Stellungnahme: 04-17


zu dem Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rats zur Verwirklichung der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen

Stellungnahme vom

Vorschlag der Europäischen Kommission für eine
Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rats zur Verwirklichung der
Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits-
und Beschäftigungsfragen KOM(2004)279 endgültig vom 21. April 2004.

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) begrüßt grundsätzlich den nunmehr nach Auswertung der Konsultationen von der Europäischen Kommission vorgelegten Vorschlag zur Vereinfachung und Verbesserung der Rechtsvorschriften zur Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Frauen und Männern. Sieben Richtlinien in Arbeits- und Beschäftigungsfragen werden zusammengefasst. Gleichzeitig erfolgt eine Aktualisierung unter Einbeziehung der Rechtsprechung des EuGH, insbesondere in Bezug auf den Grundsatz des gleichen Entgelts sowie die Gleichbehandlung in den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit. Dieser überarbeitete Teil des Sekundärrechts gestaltet das Gemeinschaftsrecht zum Nutzen aller Bürgerinnen und Bürger klarer und wirksamer.

Allerdings bedauert der djb, dass die Europäische Kommission nicht weiter geht. In seiner Stellungnahme vom 24. September 2003 zum Optionspapier hat der djb eine Zweiteilung, eine neue Richtlinie "Beschäftigung" und eine neue Richtlinie "soziale Sicherheit" (s. Ziff. 4 der djb-Stellungnahme 03-17), vorgeschlagen und die Notwendigkeit begründet, alle Richtlinien zur Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Frauen und Männern bei der Neufassung zu berücksichtigen. Der djb fordert deshalb bei der Neufassung insbesondere die Einbeziehung der Mutterschutz-, Elternurlaubs- und Teilzeitrichtlinien ein, da diese untrennbar mit den Bereichen Arbeit und Beschäftigung verbunden sind und für diese Bereiche wesentliche Regelungen enthalten.

Der von der Europäischen Kommission vorgelegte Richtlinienvorschlag ist jedoch eine gute Diskussionsgrundlage. Der djb nimmt wie folgt Stellung:

1. Neufassung

Der djb begrüßt grundsätzlich die Zusammenfassung der Richtlinien zu den Grundsätzen des gleichen Entgelts, der Gleichbehandlung bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit, der Gleichbehandlung von Frauen und Männern hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und die Richtlinien zur Beweislast (RL 75/117/EWG, RL 76/207/EWG, RL 2002/73/EG, RL 86/378/EWG, RL 96/97/EG, RL 97/80/EG, RL 98/52/EG). Die von der Kommission gewählte Form der Neufassung ist die einzige Möglichkeit, den Bereich der Gleichbehandlung und Chancengleichheit von Frauen und Männern wirklich im Hinblick auf die Rechtsprechung zu aktualisieren und zusammenzufassen. Eine Neufassung birgt allerdings auch die Gefahr, dass wesentliche Bestimmungen, die mittlerweile unbestritten zum Gemeinschaftsrecht gehören, erneut auf den Prüfstand gestellt werden. Insbesondere in der gegenwärtigen Situation, in der gleichstellungsrechtliche Regelungen massivem und ständig wachsendem Widerstand begegnen, sollte eine Neufassung nur vorgeschlagen werden, wenn dies aufgrund einer weitreichenden Weiterentwicklung des Gemeinschaftsrechts oder der Rechtsprechung des EuGH geboten ist. Der djb ist der Ansicht, dass die vorgeschlagene Neufassung weiter gehen muss, damit das Ziel, die Vorschriften zu vereinfachen und zu konzentrieren, vollständig erreicht wird. Wesentliche Rechtsvorschriften zur Gleichstellung von Männern und Frauen - dies sind die Regelungen zur Teilzeit (RL 97/81/EG, 98/23/EG), zum Mutterschutz (RL 92/85/EG), zum Elternurlaub (RL 96/34/EG, 97/75/EG) und zur Gleichbehandlung der Selbständigen (RL 86/613/EWG) - sind einzubeziehen. Nach Auffassung des djb handelt es sich dabei um Vorschriften, die in den Zusammenhang der von der Kommission behandelten Richtlinien gehören und daher in eine Neufassung einzuarbeiten sind. Es ist die einzige Möglichkeit, die geltenden Richtlinien zur Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Frauen und Männern zusammenzufassen und durch die Einbeziehung der Rechtsprechung des EuGH zu aktualisieren.

2. Rechtsgrundlage

Der djb teilt die Auffassung der Europäischen Kommission, dass Artikel 141 Absatz 3 EG-Vertrag die geeignete Rechtsgrundlage für die vorgeschlagene Neufassung der Richtlinien ist. Soweit Arbeits- und Beschäftigungsfragen betroffen sind, sollte der Richtlinienvorschlag auf diese spezielle Rechtsgrundlage gestützt werden.

Der djb spricht sich allerdings insbesondere dafür aus, in dem vorliegenden Richtlinienvorschlag die Richtlinien zum Elternurlaub und zur Teilzeit einzubeziehen. Der djb sieht die Problematik, dass die Elternurlaubsrichtlinie und die Teilzeitrichtlinie Ergebnis des sozialen Dialogs durch eine Rahmenvereinbarung von UNICE, CEEP und EGB sind. Sie sollten dennoch bei der Neufassung wegen des inhaltlichen Zusammenhanges mit aufgenommen werden. Sie betreffen Bereiche, die für die Erwerbstätigkeit von Frauen besonders wichtig sind. Die hinsichtlich der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen mit Art. 141 Abs. 3 EGV verfestigte Kompetenzgrundlage der Gemeinschaft begründet auch ihr Recht, die bestehenden Richtlinien zu kodifizieren. Dies gilt auch, wenn die Vereinbarungen der Sozialpartner vom Rat unverändert nach Art. 139 EGV erlassen worden sind. Die ersten Auswertungen zur Teilzeitrichtlinie und zum Elternurlaub begründen das Anliegen des djb, diese beiden Richtlinien auf der Grundlage von Art. 141 Abs. 3 EGV einzubeziehen.

Der djb setzt sich nachdrücklich dafür ein, dass die Mutterschutzrichtlinie, die ursprünglich als Arbeitsschutzrichtlinie angenommen wurde, in die Neufassung einbezogen wird, zumal die in RL 2002/73/EG geregelten Mutterschutzaspekte in dem Vorschlag zur Neufassung berücksichtigt wurden. Eine Erweiterung der Rechtsgrundlage auf Art. 137 Absatz 1 lit. b) EGV ist deshalb angezeigt und auch unproblematisch, da es beim Mitentscheidungsverfahren mit qualifizierter Mehrheit bleiben würde.

Weiterhin weist der djb darauf hin, dass gleichfalls die Richtlinie 86/613/EWG zur selbständigen Erwerbstätigkeit einschließlich des Mutterschutzes bei Selbständigkeit in die vorgeschlagene Neufassung einzubeziehen ist.

3. Konkreter Änderungsbedarf

Zu dem von der Europäischen Kommission vorgelegten Richtlinienvorschlag regt der djb folgende konkreten Änderungen an:

Art. 8 Absatz 1 lit. h, j und k erhalten folgende Fassung:
Art. 8
1. Dem Grundsatz der Gleichbehandlung entgegenstehende Bestimmungen sind solche, die sich unmittelbar oder mittelbar auf das Geschlecht stützen und folgendes bewirken:
(...)
h) Gewährung unterschiedlicher Leistungsniveaus;
(...)
j) Gewährung unterschiedlicher Höhen für die Beiträge der Arbeitgeber;
k) Festlegung unterschiedlicher oder nur für Arbeitnehmer eines der Geschlechter geltenden Regelungen, wenn der Arbeitnehmer aus dem System ausscheidet.

Begründung:

Soweit mit der Neufassung Fragen des Entgelts geregelt werden sollten, ist sicherzustellen, dass es sich lediglich um Vorschriften zur Anwendung von Art. 141 Abs. 1 EGV handelt und keinesfalls eine inhaltliche Veränderung des Art. 141 Abs. 1 EGV vorgenommen werden soll.

Es erscheint fraglich, ob die Öffnung für höhere Beiträge oder niedrigere Leistungen für ein Geschlecht bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit, wie sie Art. 6 lit. h Richtlinie 86/378/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/97/EWG gestattet und in Art. 8 Absatz 1 lit. h der Neufassung aufgegriffen wird, mit Art. 141 Abs. 1 EGV vereinbar ist, da die Öffnung bisher ausschließlich zu Lasten weiblicher Erwerbstätiger stattfindet. Die Problematik einer Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts, die mit versicherungsmathematischen Kalkulationen begründet wird, stellt sich nicht nur für den Arbeits- und Beschäftigungsbereich. So führt die Kommission hierzu in dem in der Diskussion befindlichen Richtlinienvorschlag zu Art. 13 EGV zu Recht aus, dass derartige Gewohnheiten mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts unvereinbar sind. Es wäre nicht zu rechtfertigen, mit einem Richtlinienvorschlag für Arbeitgeber und Finanzdienstleister den unzutreffenden Eindruck zu erwecken, höhere Beiträge oder niedrigere Leistungen seien für ein Geschlecht bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit auf der Grundlage von Art. 141 Abs. 1 EGV gestattet. Die Freistellung von Art. 141 Abs. 1 EGV, wie sie bisher Art. 6 lit. h der RL 96/97/EWG vorgesehen hat, ist mit dem primärrechtlichen Gebot der Entgeltgleichheit der Geschlechter nicht vereinbar. Sie sollte mit der neuen Richtlinie nicht wiederholt werden.

Die vorgeschlagenen weiteren Änderungen in Art. 8 Abs. 1 lit. j und k folgen daraus. Der djb wird die Europäischen Institutionen bei ihrem Bemühen zur Überarbeitung des Rechts der Gleichstellung von Frauen und Männern weiter konstruktiv begleiten und unterstützen. Der djb hofft, dass seine Anregungen aufgenommen werden.

8. September 2004

Margret DiwellMaren Thomsen
PräsidentinVorsitzende der Kommission
 Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht
 
 
 Dr. Christine Fuchsloch
 Vorsitzende der Kommission Recht der sozialen Sicherung, Familienlastenausgleich