Stellungnahme: 02-02


zum Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthaltes und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) der Fraktionen SPD/ Bündnis 90/DIE GRÜNEN (BT Drs. 14/7387 vom 8.11.200

Stellungnahme vom

Der djb greift in dieser Stellungnahme lediglich die besonders Frauen und Kinder betreffenden Regelungen des Gesetzentwurfs für ein Zuwanderungsgesetz heraus.

Der djb appelliert dringend an die im Gesetzgebungsverfahren Beteiligten, den Gesetzentwurf so zu ändern, dass der in unserem Grundgesetz verankerte Verfassungsauftrag für eine gleichberechtigte Gesellschaft der Geschlechter (Art. 3 Abs. 2 GG) im neuen Recht seinen Niederschlag findet. Die aufgrund bisheriger Kritik neu aufgenommene Regelung des § 2 Abs. 6 AufenthG-E1 genügt nicht; sie ist zudem unzeitgemäß. Der vorliegende Gesetzentwurf stellt mit seinen Regelungen in § 60 Abs 1 AufenthG-E einen wichtigen Schritt für einen ausreichenden humanitären Schutz von Frauen (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 und Art. 16a Abs. 1 GG) dar. Hier erwartet der djb, dass diese Regelungen im Gesetzgebungsverfahren unbedingt Bestand haben werden. Auch eine weitere Verbesserung des Schutzes der Familie (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG) darf nicht aus den Augen verloren werden, wobei – nicht nur dort – darauf zu achten ist, dass nur unwesentliche Regelungen dem Verordnungsgeber überlassen werden dürfen.

Der djb bedauert, dass seine Forderung an die Bundesregierung, die Reform des Ausländer- und Asylrechts in einem Gesetzgebungsverfahren ohne wahlkampftaktisch bestimmte Hektik zu erarbeiten und insbesondere die Fachverbände und -organisationen trotz des außerordentlich engen Zeitrahmens, der für die Beratung des Gesetzentwurfes vorgesehen ist, anzuhören und ihre Stellungnahmen in die Beratung des Gesetzes einzubeziehen, bislang nur unzureichend berücksichtigt worden ist. Wie schon bei der Besetzung der Unabhängigen Zuwanderungskommission sind auch jetzt bei der vorgesehenen Öffentlichen Anhörung am 16. Januar 2002 die Frauenorganisationen nicht berücksichtigt worden.

Im Einzelnen:
1. Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung und der Erwerbstätigkeit (insbesondere §§ 16 ff. AufenthG-E):

Der djb kritisiert, dass die Vereinfachung der Zuwanderung im Regelverfahren und die neu geschaffenen Zuwanderungsmöglichkeiten im Bereich der Arbeitsmigration vor allem Männern zu Gute kommen werden. Positiv zu bewerten ist zwar der gleiche Zugang zum Arbeitsmarkt für nachziehende Familienangehörige von Arbeitsmigranten – ganz überwiegend Ehefrauen –, die künftig ohne Wartezeit Zugang zum Arbeitsmarkt haben sollen (§ 29 Abs. 5 AufenthG-E). Dies kann aber nicht ausreichen. Der djb fordert, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter als Gesichtspunkt des gesamtgesellschaftlichen Interesses und als Auswahlkriterium in die vorgeschlagenen Einzelregelungen und auch in die Gesetzesbegründung aufgenommen wird. Die neu aufgenommene Regelung in § 2 Abs. 6 AufenthG-E2 genügt diesem Anliegen nicht. Mit dem Zuwanderungsgesetz sendet die Bundesrepublik Deutschland eine Botschaft an migrationswillige Menschen in aller Welt aus. Diese Botschaft muss lauten: In Deutschland wird Gleichberechtigung ernst genommen. Willkommen als Arbeitsmigranten sind genauso Frauen wie Männer und in der Auswahlentscheidung wird nicht diskriminiert. Gerade qualifizierte und hochqualifizierte Frauen, die in ihrer Heimat nur wenig Chancen haben, eine ihrer Ausbildung entsprechende Beschäftigung zu finden, sollen ausdrücklich dazu zu ermutigt werden, sich in Deutschland zu bewerben.
In seiner jetzigen Fassung entspricht der Entwurf weder der rechtlichen Verpflichtung des Gesetzgebers auf die Gleichberechtigung aus Art. 3 Abs. 2 GG, noch dem gesellschaftlichen Interesse der Bundesrepublik Deutschland, noch dem geschlechterspezifischen Programm der Bundesregierung, das die Bundesregierung mit der Einführung des Prinzips des Gender-Mainstreaming als handlungsleitendes Grundprinzip für ihre Gleichstellungspolitik formuliert hat. Auch ist weder aus dem Wortlaut noch aus der Begründung des Gesetzentwurfs erkennbar, dass die Regelungen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Gleichstellung der Geschlechter untersucht und bewertet sowie entsprechende Maßnahmen zur Gleichstellung ergriffen wurden.

Die Begründung des vorgelegten Gesetzentwurfs nennt als alleinigen Grund für die Eröffnung neuer Zuwanderungsmöglichkeiten wirtschaftliche und demographische Interessen. Die Kriterien für die Auswahl von Arbeitsmigranten sind in den einzelnen Zuwanderungstatbeständen dementsprechend formuliert. Das neu zu schaffende Bundesmigrationsamt und die Arbeitsverwaltung werden ihren außerordentlich weiten Entscheidungsspielraum allein im Hinblick auf diese Interessen ausüben. Die besten Chancen haben junge Arbeitsmigranten, die Qualifikationen im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich nachweisen können. Dass es sich dabei ganz überwiegend um Männer handelt, zeigt die Statistik zur "Green Card" für Computerspezialisten.

Im langfristigen gesellschaftlichen Interesse liegt es jedoch, dass auch qualifizierte Frauen nach Deutschland kommen. Für die Integrationsmöglichkeiten der Zuwandernden und eine geschlechtergerechte gesellschaftliche Struktur insgesamt ist es unbedingt notwendig, dass Frauen nicht nur als Familienangehörige oder Engpassarbeitskräfte in niedrig bezahlten Berufssparten zuwandern.

Gesetzgeber und Verwaltung sind auch bei der Regelung von Arbeitsmigration an das Gleichheitsgebot aus Art. 3 Abs. 2 GG gebunden. Eine mittelbare Diskriminierung muss daher ausgeschlossen sein und ein tatsächlich gleichberechtigter Zugang zur Arbeitsmigration muss durch entsprechende Maßnahmen gefördert werden.

1.1. Vorgesehene Änderungen

Der Entwurf sieht vor, dass Aufenthaltserlaubnisse für die Aufnahme einer Beschäftigung oder Ausbildung nach Zustimmung der Bundesanstalt für Arbeit und nach deren Vorgaben erteilt werden können, wobei Ausnahmen von der Zustimmungspflicht durch Rechtsverordnung oder zwischenstaatliche Vereinbarung festgelegt werden können (vgl. §§ 17, 18 jeweils i.V.m. §§ 39 ff. AufenthG-E).

Durch diese Regelungen soll das bisherige doppelte Genehmigungsverfahren (Arbeit/ Aufenthalt) durch ein internes Zustimmungsverfahren ersetzt werden sowie der Arbeitsverwaltung erheblich mehr Spielraum und Einfluss bei der Zulassung von Arbeitsmigration eingeräumt werden. Aufenthaltserlaubnisse für ein Studium sollen weiterhin nach Ermessen der Ausländerbehörden erteilt werden, wobei Studenten künftig die Möglichkeit haben sollen, nach erfolgreichem Abschluss des Studiums zu Erwerbszwecken in Deutschland zu bleiben (vgl. § 16 AufenthG-E).

Darüberhinaus beinhaltet der Entwurf erstmals eine eigene Regelung für Selbständige, die bei Vorliegen eines besonderen wirtschaftlichen Interesse an ihrer Zuwanderung eine Aufenthaltserlaubnis bekommen können (vgl. § 21 AufenthG-E). Eine begrenzte Anzahl besonders geeigneter Zuwanderer soll über ein Auswahlverfahren dauerhaft aufgenommen werden (vgl. § 20 AufenthG-E), wenn ein neu zu schaffendes Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemeinsam mit der Bundesanstalt für Arbeit nach Beteiligung des (ebenfalls neu einzuberufenden) Zuwanderungsrates einen entsprechenden Bedarf an einer bestimmten Zahl von Zuwanderern festgestellt hat (vgl. § 20 Abs. 4 AufenthG-E). Das Auswahlverfahren nach einem Punktesystem soll durch Rechtsverordnung ausgestaltet werden, jedoch zumindest die Kriterien Alter, Qualifikation, Sprachkenntnisse, Familienstand, Beziehungen zu Deutschland und Herkunftsland des Zuwanderungsbewerbers berücksichtigen (vgl. § 20 Abs. 3 AufenthG-E).
Hochqualifizierte Ausländer sollen künftig die Möglichkeit haben, nach Zustimmung der Bundesanstalt für Arbeit von Anfang an eine (unbefristete) Niederlassungserlaubnis zu bekommen (vgl. § 19 AufenthG-E).

1.2. Änderungsvorschläge des djb zu den einzelnen Regelungen:

Studium, Ausbildung (§§ 16, 17 AufenthG-E)

Hier ist in den Gesetzestext, zumindest aber in die Begründung aufzunehmen, dass im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für die Aufnahme eines Studiums oder zur Aus- und Weiterbildung auf ein quantitativ ausgewogenes Geschlechterverhältnis geachtet werden muss. Frauen und Männer aus aller Welt sind aufgerufen, in Deutschland zu studieren oder sich anders beruflich zu qualifizieren.

Hinsichtlich der bei der Aus- und Weiterbildung erforderlichen Zustimmung der Bundesanstalt für Arbeit, die (wie bei § 18 AufenthG-E) nach den in §§ 39 ff. AufenthG-E festgelegten Maßgaben erteilt wird, wird auf die Ausführungen zu § 18 AufenthG-E verwiesen (s.u.).

Niederlassungserlaubnis für Hochqualifizierte (§ 19 AufenthG-E)

Auch bei der Niederlassungserlaubnis für Hochqualifizierte ist jede Geschlechterdiskriminierung zu verhindern. Unternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen sind zu verpflichten, ausdrücklich auch Frauen zu suchen. Sie müssen nachweisen, dass ihre Ausschreibung ausdrücklich auch an Frauen gerichtet war und haben besonders zu begründen, warum gegebenenfalls nur männliche Bewerber gefunden worden sind.

Beschäftigung (§ 18 i.V.m. §§ 39 ff. AufenthG-E)

Bei der Festlegung von Ausnahmen von der im Einzelfall erfolgenden Bedarfsprüfung bzw. Zustimmung der Bundesanstalt für Arbeit für einzelne Berufssparten muss durch eine entsprechende Formulierung im Gesetzestext oder in der Begründung gewährleistet werden, dass Frauen nicht mittelbar diskriminiert werden. Dabei ist zum einen darauf zu achten, dass diese Regelungen nicht faktisch vor allem Männern die Möglichkeit eröffnen, als Engpassarbeitskräfte nach Deutschland zu kommen. Zum anderen muss gewährleistet sein, dass durch eine erleichterte Zuwanderung für Berufsgruppen, die niedrig bezahlt werden und denen vor allem Frauen angehören (wie beispielsweise bei Krankenschwestern und Pflegepersonal), das Lohnniveau nicht auf Dauer niedrig gehalten wird.

Die Besorgnis des djb, dass diese Regelung hauptsächlich auf die Bedarfsdeckung in Mangelberufen im Bereich der Pflege zielt, wird bestätigt durch die "Erste Verordnung zur Änderung der Anwerbestoppausnahmeverordnung" vom 19. Dezember 2001, die die Anwerbung von hauswirtschaftlichen Pflegekräften für bis zu drei Jahre ermöglicht. Die Verordnung eröffnet diese Möglichkeit bis zum Inkrafttreten des neuen Zuwanderungsgesetzes. Gerade die häusliche Pflege "lebt" von ausländischen Frauen, die zumeist illegal im Land und allen damit verbundenen Unsicherheiten unterworfen sind. Pflegekräfte leisten schwere Arbeit und sind großen psychischen Belastungen ausgesetzt. Es ist richtig, als erstes den Aufenthalt der hier im Lande befindlichen Pflegekräfte zu legalisieren. Dies kann aber nur der erste Schritt sein. Staatliche Aufgabe ist darüber hinaus, den Rahmen für legale, fachkompetente und sozial abgesicherte Arbeit zu schaffen und damit einem fortgesetzten "Lohndumping" den Boden zu entziehen. Wenn Pflegekräfte angeworben werden, müssen sie – genau wie Deutsche – ein existenzsicherndes, sozial abgesichertes Einkommen erzielen und an Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen können. Es muss sichergestellt werden, dass Pflegekräfte, wenn sie selbst ins Rentenalter kommen, nicht ohne Versorgung wieder in ihr Herkunftsland abgeschoben werden.

Zuwanderung im Auswahlverfahren, Punktesystem (§ 20 AufenthG-E)

Das Punktesystem für die dauerhafte Zuwanderung qualifizierter Menschen muss schon sprachlich zum Ausdruck bringen, dass die Bundesrepublik auch Frauen als Zuwandernde wünscht. Hier ist ein zusätzlicher Absatz mit der Aussage erforderlich, dass bei der Ausgestaltung des Auswahlsystems eine faktische Benachteiligung von Frauen ausgeschlossen sein muss. Dies kann auch dadurch geschehen, dass bei der nach Absatz 4 festzulegenden Höchstzahl für die Zuwanderung im Auswahlverfahren zu quotieren ist.

Punkte sollte es nicht nur für die Berufserfahrung geben, sondern auch gesellschaftlich notwendige Arbeit, wie die Erziehungs- und Pflegearbeit, sind zu berücksichtigen, wenn Frauen aufgrund einer solchen Arbeit im Vergleich zu einem gleich qualifizierten männlichen Bewerber nur eine geringere Berufserfahrung aufweisen können. In seiner vorgeschlagenen Ausgestaltung ist das Punktesystem geeignet, die ledige Berufsfrau potenziell zu diskriminieren.

Es sollte klargestellt werden, dass der positiv zu berücksichtigende Familienstand auch für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften gilt.

Im Hinblick auf Art. 323 des am 11. Juli 2001 von der Europäischen Kommission vorgestellten Vorschlags für eine "Richtlinie des Rates über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer unselbständigen oder selbständigen Arbeit" ist in § 20 Abs. 3 AufenthG-E eine allgemeine Nichtdiskriminierungsklausel aufzunehmen, die sicherstellt, dass die in § 20 Abs. 3 AufenthG-E genannten Kriterien (Alter, Berufserfahrung, Familienstand, Herkunftsland) nicht diskriminierend angewandt werden.
Damit verbindet der djb zugleich die dringende Aufforderung, die neuen EU-Richtlinien gegen Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit unter Ausschöpfung aller Spielräume umzusetzen, um den alltäglichen Hürden ausländischer Menschen auf dem Weg zur Integration zu begegnen. Die Bundesrepublik hat die Chance, dabei aus den Fehlern bisheriger, oft sanktionsschwacher und damit wirkungsloser Gleichstellungspolitik zu lernen und integrierte Maßnahmen gegen Ausgrenzung auch, aber nicht nur von Migrantinnen und Migranten angemessen zu gestalten.

Selbständige (§ 21 AufenthG-E)

Hier ist neben dem wirtschaftlichen Interesse und den besonderen regionalen Bedürfnissen auch das gesellschaftliche Interesse im Gesetzestext zu nennen. Dadurch könnten insbesondere auch weibliche Selbständige oder auch männliche Selbständige, von denen zu erwarten ist, dass sie die Erwerbstätigkeit von Frauen fördern, bevorzugt berücksichtigt werden.

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Sachverständigenrat (§§ 75, 76 AufenthG-E)

Der Sachverständigenrat beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Zuwanderungsrat, § 76 AufenthG-E) muss geschlechtergerecht besetzt sein (vgl. Gesetz über die Berufung und Entsendung von Frauen und Männern in Gremien im Einflussbereich des Bundes, BGBl 1994, S. 1406) und nach geschlechtergerechten Verwaltungsvorschriften arbeiten. Seine Gutachten müssen Aussagen zu den Auswirkungen der Aufnahme von Migrantinnen und Migranten auf die gesamtgesellschaftliche Entwicklung enthalten. Dies setzt voraus, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seine Daten auch geschlechtergetrennt erhebt (vgl. § 75 Abs. 2 Satz 1 AufenthG-E), so dass Aussagen zu dem quantitativen Geschlechterverhältnis nicht nur bei der Arbeitsmigration insgesamt, sondern auch bezogen auf die einzelnen Berufssparten möglich sind. In dem Gutachten des Zuwanderungsrates sollen Aussagen zum Erfordernis der Zuwanderung im Auswahlverfahren nach § 20 AufenthG-E und ggf. eine Empfehlung zur Höchstzahl enthalten sein (vgl. § 76 Abs. 3 Satz 3 AufenthG-E). Hier fordert der djb, dass diese Aussagen und Empfehlungen sich auch zu dem einzuhaltenden Geschlechterverhältnis mit dem Ziel verhalten müssen, dass eine geschlechtergerechte Zuwanderung im Bereich der Arbeitsmigration ermöglicht wird. Dasselbe gilt für den vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu erstellenden Bericht, der auch Empfehlungen zum innerstaatlichen Aufnahmebedarf für bestimmte Personengruppen und zur Verbesserung der Integrationsangebote enthalten können soll (§ 75 Abs. 2 Satz 2 AufenthG-E). Auch bei den dort genannten Empfehlungen sind zur Verwirklichung des gesellschaftlichen Ziels einer zwischen Männern und Frauen gleichberechtigten Gesellschaft (vgl. Art. 3 Abs. 2 GG) nach Geschlechtern differenzierende Aussagen zu treffen. Dass nunmehr ausdrücklich in die Gesetzesbegründung aufgenommen wurde, dass in dem Bericht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge "nach Möglichkeit geschlechtsspezifische Statistiken vorgelegt und geschlechtsspezifische Fragestellungen berücksichtigt werden sollen", ist nur ein erster Schritt, eine entsprechende Aufnahme in die Gesetzesvorschriften muss nachfolgen.

2. Regelungen zum Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen (insbesondere §§ 22 ff., 60 AufenthG-E) einschließlich Asylverfahren (Art. 3 ZuwG-E)

2.1. Geschlechtsspezifische Verfolgung

Der djb begrüßt, dass die Bundesregierung in dem Gesetzentwurf – im Gegensatz zum früher vorgelegten Referentenentwurf – eine gesetzliche Klarstellung in § 60 Abs. 14 und in § 25 Abs. 2 AufenthG-E aufgenommen hat, mit der geschlechtsspezifische Verfolgung angemessen berücksichtigt wird. Hinsichtlich der Situation von Frauen bedarf es der Klarstellung, dass geschlechtsspezifische Verfolgung eine Form von politischer Verfolgung in Anknüpfung an das unverfügbare Merkmal "Geschlecht" darstellt. Von geschlechtsspezifischer Verfolgung sind insbesondere betroffen:

  • Frauen, die geschlechtsbezogener Diskriminierung entweder von seiten staatlicher Stellen oder von seiten Privater ausgesetzt sind, wenn der Staat sie nicht ausreichend schützen kann oder will. Die Formen geschlechtsbezogener Diskriminierung reichen von Entrechtung von Frauen über sexuelle Gewalt bis hin zur rituellen Tötung;
  • Frauen, die Verfolgung befürchten, weil sie kulturelle oder religiöse Normen übertreten haben oder sich diesen nicht beugen wollen. Dazu gehören Vorschriften über Kleidung oder Auftreten in der Öffentlichkeit und auch die Genitalverstümmelung;
  • Frauen, die Verfolgung aufgrund der Aktivitäten oder der Ansichten von Familienangehörigen befürchten;
  • Frauen, die aus denselben Gründen Verfolgung fürchten wie Männer, wobei die Art der Verfolgung geschlechtsbezogen sein kann.

Diese Verletzungen sind Formen politischer Verfolgung und begründen asylrechtlich relevante Abschiebungshindernisse. In diesen Fällen muss der Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 (i.V.m. § 25 Abs. 1 oder 2) AufenthG-E sichergestellt werden.

Die im Gesetzentwurf gewählte Formulierung orientiert sich an Art. 3 Abs. 3 GG, der wiederum alle Merkmale beinhaltet, die in Art. 1 A Nr. 2 und Art. 33 Nr. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention5 festgehalten sind. Die ausdrückliche Nennung des Geschlechts in § 60 Abs. 1 AufenthG-E macht deutlicher als bisher, dass das Asyl- und Abschiebungsrecht von dem Art. 3 Abs. 3 GG zugrunde liegenden Toleranzgebot getragen wird. Mit dieser Formulierung wird die Bundesrepublik Deutschland auch ihren völker- und europarechtlichen Verpflichtungen gerecht.

"Wie das Diskriminierungsverbot im Inland Schutz vor Benachteiligung wegen des Geschlechts, der Rasse, der Herkunft und der religiösen und politischen Anschauung gewährt, gewährt das Asylrecht bei einer wegen dieser Merkmale im Ausland erlittenen oder drohenden Verfolgung Schutz vor dem Zugriff des verfolgenden Staates." (Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Mai 1983, BVerwGE 67, 184, 187; siehe auch BVerwGE 76, 143, 157 f.)

2.2. Nichtstaatliche Verfolgung und sonstige Ausreisehindernisse

2.2.1. Der djb begrüßt die im Gesetzentwurf – im Gegensatz zum früher vorgelegten Referentenentwurf – aufgenommene Regelung zum abschiebungsrechtlichen Schutz für Opfer nichtstaatlicher, gleichwohl aber politischer Verfolgung in § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG-E. Gerade die Verfolgung von Frauen wird vielfach als Verfolgung Privater (beispielsweise als innerfamiliäre Angelegenheit bei drohender Tötung durch Familienangehörige, vor der der Staat keinen Schutz gewährt) missverstanden. Der djb sieht die Regelungen in § 60 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 AufenthG-E als gesetzliche Klarstellung im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Begriff der politischen Verfolgung (BVerfGE 80, 315, 334 f.).

"Maßgeblich für die Bewertung einer Maßnahme als politische Verfolgung ist, dass der Schutzsuchende einerseits in ein übergreifendes, das Zusammenleben in der konkreten Gemeinschaft durch Befehl und Zwang ordnendes Herrschaftsgefüge eingebunden ist, welches den ihm Unterworfenen in der Regel Schutz gewährt, andererseits aber wegen asylerheblicher Merkmale von diesem Schutz ausgenommen und durch gezielt zugefügte Rechtsverletzungen aus der konkreten Gemeinschaft ausgeschlossen wird, was ihn in eine auswegslose Lage bringt, der er sich nur durch die Flucht entziehen kann." (vgl. auch BVerfG InfAuslR 2000, 521, 523)

2.2.2 Der djb fordert, die im Gesetzentwurf in § 60 Abs. 7 AufenthG-E aufgenommene Regelung zum Abschiebungsschutz bei nichtstaatlicher6 Verfolgung und sonstigen erheblichen konkreten Gefahren für Leib, Leben und Freiheit als zwingende Vorschriften auszugestalten. Zwar enthält § 60 Abs. 7 AufenthG-E im Vergleich zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG7 insofern eine Verbesserung, als statt der Ermessensnorm nunmehr eine Sollensnorm greift. Mit Blick auf Art. 3 EMRK8 bedarf es jedoch eines absoluten Schutzgebotes.

Der Gesetzentwurf gibt zwar eine statusrechtliche Verbesserung durch Abschaffung der Duldung vor. Die Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG-E für den in § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG-E definierten Personenkreis9 ist jedoch in das Ermessen der zuständigen Behörde gestellt. Die in § 60 Abs. 11 AufenthG-E enthaltene Regelung belässt die Menschen, denen nicht nach Ermessen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, im Zustand der permanenten Unsicherheit. Im Übrigen bleibt angesichts der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwGE 105, 232) die rechtsdogmatische Qualifizierung der "neu" kreierten Bescheinigung im Sinne des § 60 Abs. 11 Satz 4 AufenthG-E unklar. Der djb begrüßt, dass im Gegensatz zum Referentenentwurf nun in allen Fällen, in denen bei Vorliegen "nur" tatsächlicher oder rechtlicher Ausreisehindernisse10, die nicht unter § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG-E fallen, zumindest eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung erteilt wird (§ 60 Abs. 1 Satz 3 AuenthG-E). Er begrüßt, dass für die Gruppe der bisher Geduldeten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zumindest möglich ist (vgl. § 25 Abs. 4 und 5 AufenthG-E), da § 5 Abs. 3 2. Alt. AufenthG-E vorsieht, dass bei der Frage der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis von den Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG-E (insbesondere: gesicherter Lebensunterhalt, Einreise mit erforderlichem Visum) abgesehen werden kann.

2.3. Asylverfahren

Der djb fordert, dass mit Blick auf die besondere Schutzbedürftigkeit unbegleiteter Minderjähriger von einer Handlungsfähigkeit im Asylverfahren erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres auszugehen ist. Deutschland ist das einzige Land in der Europäischen Union, in dem die Asylverfahrensfähigkeit bereits mit Vollendung des 16. Lebensjahres beginnt. Jugendliche unter 18 Jahren als Minderjährige zu behandeln, entspricht auch dem Grundgedanken in Art. 2 lit. k und Art. 10 des Entwurfs der "Richtlinie des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedsstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft" der EG-Kommission.

Der djb fordert des Weiteren mit Blick auf Art. 14 des Entwurfs der "Richtlinie des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedsstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft" der EG-Kommission verfahrensrechtliche Schutzvorschriften in das AsylVfG aufzunehmen. Die besondere Schutzbedürftigkeit bestimmter Flüchtlingsgruppen setzt eine problemspezifische Qualifikation der Entscheider und Entscheiderinnen bzw. Beratung der Betroffenen voraus. Daraus folgt, dass im Asylverfahren speziell geschulte EntscheiderInnen im Umgang mit Minderjährigen zur Verfügung stehen müssen und dass traumatisierte Menschen vor der Anhörung auf das Verwaltungsverfahren vorzubereiten sind und sie eingehend über ihre rechtliche Situation und die Verfahrensbestimmungen aufzuklären sind, um sie zu befähigen, ihre Belange im Verfahren wahrzunehmen.

Nach §§ 20 Abs. 2 und 23 Abs. 2 AsylVfG-E (Art. 3 Nr. 13-15 ZuwG) soll künftig derjenige, der der Weiterleitung zur Aufnahmestelle bzw. der Pflicht zur persönlichen Asylantragstellung und damit der Einleitung des förmlichen Verfahrens vor dem Bundesamt nicht nachkommt, bei einem später gestellten Asylantrag wie ein Asylfolgeantragsteller behandelt werden. Auf diese Verschärfung als Sanktion der mangelnden Mitwirkung11 muss der Betroffene zwar in einer ihm verständlichen Sprache hingewiesen werden12. Problematisch erscheint diese Regelung aber u.a. unter dem Gesichtspunkt der humanitären Schutzbedürfnisse von Frauen und Kindern auf der Flucht, wenn

  • nicht eine den Bedürfnissen traumatisierter Frauen und Kinder entsprechende Aufnahmestelle vorhanden ist oder
  • diesen nicht das Recht eingeräumt wird, sich zunächst zum im Bundesgebiet bereits aufhaltenden Ehemann bzw. Vater begeben zu dürfen.

Der djb fordert sicherzustellen, dass diese Fälle von der in §§ 20 Abs. 2 und 23 Abs. 2 AsylVfG-E angeordneten entsprechenden Anwendung der Vorschriften über den Asylfolgeantrag ausgenommen werden. Hierzu sind die genannten Vorschriften zumindest entsprechend zu ergänzen.

Schließlich fügt der Entwurf in § 30 Abs. 2 AsylVfG eine Ziffer 7 an (Art. 3 Nr. 19 lit. b) cc) ZuwG-E), wonach Asylanträge von im Asylverfahren handlungsunfähigen Ausländern als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen sind, wenn zuvor die Asylanträge der Eltern oder des allein sorgeberechtigten Elternteils unanfechtbar abgelehnt worden sind. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Minderjährige eigene Verfolgungsgründe haben können, wie etwa bei Zwangsprostitution, bei Kindersoldaten oder bei von Genitalverstümmelung bedrohten Mädchen. Das hat das Bundesamt entsprechend der Struktur der fiktiven Offensichtlichkeitsentscheidung i.S.d. § 30 AsylVfG bei dem ersten Schritt seiner Prüfung, ob der Antrag unbegründet ist, zu berücksichtigen. An dieser Stelle wird erneut – in tatsächlicher Hinsicht – bedeutsam, dass EntscheiderInnen qualifiziert geschult und insofern sensibilisiert sein müssen für "Ausnahmefälle".

Der djb fordert daher, in § 30 Abs. 2 Ziffer 7 zumindest als Ausnahme klarstellend aufzunehmen, dass die Vorschrift keine Anwendung findet, wenn für den im Asylverfahren handlungsunfähigen Ausländer eigene Asylgründe geltend gemacht werden.

3. Regelungen zum Familiennachzug einschließlich eigenständiges Aufenthaltsrecht der Ehegatten (insbesondere §§ 27 ff. AufenthG-E)

3.1. Familienangehörige von politisch Verfolgten

Der djb begrüßt, dass seine Forderung, die Angehörigen von Flüchtlingen i.S.d. Genfer Flüchtlingskonvention (GK) mit denen von anerkannten Asylberechtigten beim Familiennachzug gleichzustellen, im Gesetzesentwurf berücksichtigt worden ist (§§ 30 Abs. 1 Nr. 2 und 32 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG-E). Er begrüßt auch, dass in § 34 Abs. 2 AufenthG-E ein an den Eintritt der Volljährigkeit anknüpfendes eigenständiges Aufenthaltsrecht für Kinder von Asylberechtigten und Flüchtlingen geregelt werden soll.

Das genügt jedoch nicht. Der djb fordert, § 26 AsylVfG (Art. 3 Nr. 17 ZuwG-E) dahingehend zu ergänzen, dass die Rechtsfolgen der Schutzgewährung nach § 60 Abs. 1 AufenthG-E13 an jene des Art. 16a Abs. 1 GG angeglichen werden. Auch für Flüchtlinge nach § 60 Abs. 1 und § 25 Abs. 2 AufenthG-E, denen nur die Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention14 – das sogenannte "kleine Asyl" – gewährt wird, hat der Grundsatz des Familienasyls zu gelten. Seit der Einführung der Drittstaatenregelung in Art. 16a Abs. 2 GG sind eine weit größere Anzahl politisch Verfolgter als vorher auf den schlichten Abschiebungsschutz als Konventionsflüchtling angewiesen. In diesen Fällen erhalten die Angehörigen auf Grund der Regelung des § 26 AsylVfG kein Familienasyl, sondern ihr aufenthaltsrechtlicher Status richtet sich allein nach den allgemeinen ausländerrechtlichen Vorschriften zum Familiennachzug. Die Drittstaatenregelung hat zusätzliche Verfahren allein dadurch produziert, dass bei Einreise über einen sicheren Drittstaat15 das Familienasyl nicht greift. Da einer Trennung der Familienmitglieder in der Regel der in Art. 6 Abs. 1 und 2 GG verfassungsrechtlich garantierte Schutz von Ehe und Familie entgegensteht (vgl. BVerwGE 109, 305), bewirkt der Ausschluss vom Familienasyl eine gezielte, sachlich nicht gerechtfertigte statusrechtliche Schlechterstellung.

Ein Familiennachzug gilt nach dem Gesetzentwurf allerdings nicht für Flüchtlinge nach § 25 Abs. 3, bei denen die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Abschiebung nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG-E vorliegen. Insoweit liegt hier eine nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung vor.

3.2. Nachzug von Kindern allgemein

Der djb fordert, Kinder von Ausländern beim Familiennachzug gleich zu behandeln und die im Gesetzentwurf vorgesehenen und nicht nachvollziehbaren Differenzierungen nach dem Aufenthaltsstatus und der Herkunft der Eltern in jene, die bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (§ 32 Abs. 1 AufenthG-E), und jene, die nur bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres (§ 32 Abs. 2 AufenthG-E) nachziehen dürfen16, aufzuheben. Zudem ist der Kindernachzug auch zu einem Elternteil allein zu ermöglichen. Bei gemeinsam sorgeberechtigten Elternteilen, die beide hier leben, muss es ausreichen, wenn ein Elternteil die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen für den Familiennachzug erfüllt.

Der Entwurf sieht ein Nachzugsrecht vor für minderjährige ledige Kinder von Ausländern17, die aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis oder eine Niederlassungserlaubnis oder als Hochqualifizierte oder im Auswahlverfahren eine Niederlassungserlaubnis erhalten haben. Gehören die Eltern nicht zu diesem Personenkreis, so müssen sie entweder beide oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthalts- bzw. Niederlassungserlaubnis besitzen und das Kind zusammen mit ihnen in das Bundesgebiet eingereist sein. Trifft keine dieser Voraussetzungen zu, bekommt das Kind nur eine Aufenthaltserlaubnis, wenn es das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Nach dem Gesetzentwurf setzt ein Anspruch nach Vollendung des 14. Lebensjahres ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache und Aufenthaltstitel der Eltern voraus. Im übrigen ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in das Ermessen gestellt und kann insbesondere dann erteilt werden, wenn das Kind ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache besitzt. Der Gesetzentwurf stellt sich damit als eine mit dem verfassungsrechtlich verankerten Schutz der Familie in Art. 6 Abs. 1 und 2 Grundgesetz nicht zu vereinbarende Erschwerung des Nachzugs für minderjährige Kinder zwischen den 14. und dem 18. Lebensjahr dar, weil diese in der Regel bis zu diesem Zeitpunkt – von Ferienaufenthalten abgesehen – im Heimatland gelebt haben.
Die Herabsetzung des Nachzugsalters auf 14 Jahre (von jetzt 16 Jahren, vgl. § 20 Abs. 2 Nr. 2 AuslG) steht im Widerspruch zu Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, der sogar als Grundsatz den Regelungen zum Familiennachzug in § 27 Abs. 1 AufenthG-E vorangestellt werden soll. Sie widerspricht der Praxis in den anderen europäischen Staaten und dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine "Richtlinie des Rates betreffend das Recht auf Familienzusammenführung", die in Art. 5 Abs. 1 Buchstabe b allgemein ein Nachzugsrecht minderjähriger Kinder18festschreibt, ohne jede Differenzierung.

Die alleinige Personensorge als Voraussetzung für den Kindernachzug vorzusehen widerspricht ebenfalls dem Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission betreffend das Recht auf Familienzusammenführung. Dieser sieht in Art. 5 Abs. 1 Buchstabe c bei geteilter elterlicher Sorge lediglich die Zustimmung des anderen Elternteils vor. Eine Einschränkung ist nur insoweit gegeben, als maßgeblich auf das Kindeswohl abzustellen ist (vgl. Art 7 Nr. 5 des Richtlinienvorschlags). Zudem stellt die alleinige Sorge in Deutschland seit drei Jahren eine Ausnahme dar. Die Regel ist die gemeinsame elterliche Sorge. Auch sind die Sorgerechtsentscheidungen anderer Staaten zu hinterfragen, da es Staaten gibt, in denen das Sorgerecht grundsätzlich nicht den Frauen zugesprochen wird.

Nicht nachvollziehbar ist, dass bei gemeinsam sorgeberechtigten Elternteilen, die beide hier leben, beide Elternteile die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen für den Familiennachzug erfüllen müssen. Auch dies steht im Widerspruch zum grundgesetzlich verankerten Schutz der Familie und den genannten Regelungen im Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission betreffend das Recht auf Familienzusammenführung.

3.3. Nachzug von sonstigen Verwandten allgemein

Der Entwurf geht zudem von einem Familienbegriff aus, der den heutigen Lebensverhältnissen nicht entspricht. Rechtsansprüche auf Nachzug sind nur für die Kernfamilie vorgesehen. Demgegenüber begründet Art. 5 Abs. 1 des Richtlinienvorschlages der Europäischen Kommission betreffend das Recht auf Familienzusammenführung einen Anspruch auf Familienzusammenführung auch für Verwandte in der aufsteigenden Linie, wenn der Zusammenführende für ihren Unterhalt aufkommt und sie in ihrem Herkunftsland keine sonstigen familiären Bindungen mehr haben (Buchstabe d), und für unverheiratete volljährige Kinder, die aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen können (Buchstabe e). Zwar ist die jetzige Regelung in § 22 AuslG19 – diese Regelung findet sich nahezu wortgleich in § 36 AufenthG-E wieder – in Bezug auf den nachzugsberechtigten Personenkreis weitergehend, sie begründet jedoch keinen Anspruch, sondern eröffnet nur ein Ermessen.

Von diesen Regelungen sind Frauen besonders betroffen, da in vielen ausländischen Familien zumindest die Groß-/Eltern zum engeren Kreis der Familie gehören und häufig Versorgungsleistungen in der Familie übernehmen oder von ihren volljährigen Kindern versorgt werden müssen. Das Fehlen des Familienverbandes bedeutet dann, dass ein Familienmitglied (meist die Mutter) nicht erwerbstätig sein kann und damit u.a. auch dessen (ihr) Kontakt zur deutschen Gesellschaft eingeschränkt ist. Eine Folge kann auch sein, dass die Ehefrau oder die Tochter in das Herkunftsland "geschickt" wird, um dort die pflegebedürftigen Groß-/Eltern zu versorgen. Hat die Familie ein geistig oder körperlich schwer behindertes Kind, das im Heimatstaat nicht allein für sich sorgen könnte, so wird es auch hier die Mutter oder die große Schwester sein, die mit diesem Kind bei Eintritt der Volljährigkeit in den Heimatstaat zurück muss. Menschen in diesen Fallvarianten auf eine bloße Ermessensvorschrift zu verweisen, die zudem nur auf Fälle einer außergewöhnlichen Härte beschränkt ist (vgl. § 36 AufenthG-E), ist integrationsfeindlich und (in Fällen der Betreuungs- oder Pflegebedürftigkeit einzelner Familienangehöriger) wegen der damit einher gehenden Unsicherheit auch inhuman. Der djb fordert daher mit einem erweiterten Familienbegriff die im Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission betreffend das Recht auf Familienzusammenführung vorgesehenen Nachzugsrechte für Verwandte aufsteigender Linie und für behinderte volljährige Kinder umzusetzen und es nicht für diese Personengruppen bei der bloßen Ermessensnorm in § 36 AufenthG-E zu belassen.

3.4. Eigenständiges Aufenthaltsrecht (§ 31 AufenthG-E)

Der djb begrüßt die in § 31 AufenthG-E vorgeschlagenen Regelungen.
Die Forderung des djb, § 19 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Ausländergesetzes zu ändern, um die Lebenssituation nachgezogener Ehefrauen und insbesondere die Situation von Frauen in Misshandlungsbeziehungen zu verbessern, war bei der ab 1. Juni 2000 in Kraft getretenen Änderung der Vorschrift umgesetzt worden. § 19 Abs. 1 Nr. 1 AuslG wurde dahingehend geändert, dass das eigenständige Aufenthaltsrecht bereits nach zwei Jahren statt wie bisher nach vier Jahren ehelicher Lebensgemeinschaft gewährt wird, und § 19 Abs. 1 Nr. 2 AuslG wurde dahingehend geändert, dass statt einer "außergewöhnlichen Härte" eine "besondere Härte" genügt, um den weiteren ehegattenunabhängigen Aufenthalt zu ermöglichen. Zur "besonderen Härte" gehören auch solche Umstände, die zur Auflösung der ehelichen Gemeinschaft geführt haben (§ 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG: "Eine besondere Härte im Sinne von Satz 1 Nr. 2 liegt insbesondere vor, (...) wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; zu den schutzwürdigen Belangen zählt auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes.").

Diese Änderungen finden sich wortgleich in § 31 Abs. 1 und 2 AufenthG-E wieder.
Eine weitere Verbesserung enthalten die Absätze 3 und 4 der Regelung. So verweist Abs. 3 zur Sicherung des eigenen Unterhalts auf Unterhaltsansprüche gegen den ehemaligen Ehegatten und Abs. 4 begründet bei der erstmaligen Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auch dann einen Rechtsanspruch darauf, soweit nach dem Eintritt der Voraussetzungen für eine Verselbständigung des Aufenthaltsrechts noch Sozialhilfebedürftigkeit gegeben ist. § 31 Abs. 4 AufenthG-E eröffnet damit den betroffenen Frauen die Möglichkeit, sich ohne Gefährdung des Aufenthaltsrechts eine eigene wirtschaftliche Existenz zu schaffen. Allerdings haben sie nach der Gesetzesbegründung hierfür nur ein Jahr Zeit – danach gelten auch für sie die allgemeinen Voraussetzungen –, und es handelt sich nur um eine Ermessensvorschrift.

Die Beschränkung der Ausnahmevorschrift vom Sozialhilfebezug auf die erstmalige Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis findet sich – glücklicherweise – nicht im Gesetzeswortlaut des § 31 Abs. 4 AufenthG-E wieder. Anderenfalls würde auch die in Satz 2 der Vorschrift getroffene Ermessensregelung keinen Sinn machen: Für das erste Jahr besteht ein unbedingter Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auch bei Sozialhilfebezug, danach kann eine weitere Verlängerung auch bei Sozialhilfebezug von Ermessenserwägungen abhängig gemacht werden. So kann auch den Fällen Rechnung getragen werden, in denen es in der Ehe schwer misshandelten Frauen entweder gerade wegen der Misshandlungen nicht gelingt, sich bereits im ersten Jahr eine eigene Existenz aufzubauen, oder weil sie hierzu zunächst eine Berufsausbildungs- oder Weiterbildungsmaßnahme durchlaufen müssen.


10. Januar 2002

Margret Diwell
Präsidentin

Maren Thomsen
Vorsitzende der Kommission
Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht

 



Anmerkungen

1 § 2 Abs. 6 AufenthG-E lautet: "Aus Vereinfachungsgründen ist im Gesetz nur die männliche Sprachform gewählt worden. In diesen Fällen ist zugleich die weibliche Sprachform mit eingeschlossen."
2 Siehe Fußnote 1.
3 In Art. 32 des Richtlinienvorschlags wird festgelegt, dass "die Mitgliedstaaten diese Richtlinie anwenden, ohne unterschiedliche Behandlung aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, genetischer Merkmale, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, politischer oder sonstiger Überzeugungen, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung" (allgemeine Nichtdiskriminierungsklausel, entspricht Art. 13 und 21 der Grundrechte-Charta).
4 Entspricht im Übrigen dem Wortlaut des heutigen § 51 AuslG.
5 Genfer (Flüchtlings-) Konvention vom 28. Juli 1951, BGB1 II 1953 S. 559, Bekanntmachung vom 28.4.1954, BGB1 II S. 619; mit Zusatzprotokoll vom 31.1.1967, in Kraft am 5.11.1969, BGB1 II S. 1293)
6 Anders als bei der nur vermeintlichen nichtstaatlichen (gleichwohl aber politischen) Verfolgung in § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG-E betrifft § 60 Abs. 7 AufenthG-E die Fälle echter nichtstaatlicher Verfolgung und Gefahren ("erhebliche konkrete Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit"), wie dies etwa bei einer Hungersnot, einer lebensbedrohenden Krankheit oder einer Verfolgung durch eine mafiaähnliche Organisation der Fall sein kann.
7 § 53 Abs.6 Satz 1 lautet: "Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat kann abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht."
8 Art. 3 EMRK lautet: "Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."
9 Entspricht dem im heutigen § 53 AuslG angesprochenen Personenkreis.
10 Vgl. § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG-E, nach heute geltendem Recht (§ 55 AuslG): Abschiebungshindernisse.
11 Zur Reichweite der Mitwirkungspflichten vgl. BVerfGE 60, 253, 295.
12 BVerfG, DVBl 1994, 631.
13 Entspricht dem heutigen § 51 Abs. 1 AuslG.
14 Siehe Fn. 5.
15 Also insbesondere bei Einreise auf dem Landweg, wozu auch die vom Flüchtling nicht bewiesene Einreise auf dem Luftweg zählt.
16 Unverändert geblieben ist das Nachzugsrecht bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres für Kinder von EU-Staatsangehörigen, vgl. § 3 FreizügG/EU-E.
17 Zudem sieht § 28 Abs. 1 (Nr. 2) AufenthG-E auch das Nachzugsrecht ausländischer Kinder von Deutschen Staatsangehörigen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres vor.
18 D.h.: Bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres!
19 § 22 Satz 1 AuslG lautet: "Einem sonstigen Familienangehörigen eines Ausländers kann (...) eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist."