Editorial 2021/3
Ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft
Als 2001, letztlich ohne Ergebnis, der Entwurf eines Gleichstellungsgesetzes für die Privatwirtschaft diskutiert wurde, galten Quoten allgemein als Hexenzeug.[1] Da sind wir mit der Quotenregelung für einige Aufsichtsräte durchaus weiter. So sehr der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) auf diesen Erfolg stolz sein kann, so wichtig er auch ist, sind wir uns doch immer eines eklatanten Mangels bewusst gewesen. Zwar prädestiniert die Profession unserer Mitglieder sie für Führungspositionen, aber als Verband setzen wir uns für die Rechte aller Frauen ein und eben nicht nur für diejenigen, die in Führungspositionen wären oder sein werden, wenn es endlich geschlechtergerecht zugeht. Deshalb streiten wir für weitergehende Regulierungen, die zu einer geschlechtergerechten Unternehmenskultur führen.[2] Erst eine umfassende Umstrukturierung ermöglicht die Gleichberechtigung in der Erwerbsarbeit und kommt letztlich allen Geschlechtern zugute.
Die djb-Kommission für Arbeits-, Gleichstellungs- und Wirtschaftsrecht hat daher eine Konzeption für ein Gleichstellungsgesetz in der Privatwirtschaft vorgelegt, die diesem ganzheitlichen Ansatz folgt. Selbstverständlich ist auch das Thema Personalstruktur und Personalentwicklung und damit die Frage der Besetzung von Führungspositionen ein Baustein dieser Konzeption. Aber gleiches Gewicht haben nicht nur die Handlungsfelder Entgelt, Arbeitszeit und Vereinbarkeit der Lebensbereiche, sondern auch das Handlungsfeld Arbeitsgestaltung und Gesundheitsschutz, bei welchem es, trotz eines vergleichsweise gut ausgebauten Arbeitsschutzrechts in der Bundesrepublik, immer noch diskriminierende Strukturen und Praktiken gibt, die gerade Frauen in allen Beschäftigungsbereichen stark belasten.
Die ausformulierte Konzeption ist angesichts der Komplexität des Themas recht umfangreich und in Gänze auf der Webseite des djb zu finden.[3] Eine gekürzte Fassung, die auf die vielfältigen Belege in der Originalfassung verzichtet, ist in diesem Heft abgedruckt.[4] Sie wird begleitet von zwei Aufsätzen. Die Politikwissenschaftlerin Dr. Silke Bothfeld, Professorin für Internationale Wirtschafts- und Sozialpolitik und Arbeitsbeziehungen an der Hochschule Bremen mit einem Forschungsschwerpunkt Gleichstellungspolitik, setzt sich mit der Frage auseinander, ob, wie und mit welchen Instrumenten ein regulierender Staat Gleichstellung in der Privatwirtschaft effektiv durchsetzen kann.[5] Denn die Konzeption des djb verwendet als Steuerungsinstrument die regulierte Selbstregulierung und damit ein innovatives Instrumentarium im Vergleich zu den üblichen arbeits- und gleichstellungsrechtlichen Normierungen. Sophie Rotino ist Juristin mit Schwerpunkt Gleichstellung im Recht und Referentin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Referat "Frauen in Führungspositionen, Gleichstellungsgesetze für den öffentlichen Dienst". Sie bereitet für ihre Analyse des rechtspolitischen Handlungsbedarfs die wesentlichen Erkenntnisse aus dem Evaluationsgutachten über die Wirksamkeit des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst auf.[6] Es ist schon beeindruckend, wie sich in einer empirischen Untersuchung jene Argumente in Luft auflösen, die gegen eine stringente Gleichstellungspolitik der Unternehmen vorgebracht werden. Gerade diese Erkenntnisse sind die Basis für die Formulierung von Handlungspflichten in der Konzeption des Gleichstellungsgesetzes.
Nun gilt es dringend, gleichstellungspolitische Regulierungen in Kraft zu setzen und den Widerständen und Beharrungskräften, gestützt auf interessengeleitetem Nichtwissen oder bewusster Ignoranz der Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände und vieler, auch junger Unternehmen, entgegenzutreten. Argumente dafür haben wir. Wissenschaftler*innen liefern uns vielfältige Forschungsergebnisse[7] und es liegen offizielle politische Papiere vor, wie die hervorragenden Ausarbeitungen in den drei Gleichstellungsberichten der Bundesregierung[8] und natürlich auch die Evaluationen des Entgelttransparenzgesetzes[9] und des Führungspositionengesetzes[10] mit ihren ernüchternden Ergebnissen. Die vorgelegte Konzeption für ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft greift diese auf und kann durch konkret ausformulierte Forderungen den gleichstellungspolitischen Akteur*innen abgesicherte Grundlagen für ihre Forderungen und ihre Lobbyarbeit bieten.
Professorin Dr. Heide Pfarr
Vorsitzende der Kommission Arbeits-, Gleichstellungs- und Wirtschaftsrecht
Dr. Isabell Hensel
Mitglied der Kommission Arbeits-, Gleichstellungs- und Wirtschaftsrecht
[1] Vgl. zur damaligen Positionierung des Deutschen Juristinnenbundes e.V. (djb): djb-Pressemitteilung 01-08 zur Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft, vom 3.7.2001, abrufbar unter: <<https://www.djb.de/presse/pressemitteilungen/detail/pm01-08>> (letzter Zugriff: 20.7.2021).
[2] Vgl. djb-Stellungnahme 20-35 zum Zweiten Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II), vom 28.12.2021, abrufbar unter: <https://www.djb.de/presse/stellungnahmen/detail/st20-35>> (letzter Zugriff: 20.7.2021).
[3] Djb, Konzeption eins Gleichstellungsgesetzes für die Privatwirtschaft, abrufbar unter: <<https://www.djb.de/fileadmin/user_upload/Konzeption_Gleichstellungsgesetz_Langfassung_djb.pdf>> (letzter Zugriff: 20.7.2021).
[4] S. NN-NN.
[5] S. NN-NN.
[6] S. NN-NN.
[7] Neben vielen: AllBright Stiftung, Die Macht hinter den Kulissen - Warum Aufsichtsräte keine Frauen in die Vorstände bringen. AllBright Bericht, April 2019; Arndt, Paula/Wrohlich, Katharina, (2019): Geschlechterquoten im europäischen Vergleich: Harte Sanktionen bei Nichteinhaltung sind am wirkungsvollsten. DIW-Wochenbericht 86(38), 2019, S. 691-698, abrufbar unter: <<https://doi.org/10.18723/diw_wb:2019-38-1>> (letzter Zugriff: 22.7.2021); Ely,Robin J./Padavic, Irene, What's really holding women back? Harvard Business Review, March-April 2020; Genz, Karen/Schraudner, Martina, (2015): Mehrwert durch den Einbezug der Genderkategorie. Wie die Kenntnis der Unternehmenskultur den Anteil von Frauen in Führungspositionen steigert, in: Gephart, Hella/ Kosuch, Renate (Hrsg.), Genderwissen - Gendernutzen für die Praxis der Sozialen Arbeit Vol. 21, Essen 2015, S. 17-24.
[8] BMFSFJ, Erster Gleichstellungsbericht: Neue Wege - Gleiche Chancen, abrufbar unter: <<https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/erster-gleichstellungsbericht-neue-wege-gleiche-chancen-80428>> (letzter Zugriff: 20.7.2021), Berlin 2011; BMFSFJ, Zweiter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, abrufbar unter: <<https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/zweiter-gleichstellungsbericht-der-bundesregierung-119796>> (letzter Zugriff: 20.7.2021), Berlin, 2017; BMFSFJ, Dritter Gleichstellungsbericht, abrufbar unter <<https://www.dritter-gleichstellungsbericht.de/>> (letzter Zugriff: 20.7.2021), Berlin 2021.
[9] BMFSFJ, Bericht der Bundesregierung zur Wirksamkeit des Gesetzes zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern, abrufbar unter: <<https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/bericht-der-bundesregierung-zur-wirksamkeit-des-gesetzes-zur-foerderung-der-entgelttransparenz-zwischen-frauen-und-maennern-137226?view=>> (letzter Zugriff: 20.7.2021), Berlin 2019.
[10]BMFSFJ, Evaluation des Gesetzes über die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen (FüPoG) in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst, abrufbar unter: <<https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/PM/FuePog_Evaluationsgutachten.html>> (letzter Zugriff: 20.7.2021), Berlin 2020.