt in einem Verfahren über den Kindesunterhalt nach § 247 Abs. 1 FamFG nicht mehr nach der Höhe des Vermögens der Beteiligten gefragt werden. Richtig ist zwar, dass für das Vermögen nach § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich keine Belege gefordert werden können, sondern nur ein auf einen bestimmten Stichtag bezogenes Bestandsverzeichnis vorzulegen ist. Allerdings muss ein solches Bestandsverzeichnis auch prüfbar sein, was beim Kapitalvermögen nur anhand von Belegen (wie z. B. Kontoauszügen) möglich ist. Es sollte mithin bei der Möglichkeit des Gerichts bleiben, sich Belege zum Vermögen vorlegen zu lassen. Nicht erklärt und auch nicht nachvollziehbar ist die Begrenzung der gesetzlichen Auskunftspflicht des Finanzamtes in Unterhaltsverfahren zum Kindesunterhalt. Aus der gerichtlichen Praxis ist bekannt, dass nicht zahlungswillige Unterhaltsschuldner ihre Einkünfte oft verschleiern können, obwohl für den Kindesunterhalt einzusetzendes Vermögen vorhanden ist.

Zu § 249 FamFG (Abänderung gerichtlicher Entscheidungen)

Die Neuregelung der § 249 FamFG für die Abänderung gerichtlicher Entscheidungen ist in mehrfacher Hinsicht problematisch.

Der djb lehnt die vorgesehene Durchbrechung der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen aufgrund von Härteklauseln ab. Nach § 249 Abs. 2 FamFG soll ein Abänderungsantrag auf präkludierte Tatsachen gestützt werden können, wenn ihre Nichtberücksichtigung „insbesondere im Hinblick auf das Verhalten des Antragsgegners grob unbillig“ wäre. Gemäß § 249 Abs. 3 Satz 4 FamFG soll ein Abänderungsantrag auch für die Zeit zulässig sein, für die eine Begrenzung nach § 249 Abs. 3 Satz 1 bis 3 FamFG „insbesondere im Hinblick auf das Verhalten des Antragsgegners grob unbillig“ wäre. Der Referentenentwurf nennt nur ein Beispiel für die grobe Unbilligkeit, nämlich das „Verschweigen von offenbarungspflichtigen Tatsachen in betrügerischer Absicht“. Die Einführung einer Härteklausel ist im Hinblick auf diese Fallgestaltung jedoch nicht notwendig, weil die Rechtsprechung die Durchbrechung der Rechtskraft in diesen Fällen über §§ 823, 826 BGB löst. Davon abgesehen ist die gewählte Billigkeitsklausel schädlich, und zwar in doppelter Hinsicht. Sie weicht zum einen das - von unbestimmten Rechtsbegriffen ohnehin durchsetzte - Unterhaltsrecht weiter auf, Unterhalt verliert immer mehr den Charakter als „Pflicht bzw. Recht“. Zum anderen begünstigen solche Härteklauseln die Tendenz, die vom Gericht festgestellte Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt so bald wie möglich wieder in Frage zu stellen. Der Nachteil, der durch die Einschränkung des Prinzips der Rechtskraft entsteht, wird durch den möglichen Gerechtigkeitsgewinn in Einzelfällen nicht aufgewogen.

Gemäß § 249 Abs. 3 FamFG soll die Durchbrechung der in § 249 Abs. 3 Satz 1 ZPO geltenden Zeitgrenze („nur für die Zeit ab Rechtshängigkeit des Antrags“) nicht nur für die Erhöhung des festgelegten Unterhalts (§ 249 Abs. 3 Satz 2 FamFG), sondern auch für die Herabsetzung des Unterhalts zulässig sein (§ 249 Abs. 3 Satz 3 E), wenn „ein entsprechendes Verlangen“ der Antragstellerin/des Antragstellers vorliegt. Es ist nicht präzise definiert, welchen Anforderungen dieses Verlangen genügen muss, um eine rückwirkende Abänderung gerichtlicher Entscheidungen zur Unterhaltsschuld erwirken zu können. Dies erscheint nicht nur für die Gleichbehandlung von Gläubigerin/Gläubiger und Schuldnerin/Schuldner bedeutsam, sondern auch für den Fall erforderlich, dass im Hinblick auf das Abänderungsverlangen des nicht mehr oder nur noch eingeschränkt Unterhaltsverpflichteten öffentliche Hilfen zum Lebensunterhalt in Anspruch genommen werden müssen.

Zu § 251 FamFG (Abänderung von Entscheidungen nach den §§ 248 und 264)

In § 251 Abs. 2 FamFG sollte die Härteklausel in § 251 Abs. 2 Satz 4 FamFG aus den unter § 249 FamFG dargelegten Gründen ersatzlos gestrichen werden.

Titel 2 – Einstweilige Anordnung

Zu § 258 FamFG (Besondere Vorschriften für die einstweilige Anordnung)

Die Einführung einer einstweiligen Anordnung als selbständiges Verfahren wird grundsätzlich begrüßt. Problematisch ist aber die zeitliche Begrenzung in § 258 Abs. 3 FamFG und § 258 Abs. 4 FamFG. Es besteht hier die Gefahr, dass die Gläubigerin/der Gläubiger durch den reinen Zeitablauf den Unterhaltstitel verliert und die Familie ohne Unterhalt ist.

Es ist nach Meinung des djb der Schuldnerin/dem Schuldner durchaus zumutbar, eine Abänderungs- oder eine negative Feststellungsklage zu erheben.

Im Rahmen der isolierten einstweiligen Anordnungen in Kindschaftssachen weist der djb darauf hin, dass die Regelung zu einer unerwünschten Flut von einstweiligen Anordnungen führen kann.

Buch 3 - Verfahren in Betreuungs- und Unterbringungssachen
Abschnitt 1 - Verfahren in Betreuungssachen

Zu § 286 FamFG (Beteiligte)

Nach § 286 Abs. IV FamFG können im Interesse der/des Betroffenen die/der nicht dauernd von ihr/ihm getrennt lebende Ehegattin/Ehegatte oder Lebenspartnerin/Lebenspartner sowie in den in Abs. III genannten Verfahren Eltern, Pflegeeltern, Abkömmlinge und Geschwister beteiligt werden.

§ 286 FamFG ist im Zusammenhang mit § 8 Abs. III Nr. 2 FamFG zu sehen, der daneben gilt. Beide Vorschriften müssten harmonisiert werden. Nach § 8 Abs. III FamFG können als Beteiligte auch diejenigen hinzugezogen werden, die auf Grund dieses oder eines anderen Gesetzes beteiligt werden können. Sie sind nach § 8 Abs. IV FamFG zu benachrichtigen und über ihr Antragsrecht und die Wirkung des Antrags, d.h. über die zwingende Hinzuziehung, zu belehren. Eine derartige Handhabung verlängert und verteuert das Verfahren und ist daher untunlich. Darüber hinaus kann eine zwingende Beteiligung auch dem Willen der/des Betroffenen zuwiderlaufen. Ihr/sein Wille und ein objektiv von der Richterin/vom Richter festzustellendes Interesse der/des Betroffenen müssen nicht identisch sein. Es sollte deshalb nur auf die tatsächliche oder mutmaßliche Einwilligung der/des Betroffenen bei der Beteiligung abgestellt werden, zumal § 8 Abs. III Nr. 2 FamFG nicht erkennen lässt, aus welchen Gründen die Personen, die nach Abs. III von Amts wegen als Beteiligte hinzugezogen werden können, auf ihren Antrag immer hinzuzuziehen sind, d.h. auch dann, wenn dies nicht im Interesse der/des Betroffenen liegt. Die Begründung (S. 366) führt hierzu aus, aus dem ausdrücklich geäußerten Interesse dieser Personen, sich an dem Verfahren zu beteiligen, ergebe sich bereits, dass es regelmäßig für die Verfahrensführung sachgerecht sei, sie hinzuzuziehen. Es sei lediglich zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Absatz II Satz1 Nr. 1 oder 2 in der Person der Antragstellerin/des Antragstellers vorliegen. Das mag für Absatz III Nr. 1 gelten, insbesondere wenn sich im Laufe des Verfahrens herausstellt, dass das Recht der antragstellenden Person durch den Ausgang des Verfahrens voraussichtlich betroffen wird. Insoweit besteht bereits eine Verpflichtung des Gerichts zur Hinzuziehung, so dass ein Antrag überflüssig ist.

Soweit es um die Hinzuziehung nach Absatz III Nr. 2 geht, das heißt um diejenigen, die aufgrund des Familienverfahrensgesetzes oder eines anderen Gesetzes beteiligt werden können, kommt es aber häufig gar nicht auf das Interesse dieser Personen, sondern auf das Interesse anderer Beteiligter an, die sich nicht decken müssen. Entspricht die Hinzuziehung nicht dem Interesse der/des Betroffenen, was bei erheblichen persönlichen Spannungen oder finanziellen beziehungsweise wirtschaftlich begründeten Differenzen zwischen der/dem Betroffenen, seiner Ehegattin/seinem Ehegatten, Eltern, Geschwistern oder Kindern durchaus der Fall sein kann, müsste nach § 8 Abs. III Nr. 2 FamFG auf Antrag eine Beteiligung dieser Person stattfinden, obwohl sie nicht im Interesse der/des Betroffenen liegt und von Amts wegen nicht angeordnet würde.

Es ist in diesen Fällen nicht sinnvoll, das Ermessen des Gerichts zur Hinzuziehung einzuschränken und eine zwingende Beteiligung auf Antrag vorzusehen. Man sollte es daher dabei belassen, die in Absatz III genannten Personen von Amts wegen hinzuzuziehen oder sie zumindest von dem Verfahren und einem eventuellen Antragsrecht erst zu benachrichtigen, wenn konkrete Gründe für eine Hinzuziehung von Amts wegen abzusehen sind. Zumindest ist die gesetzliche Regelung klarer zu fassen.

Das bisherige Verfahren mit seiner Trennung in formelle und materielle Beteiligung hat sich bewährt und sollte deshalb beibehalten bleiben insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ca. 20 Millionen Deutsche über 60 Jahre alt sind und diese Zahl erwartungsgemäß noch steigen wird. Eine Beteiligung von Dritten kann durch eine Bevollmächtigung gewährleistet werden.

Zu § 288 FamFG (Verfahrenspfleger)

Im Rahmen des § 288 FamFG wird eine Legaldefinition der Verfahrenspflegerin/des Verfahrenspflegers sowie eines weitgefassten Aufgabenbereiches gefordert, ähnlich wie bei dem Verfahrensbeistand in § 166 Abs. IV FamVerfG. Die Forderung beruht auf den Erfahrungen, die in Verfahrenspflegschaften für Kinder gemacht wurden. Wird der Aufgabenumfang nicht konkret in vollem Umfang vorgegeben, werden die Kostensätze der Verfahrenspflegerinnen/Verfahrenspfleger von den Bezirksrevisorinnen/Bezirksreviso­ren gekürzt, was zu Unsicherheiten bei allen Beteiligten führt.

Weiterhin bedarf die Vorschrift der Klarstellung und Ergänzung. Die vorgesehene Formulierung ist missverständlich. § 1904 BGB sollte unbedingt als Regelfall mit einbezogen werden, wie dies im Rahmen der Sterilisation bereits vorgesehen ist. Es handelt sich bei den in § 1904 BGB angeführten Maßnahmen um mindestens so schwerwiegende, mit gesundheitlichen Gefahren verbundene Eingriffe.

Besonders bei Abs. III ist kritisch anzumerken, dass es nicht nachvollziehbar ist, warum mit der durchgängigen Bevorzugung der ehrenamtlichen Tätigkeit von vornherein auf die besonders erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen der berufsmäßig tätigen Verfahrenspflegerinnen/Verfahrenspfleger verzichtet werden soll. In § 27 FamFG wird verlangt, dass die Verfahrenspflegerinnen/Verfahrenspfleger als Beteiligte bei der Ermittlung des Sachverhaltes mitwirken. Diese Fähigkeit und die besonderen Kenntnisse des Verfahrensablaufs können bei ehrenamtlich Tätigen nicht unbedingt vorausgesetzt werden. Dadurch besteht die Gefahr, dass die Funktion der Verfahrenspflegschaft leer läuft.

Zu § 290 FamFG (Anhörung des Betroffenen)

Bei § 290 FamFG fällt auf, dass das Schlussgespräch anders als in der bisherigen Regelung nicht mehr enthalten ist. Zwar kann das Gericht nach § 34 Abs. I die Betroffene/den Betroffenen vor Abschluss des Verfahrens nochmals persönlich anhören, wenn dies zur Gewährung des rechtlichen Gehörs erforderlich ist. Größere Klarheit würde die/der Betroffene jedoch mit der Beibehaltung des Schlussgesprächs gewinnen.

Zu § 291 FamFG (Anhörung der sonstigen Beteiligten, der Betreuungsbehörde und des gesetzlichen Vertreters)

In § 291 stellt sich ebenfalls wie in § 286 FamFG die Frage nach den „sonstigen Beteiligten“, die anzuhören sind, auch gegen den Willen der/des Betroffenen. Eine Möglichkeit, der Anhörung einer bestimmten Person, mit der vielleicht Spannungen bestehen, zu widersprechen, ist in § 291 FamFG nicht mehr enthalten. Der betroffenen Person sollte ein Widerspruchsrecht eingeräumt werden, wie dies bisher der Fall war. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Beteiligte/ein Beteiligter bereits gegen den Willen der/des Betroffenen hinzugezogen worden ist.

Zu § 293 FamFG (Ärztliches Zeugnis, Entbehrlichkeit eines Gutachtens)

Die Vorschrift genügt nicht dem Schutz der Betroffenen. Nach der jetzigen Formulierung kann das vorgesehene ärztliche Zeugnis von den Beteiligten vorgelegt werden, wobei nicht zu kontrollieren wäre, wie dieses Zeugnis zustande gekommen ist. Es könnte aber auch mündlich abgegeben werden, was ebenfalls nicht zu kontrollieren wäre. Auch erhöht sich die Irrtumsgefahr. Deshalb sollte die Vorschrift lauten: „Für den Fall, dass die/der Betroffene die Bestellung einer Betreuerin/eines Betreuers beantragt...., hat das Gericht ein ärztliches Zeugnis einzuholen.“

Zu § 305 FamFG (Vordrucke für Betreuervergütung)

Die aus dem geltenden Recht (§ 69 e II) übernommene Regelung begegnet erheblichen Bedenken soweit sie nicht vorsieht, dass nur Personen, die die Betreuung im Rahmen der Berufsausübung führen, eingeführte Vordrucke als elektronische Dokumente zur Geltendmachung ihrer Vergütung einreichen müssen.

Diese Bestimmung bedeutet aus Sicht der Betroffenen bereits eine ungünstige Vorauswahl einer geeigneten Betreuerin/eines geeigneten Betreuers. Gerade Personen, die die Betreuung im Rahmen der Berufsausübung führen, aber nur wenige Fälle haben, würden sich diesen elektronischen Aufwand nicht leisten können. Aber gerade solche Betreuerinnen/Betreuer, die beispielsweise bis zu 15 Fälle bearbeiten, sind aus Sicht der Gerichte und der Betroffenen besonders wünschenswert, weil sie sich genügend Zeit für die zu Betreuenden nehmen können. Unabhängig von dieser Überlegung bedeutet die Auferlegung der vorgesehenen Obliegenheit eine Diskriminierung der Berufsgruppe im Verhältnis zu Behörden- und Vereinsbetreuern.

Zu § 310 FamFG (Sterilisation)

In Abs. III ist der letzte Halbsatz zu streichen, da in Fällen der Sterilisation keine Eilbedürftigkeit besteht.

Zu § 311 FamFG (Verfahren in den Fällen des § 1904 des Bürgerlichen Gesetzbuches)

Auch in diesem Falle sollte das Gericht aus den Gründen, die zu § 291 FamFG ausgeführt wurden, die „sonstigen Beteiligten“ nicht gegen den Willen der/des Betroffenen anhören und ihr/ihm wie bisher ein Widerspruchsrecht aus erheblichen Gründen einräumen. Darüber hinaus sollte aus den zu § 288 FamFG genannten Gründen als Abs. III die Regelung des § 310 Abs. V FamFG (Bestellung eines Verfahrenspflegers) übernommen werden.

Zu § 316 FamFG (Beschwerdebefugnis)

§ 316 FamFG ist mit den Vorschriften des allgemeinen Teils des FGG-Reformgesetzes zu harmonisieren. Es bedarf dringend der Klarstellung, ob in dieser Vorschrift von dem Zeitpunkt der „Kenntnis über das Beschwerderecht“ auszugehen ist. Soweit die Vorschrift der zuständigen Behörde im Gegensatz zu § 69 g Abs. I FGG ein Beschwerderecht auch gegen auf Antrag der/des Betroffenen ergangene Entscheidungen einräumt, soll dies nach der Begründung (S. 571) sachgerecht sein, um kostenintensive Betreuungsverfahren einzudämmen, in denen die/der Betroffene entgegen ihrem/seinem Antrag zur Regelung ihrer/seiner Angelegenheiten in der Lage ist. Offensichtlich misstraut der Gesetzgeber der 1. Instanz. Eine derartige Diskriminierung ist nicht hinzunehmen.

Auch der der jetzigen Rechtslage entsprechende Abs. IV ist nicht sachgerecht. Ob die/der vom Gericht eingesetzte Betreuerin/Betreuer geeignet und/oder gegebenenfalls durch eine andere geeignete Person einer Berufsbetreuung hätte ersetzt werden können, hatte das Gericht bereits vor der Einsetzung geprüft und entschieden. Es muss daher abgelehnt werden, dass der Vertreterin/dem Vertreter der Staatskasse ex post in Abs. IV Befugnisse eingeräumt werden, die infolge der bis zu 5 Monaten laufenden Beschwerdefrist das Vertrauensverhältnis zwischen Berufsbetreuerin/Berufsbetreuer und Betroffener/Betroffenem erheblich beeinträchtigen können. Auch würde eine derartige Regelung die Aufhebung der Gewaltenteilung bedeuten.

Zu § 317 FamFG (Beschwerde der Staatskasse)

Die vorgesehene Regelung des Fristbeginns durch formlose Mitteilung gibt Anlass zu Bedenken. Einmal sollten der Staatskasse keine weitergehenden Rechte eingeräumt werden als anderen Bürgerinnen/Bürgern auch. Darüber hinaus kann von den Beteiligten ohne weitere Ermittlungen nicht überprüft werden, wann die Mitteilung zugegangen ist und ob die Beschwerde fristgemäß eingelegt wurde. Hierdurch entsteht Rechtsunsicherheit. Beschwerdefähige Entscheidungen sollten förmlich zugestellt und nicht nach § 20 formlos mitgeteilt werden. Auch die in § 67 geregelte schriftliche Bekanntgabe schafft keine ausreichende Klarheit über den Beginn der Beschwerdefrist.

Die Beschwerdefrist der Staatskasse ist zu lang, es sollte eine kürzere Frist festgelegt werden, da das Beschleunigungsgebot auch im Abrechnungsverfahren gelten sollte. Längstens drei Monate nach Kenntnis und drei Jahre nach Abrechnung sollte eine Beschwerde der Staatskasse möglich sein.

Abschnitt 2 – Verfahren in Unterbringungssachen

Zu § 326 FamFG (Örtliche Zuständigkeit)

Abs. III dieser Vorschrift bedarf einer redaktionellen Änderung. Das Wort „liegt“ in der vorletzten Zeile ist zu streichen.

Zu § 334 FamFG (Einholung eines Gutachtens)

Gegen die vorgesehene Form des Abs. II, wonach für unterbringungsähnliche Maßnahmen ein ärztliches Zeugnis genügen soll, bestehen verfassungsrechtliche Bedenken. Vor allem die Frage, ob, in welchem Umfang und wie lange Fixierungen erforderlich sind, erfordert bei gerontopsychiatrischen Patientinnen/Patienten eine eingehende Begutachtung durch qualifizierte Sachverständige (vgl. Schneider, FamRZ 1991, 284). Insbesondere für eine wiederholte oder länger andauernde Maßnahme sollte ein qualifiziertes fachärztliches Gutachten notwendig sein.

Artikel 43:  Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

Zu Nr. 20 (§ 1684)

Die in § 1684 Abs. 3 BGB vorgesehene Ergänzung einer Umgangspflegschaft neben dem betreuten Umgang verstößt nach Ansicht des djb gegen Art. 6 Abs. 2 GG. Sie kann nur in Form der Ergänzungspflegschaft bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1666 BGB angeordnet werden, wenn in das elterliche Erziehungsrecht des sorgeberechtigten Elternteils eingegriffen wird, d.h. wenn sie nicht nur beratende Funktion haben soll, sondern auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht umfasst.

In der Begründung der Ergänzung zu § 1684 Absatz 3, wonach die Umgangspflegschaft auch das Recht umfasst, die Herausgabe des Kindes zur Durchführung des Umgangs zu verlangen und für die Dauer des Umgangs dessen Aufenthalt zu bestimmen, wird ausgeführt, die hohe Schwelle der Kindeswohlgefährdung müsse künftig nicht mehr erreicht werden. Eine Prognose über die Auswirkungen des unterbleibenden Umgangs auf das Kindeswohl – häufig nur mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens möglich - werde damit entbehrlich. Da das Gericht nur die Rechtspositionen der Eltern untereinander auszugleichen habe, seien auch die strengen Voraussetzungen für einen Eingriff in das elterliche Erziehungsrecht nicht erforderlich. Diese Rechtsauffassung findet in der in den Gründen zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 31, S. 194 ff (208 ff) keine Grundlage.

Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich ausgeführt, dass eine gerichtliche Anordnung zur Durchsetzung des Verkehrsrechts zwischen einem geschiedenen und nicht sorgeberechtigten Elternteil und seinem Kind Artikel 6 GG nicht verletze. Ob dies auch bei der Zwischenschaltung eines Dritten mit eigenen Rechten gelten sollte, war in diesem Verfahren nicht hinterfragt und ist daher auch nicht entschieden worden. Nach § 1684 Absatz 3 BGB-Änderung wird dem Umgangspfleger aber das Recht übertragen, u.a. auch die konkrete Ausgestaltung des Umgangs zu bestimmen. Es handelt sich also nicht um eine gerichtliche Anordnung, sondern um die Zwischenschaltung einer dritten Person, die in das Sorgerecht eingreift, indem sie den Aufenthalt des Kindes bestimmt und die Modalitäten des Umgangs regelt. Ein solcher Eingriff in das Elternrecht ist nur bei Gefährdung des Kindeswohls in Form einer Ergänzungspflegschaft zulässig.

Darüber hinaus zeigen die von der Rechtsprechung entschiedenen Fälle, insbesondere die des Oberlandesgerichtes Frankfurt (FamRZ 2004, 1311f), dass die Konflikte durch eine Umgangspflegschaft in der Regel nicht ausgeräumt werden. Die Umgangspflegschaft, die nach wie vor an eine Verletzung des Kindeswohls geknüpft sein muss, sollte daher keinesfalls auf Dritte, und seien es auch die Großeltern, ausgedehnt werden. Es sollte bei der von der Rechtssprechung entwickelten Ergänzungspflegschaft bei Elternkonflikten bleiben.

 

 

Jutta Wagner                                                       Dr. Angelika Nake

Präsidentin                                                           Vorsitzende der Kommission Zivil-, Familien- und Erbrecht, Recht anderer Lebensgemeinschaften

 

                                                                                  Christiane Schreiber

                                                                                  Vorsitzende der Kommission Ältere Menschen