djbZ


Editorial 2017/3

Empfehlungen des Zweiten Gleichstellungsberichts in der Analyse

 

In jeder Legislaturperiode soll ein Gleichstellungsbericht vorgelegt werden. Der Erste Gleichstellungsbericht in der vorangegangenen Legislaturperiode beruhte auf einem Gutachten, das viele Anregungen enthielt und in der Gleichstellungspolitik nicht nur intensiv diskutiert wurde, sondern hier einen ganz wesentlichen Aspekt verankert hat: die Lebensverlaufsperspektive.
Für den Zweiten Gleichstellungsbericht in der laufenden Legislaturperiode wurde ebenfalls eine Sachverständigenkommission mit einem Gutachten beauftragt. Sie bestand aus zwölf Personen unterschiedlicher Disziplinen unter dem Vorsitz von Professorin Dr. Eva Kocher, djb-Mitglied, und arbeitete ca. 18 Monate lang. Der Gleichstellungsbericht der Bundesregierung wurde am 21. Juni 2017 vom Kabinett verabschiedet. Das Gutachten war jedoch bereits im Januar an Ministerin Schwesig überreicht worden und ist seit dem 7. März 2017 öffentlich verfügbar und wird diskutiert.1
Der Berichtsauftrag der Sachverständigenkommission lautete: „Welche konkreten Schritte sind in Hinblick auf weichenstellende Übergänge im Lebensverlauf erforderlich, um – entsprechend den Ergebnissen des Ersten Gleichstellungsberichts – die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern durchzusetzen und bestehende Nachteile zu beseitigen?“ Es wird also am Ersten Gleichstellungsbericht und an der Lebensverlaufsperspektive angeknüpft. Es werden auch ähnliche Themenschwerpunkt gesetzt wie im Ersten Bericht – allerdings werden die dort formulierten Ziele in Handlungsempfehlungen umgesetzt, die zum Teil sehr konkret sind.
Wie auch schon für den Ersten Gleichstellungsbericht hat die Sachverständigenkommission Expertisen in Auftrag gegeben. So konnte sie sich die gleichstellungspolitischen Fragen von Flucht einerseits und Partnerschaftsgewalt andererseits erschließen, auch wenn diese Fragen keinen Schwerpunkt im Gutachten darstellen. Diese werden aber auf jeden Fall Gegenstand eines künftigen Gleichstellungsberichts sein müssen; der djb sollte sein Augenmerk darauf richten.
Das Gutachten ist bemerkenswert auch insofern, als es die Geschlechtergleichstellung intersektional betrachtet, was häufig vernachlässigt wird. So wird an vielen Stellen darauf hingewiesen, dass Regelungen auf das Geschlecht unterschiedlich wirken, je nach sozio-ökonomischer Stellung, Armut/Reichtum, Migrationshintergrund, Behinderung/Gesundheit, Gewalterfahrungen, sexueller Orientierung. Das Gutachten verwendet einen weiten Begriff der Familie, der auch nicht verheiratete Paare, Wahlfamilien, Regenbogen- und Patchworkfamilien erfasst. Ein wichtiger Punkt ist insofern, dass differenzierte Daten häufig nicht vorliegen; es ist eine wichtige Forderung des Gutachtens, künftig Daten entsprechend differenziert zu erheben und zu veröffentlichen – z.B. zum Gender Pay Gap oder zum Gender Care Gap.
Im folgenden Schwerpunkt erläutern und bewerten Mitglieder der Sachverständigenkommission (Jurist_innen und Sozialwissenschaftler_innen) sowie djb-Mitglieder einzelne Aspekte des Gutachtens zum Gleichstellungsbericht. Das Gutachten behandelt eine große Vielfalt an Themen – von Ganztagsschulen über digitale Arbeit und Cyber Harassment, Berufswahl, Wiedereinstieg, private Haushaltsführung bis hin zu Gewalt in Paarbeziehungen, Ehegüterrecht und Gender Mainstreaming. Die Beiträge im Folgenden behandeln nur einen Ausschnitt daraus; der Fokus liegt dabei auf gleichstellungspolitischen Fragen der Erwerbs- und Familienarbeit, die für den djb insbesondere im Rahmen der Arbeit der K1 aktuell relevant sind: abhängige und selbstständige Erwerbsarbeit, die Sorge für Kinder und pflegebedürftige Personen, Aufwertung von Sorgearbeitsberufen, Ehegattensplitting, Minijobs und Alterssicherung.


Prof. Dr. Heide Pfarr
Vorsitzende der djb-Kommission Arbeits-, Gleichstellungs- und Wirtschaftsrecht


Prof. Dr. Eva Kocher
Mitglied der djb-Kommission Arbeits-, Gleichstellungs- und Wirtschaftsrecht

 


1 Sachverständigenkommission zum Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung: Erwerbs- und Sorgearbeit gemeinsam neu gestalten. Gutachten für den Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, Berlin 2017, BT-Drs. 18/12840, S. 57 ff.
Siehe www.gleichstellungsbericht.de.