djbZ


Editorial 2023/1

Queere Perspektiven auf das Recht

 

Als die Ampel-Koalition Ende 2021 ihre Arbeit aufnahm, hat sie sich gesellschaftspolitisch einiges vorgenommen. Die Rechte von queeren Menschen sollten gestärkt werden, das sogenannte Transsexuellengesetz abgeschafft und das Abstammungsrecht reformiert werden. Doch wie ist der Stand, nach über einem Jahr Ampel-Regierung? Welche Pläne für Reformen wurden vorgelegt? Die Kolleginnen aus der Kommission Zivil-, Familien- und Erbrecht, Recht anderer Lebensgemeinschaften haben sich die Vorhaben genau angeschaut und präsentieren uns in dieser Ausgabe der djbZ queere Perspektiven auf das Recht. Zunächst gibt Susanna Roßbach einen Überblick über den Regenbogen an Begriffen rund um das Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt (S. 1). Im ersten Teil des Fokus geht es dann um das Abstammungsrecht: Die Vorsitzende der Kommission, Dr. Anna Lena Göttsche und djb-Vizepräsidentin Prof. Dr. Dana-Sophia Valentiner formulieren den Handlungs- und Reformbedarf, der aktuell und ganz akut besteht, nachdem der Justizminister von seiner vorgeschlagenen Schmalspurreform abgebracht werden konnte und einen „großen Wurf“ zur Reform des Abstammungsrechts angekündigt hat (S. 3). Einen rechtsvergleichenden Blick auf queere Elternschaft eröffnet uns Hannah Findenegg, sie skizziert die Antwort auf die Frage, wie die Elternschaft einer Mitmutter in den EU-Mitgliedsstaaten geregelt ist (S. 4). Emma Steckelberg und Pauline Spatz nähern sich mithilfe eines Rewritings im Kontext von Feminist Judgments der Frage an, wie im Fall eines gebärenden Vaters feministisch Recht gesprochen werden kann (S. 8). Im zweiten Teil des Fokus geht es um das Thema geschlechtliche Selbstbestimmung. Susanna Roßbach berichtet von der djb-Veranstaltung, die dazu im April 2022 stattgefunden hat (S. 11). Vertiefte Antworten auf Fragen zum Thema geschlechtliche Freiheit gibt Prof. Dr. Anna Katharina Mangold, LL.M. (Cambridge) im anschließenden Interview (S. 13). Den letzten Teil des Fokus bereichern Pia Lotta Storf und Dr. Izabela Jędrzejowska-Schiffauer mit internationalen Perspektiven: Storf zeigt, was Queerness für das Asylverfahren bedeutet (S. 17) und Jędrzejowska-Schiffauer berichtet von der bedrohlichen politischen Situation, der queere Menschen in Polen ausgesetzt sind.

Im Porträt am Ende des Hefts (S. 51) haben Eva Welskop-Deffaa und Sarah Ziegler die Ministerin für Familie, Senior*innen, Frauen und Jugend Lisa Paus zu ihren aktuellen Vorhaben interviewt.

Der djb wird die Reformvorhaben der Bundesregierung weiterhin kritisch verfolgen und kommentieren, wird nachfragen und diskutieren. Die Kommissionen Zivil-, Familien- und Erbrecht, Recht anderer Lebensgemeinschaften sowie Europa- und Völkerrecht bereiten aktuell eine Stellungnahme zum geplanten Selbstbestimmungsgesetz vor. Ich freue mich sehr, dass wir in diesem Heft auch das Ergebnis eines anderen Prozesses präsentieren können, in dem der djb nach einer Position gesucht und sie miteinander gefunden hat: in der Rubrik Berichte ist das Policy Paper zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs abgedruckt, das die interkommissionelle Arbeitsgruppe unter der Leitung von Céline Feldmann erarbeitet hat. In der nächsten Zeit stehen viele Gespräche an, bei denen ich gemeinsam mit Céline Feldmann und Dr. Leonie Steinl, LL.M. (Columbia) mit Politiker*innen und Vertreter*innen von Verbänden diskutieren werde, die sich für unseren Vorschlag interessieren. Der djb ist hier mit einem Vorschlag an die Öffentlichkeit gegangen, der auf sehr großes Interesse stößt.

Zum neuen Jahr erscheint die djbZ in neuem Gewand – doch nicht nur hier wurde etwas erneuert: Die djb-Geschäftsstelle ist im November in neue Räume in Berlin Mitte umgezogen. Einen Rundgang durch das neue Büro und eine Vorstellung unserer neuen Mitarbeiter*innen sowie unserer alten Häsinnen finden Sie ab S. 39.


Ich wünsche Ihnen eine inspirierende Lektüre!


Prof. Dr. Maria Wersig
Präsidentin des djb