Stellungnahme: 12-07


zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters – Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz in der Fassung vom 11. Mai 2012

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters. Er sieht, dass sich durch die Rechtsprechung des EGMR Handlungsbedarf im nationalen Recht zum Umgang des leiblichen Vaters mit dem Kind ergibt. Es wird aber darauf hingewiesen, dass durch die Erweiterung der Umgangsberechtigten des § 1685 Absatz 2 BGB ein erheblicher Eingriff in die Familie stattfindet.

Das Auskunftsrecht über die persönlichen Verhältnisse des Kindes führt zum Teil schon in getrennten Familien zu schweren Zerwürfnissen, die im Ergebnis auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden. Dass hier einem leiblichen Vater ein Auskunftsrecht gegebenenfalls gegen den Willen der Eltern und des Kindes eingeräumt werden soll, wird daher unter dem Aspekt des Kindeswohls nicht unbedingt als notwendig erachtet.

Im Gesetzentwurf sind unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, die auch nicht weiter erläutert werden. So bleibt etwa unklar, was es bedeutet, dass der leibliche Vater durch sein Verhalten gezeigt hat, dass er „Verantwortung tragen will“. Anders als ein nicht ehelicher Vater ist der leibliche Vater, weil er nicht rechtlicher Vater ist, dem Kind gegenüber zu keinerlei Leistungen verpflichtet. Er zahlt keinen Unterhalt und nimmt auch im Übrigen keine Verantwortung wahr. Es ist dem Gesetzentwurf nicht zu entnehmen, dass dies geändert werden soll. Der Begriff „durch sein Verhalten gezeigt“ kann sich daher nur auf den schwer greifbaren Umstand der Kommunikation beziehen, letztlich den Wunsch, dass der leibliche Vater Umgang mit dem Kind haben möchte. Aus einer reinen Willensbekundung ergibt sich aber nicht, dass er sich in Zukunft verantwortungsvoll und sensibel im Familienzusammenhang der anderen Familie – der dieses Kind unter Umständen schon jahrelang angehört – verhalten will. Eine Vermutung oder einen Anhaltspunkt dafür, dass der dann wahrgenommene Umgang dem Wohl des Kindes tatsächlich dient, kann aus dieser schwachen Ausgangsposition kaum hergeleitet werden.

Auch hinsichtlich der Auskunftserteilung verwendet der Gesetzgeber einen unbestimmten Rechtsbegriff: „ berechtigtes Interesse“. Worin liegt aber das berechtigte Interesse eines weiteren nicht gestaltungsberechtigten Vaters an Informationen für ein Kind, das bereits zwei sorgeberechtigte Eltern hat, die sich um das Wohl des Kindes vollumfänglich kümmern?

Ein berechtigtes Interesse des Kindes daran, dass eine weitere Person persönliche Angelegenheiten vom ihm erfährt, kann der djb nicht erkennen. Es kann sich daher nur um ein berechtigtes Interesse des Vaters handeln; welches das konkret sein soll, wird vom Gesetzgeber nicht mitgeteilt.

Der Gesetzentwurf sieht überdies vor, dass ein Mann, der die leibliche Vaterschaft zu einem Kind vermutet, im Umgangsverfahren die Feststellung der leiblichen Vaterschaft verlangen kann. Gegen dieses Feststellungsverlangen können weder die Mutter des Kindes noch der rechtliche Vater Einwände erheben, denen das Gericht zwingend nachgehen müsste.

Anders als in den Verfahren zur Anfechtung der Vaterschaft und auch zur Klärung der Vaterschaft sind hier Schutzmechanismen für das Kindeswohl nicht vorgesehen.

Die Feststellung der Vaterschaft ist für den leiblichen Vater nicht mit dem Entstehen von Pflichten verbunden. Die Kenntnis der eigenen Abstammung ist für jeden Menschen sicherlich elementar wichtig. Hier wird indes einseitig einem Mann ein Überprüfungsrecht eingeräumt, das nicht mit dem dem deutschen Abstammungsrecht eigenen System der Abwägung unterschiedlicher Interessen harmoniert. Wenn der leibliche Vater durch ein Umgangsverfahren die Inzidentprüfung der Abstammung erreichen kann, wird nämlich die Regelung des § 1600 Absatz 1 Nr. 2, Absatz 2 und Absatz 4 BGB faktisch außer Kraft gesetzt. Danach soll das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen rechtlichem Vater, Mutter und Kind das Anfechtungsrecht des leiblichen Vaters ausschließen. Diese Vorschrift soll den „Familienfrieden“ und die „Intakte Ehe“ der Mutter des Kindes schützen. An dieser Stelle ist der Entwurf aus Sicht des djb dringend zu überdenken, keinesfalls darf es bei den widersprüchlichen Wertungen bleiben.

Der djb verkennt hier nicht, dass auch der EGMR mit unterschiedlichem Maß misst. Einerseits wird der Ausschluss des biologischen Vaters von der Anfechtung nach nationalem Recht als zulässig bestätigt: es liegt insoweit keine Verletzung des Elternrechts vor, ein hoher Schutz des Familienfriedens wird gewährt und das Kindesinteresse auf Kenntnis seiner Abstammung tritt demgegenüber zurück. Andererseits wird der Ausschluss des biologischen Vaters vom Umgangsrecht nach nationalem Recht als unzulässig gewertet: hier wird dem Schutz des Familienfriedens nicht das gleiche Gewicht beigemessen, wobei hier der Schutz des Familienfriedens womöglich noch eine größere Rolle spielen müsste, weil es sich um ständige Eingriffe in den Familienfrieden handelt dadurch, dass der leibliche Vater regelmäßige Kontakte mit dem Kind hat.

Hier sind vor allem die tatsächlichen Auswirkungen des Umgangsverfahrens mit in den Blick zu nehmen. Der Gesetzentwurf geht offenkundig davon aus, dass das Umgangsrecht zu einem regelmäßigen Kontakt führt. Das ist nicht für alle Fälle zwingend.

Wenn aber der leibliche Vater nach mehreren Umgangskontakten feststellt, dass das Kind oder die Gestaltung der Umgangskontakte seinen Erwartungen – in welcher Weise auch immer – nicht entspricht, kann er den teuer erkauften Kontakt ohne Weiteres wieder einstellen. Weder das Kind noch die rechtlichen Eltern haben die Möglichkeit, seine einmal aufgenommene Verantwortung für das Kind dann auch weiterhin einzufordern. Falls das Kind durch den Kontaktabbruch psychische Probleme bekommt, sind die rechtlichen Eltern alleine mit der Pflicht, dem Kind in dieser schwierigen Situation zur Seite zu stehen.

Geht man einmal davon aus, dass die rechtlichen Eltern – gegebenenfalls auch im Namen des Kindes – die Vaterschaft des leiblichen Vaters gerade deswegen nicht mit den ihnen zustehenden Anfechtungs- und Feststellungsrechten zur rechtlichen Vaterschaft haben erstarken lassen, weil sie eine solche Entwicklung befürchtet haben und dem Kind eine gelebte soziale und rechtliche Vaterschaft gewährleisten wollten, zeigt sich besonders deutlich, dass der Gesetzentwurf in der derzeitigen Fassung die Interessenlage der Familie gegenüber dem leiblichen Vater zu wenig berücksichtigt.

Ramona Pisal                                                
Präsidentin    

Dr. Angelika Nake
Vorsitzende der Kommission Zivil-, Familien- und Erbrecht,
Recht anderer Lebensgemeinschaften