Pressemitteilung: 09-12


38. Kongress des djb vom 24. bis 27. September 2009 in Karlsruhe "Integration durch Recht" am 24.9.2009 eröffnet

Pressemitteilung vom

 

Präsidentin Jutta Wagner eröffnete am Donnerstagabend im vollbesetzten Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts den 38. Bundeskongress des Deutschen Juristinnenbundes (djb). In ihrer Rede bezeichnete sie die kürzliche Ernennung von Dr. Hügel als erste OLG-Präsidentin in Karlsruhe als erfreulich, die Entwicklung beim Bundesverfassungsgericht aus Frauensicht jedoch als betrüblich. Der unlängst in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienene Artikel "Es fehlen Frauen und Transparenz" über das Bundesverfassungsgericht treffe nach Wagners Ansicht leider zu. Und – so auch die Autorin Prof. Dr. Landfried - das "Hoffen auf die Zeit, die den Frauen schon zu ihrem Recht auf Teilhabe an der Macht des Bundesverfassungsgerichtes verhelfen werde, hat sich nach nunmehr 58 Jahren Verfassungsgerichtsbarkeit als Illusion erwiesen.“ Daher fordere der djb nunmehr Quoten und zwar in vielen und weiteren Bereichen, so auch in der Privatwirtschaft. Der Verband sei überzeugt davon, dass nur verbindliche Quotenregelungen zu einer angemessenen Erhöhung des Anteils von Frauen in annehmbarer Zeit führten. Beispiele aus anderen Ländern – insbesondere die Quote bei Aufsichtsräten in Norwegen – belegten dies.

Prof. Dr. Dres. h.c. Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts und Hausherr, begrüßte anschließend die zahlreichen Gäste. Für ihn liegt es "geradezu auf der Hand, dass es dem Bundestag und dem Bundesrat in absehbarer Zeit möglich sein wird, die Anzahl der weiblichen Richter des Bundesverfassungsgerichts deutlich zu erhöhen" und forderte vom djb, seine rechtspolitisch starke Stimme für neue Verfassungsrichterinnen (und –richter) zu erheben. Papier hob hervor, dass "zahlreiche Richterinnen des Bundesverfassungsgerichts zugleich Mitglieder des djb" waren und auch sind, die "bahnbrechend und wegweisend gewirkt" haben. Er würdigte insbesondere die ehemaligen Richterinnen Scheffler, Rupp-von Brünneck und Seibert als drei große Richterpersönlichkeiten, die immer noch Vorbild und Ansporn seien.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) bekräftigte in ihrem Grußwort ihre Forderungen nach besseren rechtlichen Bedingungen bei der Integration von Ausländerinnen und Ausländern; die doppelte Staatsangehörigkeit müsse ausgeweitet werden. Die Ministerin sprach sich zudem für eine großzügige Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse aus. Beim Thema Zwangsheirat forderte sie Sonderregelungen beim Aufenthaltsrecht, um Frauen den Ausbruch aus einer solchen Ehe und die Rückkehr nach Deutschland zu ermöglichen. Besonderen Beifall erhielt Zypries für ihre klare Aussage „Schluss mit der Männerwirtschaft“ zur Unterstützung des Ziels des djb, die gerechte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft durch gesetzliche Quoten zu regeln. Auch dies sei ein Fall für „Integration durch Recht“.

Der baden-württembergische Justizminister und Integrationsbeauftragte Prof. Dr. Ulrich Goll (FDP) betonte in seinem Grußwort, Integration durch Recht vollziehe sich vor allem darin, dass sich die Zuwanderungs-Gesellschaft über die Kultur des Zusammenlebens einig sei: "Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die Grund- und Menschenrechte, die Achtung gegenüber Andersdenkenden, Andersgläubigen oder Nichtgläubigen sowie die Gleichberechtigung der Geschlechter sind die für alle geltenden unumstößlichen Fundamente, die universellen Werte unserer Gesellschaft, über die sich niemand hinwegsetzen darf und die auch nicht verhandelbar sind." Goll weiter: "Diese Grundlagen und Grundrechte ziehe klare Grenzen, eröffnen aber auch Räume der Teilhabe und der persönlichen Entfaltung, insbesondere für Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund."

Prof. Dr. Gertrude Lübbe-Wolff, Richterin des Bundesverfassungsgerichts und Festrednerin, sprach über die Bedeutung der Verfassung für die Integration einer Gesellschaft. Die Vorstellung, dass Gesellschaften sich durch Homogenität integrieren, begünstige fehlendes Vertrauen in das integrative Potential freiheitlicher Verfassungen und trage nicht zur Beantwortung der entscheidenden Frage bei, wie Integration angesichts gegebener Inhomogenität möglich sei. Dies sei die Frage, auf die moderne Verfassungen zu antworten suchten. Die Integrationskraft einer freiheitlichen und demokratischen Verfassung liege in erster Linie nicht in ihrer Bedeutung als Grundlage eines Wir-Gefühls, sondern in ihren tatsächlichen Ordnungsleistungen. Freiheitliche Verfassungen seien durch die Inhomogenität, die sie zulassen, nicht bedroht. Gewährleistete Freiheit, Gleichberechtigung und Demokratie und eine dem Sozialstaatsprinzip entsprechende gestaltende Aktivität des Staates seien weitaus stärkere Integrationsfaktoren als die, auf die Staaten ohne Freiheit und Demokratie sich stützen.

Zu den Integrationsleistungen des Grundgesetzes habe auch das Bundesverfassungsgericht beigetragen. Dieser Beitrag hänge wesentlich an der Institution der Individualverfassungsbeschwerde. Dass jeder Bürger sich ohne große Hürden gegen jede mögliche Grundrechtsverletzung, auch durch alle anderen Gerichte, an das Bundesverfassungsgericht wenden und dort sein Recht finden könne, sei die wesentliche Grundlage des Vertrauens, das das Gericht bei den Bürgern genieße. Damit sei die Verfassungsbeschwerde zugleich die wesentliche Grundlage der Autorität des Gerichts und der Autorität der Verfassung selbst. Dafür, dass es dem Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen gelungen sei, mit seiner Rechtsprechung verfassungsstabilisierend und integrativ zu wirken, seien allerdings auch noch andere Faktoren mit verantwortlich, unter anderem die vorgeschriebene Wahl der Richterinnen und Richter mit Zweidrittelmehrheit und die Tradition, dass das Nominationsrecht für die Richterinnen und Richter nicht für die Dauer der Wahlperiode bei den jeweiligen Wahlsiegern liegt, sondern dass die großen politischen Kräfte die Vorschlagsrechte, unter Berücksichtigung kleinerer Partner, gleichmäßig unter sich aufteilen. Dies begünstige eine kontinuierliche Rechtsprechung, die Extreme vermeidet, nicht polarisiert und im Ganzen auf hohe Akzeptanz gestoßen ist.

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Der Deutsche Juristinnenbund hat ca. 2.700 Mitglieder und hat im letzten September im Deutschen Bundestag sein 60-jähriges Jubiläum gefeiert. Zu den Mitgliedern zählten und zählen u.a. Ministerinnen und Senatorinnen, Richterinnen des Bundesverfassungsgerichts und der obersten Gerichte des Bundes und der Länder sowie zahlreiche in leitenden Positionen tätige Frauen in Wirtschaft, Justiz, Verwaltung und Wissenschaft.