Editorial 2017/4
42. djb-Bundeskongress
Liebe Kolleginnen,
in diesem Heft der djbZ werfen wir einen Blick zurück auf den 42. Bundeskongress in Stuttgart. Es war ein buntes Programm, von der feierlichen Eröffnung im Weißen Saal des Stuttgarter Schlosses, über den Kongress und die Mitgliederversammlung im Sitzungssaal des Rathauses, bis hin zur Verleihung des Marie-Elisabeth-Lüders-Preises an Dr. Frederike Misselwitz für ihre lesenswerte Dissertation über das Leben und Wirken von Marie-Luise Hilger. Ein ganz herzlicher Dank von uns allen an die Regionalgruppe Stuttgart mit ihrer Vorsitzenden Jitka Hrubant. Ich danke den Vertreter_innen der Politik für ihre Grußworte, die Sie in diesem Heft nachlesen können. BGH-Präsidentin Bettina Limperg danke ich für ihren inspirierenden Festvortrag, ebenso Prof. Dr. Ulrike Lembke und Prof. Dr. Friederike Wapler, die im Arbeitsstab Reproduktive Rechte gearbeitet und unser Kongressprogramm mit mir konzipiert und als Expertinnen und Moderatorinnen gestaltet haben, außerdem den vielen beeindruckenden Rednerinnen auf den Panels, der Stifterin des Marie-Elisabeth-Lüders-Preises Dr. Melitta Büchner-Schöpf und der Laudatorin und Richterin am Bundesarbeitsgericht Claudia Wemheuer, stellvertretend für alle aktiven Frauen, die diesen Bundeskongress organisatorisch und fachlich unterstützt und gestaltet haben. Unsere Geschäftsstelle unter Leitung unserer Geschäftsführerin Anke Gimbal darf in dieser Aufzählung nicht fehlen. Ihnen allen gilt unser herzlicher Dank. Auf den kommenden Seiten wir Ihnen die vielfache Würdigung der Past Präsidentin des djb Ramona Pisal begegnen. Ramona Pisal hat seit 2011 den Verband geleitet, satzungsgemäß konnte ihre Amtszeit nicht mehr verlängert werden. Während des gesamten Kongresses war die Anerkennung und Wertschätzung aller Mitglieder und Gäste für die Leistungen von Ramona Pisal für unseren Verband und die Frauenrechte zu spüren. Alle, die mit Ramona Pisal zusammengearbeitet haben, wissen um ihren enormen Einsatz für unseren Verband. Dr. Ralf Kleindiek, Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend formulierte es so: Ramona Pisal hat sich um die gleichen Rechte für Frauen in Deutschland verdient gemacht.
Wir haben uns im Tagungsprogramm des Kongresses intensiv und interdisziplinär mit dem Thema Reproduktive Rechte befasst und festgestellt, dass eine gleichberechtigte Gesellschaft ohne Selbstbestimmung von Frauen über ihren Körper und ihre Familienplanung nicht möglich ist. Was mir besonders in Erinnerung bleiben wird, war die Wortmeldung unserer Ehrenpräsidentin Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit während unserer Diskussion über reproduktive Gesundheit. Sie berichtete über ihre Erinnerungen an die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht vor der zweiten Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch, an der sie als djb-Vertreterin teilgenommen hatte. Sie verdeutlichte mir einmal mehr die wichtige Tradition, in der unser djb steht und den großen rechtspolitischen Einsatz unserer Kolleginnen in fast 70 Jahren Verbandsgeschichte. Die Kongressteilnehmerinnen sprachen sich dafür aus, das Thema Reproduktive Rechte auch in Zukunft weiter zu bearbeiten und mit klaren Positionen für die Selbstbestimmung von Frauen einzutreten. Während ich dieses Editorial schreibe, wurde die Nachricht bekannt, dass die Schriftstellerin Margaret Atwood für ihr Lebenswerk den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten hat. Ihr dystopischer Roman „Der Bericht der Magd“ kommt mir stets in den Sinn, wenn ich über reproduktive Rechte nachdenke. Sie beschreibt darin eine Diktatur, in der Frauen die „Wahl“ haben, Ehefrau, Gebärsklavin oder Zwangsarbeiterin zu sein – oder ihr Leben zu verlieren. Nicht umsonst ist dieser Roman in den USA gerade überaus erfolgreich als Fernsehserie verfilmt und das Ergebnis mehrfach ausgezeichnet worden. Denn traditionelle Rollenbilder und Familienmodelle – und damit verbunden auch Einschränkungen reproduktiver Rechte – sind wieder auf dem Vormarsch, als ein zentrales Politikfeld rechtspopulistischer Parteien. Die Bedeutung unseres gemeinsamen Einsatzes für Frauenrechte ist nach der Bundestagswahl am 24. September noch stärker in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Der Frauenanteil im 19. Deutschen Bundestag hat sich von 36,5 Prozent auf 30,75 Prozent verringert. Damit sind weniger als ein Drittel der Abgeordneten Frauen und ihr Anteil ist auf den Stand der 1990er Jahre zurückgefallen. Die politischen Parteien haben die demokratische Verantwortung, Frauen und Männern gleichermaßen die Chance einzuräumen, politische Ämter zu bekleiden. Insofern bleibt unser Ziel des djb: Gleiche Teilhabe und gleiche Repräsentation in Politik, Wirtschaft, Medien und Kultur. Wir werden die Aufmerksamkeit, die im nächsten Jahr mit der Feier des 100jährigen Jubiläums der Einführung des Frauenwahlrechts auf dem Thema Parité liegt, nutzen. Wir werden die neue Bundesregierung und die Oppositionsparteien außerdem daran messen, welche frauen- und gleichstellungspolitischen Inhalte sie sich auf die Fahnen schreiben. Die Wahlprüfsteine des djb zur Bundestagswahl 2017 sind insofern auch der Maßstab der zukünftigen Aktivitäten des Bundesvorstands.
Prof. Dr. Maria Wersig
Präsidentin des Deutschen Juristinnenbunds e.V. (djb)