Stellungnahme: 06-03


zum Gesetzentwurf der CDU/CSU und SPD zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 14. 2. 2006 Bundestags-Drucksache 16/643

Stellungnahme vom

Der Gesetzentwurf geht einen großen und wichtigen Schritt auf dem Weg zur besseren steuerlichen Absetzbarkeit der Kinderbetreuung und zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Erstmals werden berufsbedingte Betreuungskosten den anderen berufsbedingten Betriebsausgaben und Werbungskosten gleichgestellt. Der Gesetzentwurf trägt damit der verfassungsrechtlich begründeten Forderung Rechnung, dass beruflich veranlasste Kosten der Kinderbetreuung durch Dritte mit anderen berufsbedingten Aufwendungen gleich zu setzen sind.

Nicht zu überzeugen vermag dagegen die ebenfalls neu eingeführte Berücksichtigung von Betreuungskosten für Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren als Sonderausgaben. Eine Betreuung und Förderung der Kinder in Kindergärten und Kindertageseinrichtungen ist unabhängig von der Berufstätigkeit der Eltern sozial- und bildungspolitisch sinnvoll. Nicht zielführend ist es allerdings, jegliche Art von privat veranlasster Kinderbetreuung steuerlich zu berücksichtigen und dabei höhere gegenüber niedrigeren Einkommen durch die progressiven Entlastungen zu begünstigen.

Auch in Zukunft soll Kinderbetreuung als haushaltsnahe Dienstleistung abzugsfähig bleiben, wenn und soweit sie nicht in anderer Weise berücksichtigt wird.

Nachfolgend werden nur solche Punkte des Gesetzentwurfs angesprochen, deren Diskussion der Deutsche Juristinnenbund für erforderlich hält.

1. Betreuungskosten aus Anlass von Erwerbstätigkeit (§§ 4f, 9, 9a des Entwurfs)

Die Regelungen stellen einen großen und wichtigen familien- und frauenpolitischen Schritt in die richtige und verfassungsrechtlich gebotene Richtung dar. Endlich erkennt der Gesetzgeber an, dass Kinderbetreuung für berufstätige Eltern keine Privatsache ist, sondern notwendige Voraussetzung, um berufstätig zu sein. Damit wird nun in erheblich höherem Maß als bisher dem verfassungsrechtlichen Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprochen.

a) Einordnung als „Wie-Betriebsausgaben“ und „Wie-Werbungskosten“

Betreuungskosten, die berufsbedingte Aufwendungen darstellen, sollten aber als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ausgestaltet und nicht, wie der Gesetzentwurf vorsieht, mit der Einordnung als „Wie-Betriebsausgaben“ und „Wie-Werbungskosten“ als eine neue steuerrechtliche Kategorie geschaffen werden. Denn sämtliche anderen in wirtschaftlichem  Zusammenhang mit gewerblicher, selbständiger und unselbständiger Tätigkeit stehende Aufwendungen werden im Steuerrecht ausnahmslos als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten berücksichtigt (§§  9, 4  EStG).

b) Ausschluss eines Drittels der Betreuungskosten vom Abzug

Berufsbedingte Betreuungskosten werden nunmehr grundsätzlich auch ab dem ersten aufgewendeten Euro berücksichtigt. Damit können auch Familien mit eher niedrigen Betreuungskosten diese nun als berufsbedingten Aufwand geltend machen. Dieses Konzept stellt eine Verbesserung gegenüber den ursprünglichen Vorschlägen dar, wonach unabhängig von der Höhe der Kosten ein fester Sockelbetrag vom Abzug ausgenommen bleiben sollte. Außerdem wird mit der Neufassung des § 33 Abs. 2 Satz 2 (Ziff. 11 des Entwurfs) auch einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entsprochen, dass Betreuungsaufwendungen keine außergewöhnlichen Belastungen darstellen, die die Steuerpflichtigen in zumutbarer Höhe selbst zu tragen hätten. Der Ausschluss eines Drittels der beruflich veranlassten Kosten für Kinderbetreuung steht jedoch im Widerspruch zum verfassungsrechtlichen Grundsatz der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit und sollte daher allenfalls eine Übergangsregelung darstellen.

Betreuungskosten können insbesondere nicht als „gemischte“ Aufwendungen für Berufstätigkeit und private Lebensführung angesehen werden. Eine Verwendung zur privaten Lebensführung ist zum einen bereits durch zwei andere Beschränkungen im Gesetzentwurf ausgeschlossen: Ausgenommen bleiben Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten und für Freizeitbetätigungen (§ 4f Satz 3 uns § 10 Abs. 1 Nr. 8 Satz 4 des Entwurfs). Zum anderen wird mit der Begrenzung des möglichen Steuerabzugs auf 4000 Euro jährlich (d.h. umgerechnet 333,33 Euro monatlich pro Kind) der Abzug auf einen Umfang beschränkt, den eine Familie typischerweise in voller Höhe zur Gewährleistung der elterlichen Berufstätigkeit aufwenden muss.

Das vom Abzug von vornherein ausgeschlossene Drittel ist auch nicht etwa durch den Betreuungsfreibetrag des § 32 Abs. 6 EStG berücksichtigt. Zum einen stimmen die Entlastung durch den Betreuungsfreibetrag einerseits und die Wirkungen durch den Ausschluss von einem Drittel der Kosten für Betreuung durch Dritte andererseits nicht überein. Zum anderen soll der Betreuungsfreibetrag nach der wenig überzeugenden und in ihrer Zwecksetzung diffusen Regelung z.B. sog. Opportunitäts“kosten“ betreuender Eltern in Gestalt entgangenen Einkommens und geminderter Aufstiegschancen berücksichtigen. Aber auch berufstätige Eltern und vor allem berufstätige Mütter betreuen ihre Kinder in erheblichem Umfang und unter Inkaufnahme solcher Opportunitäts“kosten“ selbst. Berücksichtigte der Betreuungsfreibetrag die realen Kosten der Betreuung durch Dritte, so würden diese zusätzlichen „Kosten“ bei erwerbstätigen Eltern mit dem Freibetrag nicht abgegolten.

c) Höchstbetrag von 4000 Euro

Die pauschale Obergrenze von 4000 Euro erscheint angemessen. Für die Zukunft ist jedoch auf eine kontinuierliche Anhebung des Betrages entsprechend der steigenden Betreuungskosten zu achten.

2. Kosten der Betreuung eines Kindes zwischen 3 und 6 Jahren (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 des Entwurfs)

Es bestehen Bedenken dagegen, Kinderbetreuungskosten, die nicht beruflich veranlasst sind, steuerlich abzugsfähig zu gestalten. Der Deutsche Juristinnenbund begrüßt zwar ausdrücklich das bildungs- und sozialpolitische Ziel, dass Kinder schon vor der Grundschule Kindertagesstätten und Kindergärten besuchen. Zur Umsetzung dieses Ziels sind jedoch andere Maßnahmen besser geeignet.

Es entspricht nicht der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, dass Kosten, die politisch erwünscht sind, aber nichts mit der Erwerbstätigkeit zu tun haben, das zu versteuernde Einkommen mindern. Die sozial- und bildungspolitische Zielsetzung rechtfertigt nicht, dass die Kosten des Kindergartens und der Kindertageseinrichtung bei Familien mit höherem Einkommen aufgrund der progressiven Entlastung stärker berücksichtigt werden als bei Familien mit niedrigerem Einkommen. Zielführender wären deshalb direkte Zuschussregelungen für den Ausbau der Kindertagesbetreuung (z.B. Finanzierung von Kinderbetreuungseinrichtungen und Ganztagsschulen, evtl. auch Zuschüsse für die Betreuung außer Hause, z.B. durch Tagesmütter). Eine gleichmäßige Förderung der Familien selbst würde z.B. durch einen Abzug von der Steuerschuld erreicht, der allen Familien in gleicher Höhe zugute käme.

Dessen ungeachtet bedarf die Regelung auf jeden Fall einer Ergänzung, um auch für diese Gruppe der Drei- bis Sechsjährigen den Abzug von Aufwendungen für Unterricht außerhalb der Kindertagesbetreuung, für die Vermittlung besonderer Fähigkeiten und für Freizeitbetätigungen auszuschließen.

3. Abzugsfähigkeit haushaltsnaher Dienstleistungen (§ 35a des Entwurfs)

Die Neufassung des § 35a ist hinsichtlich der Kinderbetreuungskosten steuersystematisch noch nicht geglückt. Bislang werden die Kosten der haushaltsnah erbrachten Kinderbetreuung berücksichtigt, soweit sie nicht in anderem Rahmen (z.B. als außergewöhnliche Aufwendungen nach § 33c) berücksichtigungsfähig sind. Dagegen schließt der Gesetzentwurf nach seinem Wortlaut die Berücksichtigung von erwerbsbedingten Betreuungskosten oder solchen, die nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 berücksichtigungsfähig wären, ganz aus. Diese Regelung können die Familien nur (und leicht) umgehen, wenn sie als entgoltene Dienstleistung andere hauswirtschaftliche Tätigkeiten ausweisen.

Aus Gründen der Rechtsklarheit und zur Vermeidung von Umgehungen sollte deshalb auf eine Herausnahme der Kinderbetreuung aus dem Katalog der haushaltsnahen Beschäftigungsverhältnisse und Dienstleistungen verzichtet werden. Im Bereich haushaltsnaher Beschäftigung ist eine präzise Abgrenzung von Kinderbetreuung, Betreuung pflegebedürftiger Personen und anderen haushaltsnahen Dienstleistungen zumeist nur schwer möglich und eine Umgehung kaum nachweisbar. Ein Verbleib der Kinderbetreuung im Tatbestand des § 35a verfolgt außerdem konsequenter das ausdrücklich formulierte steuerpolitische Ziel der Förderung haushaltsnaher Beschäftigung. Eine Bevorzugung von haushaltsnaher Kinderbetreuung gegenüber der Kinderbetreuung außer Haus ist darin nicht zu sehen.

Deshalb sollte der Tatbestand, sofern der Gesetzgeber an der Abzugsmöglichkeit des § 35a aus Gründen der Beschäftigungspolitik festhalten möchte, weit gefasst werden. Aufwendungen für Kinderbetreuung sollten wie in der alten Regelung abzugsfähig bleiben,

„soweit sie nicht unter die in § 4f, § 9 Abs. 5, § 10 Abs. 1 Nr. 5 oder Nr. 8 fallen“.

4. Nachweis tatsächlich geleisteten Aufwandes

Die Nachweispflicht hinsichtlich der tatsächlich entstandenen Betreuungskosten könnte einheitlicher und überzeugender gelöst werden. Wird an der Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 festgehalten, so sollte wie §§ 4f, § 10 Abs. 1 Nr. 8 und § 35a geregelt werden, dass die tatsächlich geleisteten Aufwendungen nachgewiesen werden müssen. Für alle Formen der Berücksichtigung von Betreuungskosten sollte überdies ein Nachweis der Aufwendungen nach den allgemeinen Regeln ausreichend sein. Insbesondere für Minijobs, für die das Haushaltsscheckverfahren zur Anwendung kommt, wäre der Nachweis des Zahlungseingangs auf einem Bankkonto überzogen. Gerade in dieser Gruppe verfügen nicht alle Beschäftigten über ein eigenes Bankkonto oder über die technischen Möglichkeiten, jederzeit und leicht Transaktionen über das Konto zu tätigen. Der Nachweis der Zahlung auf ein Konto des Erbringers der Leistung ist deshalb verzichtbar.

Vorgeschlagen wird, in § 4f, § 10 Abs. 1 Nr. 5 und 8 sowie § 35a eine gleich lautende Regelung aufzunehmen:

„Voraussetzung für den Abzug nach Abs..... S.... ist, dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen nachweist. Bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen, für die das Haushaltscheckverfahren Anwendung findet, dient als Nachweis die Bescheinigung nach § 28h Abs.4 SGB IV.“

2. März 2006

Jutta Wagner
Präsidentin               

Dr. Margarete Schuler-Harms
Kommission Recht der Sozialen Sicherung,
Familienlastenausgleich