djbZ


Editorial 2023/2

Unternehmensziel: Geschlechtergerechtigkeit

 

Der djb hat 2021 eine Konzeption für ein Gleichstellungsgesetz in der Privatwirtschaft vorgelegt, die von der Kommission Arbeits-, Gleichstellungs- und Wirtschaftsrecht erarbeitet worden war. Rechtspolitisches Ziel sind diskriminierungsfreie Unternehmen. Mit einem arbeitsrechtlichen Ansatz zeigen wir alternative gesetzliche Möglichkeiten auf, um endlich die gleichen Verwirklichungschancen der Beschäftigten aller Geschlechter in der Erwerbsarbeit zu erreichen. Zu Grunde liegt dem das Modell der regulierten Selbstregulierung. Der aktivierende, moderierende und kontrollierende Staat muss einen Regelungs- und Durchsetzungsrahmen schaffen, damit Unternehmen aller Art und Größe eine auf ihre Rahmenbedingungen abgestimmte eigenverantwortliche Gleichstellungspraxis entwickeln und verbindlich umsetzen.

Das Unternehmensrecht bietet bereits vielfältige Anknüpfungspunkte dafür, wie Unternehmen auf soziale Belange verpflichtet werden können. Der Gesetzgeber kann zur Umsetzung der Konzeption hier ansetzen. Denn es gibt unausgeschöpftes Potential, um Gleichstellungsbelange zu verwirklichen und durchzusetzen. Wir knüpfen dabei an die international und auf Bundesebene aktuell heftig geführten Debatten um die sogenannte sozio-ökologische Transformation an: Inwieweit muss sich eine nachhaltige Effektivität darauf erstrecken, dass die Wirtschaft und die Unternehmen auch hinsichtlich Gleichstellungsfragen verantwortlich gemacht werden? Dabei liegt die soziale Relevanz von Gleichstellungsfragen auf der Hand: Schon der Arbeitskräftemangel zeigt die Bedeutung von Vereinbarkeitsstrukturen, von Karriereperspektiven für Frauen oder der Sicherstellung von gleichen Ausbildungschancen etc. Dies betrifft bundesweit sämtliche Unternehmenstypen, Branchen und Tätigkeitsbereiche von KMUs bis hin zu Großkonzernen und Digitalunternehmen wie Plattformen.

Indem wir die Debatte um ein nachhaltiges Unternehmensrecht aufgreifen und fragen, wo und wie dabei Geschlechtergerechtigkeit relevant gemacht wird oder werden kann, können wir mindestens drei Spezialdiskurse wesentlich voranbringen:

Nach der heftigen, aber nur punktuellen Debatte um das Führungspositionengesetz ist grundsätzlich das Verhältnis von Unternehmensrecht und Geschlecht zu beleuchten. Gleichzeitig können wir damit einen wichtigen Beitrag zur Beantwortung der Frage leisten, wie die sozio-ökologische Transformation gedacht werden und gelingen kann. Denn wir zeigen zum einen, wie die internationale Forderung im nationalen Recht konkret umsetzbar ist, aber auch, welche Risiken ein solcher integrativer Ansatz gerade für soziale Belange hat.

Ganz entscheidend haben wir aber Antworten auf die Durchsetzungsfrage, die sich mit der Zunahme horizontaler, kollektiv ansetzender Regulierungsmodelle immer dringlicher stellt. Zentral geht es in der Diskussion um das Unternehmensziel Geschlechtergerechtigkeit darum, wie Unternehmen in die Pflicht genommen und dazu gebracht werden können, selbst Maßnahmen zum Abbau von Diskriminierung zu ergreifen und ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Zwei Instrumente erscheinen uns dafür zentral: Zum einen setzen sowohl die europäische Debatte um Nachhaltigkeit wie auch das Vorgehen anderer Staaten gegen Diskriminierung auf Berichtspflichten der Unternehmen. Mit unserer Arbeit bringen wir diesen Diskurs voran, indem wir die Bedingungen für ihre Effektivität herausarbeiten und dabei das Potential und die Prämissen des Einsatzes digitaler Tools zur Datengenerierung und -analyse darlegen.

Zum anderen ist gerade für das Gleichstellungsrecht ausreichend belegt, dass sanktionsfreie Verpflichtungen von Unternehmen wirkungslos bleiben. Umso wichtiger ist es, in der aktuellen Debatte um das nationale Vergaberecht dieses auf seine Effektivität hin zu analysieren und Vorschläge zu erarbeiten, wie es erfolgsversprechend für die Durchsetzung der Gleichstellung der Geschlechter eingesetzt werden könnte.

In diesem Heft wollen wir auf den diesjährigen Bundeskongress mit dem Thema „Unternehmensziel Geschlechtergerechtigkeit“ vorbereiten. Dazu werden die zu Grunde liegenden Fragestellungen weiter erläutert und Ergebnisse unserer Arbeit für die Diskurse um Berichtspflichten und das Vergaberecht vorgestellt. In Heft 4/2023 greifen wird diese Themen sowie die Debatten auf dem Bundeskongress auf und präsentieren unsere Ergebnisse zum Gleichstellungspotential des Unternehmensrechts.

 

Prof. Dr. Heide Pfarr und Prof. Dr. Isabell Hensel
Vorsitzende sowie stellvertretende Vorsitzende der Kommission
Arbeits-, Gleichstellungs- und Wirtschaftsrecht