Stellungnahme: 06-01


zur bevorstehenden Novelle des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes (HGIG)

Stellungnahme vom


Der Deutsche Juristinnenbund (djb) fordert, folgende Eckpunkte bei der anstehenden Novelle des HGlG zu berücksichtigen:
Der Staat ist verfassungsrechtlich aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG verpflichtet, eine aktive und gezielte Frauenförderung zur Verwirklichung der Gleichberechtigung der Geschlechter zu betreiben. Als Arbeitgeber ist er insbesondere verpflichtet, Maßnahmen zur Beseitigung der Unterrepräsentanz von Frauen im öffentlichen Dienst gesetzlich zu verankern. Angesichts des automatischen Außerkrafttretens des HGlG durch Zeitablauf würde ein Untätigsein des hessischen Gesetzgebers gegen den in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG normierten Gleichstellungsauftrag verstoßen. Aber auch ein Abbau bereits bestehender Instrumente zur Förderung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern wäre nicht zulssig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterliegt der Gesetzgeber nämlich einem Untermaßverbot (BVerfGE 88, 203-366): Er muss sein grundgesetzlich vorgegebenes Ziel der Gleichstellung durch effektive Maßnahmen zu erreichen suchen. Dabei darf er nicht hinter einen bereits erreichten Stand zurückfallen, indem er wirksame Instrumente durch wirkungslosere ersetzt. Weil das gesetzliche Ziel des HGlG gegenwärtig noch nicht annäherungsweise erreicht ist, würde ein Außerkraftsetzen bzw. eine Reduktion des im HGlG festgeschriebenen Maßnahmenkatalogs und des dort gegebenen Diskriminierungsschutzes gegen das Untermaßverbot verstoßen. Darüber hinaus obliegt dem Gesetzgeber aus Art. 3 Abs. 2 GG eine staatliche Schutzpflicht. Er ist nicht nur verpflichtet, die bestehenden Rechte und Instrumentarien zu erhalten, sondern auch diese durch eine Novellierung des HGlG fortzuentwickeln und zu effektivieren.
Der hessische Gesetzgeber ist darüber hinaus durch Art. 3 Abs. 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und 1a der GGO des Landes Hessen an die Grundsätze des Gender Mainstreaming gebunden. Daraus ergibt sich, dass Gender Mainstreaming im Gesetz als weitere Gleichstellungsstrategie verankert werden sollte. Außerdem muss die Verbesserung der Chancengleichheit auf der Grundlage des Europäischen Antidiskriminierungsrechts (Richtlinien 76/207/EWG und 2002/73/EG) erfolgen. Diese erfordern eine Ausweitung des Diskriminierungsschutzes auf alle Beschäftigtenverhltnisse, also auch die der im öffentlichen Dienst Beschäftigten. Der djb hält es für notwendig, den Geltungsbereich des künftigen Gesetzes darüber hinaus auf kommunale GmbHs zu erstrecken, da sich der Staat seinen verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Verpflichtungen nicht durch Privatisierung staatlicher Vermögen und Übertragung staatlicher Aufgaben auf Private entziehen darf. Auch die öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungskörperschaften der Wirtschaft und der freien Berufe sollten auf die Beachtung der Gleichstellungsziele verpflichtet werden.
Gerade hat der EuGH in der am 22. November 2005 ergangenen Entscheidung Mangold (Rs. C-144/04) klargestellt, dass die europarechtlichen Diskriminierungsverbote sogar unter Privaten Geltung haben. Dementsprechend sollte die Verwaltung verpflichtet werden, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge darauf zu achten, dass die Auftragnehmer sich ihrerseits auf das Prinzip der Frauenförderung verpflichten, wie dies z.B. in 13 und 14 des Berliner LGG vom 6. September 2002 geregelt ist.
Bei der Novelle sollte der Gesetzgeber demnach eine Doppelstrategie verfolgen: Neben dem Gender Mainstreaming bedarf es weiterhin der Frauenförderung. Angesichts der Unterrepräsentanz von Frauen gerade in Führungspositionen darf Gender Mainstreaming Frauenförderung nicht ersetzen. Im Gegenteil: Das Gesetzesziel "Abbau von Unterrepräsentanz" ist durch aktive und gezielte Frauenförderung im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG mit mehr Nachdruck als bisher zu verfolgen und auch gesetzlich abzusichern.
Der Dienstherr sollte verpflichtet werden, im Rahmen des Neuen Steuerungssystems (z.B. bei den Leistungsanreizen) die Belange der Frauenförderung nachdrücklich zu berücksichtigen. Durch familienfreundliche Maßnahmen sollten dabei auch Anreize und Ermunterungen für Männer geschaffen werden, sich an der Familienarbeit zu beteiligen.
Für eine effiziente Verfolgung des Gleichstellungsziels ist eine angemessene personelle und sachliche Ausstattung der Gleichstellungsbeauftragten sicherzustellen. In diesem Zusammenhang ist es unerlässlich, den Gleichstellungsbeauftragten vergleichbar zu 22 Bundesgleichstellungsgesetz Klagerechte einzuräumen. Bei der Erstellung und Erfüllung von Gleichstellungsplänen fehlen bisher ernstzunehmende Sanktionen.
Nicht nur im Rahmen des allgemeinen Qualitätsmanagements, sondern speziell aufgrund des verfassungsrechtlichen Gleichstellungsgebotes des Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG ist der Gesetzgeber schließlich verpflichtet, die Instrumentarien des HGlG auf ihre Wirkungen zu überprüfen und auszuwerten. In das Gesetz sind daher entsprechende Controllingmaßnahmen zu integrieren. Der djb hält es für sinnvoll, dass drei Jahre nach Inkrafttreten eines neuen HGlG eine Evaluierungspflicht statuiert wird, die eine Stärken-/ Schwächenanalyse des neuen Gesetzes vorsieht.
Nach Einbringung des konkreten Gesetzesentwurfs behält sich der djb vor, detailliert zur inhaltlichen Ausgestaltung der einzelnen Instrumentarien Stellung zu nehmen.

26. Januar 2006

 

Noreen von Schwanenflug
Vorsitzende des Landesverbandes Hessen