Pressemitteilung: 01-09


Zuwanderungskommission übergeht Frauen

Pressemitteilung vom

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) kritisiert, dass Frauen in dem heute vorgestellten 272-Seiten-Bericht der von Rita Süßmuth geleiteten Zuwanderungskommission („Süßmuth-Kommission“) nicht ausreichend Beachtung finden und insbesondere als Arbeitskräfte nicht angemessen berücksichtigt werden.

 

Zwar ist es zu begrüßen, dass die Kommission eine gesellschaftliche Neuorientierung hin zu einer positiven Zuwanderungspolitik fordert und dabei insbesondere die Notwendigkeit einer engen Verflechtung von Zuzug und Integration betont. Auch das Bekenntnis zu einer humanitär orientierten Zuwanderungspolitik, die das Grundrecht auf Asyl nicht zur Disposition stellt, kann nur unterstützt werden. Noch nie sind so umfassend alle Bereiche der Zuwanderung und ihre Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und unsere derzeitigen Verfahren auf Schwachstellen und Alternativen hin untersucht worden. Die einzelnen Vorschläge der Kommission sind überwiegend positiv zu bewerten. Jetzt ist der Gesetzgeber gefordert, die Empfehlungen umzusetzen. Auch der Kritik des Kommissionsberichts am deutschen Arbeitserlaubnis- und Aufenthaltsrecht als „unübersichtlich und unzureichend aufeinander abgestimmt“ stimmt der djb uneingeschränkt zu.

 

Allerdings bleibt das Arbeitsergebnis der Kommission aus frauenpolitischer Sicht unbefriedigend. Das mag auch darauf zurückzuführen sein, dass die Zuwanderungskommission nahezu ausschließlich aus Männern bestand, wie der djb bereits im Vorfeld öffentlich kritisiert hatte; neben der Vorsitzenden Rita Süßmuth gehörte der Kommission nur eine weitere Frau an. Zwei Punkte sind insbesondere zu kritisieren:

 

–   Der djb sieht bei der vorgeschlagenen Regelung des Zuzugs qualifizierter Arbeitskräfte die Gefahr einer Benachteiligung von Frauen. Die Rekrutierung nahezu ausschließlich männlicher Gastarbeiter in den 60er und 70er Jahren führte zu gravierenden sozialen Problemen. Weder die nur im Ansatz begrüßenswerten Vorschläge der Kommission zum Familiennachzug noch das von ihr vorgeschlagene Punktesystem (möglichst jung, mehrjährige Berufserfahrung, Führungserfahrung) werden die faktisch nach Geschlechtern differenzierende Anwerbung verhindern können. Hier sieht der djb Nachbesserungsbedarf. Maximal 5 Punkte für Kinder, aber bis zu 20 Punkten für das Alter des Bewerbers sind die falsche Gewichtung. Ein künftiges Zuwanderungsrecht sollte stattdessen Regeln enthalten, die die Erwerbsarbeit von Frauen fördern und Frauen ermutigen, sich zu bewerben. „Unter den Frauen findet sich ein Potential hoch qualifizierter Arbeitskräfte nicht nur im Ausland, sondern auch im Inland, das bislang viel zu wenig genutzt wird. Wir können uns eine solche Politik nicht mehr leisten“, so die djb-Vorsitzende, Prof. Dr. Ursula Nelles. Die Einbeziehung dieser Fragen ist dem Bericht nur punktuell zu entnehmen.

 

–   Bedauerlich ist ferner, dass die Zuwanderungskommission sich auf eine bessere Absicherung der überwiegend Frauen, die von geschlechtsspezifischer Verfolgung betroffenen sind, nicht hat einigen können. Diese Form politischer Verfolgung reicht von der Entrechtung von Frauen über sexuelle Gewalt bis hin zur rituellen Tötung. Es ist grob fehlgewichtig, die hiervon Betroffenen lediglich als „schutzbedürftig“ und damit als Flüchtlinge zweiter Klasse zu einzuordnen. Der djb fordert eine menschenrechtliche Asylpraxis, die ihnen den rechtlich sicheren Status als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zubilligt. Daher sollte in § 51 Abs. 1 AuslG ausdrücklich klargestellt werden, dass eine Person nicht in einen Staat abgeschoben werden darf, „in dem ihr Leben, ihr Körper oder ihre Freiheit wegen (...) ihres Geschlechts bedroht ist“.

 

 

Bonn, den 4. Juli 2001