Stellungnahme: 16-20


zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Gleichstellungsrechts für Nordrhein-Westfalen, LTDrs. 16/12366

Stellungnahme vom

 

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) bleibt bei seiner schon im Rahmen der ministeriellen Verbandsanhörung geäußerten Meinung, dass es sich insgesamt um einen erfreulichen Entwurf handelt, wenn man die „Gesamt-Landschaft“ der Gleichstellungsgesetze in der Bundesrepublik Deutschland als Vergleichsmaßstab sieht. Dies auch deshalb, weil sein Anspruch keine bloße Fortschreibung des geltenden Gesetzes mit lediglich symbolischen Änderungen ist, sondern bei „problematischen Stellschrauben“ die Suche nach wirklichen Verbesserungen erkennbar wird. Höchst erfreulich ist, dass zu wichtigen Fragen im Vorfeld Gutachten­aufträge vergeben wurden. Die daraus resultierenden Gutachten haben inzwischen für die Gleichstellungspolitik einen über Nordrhein-Westfalen hinausgehenden Stellenwert erlangt.

Im Folgenden sollen einige wenige Regelungen herausgehoben werden, die dem djb wichtig erscheinen.

1. Gleichstellungsplan, Experimentierklausel:

Die neue Experimentierklausel des § 6a des Entwurfs sieht vor, dass der eigentlich gebotene Gleichstellungsplan ganz oder teilweise durch ein neues Instrument zur Erreichung der mit dem Gleichstellungsplan beabsichtigten Ziele ersetzt werden kann. Dies hat im Einvernehmen mit der Gleichstellungsbeauftragten, mit Zustimmung einer (typischerweise) hierarchisch höheren Behörde und unter Information des zuständigen Ressorts zu geschehen. Wie dieses „neue Instrument“ auszusehen hat, schreibt das Gesetz nicht vor. Die Begründung zu § 6a des Entwurfs nennt als Beispiel „Vereinbarungen zwischen der Dienststelle und den Dienstkräften mit Vorgesetzten- oder Leitungsaufgaben“.

Dies ist eine durchaus interessante Neuerung. Ob sie genutzt wird, oder die fehlende inhaltliche Vorgabe die in den Blick genommenen Behörden überfordert, bleibt abzuwarten. Höchst erfreulich ist jedenfalls, dass nach Ablauf der fünfjährigen Geltungsdauer der alternativen Instrumente deren Evaluation zwingend vorgeschrieben ist. Auf diese Weise können die gemachten Erfahrungen Bedeutung auch für andere Gleichstellungsgesetze im Bundesgebiet erlangen.

Nicht glücklich erscheint allerdings, dass nicht nur die Einzelmaßnahmen zur Erreichung der Ziele des Gleichstellungsgesetzes im Gleichstellungsplan durch alternative Instrumente ersetzt werden können, sondern nach dem bisherigen Wortlaut auch die Befundaufnahme und Analyse der Beschäftigtenstruktur. Dies erschwert nicht nur im Nachhinein eine aussagekräftige Evaluation der neuen Instrumente, sondern dürfte auch der Entwicklung neuer Instrumente insgesamt entgegenstehen. Diese können mit der gebotenen Überzeugungskraft nur aus der Analyse der bestehenden Situation gewonnen werden. Es würde sich deshalb eine Regelung empfehlen, wonach Befund und Analyse gemäß § 6 Abs. 2 des Entwurfs stets erstellt werden müssen, die Maßnahmen des § 6 Abs. 1 aber entsprechend der Experimentierklausel durch alternative Instrumente ersetzt werden dürfen.

2. Quotenregelung, Weiterentwicklung

Kernstück des Entwurfs ist die „Schärfung“ der Quotenregelung in § 7. Diese geschieht auf der Basis des Gutachtens von Papier/Heidebach (DVBl 2015, 125). Das Gutachten hatte unter Zugrundelegung eines konservativen Interpretationsansatzes nicht nur die derzeit herrschende Meinung zu Zielquoten auf der Basis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beispielhaft zusammengefasst. Es hatte auch vorgeschlagen, wie man sich gesetzlich des Problems gängiger Handhabung von Leistungskriterien annehmen könne, das bislang dazu geführt hat, dass Leistungsvergleiche im Konkurrenzfall zwischen Frau und Mann kaum je zu einem Leistungsgleichstand geführt haben. Grund ist ein ausgefeiltes System der Ausdifferenzierung von Leistungskriterien, das vor allem von der (höchstrichterlichen) Rechtsprechung propagiert wird. Leider hat sich diese niemals mit der Scheinrationalität der von ihr aufgestellten Anforderungen auseinandergesetzt.

Zur Lösung des Problems schlagen Papier/Heidebach vor, die derzeit praktizierte Ausdifferenzierung der Qualifikationskriterien des Art. 33 Abs. 2 GG gesetzlich zu begrenzen. Genau dies setzt Nordrhein-Westfalen nunmehr sinnvoll um. Für Beamtinnen und Beamte geschieht die im Beamtenrecht inzwischen in Kraft getretene Änderung des § 19 Absatz 6 BG-NRW und für Personen im Arbeitsverhältnis (Tarifbeschäftigte und außertariflich Beschäftigte) durch § 7 des vorliegenden Entwurfs, der insoweit weitgehend auf die für das Landesbeamtengesetz vorgesehene Regelung verweist. Die in Bezug genommene Vorschrift des § 19 Abs. 6 BG (GV. NRW. S. 310, ber. S. 642) lautet in ihren wesentlichen Teilen (Satz 2 und 3):

Frauen sind bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Von einer im Wesentlichen gleichen Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung im Sinne von Satz 2 ist in der Regel auszugehen, wenn die jeweils aktuelle dienstliche Beurteilung der Bewerberin und des Mitbewerbers ein gleichwertiges Gesamturteil aufweist.

Die Begründung des Entwurfs legt im Einzelnen dar, in welchen Konstellationen auf den § 19 LBG-E zurückzugreifen ist und wann § 7 Abs. 3 (… gilt, soweit eine Auswahlentscheidung zu treffen ist, dass Frauen bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu bevorzugen sind, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen) heranzuziehen ist.

Gegen § 19 Absatz 6 BG wird derzeit der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit erhoben. Die Kritik geht dahin, dass nunmehr Frauen auch mit schlechteren Leistungen bei Beförderungen männlichen Kollegen vorgezogen würden. Mit dieser Begründung wird ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG behauptet.

Die Kritik ist zurückzuweisen. Die Neuformulierung der Frauenquote ist verfassungsgemäß. Denn: Wie schon bisher haben Frauen im Wesentlichen die gleiche Leistung zu erbringen wie ihr konkurrierender männlicher Kollege.

Mehr als eine im Wesentlichen gleiche Leistung ließ sich schon bisher nie feststellen. Denn jede Beurteilung von Leistung und Eignung beruht notwendig auf Wertungen, sofern es nicht allein um die Beurteilung von quantifizierbaren Mengen, also beispielsweise die Zahl der erledigten Vorgänge geht. Um die Zahl der Erledigungen allein geht es im öffentlichen Dienst aber nie. Ihre Qualität ist stets mit zu berücksichtigen.

Die von der Rechtsprechung in Nordrhein-Westfalen verlangte Herunterbrechung der Gesamtnote durch „inhaltliche Ausschöpfung bzw. Ausschärfung“ der Beurteilung oder „Einzelexegese“ hat stets verschleiert, dass eine Art „Mathematisierung“ von Beurteilungen nicht möglich ist, und es stets und notwendig vor allem um Wertungen geht. Die Rechtsprechung hat mit ihrer rechtlichen Konstruktion aber erreicht, dass so gut wie nie in einer Konkurrenzsituation eine gleichwertige Eignung und Befähigung rechtlich bestätigt werden konnte – selbst wenn im Ergebnis nennenswerte Unterschiede nicht vorlagen.

Die Gutachter Prof. Dr. H.J. Papier; Präsident des Bundesverfassungsgerichts a.D., und Dr. M. Heidebach haben in einem für die nordrhein-westfälische Landesregierung erstellten Gutachten diese bisherige Praxis als nicht mehr verfassungskonform bezeichnet. Denn sie hat verhindert, dass der öffentliche Arbeitgeber das verfassungsrechtlich durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG vorgegebene Ziel der Frauenförderung hinreichend effektiv durchsetzen konnte. Der Entwurf versucht nunmehr, eine verfassungskonforme Praxis herzustellen. Dies geschieht gegen die bisherige Rechtsprechung in Nordrhein-Westfalen. Dies ist rechtsstaatlich legitim. Die bisherige Rechtsprechungslinie ist nicht durch Art. 33 Abs. 2 GG zwingend vorgegeben. Sie hatte immer schon das verfassungsrechtliche und demokratische Defizit, dass sie keinen schonenden Ausgleich mit der durch den demokratisch legitimierten Landesgesetzgeber, Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG zu verwirklichenden gesetzlichen Frauenförderung anstrebte.

Angesichts der derzeitigen Diskussion in Nordrhein-Westfalen ist zu erwarten, dass die Frage irgendwann vom Bundesverfassungsgericht entschieden werden wird – nachdem sie europarechtlich bereits vor langer Zeit jetzt im Sinne des Gesetzentwurfs entschieden wurde. Dies wäre zu begrüßen. Die Gutachter Papier/Heidebach sagen zu Recht, es müsse ein schonender Ausgleich zwischen dem verfassungsrechtlichen Gebot der Frauenförderung und dem Leistungsgrundsatz gefunden werden. Die neu formulierte Frauenquote kann der Entscheidung des BVerfG deshalb mit großer Gelassenheit entgegen sehen.

Die künftige Praxis wird ohne weiteres belegen können, dass leistungsstarke Männer weiterhin befördert werden. Der einzige Unterschied zu früher wird sein, dass es nicht mehr ganz so leicht wie früher sein sollte, genauso leistungsstarke Frauen nicht zu befördern.

3. Stärkung der Position der Gleichstellungsbeauftragten

Die Position der Gleichstellungsbeauftragten wurde insgesamt sinnvoll gestärkt.

Die Anordnung der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme bei nicht ordnungsgemäßer Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten (§ 18 Abs. 3 Satz 1) ist lediglich eine Klarstellung, da dies von der Rechtsprechung längst so gesehen wird.

Keine Neuerung, aber weiterhin gut gelöst ist die Verzahnung mit dem allgemeinen Beamtenrecht. Diese zeigt sich besonders gut an der Regelung des Rechts auf Einsichtnahme in die Personalakten (§ 18 Abs. 1 Satz 4), für die völlig sachgerecht auf die Vorschrift des Landesbeamtengesetzes verwiesen wird, in der der Zugang zur Personalakte durch Beschäftigte der Personalverwaltung geregelt ist (§ 83 Absatz 2 LBG). Diese (die Rechtsprechung zu Gleichstellungsbeauftragten als Teil der Personalverwaltung aufnehmende) Regelung sollten sich die Gleichstellungsgesetze anderer Länder, die insoweit ohne nachvollziehbaren Grund ein einengendes Sonderrecht für Gleichstellungsbeauftragte propagieren, zum Vorbild nehmen.

Das Recht auf Hinzuziehung externen Sachverstands (§ 18 Abs. 7) kann mit Blick auf die höchst unterschiedliche Vorbildung der Gleichstellungsbeauftragten im Einzelfall eine wertvolle Hilfe darstellen. Sie kann dazu beitragen, einen etwaigen Konflikt zwischen Behördenleitung und Gleichstellungsbeauftragter zu entschärfen.

Die Kodifizierung des Klagerechts (§ 19a) entspricht dem, was schon seit langem in der Rechtsprechung anerkannt ist. Etwas unklar bleibt dabei, wann der Einsatz eines unzureichenden alternativen Instruments nach § 6a klageweise geltend gemacht werden kann. Da die Zustimmung der Gleichstellungsbeauftragten für den Einsatz solcher Instrumente von vornherein notwendig ist („im Einvernehmen mit der Gleichstellungsbeauftragten“), hat sie ja von Anfang an die Möglichkeit, unzureichende alternative Instrumente zu verhindern. Aber möglicherweise sind Fälle denkbar, in denen ein (prognostisch) zureichendes alternatives Instrument geplant, dieses dann aber planwidrig ins Werk gesetzt wurde. Grundsätzlich ist es nachvollziehbar, wenn korrespondierend zum Klagerecht im Falle eines nicht gesetzeskonformen Gleichstellungsplanes die Gleichstellungsbeauftragte im Fall eines gesetzeswidrig werdenden Alternativ-Instruments ein Klagerecht erhält.

4. Geschlechtergerechte Gremienbesetzung

Die Regelungen für eine möglichst umfassende Geschlechtergerechtigkeit bei der Besetzung von Gremien in dem neu gefassten § 12 versprechen für die Zukunft Einiges. Anders als beim neuen Bundesgremienbesetzungsgesetz ist hier das ernsthafte Bemühen zu erkennen, gerade in wichtigen Gremien die Teilhabe von Frauen deutlich zu verstärken. Es ist sehr zu hoffen, dass der Landesgesetzgeber diese Regelungen wie vorgeschlagen auch verabschieden wird.

5. Fazit

Insgesamt handelt es sich um einen gut durchdachten Gesetzentwurf. Ob und wie die neuen und alten Instrumente wirken werden, wird natürlich erst die Zukunft erweisen. Leider sieht das Gesetz keine begleitende sozialwissenschaftliche Evaluation vor, sondern nur eine Berichtspflicht der Landesregierung einmal pro Legislaturperiode. Das ist schade, da man sich gerade bei diesem ambitionierten Entwurf irgendwann nicht nur eine Ergebniskontrolle, sondern auch eine methodenkritische Effizienzkontrolle wünschen würde.

 

Henriette Lyndian                                       
Vorsitzende Landesverband                                            
Nordrhein-Westfalen                                                   

Regine Striepen
Landesverband Nordrhein-Westfalen       

Marion Eckertz-Höfer
Vorsitzende der Kommission Verfassungsrecht,
Öffentliches Recht, Gleichstellung