Pressemitteilung: 18-11


Equal Pay braucht mehr als Entgeltransparenz

Pressemitteilung vom

Entgelttransparenz ist eine entscheidende Voraussetzung für die Bekämpfung von Entgeltdiskriminierung. Fehlen Rechte für durchsetzungsstarke Akteur*innen zu ihrer Beseitigung, bleibt Transparenz folgenlos. Das 2017 in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz versagt beides. Gerade hinsichtlich der von der EU-Kommission jüngst vorgeschlagenen Kernmaßnahmen zur Erhöhung der Entgelttransparenz besteht Nachbesserungsbedarf: Der auf Betriebe mit mehr als 200 Beschäftigten begrenzte Auskunftsanspruch kommt bei einem Großteil der Frauen nicht an, weil sie in kleineren Betrieben arbeiten, und legt zudem zu hohe prozedurale Voraussetzungen fest.

Sanktionen für Verstöße gegen die Berichtspflicht, die überdies nur große Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten betrifft, fehlen. Das dem Grunde nach besonders aussichtsreiche Prüfverfahren zur Aufdeckung diskriminierender Entgeltstrukturen ist nicht verpflichtend ausgestaltet. Die Privilegierung tarifvertraglicher Entgeltregelungen durch eine „Angemessenheitsvermutung" ist europarechtswidrig. Tarifverträge wie auch ihre Umsetzung können zumindest mittelbar diskriminierend sein, die Beweislast dafür darf nicht der einzelnen Frau aufgebürdet werden. Vor allem aber kann es nicht weiterhin den einzelnen Beschäftigten überlassen bleiben, auf eigenes Risiko gegen ihre Diskriminierung vorzugehen. Hierfür ist ein Verbandsklagerecht dringend geboten, aber das fehlt im Entgelttransparenzgesetz.

Die Präsidentin des djb, Prof. Dr. Maria Wersig, erklärt: „Dieser Papiertiger muss dringend zu einem effektiven Gleichstellungsrecht umgestaltet werden. Auf Freiwilligkeit der Arbeitgeber und Vereinzelung der Beschäftigten basierende Ansätze haben sich als nicht effektiv erwiesen, um Entgeltgleichheit herzustellen. Die Arbeitgeber müssen konsequenter in die Pflicht genommen werden. Das Warten auf die im Koalitionsvertrag für Juli 2019 vereinbarte Evaluation des Gesetzes ist angesichts dessen offensichtlicher Schwächen nicht gerechtfertigt.“

Allerdings sind auch über ein Entgeltgleichheitsgesetz hinaus gesetzliche Maßnahmen erforderlich, etwa in Bezug auf Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen. In frauendominierten Branchen werden erheblich geringere Entgelte gezahlt als in männerdominierten, was erheblich zur Entgeltlücke beiträgt. Hier aber stellen weder das geltende europäische noch das nationale Recht eine Rechtsgrundlage zur Verfügung. Sollte die neue Große Koalition ihr Versprechen wahrmachen, die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in der Alten- und Krankenpflege sofort und spürbar zu verbessern, würde dies einen Beitrag zu geschlechtergerechten Entgelten bedeuten.

Nicht zuletzt wirkt sich die Ausgestaltung von Sozialabgaben und Steuern in vielfältiger Weise auf das letztlich verfügbare Einkommen aus. Beispielsweise kommen Steuervergünstigungen häufig nur in hohen Einkommensgruppen an und orientieren sich an typisch männlichen Erwerbsmustern. „Entgeltgleichheit darf sich nicht nur am Bruttoeinkommen bemessen, sondern muss auch das Nettoeinkommen im Blick behalten“, so Präsidentin Wersig. „Daher sollte künftig neben dem Gender Pay Gap, der sich am Bruttostundenlohn orientiert, auch ein am Nettoeinkommen orientierter Gender Pay Gap, ein sogenannter Gender Netto Pay Gap, berechnet werden.“