Stellungnahme: 11-09


zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz – BKiSchG) – BT-Drs. 17/6256 anlässlich der Öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deut

Stellungnahme vom

Der nun vorliegende Entwurf für ein Bundeskinderschutzgesetz hat gegenüber seinem Vorgänger aus dem Jahr 2009 und auch gegenüber dem Referentenentwurf vom 22. Dezember 2010 erhebliche Veränderungen erfahren. Der vielfältigen Kritik an den vorangegangenen Gesetzesinitiativen wurde in vieler Hinsicht Rechnung getragen. Der djb begrüßt diese Bereitschaft der Bundesregierung, in einen Dialog mit den Fachverbänden zu treten und Verbesserungsvorschläge aufzugreifen, und nimmt in diesem Zusammenhang selbst erneut Stellung zu dem neuen Entwurf.

Der djb bedauert in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass es offenbar nicht gelungen ist, das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) in den Gesetzgebungsprozess einzubeziehen. Eines der zentralen Ziele des Gesetzentwurfs, gerade die Gesundheitsdienste in ein Netzwerk zum Kinderschutz stärker als bisher einzubinden, droht dadurch zu scheitern.

Die Ziele des Gesetzentwurfs, die Zusammenarbeit im Kinderschutz zu verbessern, Frühe Hilfen zu stärken, Beratungsansprüche auszuweiten und den Informationsaustausch zwischen unterschiedlichen Institutionen auf eine klare rechtliche Grundlage zu stellen, werden vollumfänglich begrüßt. Problematisch erscheint jedoch, dass dem Gesetzentwurf die klare Umsetzung dieses Ziels nicht immer konsequent gelingt. Denn hierfür wären klare Zuständigkeitsregelungen, eindeutige subjektive Rechtsansprüche und verbindliche Finanzierungsregelungen erforderlich, die an einigen Stellen fehlen. So weitet etwa § 1 KGG-E die Verantwortung für das Kindeswohl eher symbolisch auf die gesamte staatliche Gemeinschaft aus, ohne aber konkrete Zuständigkeiten zu schaffen. In § 2 KKG-E bzw. § 16 Absatz 3 SGB VIII-E werden Beratungsangebote für (werdende) Eltern teilweise nur objektiv-rechtlich und nicht als subjektive Ansprüche ausgestaltet. Die Verpflichtungen der Jugendämter zur Netzwerkpflege (§ 3 KKG-E) und zur Unterstützung der Träger bei der Entwicklung von Leitlinien (§ 8 b SGB VIII-E) sind sehr allgemein gehalten, ohne eine Antwort auf die bereits aktuell bestehende Ressourcenknappheit und Finanzierungsnot der Jugendhilfeträger zu geben.

Die folgende Stellungnahme beschränkt sich auf einige wenige Punkte, bei denen der djb dringenden Änderungsbedarf sieht.

Zu Artikel 1 – Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG)

Unklarer Regelungsgegenstand (§ 1 KKG-E)

Mit der Schaffung eines eigenen Gesetzes, in dem die Kooperation und die Informationsweitergabe im Kinderschutz außerhalb des SGB VIII geregelt werden, macht die Bundesregierung deutlich, dass der Kinderschutz künftig stärker als Querschnittsaufgabe wahrgenommen werden soll, die nicht allein die Träger der Jugendhilfe betrifft. An dieser Intention ist nichts auszusetzen, allerdings leidet § 1 KKG-E daran, dass der Gegenstand des neuen Gesetzes nicht klar formuliert wird. Wenn es das Ziel des Gesetzes sein soll, allgemein das Wohl von Kindern und Jugendlichen zu fördern, so leuchtet nicht ein, warum der inhaltliche Schwerpunkt so deutlich auf die Frühen Hilfen gelegt wird. Hier sollte klargestellt werden, ob das KKG ein Gesetz zur Umsetzung Früher Hilfen ist oder ob es allgemein die Reaktion auf Kindeswohlgefährdungen bezweckt, wie die Regelungen in § 4 nahelegen. In seiner Fokussierung auf Frühe Hilfen birgt der Gesetzentwurf zudem eine weitere Gefahr: Frühe Hilfen dienen nach ihrer Konzeption dazu, erkannten Gefährdungen frühzeitig und präventiv mit Hilfsangeboten zu begegnen. Sie sollten nicht zu einem primären Kontrollsystem degradiert werden, wie der Entwurf teilweise vermuten lässt.

Netzwerkbildung und Kooperation als Selbstzweck? (§ 3 KKG-E, § 81 SGB VIII-E)

Kooperation ist eine wichtige Voraussetzung für eine wirksame Arbeit zugunsten von Kindern und Jugendlichen. Insofern ist zu begrüßen, dass die Bundesregierung den Aufbau lokaler Netzwerke unterstützt. Bedauerlich ist allerdings wiederum die Fokussierung auf den Bereich der Frühen Hilfen, der ältere Kinder und Jugendliche zu vernachlässigen droht. Nicht minder wichtig ist die Kooperation der jeweils Beteiligten beispielsweise bei der Mitwirkung in gerichtlichen Verfahren (§§ 50, 52 SGB VIII).

Zu bedenken ist auch, dass Kooperation kein Selbstzweck ist, sondern im jeweils lokalen Kontext auf die dort tatsächlich bestehenden Probleme reagieren soll. Ohne diese aufgabenspezifische Ausrichtung drohen Netzwerkstrukturen zu reinen Formalismen zu werden. Insofern ist es wenig hilfreich, wenn der Gesetzestext undifferenziert „alle möglichen“ Beteiligten solcher Netzwerke nennt und allgemein von einem Austausch über „Aufgaben“ und „Angebote“ spricht. Wie sinnvoll ist es beispielsweise, wenn die Beraterin einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle regelmäßige Gespräche über ihre „Aufgaben“ und „Angebote“ mit der Polizei führt oder die Agenturen für Arbeit ein Netzwerk mit interdisziplinären Frühförderstellen unterhalten? Auch Schulen erscheinen in Netzwerken zu Frühen Hilfen zunächst deplatziert, ihnen käme eher eine bedeutsame Rolle im Kontext von Jugendwohlgefährdungen bzw. bei älteren Kindern zu.

Netzwerkstrukturen verbindlich vorzuschreiben, scheint nur dann angebracht, wenn deutlich wird, dass Kooperation jeweils aufgabenbezogen stattfinden muss, um etwas zu bewirken. Regelungstechnisch gibt es dann zwei Möglichkeiten: Der Gesetzestext kann auf bestimmte Aufgaben, etwa auf die Frühen Hilfen, beschränkt werden und dann konkrete Vorgaben hinsichtlich der Beteiligten des Netzwerkes machen. In diese Richtung deuten der Hinweis auf die Frühen Hilfen in § 3 Absatz 1 und der ausdrückliche Bezug auf Familienhebammen in § 3 Absatz 4 KKG-E. Oder er kann, allgemein formuliert, die Einrichtung lokaler und aufgabenbezogener Kooperationsstrukturen fordern; die in § 3 Absatz 2 KKG-E genannten Institutionen wären dann lediglich als Beispiele für (regionale) Akteure zu verstehen, die in solche Strukturen einbezogen werden können. In jedem Fall sollte die Qualität eines lokalen Netzwerks nicht an der Menge der beteiligten Akteurinnen und Akteure festgemacht werden.

Kooperation ist darüber hinaus nur dann sinnvoll, wenn sie verbindlich gestaltet ist und koordiniert stattfindet. Insofern wäre es zu begrüßen, wenn der Gesetzestext in Ergänzung zu § 81 SGB VIII-E deutlicher machen würde, welche Institution dafür zuständig ist, einen Kooperationsprozess anzustoßen und ein Netzwerk aufzubauen. Schließlich sollte nicht vergessen werden, dass jede Form der Zusammenarbeit in Netzwerken personelle und finanzielle Ressourcen erfordert, die, wenn sie nicht speziell für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt werden, an anderer Stelle fehlen. Auch aus diesem Grund sollte die Vorschrift so gestaltet werden, dass sie sinnvolle Kooperation fördert, ohne dass an anderer Stelle überflüssige Gremien und bürokratische Parallelstrukturen geschaffen werden, nur um der gesetzlichen Vorgabe zu genügen. Infolge der geltenden Kinderschutzgesetze der Länder bestehen in vielen Regionen bereits funktionierende und auf regionale Bedarfe abgestimmte Netzwerke, die nicht durch eine Bundesregelung überreglementiert oder gar in Frage gestellt werden sollten. Ein Bedürfnis für eine bundeseinheitliche Regelung lässt sich hier bezweifeln.

Gleiche Skepsis ist auch hinsichtlich der Novellierung des § 81 SGB VIII angebracht: Grundsätzlich ist der ergänzende Einbezug der diversen Sozialleistungsträger, von Familien- und Jugendgerichten, Polizei und Staatsanwaltschaft sowie der Schwangerschaftsberatungsstellen oder auch Frauenhäuser in die strukturelle Zusammenarbeit nach § 81 SGB VIII-E durchaus positiv zu bewerten, da jede dieser Institutionen für eine qualitativ hochwertige Arbeit auch die Angebote und Arbeitsweisen der anderen Institutionen kennen sollte. Auch können auf diesem Weg Verfahrensabläufe abgestimmt und Parallelstrukturen vermieden werden. Gleichwohl stellt sich auch hier die Frage, in welchem Umfang punktuell sicherlich notwendige und sinnvolle Absprachen einzelner Akteurinnen und Akteure wirklich durch eine kontinuierliche, bürokratisierte und ressourcenbindende Struktur ersetzt werden müssen.

Will man derartige verbindliche Kooperationsstrukturen einführen, wäre hier zudem konsequenterweise der gleiche Grad an Verbindlichkeit für alle beteiligten Akteurinnen und Akteure zu erwarten. Für die meisten Stellen fehlt es aber an einer zu § 81 SGB VIII korrelierenden Verpflichtung zur Zusammenarbeit. Lediglich § 4 Absatz 2 SchKG-E nimmt sich dieser Problematik an und verpflichtet die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen im zugehörigen Gesetz ebenfalls zu einer Zusammenarbeit. Im Übrigen bleibt das Jugendamt einseitig verpflichtet, Gerichte, medizinische Dienste etc. zu einer Zusammenarbeit zu ermuntern; Änderungen in SGB V etc. sind demgegenüber aber nicht vorgesehen. Auch hier zeigt sich wiederum der Missstand einer fehlenden Einbindung des BMG oder auch anderer Ministerien.

Unklare Zuordnung der Familienhebammen (§ 3 Absatz 4 KKG-E)

Die Mitwirkung von Hebammen ist zweifellos ein sinnvoller Baustein in einem Netzwerk Früher Hilfen, weil sie in ihrem Berufsbild medizinische und psychosoziale Kompetenzen vereinen und mit den spezifischen Problemen junger Eltern und ihrer Kinder unmittelbar nach der Geburt vertraut sind. Nicht nur für bereits belastete werdende und junge Eltern ist Hebammenhilfe daher eine wertvolle Leistung, die flächendeckend gefördert werden sollte. Insofern ist es lobenswert, wenn sogenannte „Familienhebammen“ verstärkt gefördert und in das System der Frühen Hilfen einbezogen werden sollen (§ 3 Absatz 4 KKG-E). Regelungstechnisch ist die Vorschrift allerdings missglückt. Zum einen ist das Berufsbild der „Familienhebamme“ keineswegs so klar, dass der Begriff in einem Gesetzestext ohne nähere Definition Verwendung finden kann. Die vage Begriffsbestimmung in der Gesetzesbegründung („staatlich examinierte Hebammen mit einer landesrechtlich geregelten Zusatzqualifikation (Fortbildung)“) ist nicht geeignet, die erforderlichen Qualitätsstandards zu präzisieren. Der djb sieht die Gefahr, dass sich ähnlich wie bei der „insoweit erfahrenen Fachkraft“ ein unübersichtlicher Markt an Zusatzqualifikationen unterschiedlichster Qualität entwickelt, der die Entwicklung einheitlicher fachlicher Standards erschwert. Des Weiteren wird der Einsatz von Familienhebammen erst seit wenigen Jahren in Modellprojekten erprobt. Ihnen schon jetzt flächendeckend eine „Schlüsselrolle“ und eine „wichtige Lotsenfunktion“ im Bereich Früher Hilfen zuzuschreiben, erscheint vor diesem Hintergrund verfrüht. Auch sollte gerade im Bereich der Hebammenhilfe nicht künstlich zwischen „medizinischen Leistungsanteilen“ und „psychosozialer Begleitung“ unterschieden werden. In den ersten Lebensmonaten eines Säuglings lassen sich „rein medizinische“ und „rein psychosoziale“ Aspekte oft gar nicht trennen, etwa wenn es um Fragen des Stillens, des Schlafrhythmus oder der Körperhygiene geht. Hebammenhilfe ist eine Leistung der Gesundheitsdienste und sollte deswegen nicht von der Jugendhilfe, sondern von den Krankenkassen finanziert werden. Ohne eine Verankerung der Leistungen von Familienhebammen im SGB V bleibt die Regelung des § 3 Absatz 4 KKG-E daher ein Torso. Hier wäre eine Abstimmung mit dem BMG dringend erforderlich. Auch die in § 3 Absatz 4 Satz 2 KKG-E angekündigte „zeitlich befristete Bundesinitiative“ zugunsten von Familienhebammen kann diesen Mangel nicht beheben, weil sie eine langfristige Gewährleistung der Hebammenleistungen nicht absichern kann. Eine derartige politische Absichtserklärung ist im Übrigen in einem Gesetzestext fehl am Platz. Es wird empfohlen, § 3 Absatz 4 KKG-E zu streichen.

Informationsweitergabe (§ 4 KGG-E)

Ausdrücklich begrüßt werden die Regelungen in § 4 KKG, mit denen die Informationsweitergabe von Berufsgeheimnisträgerinnen und -trägern auf eine klare gesetzliche Grundlage gestellt wird. Auch das mehrstufige Verfahren erscheint grundsätzlich sachgerecht. Allerdings sollten die vielfältigen Anregungen, den Adressatenkatalog zu vervollständigen (etwa hinsichtlich der niedergelassenen Kinderärztinnen und -ärzte), im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch aufgegriffen werden.

Zu Artikel 2 – Änderungen im SGB VIII

Gesetzliche Regelung fachlicher Standards (§ 8a)

Anders als in früheren Entwürfen verzichtet § 8a Absatz 1 Satz 2 SGB VIII-E nunmehr auf eine gesetzliche Regelpflicht zum Hausbesuch, sondern schreibt diesen nur vor, wenn es nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist. Damit wird lediglich ins Gesetz aufgenommen, was seit Langem fachlicher Standard in der Jugendhilfe ist. Die Tendenz, fachliche Standards gesetzlich zu normieren, ist gerade im Zusammenhang mit Hausbesuchen bereits häufig und zu Recht kritisiert worden, weil sie die konkrete fachliche Arbeit, die immer mit einer Vielfalt ganz unterschiedlicher Fallgestaltungen zu tun hat, unnötig verengt. Gerade in Fällen häuslicher Gewalt und sexuellen Missbrauchs kann ein Hausbesuch negative Wirkungen auf laufende Hilfeprozesse haben und sollte dann unterbleiben. Auch mit der abgeschwächten Formulierung des § 8a Absatz 1 Satz 2 SGB VIII-E bleibt die Gefahr bestehen, dass Fachkräfte, die nach sorgfältiger fachlicher Einschätzung auf einen Hausbesuch verzichten, in Rechtfertigungszwänge geraten. Die Regelung ist daher nach wie vor als problematisch einzuschätzen, auch wenn sie vordergründig jedenfalls „nicht schadet“.

Die gleichen Bedenken treffen die geplante Regelung in § 8a Absatz 5 SGB VIII-E. So wichtig es ist, dass zwischen örtlichen Trägern der Jugendhilfe Informationen weitergegeben werden, so unnötig erscheint es, ihnen dafür eine konkrete Form (hier: das persönliche Gespräch) vorzuschreiben. Im Übrigen kann der Gesetzeswortlaut so verstanden werden, als sei eine schriftliche Übergabe nicht vonnöten. Die Gesetzesbegründung scheint eine schriftliche Fallübergabe hingegen vorauszusetzen (vgl. BT-Drs. 17/6256, S. 38). In der Tat ist eine schriftliche Dokumentation der relevanten Informationen und Daten für den weiteren Verlauf des Hilfeprozesses weiterhin von zentraler Bedeutung, nicht nur zu Dokumentationszwecken, sondern auch für den Fall, dass die Fallzuständigkeit innerhalb des zuständigen Jugendamts wechselt. Auch wenn der djb nicht verkennt, dass ein zusätzliches Übergabegespräch fachlich sicherlich geeignet ist, um die Transparenz gegenüber der betroffenen Familie zu erhöhen, das Verfahren zu beschleunigen und den Gefahren von Missinterpretationen einer nur schriftlichen Darstellung zu begegnen.

Entsprechende Kritik trifft auch die geplante Regelung in § 86c SGB VIII-E.

Anspruch auf Fachberatung seitens Minderjähriger (§ 8 Absatz 3 SGB VIII-E)

Die (rechtliche) Aufwertung der Beratung ohne Kenntnis der Eltern zu einem eigenständigen Anspruch von Kindern und Jugendlichen in Not- oder Konfliktfällen wird explizit begrüßt. Sie sollte aber bei der Implementierung durch entsprechende Informationsangebote für diese Zielgruppen – etwa an Schulen oder in Angeboten der Jugendarbeit – flankiert werden, damit sie nicht ins Leere läuft.

Anspruch auf Fachberatung seitens (werdender) Eltern (§ 16 SGB VIII-E, § 2 KKG-E)

Der Einbezug werdender Eltern als Beratungsadressatinnen und -adressaten in § 16 Absatz 3 SGB VIII stellt einen echten Fortschritt im Interesse des präventiven Kinderschutzes dar, der den Zugang zu früh(zeitig)en Hilfen erleichtern kann. Allerdings sollte sie zu einem subjektiven Rechtsanspruch aufgewertet werden, um eine bedarfsgerechte Sicherstellung seitens der Leistungsträgerinnen und -träger auch kontinuierlich zu gewährleisten.

Um Doppelungen mit den bereits nach § 17 und § 16 Absatz 1 und 2 SGB VIII bestehenden Beratungsansprüchen für Eltern nach der Geburt zu vermeiden, sollte sich die Vorschrift jedoch auf werdende Eltern beschränken.

Auch nach § 2 Absatz 1 KKG-E sollen Eltern sowie werdenden Müttern und Vätern Information und Beratung in Fragen der Schwangerschaft, Geburt und der Entwicklung des Kindes in den ersten Lebensjahren zur Verfügung stehen. Da laut Gesetzesbegründung hiermit allerdings keine neue Anspruchsgrundlage geschaffen werden, sondern nur auf bereits in anderen Gesetzen bestehenden Ansprüche (wie etwa § 16 SGB VIII oder Ansprüche nach Landesrecht) hingewiesen werden soll, dürfte dieses Nebeneinander der Vorschriften für Verwirrung sorgen. Diese könnte durch die Ausgestaltung des § 2 Absatz 1 als pure Verweisungsnorm ausgeräumt werden.

Ob § 2 Absatz 2 die ihm nach der Begründung zugewiesene Funktion als Rahmenregelung erfüllen kann, erscheint fraglich. Zwar erscheint es zunächst legitim und sinnvoll, an die lokal bereits erprobten Modelle und landesrechtlichen Regelungen der jeweiligen Kinderschutzgesetze zur Information (werdender) Eltern und an die bereits erprobten Modelle der „Willkommensbesuche“ anzuknüpfen, denn eine Ersetzung durch eine Bundesvorschrift könnte funktionierende Strukturen unnötig zerstören. Mit dem Verweis auf das jeweilige Landesrecht entscheidet sich der Gesetzentwurf jedoch gleichzeitig für ein Nebeneinander verschiedenster Modelle mit unterschiedlichen Zuständigkeiten und Reichweiten. Ob die subsidiäre Zuständigkeit der örtlichen Jugendhilfe nach § 2 Absatz 2 hier die Lücke nicht existierenden Landesrechts füllen kann, bleibt jedoch fraglich, denn der Vorschrift fehlt es an der nötigen Konkretisierung. Es bleibt schon unklar, ob sich das Angebot eines persönlichen Gesprächs nur an Eltern (so der Wortlaut) oder auch an werdende Eltern richtet, wie der Verweis auf Satz 1 vermuten lässt. Hier wäre eine Klarstellung im Sinne einer Begrenzung des Angebots auf Eltern erforderlich; ein „Willkommensbesuch“ bei werdenden Eltern scheint weder sinnvoll noch verhältnismäßig. Des Weiteren ist nicht geregelt, auf welcher rechtlichen Grundlage der Jugendhilfeträger die Daten der zu kontaktierenden Eltern erhält, wenn das Landesrecht keine entsprechenden Regelungen vorsieht. Denn eine Kontaktaufnahme und das Angebot eines persönlichen Gesprächs setzen sachlogisch voraus, dass man die Daten und Adressen der Einzuladenden kennt. Erforderlich wären dazu klar umgrenzte Übermittlungsbefugnisse etwa der medizinischen Einrichtungen oder der Meldebehörden, die wohl nicht in die Vorschrift hineingelesen werden können.

Persönliche Eignung (§ 72a SGB VIII-E)

Die Pflicht zur Einholung von erweiterten Führungszeugnissen auch in praktikablem Umfang auf ehrenamtlich Tätige zu erstrecken, wird gerade vor dem Hintergrund der Empfehlungen des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“ begrüßt. Zugestimmt wird auch der Entscheidung, die konkrete Ausgestaltung dieser Pflicht in die Hände der öffentlichen Trägerinnen und Träger der Jugendhilfe zu geben. Es ist damit zu rechnen, dass diese Vorgabe eine breite fachliche Diskussion über Standards in diesem Bereich auslösen wird. Es sollte darauf hingewirkt werden, dass dabei der Vielfalt der Angebote in der Kinder- und Jugendarbeit Rechnung getragen wird. Jugendhilfe hat in diesem Bereich auch die Aufgabe, Eigeninitiative von Kindern und Jugendlichen zu fördern. Die Notwendigkeit der Vorlage eines Führungszeugnisses ist daher insbesondere gegenüber minderjährigen Ehrenamtlichen und gegenüber Aktivitäten, die von Kindern und Jugendlichen selbst organisiert werden, besonders sorgfältig zu prüfen. Der djb regt an, die Umsetzung der Regelung in der Praxis zu evaluieren, um sicherzustellen, dass der Schutzweck der Norm bei gleichzeitiger Praktikabilität für die Trägerinnen und Träger auch in der Alltagspraxis gewahrt werden kann.

Verbesserte Kinderschutzstatistik (§§ 98, 99, 103 SGB VIII-E)

Die Anstrengungen, die Kinderschutzstatistik durch die Aufnahme weiterer Merkmale und begriffliche Schärfungen zu verbessern, wird seitens des djb ausdrücklich begrüßt. Mit ihr wird sich die Datenlage deutlich erweitern und Zugänge zu empirischer Forschung schaffen. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber sich auch zukünftig um eine konsistente Datenerfassung mittels entsprechender Merkmalskataloge und auch um eine Angleichung der verschiedenen Statistiken zu den Sozialsystemen bemühen wird, die auch Bezugnahmen zu anderen Statistiken wie etwa des SGB V, II, III, XII ermöglicht. Mit ihnen könnten wissenschaftliche Forschungen befördert werden, die Gefährdungslagen für Kinder und Jugendliche sowie Hilfsangebote systemübergreifend in den Blick nehmen.

Zu Artikel 3 – Änderungen anderer Gesetze

Anonyme Beratung nach 2 SchwKG-E

Ausdrücklich begrüßt wird schließlich die Klarstellung in § 2 SchwKG, nach der die Beratung Schwangerer auf Wunsch auch anonym erfolgen kann, um Zugangsbarrieren abzubauen.

Jutta Wagner
Präsidentin

Prof. Dr. Margarete Schuler-Harms
Vorsitzende der Kommission Recht der sozialen Sicherung, Familienlastenausgleich

 

Ansprechpartnerin:
Prof. Dr. Susanne Dern, Esslingen
Fon: 0711 3974570
E-Mail: Susanne.dern@hs-esslingen.de