Stellungnahme: 06-02


zur Verlängerung und Neufassung des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes (BayGlG)

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund begrüßt die Entwürfe zu einer Neufassung des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes außerordentlich. Nach unserer Ansicht ist die Gleichstellung von Frauen und Männern im bayerischen öffentlichen Dienst noch nicht erreicht. Das Bayerische Gleichstellungsgesetz sollte deshalb unbefristet fortgeführt werden - mit einer regelmäßigen Evaluierung der erreichten Fortschritte. Es bietet sich jetzt zudem die Chance, in einem neuen Gesetz sowohl die Ergebnisse des Dritten Berichts der Baye­rischen Staatsregierung über die Umsetzung des BayGlG zu verarbeiten, als auch die Erfahrungen anderer Bundesländer mit ihren Gleichstellungsgesetzen einfließen zu lassen.

Vor allem bei den folgenden Punkten sieht der Deutsche Juristinnenbund einen dringenden Verbesserungsbedarf:

Art. 1 - Geltungsbereich

Der bayerische öffentliche Dienst besitzt bei der Umsetzung von Chancengleichheit und Gleichstellung eine Vorreiterrolle gegenüber der Privatwirtschaft. Der Freistaat Bayern sollte deshalb das ihm zur Verfügung stehende Anreizsystem nutzen, um die Prinzipien der Gleichstellung und Gleichberechtigung als Ausdruck des Willens des Gesetzgebers weiter in der Gesellschaft zu verankern.

Es sollte daher Absatz 1 wie folgt ergänzt werden:

(1) ... Satz 2: Es ist darauf hinzuwirken, dass Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmen, deren Anteile sich unmittelbar oder mittelbar ganz oder überwiegend in öffentlicher Hand befinden oder die überwiegend mit Landesmitteln unterhalten werden, die Ziele dieses Gesetzes berücksichtigen.

Satz 3: Bei der Gründung eines Unternehmens in Rechtsformen des Privatrechts durch das Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband soll die Anwendung dieses Gesetzes im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden.

Art. 2, 5 und 8

Art. 2 Abs. 1 sowie Art. 5 Abs. 3 und Art. 8 Abs. 1 geben für die Regelung der Bezugsgrößen für Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung die Beschäftigung von Frauen „in erheblich geringerer Zahl“ als unbestimmten Rechtsbegriff vor. Die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs „erheblich“ erscheint allerdings geeignet, unwillige Dienststellen von Gleichstellungsmaßnahmen absehen zu lassen. Der unbe­stimmte Rechtsbegriff sollte daher durch den europarechtlich vorgegebenen Begriff der Unterrepräsentanz ersetzt werden, mit einer konkreten Definition, unter welchen Voraussetzungen eine Unterrepräsentanz vorliegt.

Art. 4 - Aufstellung von Gleichstellungskonzepten

Das Gleichstellungskonzept ist das strategische Planungsinstrument und damit neben der institutionellen Verankerung der Gleichstellungsbeauftragten das Kernstück des Gleichstellungsgesetzes. Insbesondere verkörpert die Aufgabe einer Konzepterstellung eindeutig den Anspruch des öffentlichen Dienstes, die Chancengleichheit als eigenes wichtiges Ziel voranzutreiben. Gleichzeitig bestehen aber offenbar in diesem Punkt die größten Umsetzungsmängel, wie der Bericht der Staatsregierung aufzeigt: zum Teil exis­tieren in Dienststellen überhaupt keine Pläne, deren Zielerreichung wird nicht regelmäßig evaluiert und die Ziele selbst auch nicht an veränderte Umstände angepasst. Ohne derartige Planungen verzichtet die Verwaltung jedoch auf jede Steuerungsmöglichkeit.

Der Deutsche Juristinnenbund ist der Ansicht, dass eine faktische Gleichstellung nur dann in die Praxis umgesetzt werden kann, wenn hierzu konkrete Planungen seitens der Dienststellen unternommen werden. Grundlage und Teil jedes Gleichstellungskonzepts sollte deshalb ein eigener Personalentwicklungsplan sein, der ein Maßnahmenbündel für den überschaubaren Zeitraum von drei Jahren vorsieht. Es sollte jährlich eine Evaluierung des erreichten Umsetzungsstands erfolgen, verbunden mit der Möglichkeit einer entsprechenden Anpassung der jeweiligen Planung.

Längere Planungszeiträume mit einer entsprechenden Berichtspflicht erscheinen unpraktikabel. Das Gleichstellungskonzept sollte als Strategiepapier eine Grundlage für konkrete Personalentwicklungsmaßnahmen bieten, die eine permanente Arbeitsaufgabe darstellen. Hinweise, aufgrund der geringen Stellenfluktuation lohne sich eine kürzere Planung nicht, verkennen die Ansprüche eines Gleichstellungsgesetzes und verkürzen dessen Anspruch auf die reine Überprüfung personeller Maßnahmen zum Zeitpunkt der Einstellung oder Beförderung. Dies ist zwar ein äußerst wichtiger Punkt, häufig setzt jedoch eine Diskriminierung bereits zu einem früheren Zeitpunkt, so z.B. bei der Leistungsbewertung ein.

Art. 4 sollte daher wie folgt lauten:

(1) Satz 1: Die Dienststellen erstellen nach Maßgabe ihrer dienst- oder arbeitsrechtlichen Zuständigkeit unter frühzeitiger Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten, soweit solche nicht bestellt sind, der Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, ein Gleichstellungskonzept auf der Grundlage eines zu erstellenden Personalentwicklungsplans für die jeweils folgenden drei Jahre.

Sätze 2 und 3 bleiben unverändert.

Satz 4: Das Gleichstellungskonzept sowie der Personalentwicklungsplan sind mindestens einmal jährlich auf den Stand der Zielerreichung zu überprüfen.

Satz 5: Ausgehend von dem festgestellten Fortschritt sowie sonstigen veränderten Bedingungen sind das Gleichstellungskonzept und der Personalentwicklungsplan für die nächsten drei Jahre entsprechend anzupassen.

(2) bleibt unverändert

Art. 5 - Inhalt des Gleichstellungskonzepts

Zutreffenderweise handelt es sich bei den in Abs. 2 genannten Kriterien um eine beispielhafte Aufzählung. Der Gesetzgeber sollte jedoch im Gesetzestext stärker verdeutlichen, dass eine geschlechtersensible Sichtweise bereits zum Zeitpunkt der Leistungsbeurteilung ansetzen muss, da hier der Grundstein für spätere Beförderungen und Höhergruppierungen gelegt wird. Die Aufzählung sollte daher um das Kriterium „Beurteilung“ ergänzt werden.

Art. 5 Abs. 3 sollte wie folgt lauten:

Satz 1:

Zur Erhöhung des Frauenanteils in Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, sind Maßnahmen zur Durchsetzung personeller und organisatorischer Verbesserungen anhand von zeitbezogenen Zielvorgaben zu entwickeln.

Satz 2:

Diese Maßnahmen sind in den Personalentwicklungsplan nach Art. 4 einzuarbeiten.

Art. 6 - Bekanntgabe des Gleichstellungskonzepts und Begründungspflichten

Angesichts der im Dritten Bericht der Staatsregierung festgestellten Umsetzungslücken gerade bei der Erstellung von Gleichstellungskonzepten hält der Deutsche Juristinnenbund es für dringend notwendig, die Nichterstellung eines Konzepts mit einer wirksamen Sanktion zu verknüpfen. Der bisherige Appell an die Freiwilligkeit und die öffentliche Bekanntgabe haben keine ausreichende Wirkung gezeigt. Es sollte daher der folgende Absatz hinzugefügt werden:

(3) Solange kein Gleichstellungsplan aufgestellt ist, obliegt der Aufsichtsbehörde die Verpflichtung, eine entsprechende Anweisung zu erteilen und deren Befolgung zu überwachen.

Art. 8 - Einstellung und beruflicher Aufstieg

Wie bisher sollten im Art. 8 Abs. 2 im Einklang mit der verfassungsrechtlichen Vorgabe des Art. 94 Abs. 2 der Bayerischen Verfassung die Erfahrungen und Fähigkeiten aus der Betreuung von Kindern, Pflegebedürftigen sowie aus ehrenamtlicher Tätigkeit berücksichtigt werden, soweit sie für die zu übertragenden Aufgaben erheblich sind.

Art. 16 - Rechtsstellung der Gleichstellungsbeauftragten

Die unmittelbare Unterstellung der Gleichstellungsbeauftragten unter die Dienststellenleitung hat sich bewährt und sollte erhalten bleiben. Die Gleichstellungsbeauftragte darf nicht in die Personalverwaltung eingegliedert werden. Zugang zu den Akten kann auch über die Dienststellenleitung erfolgen.

Wie auch der Umsetzungsbericht der Staatsregierung aufzeigt, ist es dringend notwendig, die Zusammenarbeit der Gleichstellungsbeauftragten mit der Dienststelle und der Personalvertretung zu verbessern. Der Deutsche Juristinnenbund begrüßt daher eine Klarstellung, wonach die Gleichstellungsbeauftragten an den Besprechungen zwischen Dienststelle und Personalvertretung teilnehmen. Hier reicht unseres Erachtens eine explizite Regelung aus, die sich auf die regelmäßig stattfindenden Besprechungen bezieht. Auch sollte gesetzlich gesichert werden, dass die Gleichstellungsbeauftragten von der Dienststelle mit einer effektiven Vertretung auszustatten sind.

Zwar regelt Art. 16 Abs. 7 des bisherigen Gleichstellungsgesetzes, dass die Gleichstellungsbeauftragten von ihrer sonstigen dienstlichen Tätigkeit freizustellen sind. In der Praxis wird diese unbestimmte Regelung von den Dienststellen allerdings eher restriktiv gehandhabt, wobei sich diese Tendenz angesichts der angespannten Haushaltslage noch verstärkt. Es wird jedoch der Zielsetzung des Gesetzes nicht gerecht, wenn die Gleichstellungsbeauftragten nur unzureichend mit Arbeitszeit ausgestattet werden. Das Gesetz darf auch nicht den entstehenden Konflikt auf die einzelnen Gleichstellungsbeauftragten abwälzen.

Der Deutsche Juristinnenbund plädiert daher dafür, in Art. 16 Abs. 7 eine Staffelung der Freistellung nach der betreuten Beschäftigtenzahl vorzunehmen und in Art. 16 Abs. 8 deutlich zu machen, dass die Vertretung der Gleichstellungsbeauftragten für die Zeit ihrer Amtsführung die gleichen Rechte und Pflichten hat.

Eine Formulierung könnte lauten:

(7) ... Satz 4:

In Dienststellen mit mehr als 300 Beschäftigten ist für die Tätigkeit der Gleichstellungsbeauftragten mindestens eine Stelle mit der Hälfte der regelmäßigen Wochenarbeitszeit zur Verfügung zu stellen, in Dienststellen mit mehr als 600 Beschäftigten eine volle Stelle.

Satz 5:

Bei der Berechnung der Beschäftigtenzahl sind die nachgeordneten Behörden mit einzubeziehen, für die die Gleichstellungsbeauftragte zuständig ist

(8) ... Satz 2:

Dazu gehört auch die Bestellung von stellvertretenden Gleichstellungsbeauftragten, die für die Zeit ihrer Amtsführung die gleichen Rechte und Pflichten haben.

Art. 18 - Rechte und Pflichten

Der Deutsche Juristinnenbund hält eine Ergänzung hinsichtlich einer rechtzeitigen Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten bei Personalangelegenheiten für notwendig.

Darüber hinaus werden die Sätze 2 bis 4 der Zielsetzung des Art. 2 nicht gerecht, indem sie eine Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten in Personalangelegenheiten vom Einverständnis der Betroffenen bzw. einer besonderen Begründungspflicht abhängig machen. Personalangelegenheiten sind immer auch gleichstellungsrelevant, hier sollten die Gleichstellungsbeauftragten ohne weitere Einschränkungen beteiligt werden.

Art. 19 - Beanstandungsrecht

Wie der Bericht der Staatsregierung verdeutlicht, fehlt es in vielen Dienststellen an dem notwendigen Willen und Engagement, für eine Gleichstellung von Frauen und Männern konkrete Maßnahmen einzuleiten und zu dokumentieren. Die Regelungen des Gleichstellungsgesetzes werden vielerorts noch - völlig sanktionslos - missachtet. Da einem Widerspruch oder einer Beanstandung keine weiteren Schritte folgen, besitzt die Gleichstellungsbeauftragte in der Rechtswirklichkeit nur eine geringe tatsächliche Einflussmöglichkeit. Der Deutsche Juristinnenbund fordert daher nachdrücklich ein wirksames Beanstandungsrecht der Gleichstellungsbeauftragten, das mit einem Devolutiveffekt verbunden werden muss.

Art. 19 sollte daher in Abs. 2 ergänzt werden und lauten:

(2) Satz 1:

Über die Beanstandung entscheidet die Dienststellenleitung oder die für sie handelnde Stelle.

Satz 2:

Sie soll über den Einspruch innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zugang des Einspruchs entscheiden.

Satz 3:

Die beanstandete Maßnahme und ihre Durchführung sind so lange aufzuschieben.

Satz 4:

Hält sie die Beanstandung für begründet, sind die Maßnahme und ihre Folgen zu berichtigen sowie die Ergebnisse der Beanstandung für Wiederholungsfälle zu berücksichtigen.

Satz 5:

Hält sie die Beanstandung nicht für begründet, legt sie diese der nächsthöheren Dienststellenleitung vor.

Satz 6:

Hält die nächsthöhere Dienststellenleitung die Beanstandung ebenfalls für unbegründet, hat sie dies zu begründen.

Ferner regt der Deutsche Juristinnenbund an, ein Klagerecht vor dem Verwaltungsgericht entsprechend § 22 Bundesgleichstellungsgesetz vorzusehen.

Art. 22 - Berichtspflichten

Nach Auffassung des Deutschen Juristinnenbundes sollte eine Berichterstattung der Staatsregierung in überschaubaren Abständen erfolgen, um zu verdeutlichen, dass das Ziel der Gleichstellung von Mann und Frau nach wie vor eine hohe Priorität genießt und mit dem nötigen Nachdruck und Gewicht verfolgt wird. Es sollte daher bei einer dreijährigen Berichtspflicht bleiben.

28. Februar 2006

Marianne Grabrucker
Vorsitzende des Landesverbands Bayern

Katja Schwind
Vorsitzende der Regionalgruppe München/Südbayern