Stellungnahme: 06-12


zur geplanten Änderung des Aufenthaltsrechts<br> – zum Aufenthaltsrecht von Opfern von Menschenhandel –

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) begrüßt, dass in dem Gesetzesentwurf zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union den Opfern von Menschenhandel wenigstens ein vorübergehender Aufenthaltstitel für die Dauer des Strafverfahrens eingeräumt werden soll. Diese Regelung dient der Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates und der Richtlinie 2004/81/EG des Rates und stellt in jedem Fall ein Verbesserung zur bisherigen Rechtslage dar. Dies ist aus Sicht des djb jedoch nicht ausreichend. Den Opfern von Menschenhandel sollte vielmehr, soweit sie dies wünschen, aus humanitären Gründen ein längerfristiger Aufenthaltstitel gewährt werden, wenn eine besondere Härte bei einer Rückführung in das Heimatland vorliegt.

Opfer von Menschenhandel befinden sich in einer vergleichbaren Situation zu denjenigen, denen ein Festhalten an der gewalttätigen Ehe nicht mehr zugemutet werden kann und bei denen aus Härtegründen ein ehegattenunabhängiges Aufenthaltsrecht gewährt wird (§31 Abs. 2 AufenthG). Dieses eigenständige, ehegattenunabhängige Aufenthaltsrecht wird letztlich zutreffend sowohl aus humanitären Gründen als auch wegen der Mitverantwortung der Bundesrepublik Deutschland für die Situation, in der sich hier in einer Ehe misshandelte Frauen befinden, gewährt.

Ähnliche Erwägungen müssen für Opfer von Menschenhandel gelten. Es sind Freier aus Deutschland, die sich ihrer „bedienen“ und letztlich einen Markt für die Ware Frau – oft sind es sogar Kinder - schaffen und so dazu führen, dass Frauen unter falschen Versprechungen aus ihrem Heimatland nach Deutschland kommen und hier wie Sklaven „gehalten“ werden. Ihnen werden ihre Papiere weggenommen und sie werden entrechtlicht. Oft wird ihnen auch damit gedroht, dass ihrer Familie in der Heimat etwas geschieht oder dass die Familie erfährt, was die Frau hier macht. Sie befinden sich schutzlos in einem ihnen fremden Land, dessen Sprache sie nicht sprechen, und wagen es kaum, sich an Dritte zu wenden. Vielfach geben sie aber an die Freier entsprechende Signale, zumindest ist es, wenn die Augen nicht davor verschlossen werden, unschwer zu erkennen, dass eine Frau hier nicht freiwillig ist. Gerade diesen Opfern muss dann, wenn sie sich aus der Sklaverei befreien können, mit mehr als nur einem kurzfristigen Aufenthaltstitel für die Dauer des Strafverfahrens geholfen werden. Denn andernfalls werden sie ein weiteres Mal zum bloßen Objekt degradiert, dessen sich die Bundesrepublik Deutschland bedient, um die – dringend notwendige – Strafverfolgung der Täter durchzuführen.

Viele Opfer von Menschenhandel werden wegen der hier erlebten schweren Verletzungen ihrer elementaren Menschenrechte Deutschland so schnell wie möglich wieder verlassen wollen. Andere können dies nicht, weil sie sich vor ihren Familien oder den sonstigen sie erwartenden Umständen in ihrem Heimatland fürchten. Manchmal sind sie aber auch nur noch nicht dazu in der Lage, weil die Umstände, unter denen sie zuvor gelitten haben, sie schwer traumatisiert haben.

Das zu gewährende Aufenthaltsrecht sollte zunächst auf ein Jahr befristet werden. Im Anschluss sollte eine Verlängerung möglich sein, wobei der Bezug von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zumindest dann der Verlängerung nicht entgegenstehen darf, wenn die Notwendigkeit des Leistungsbezugs eine Folge des vorher erlebten Menschenhandels ist. Viele Opfer von Menschenhandel sind schwer traumatisiert und bedürfen zunächst psychischer Betreuung, ehe sie sich wieder um sich selbst kümmern können.

Der djb hält daher die Einfügung einer an § 31 Abs. 2 AufenthG angelehnten Regelung in § 25 AufenthG zum Beispiel als Absatz 4b für dringend geboten. Dieser Absatz könnte folgenden Wortlaut haben:

(4b) Einer Ausländerin/einem Ausländer, die/der Opfer einer Straftat nach den §§ 232, 233 oder 233a des Strafgesetzbuches wurde, kann über Absatz 4a hinaus auch ein eigenständiges Aufenthaltsrecht, das zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, zunächst für ein Jahr erteilt werden, wenn sie/er es wünscht und dies zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist. Eine weitere Verlängerung kann versagt werden, wenn die Ausländerin/der Ausländer aus einem von ihr/ihm zu vertretenden Grund auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist.

Jutta Wagner 
Präsidentin

Dr. Katja Rodi
Vorsitzende der Kommission Öffentliches Recht,
Europa- und Völkerrecht