Stellungnahme: 19-17


zum Gesetzesentwurf der Fraktion DIE LINKE Hessisches Gesetz zum Schutz der Rechte von schwangeren Frauen bei Schwangerschaftsberatung und -abbruch (Drs 20/384 vom 22.03.2019)

Stellungnahme vom

1. Einleitung

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) bedankt sich für die Gelegenheit der Stellungnahme zu dem o.g. Gesetzesentwurf.

Der djb begrüßt es, dass sich eine Fraktion des sensiblen Themas des Umgangs mit sog. „Mahnwachen“ unter anderem vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen angenommen hat. Gerade in hessischen Kommunen existiert seit 2018 nach unserem Kenntnisstand eine kontroverse Diskussion über den ordnungsrechtlichen Umgang mit Versammlungen vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen.

Unlängst hat das VG Karlsruhe mit Beschluss vom 27.03.2019 in einer Eilentscheidung (Az: 2 K 1979/19) durch Erlass einer Auflage gemäß § 15 VersammlG eine Versammlung in unmittelbarer Nähe von „pro familia“ untersagt und die Versammlung zeitlich und örtlich verlegt. Bereits 2011 hatte das VG Freiburg (Az: 4 K 314/11), bestätigt durch den VGH BaWü (Az: 1 S 915/11, 1 S 36/12) und das BVerwG (Az: 6 B 3/13), entschieden, dass das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Frauen und das Konzept vertraulicher Beratung durch unerwünschte Ansprache vor einer Beratungsstelle unangemessen beeinträchtigt werden. Entscheidungen hessischer Gerichte zu diesen Sachverhalten liegen bislang noch nicht vor. Für den Schutz der Persönlichkeitsrechte betroffener Frauen und die ungestörte Tätigkeit staatlich anerkannter Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen ist eine einheitliche gesetzliche Regelung erforderlich, um Rechtssicherheit zu gewährleisten.

2. Formelle Verfassungsmäßigkeit

Höchst fraglich ist bereits, ob das Land ein derartiges Spezialgesetz erlassen darf. Dieser Gesetzesentwurf enthält schon nach dem Wortlaut in § 1 Regelungen im Umgang mit öffentlichen Versammlungen und damit zum Versammlungsrecht. Für Versammlungsrecht sind nach der Föderalismusreform die Länder zuständig. In Hessen wurde aber von der Gesetzgebungskompetenz bisher nicht Gebrauch gemacht. Solange die Länder noch nicht von ihrer Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht haben, gilt in den jeweiligen Ländern nach § 125a Abs. 1 GG das Versammlungsgesetz des Bundes (VersammlG) fort. Der Entwurf ist ausweislich seines Wortlautes in § 1 eine Ergänzung zu § 16 Abs. 1 S. 1 des fortgeltenden VersammlG des Bundes. Eine punktuelle Regelung zu einem einzelnen Sachverhalt zu treffen, ohne das Versammlungsrecht im Allgemeinen geregelt zu haben, erscheint verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Daher erachten wir den Gesetzentwurf schon aus formellen Gründen für verfassungswidrig.

3. Materielle Verfassungsmäßigkeit

Wir begrüßen es, dass dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Frauen aus Art. 2 Abs. 1 GG  i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hier ein stärkeres Gewicht als den sog. Mahnwachen eingeräumt wurde. Dies wird auch der Tatsache gerecht, dass der Staat nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz den Schutzauftrag hat, die Beratungen in Schwangerschaftskonfliktfällen frei von psychischem Druck zu gewährleisten. Uns erscheint es sehr wichtig, dass den Frauen in diesen Fällen ein ungehinderter Zugang zu Beratungseinrichtungen ihrer Wahl garantiert wird. Der Begriff der „Bannmeile“ ist indes nicht zielführend und irritierend, da das hessische Bannmeilengesetz einen anderen Sachverhalt regelt, nämlich den Schutz des Hessischen Landtages.

4. Fazit

Der djb begrüßt die Auseinandersetzung mit der Thematik im Sinne der Rechte der Frauen, lehnt aber den Entwurf in dieser Fassung aus den o.g. Erwägungen ab.

Noreen von Schwanenflug
Vorsitzende Landesverband Hessen