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Editorial 2023/2

Klimagerechtigkeit – ein Thema für den djb?!


Dass die Erde sich durch den von Menschen erzeugten Ausstoß von Treibhausgasen erhitzt, vermutete man schon im 19. Jahrhundert. Spätestens seit den 1980er Jahren besteht darüber Gewissheit. 2015 haben sich die Vereinten Nationen im sogenannten Übereinkommen von Paris völkerrechtlich verbindlich zu Maßnahmen verpflichtet, um den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen (Art. 2, Abs. 1a). Bei einer Überschreitung könnte es zum Eintreten von Kipppunkten kommen, die irreversible Kettenreaktionen in Gang setzen und die Erde auf Dauer für Menschen unbewohnbar machen. Aktuell befinden wir uns auf einem Pfad der Erhitzung auf über 3 °C, vom Eintreten der Kipppunkte ist dabei auszugehen. Das ist die Realität, in der wir uns befinden. „Das Klima ist nicht der Elefant im Raum, das Klima ist der Raum“1 – auch der Raum, in dem wir feministische Rechtspolitik betreiben.
Fast genau so alt wie das Wissen über die Erderhitzung ist die Erkenntnis, dass diese sich als eine Krise der sozialen Gerechtigkeit manifestiert – nicht alle sind gleichzeitig und gleichermaßen davon betroffen. Gerade durch die zivilgesellschaftlichen Bewegungen der letzten Jahre – allen voran fridays for future – ist der Ruf nach Klimagerechtigkeit lauter geworden. Klimagerechtigkeit kann aber nur intersektional funktionieren – zusammen mit Geschlechtergerechtigkeit und Antirassismus. Autorinnen aus der feministischen Umweltforschung und dem Ökofeminismus weisen seit den 1980er Jahren darauf hin, dass Geschlechtergerechtigkeit und Klimagerechtigkeit nicht im Widerspruch zueinanderstehen, sondern sich vielmehr wechselseitig ergänzen, wenn sie zusammengedacht werden.2 Oder, um es mit den Worten der ehemaligen UN-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson zu sagen: “Climate change is a man-made problem and must have a feminist solution.”

Da Lösungen für Probleme oft mit einer rechtspolitischen Diskussion beginnen, freue ich mich ganz besonders, dass der Fokus dieses Heftes der Frage „Klimagerechtigkeit – ein Thema für den djb?!“ gewidmet ist: Zunächst bringen uns Johanna Montanari und Valerie Lesser aus der djb-Geschäftsstelle näher, warum Feminist*innen in die erste Reihe der Klimagerechtigkeitsbewegung gehören (S. 55). Anna Weininger, Doktorandin im Umwelt- und Planungsrecht an der Universität Augsburg, nimmt sich der Frage an, ob der Begriff Klimagerechtigkeit in seinem jetzigen verfassungsrechtlichen Verständnis auch für feministische Fragen nutzbar gemacht werden kann oder ob dieser einer Erweiterung bedarf (S. 57). Dr. Stefanie Killinger, LL.M. (Lond.), Prof. Dr. Kristin Pfeffer und Dr. Anne-Sophie Ritter aus der Kommission Verfassungsrecht, Öffentliches Recht, Gleichstellung zeigen, welche Anforderungen an eine geschlechtergerechte (städtische) Verkehrsplanung und -steuerung aus rechtlicher Sicht zu stellen sind und wie Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung geschlechtergerecht weiterentwickelt werden können. Marike Bosse, derzeit Referendarin in der djb-Geschäftsstelle, gibt uns einen Einblick in feministische Perspektiven im Umweltvölkerrecht (S. 64). Die Rechtshistorikerin Prof. Dr. Marion Röwekamp bemängelt den Eurozentrismus in dem als historisch bezeichneten Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts und ermöglicht uns einen Einblick in die Stellung der Natur in südamerikanischen Verfassungen (S. 66). Prof. Dr. Anna Katharina Mangold und Kathrin Otto aus der Kommission Europa- und Völkerrecht zeigen gemeinsam mit Ida Westphal, welche feministischen Ansätze in der nationalen und internationalen Klimapolitik bestehen und wie es um deren Umsetzung steht (S. 71). Sunniva Ferri und Toni Meiswinkel verstehen die Klimakrise als eine Leadership-Krise – ein Ansatz zur Lösung wäre aus ihrer Sicht mehr weibliche Führung (S. 72). Dr. Petra Sußner aus der Kommission Europa- und Völkerrecht zeigt am Fall der Klima Seniorinnen v. Switzerland, wie Intersektionalität als Strategie in Klimaklagen zum Einsatz kommt (S. 74). Zum Abschluss des Fokus habe ich Carla Hinrichs von der „Letzten Generation“ interviewt. Mit ihr habe ich über die Rolle von Jurist*innen in der Klimakatastrophe gesprochen, über ihre eigene Rolle als Jurastudentin und Angeklagte im Strafprozess sowie über zivilen Ungehorsam als Protestform.


Ich wünsche Ihnen eine spannende und inspirierende Lektüre!


Amelie Schillinger
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
in der djb-Geschäftsstelle, Berlin

 

 


1 So die Klimaaktivistin Luisa Neubauer im Interview bei Matze Hielscher (im Podcast „Hotel Matze“ vom 21.12.2023).
2 Bauhardt, Christine (2012), Feministische Ökonomie, Ökofeminismus und Queer Ecologies – feministisch-materialistische Perspektiven auf gesellschaftliche Naturverhältnisse. In: gender politik online: www.fu-berlin.de/sites/gpo/pol_theorie/Zeitgenoessische_ansaetze/Bauhardtfemoekonomie/index.html (Zugriff: 11.05.2023).