Pressemitteilung: 19-24


DIE Steuerklärung und DER Steuerpflichtige: djb kritisiert veraltete Leitbilder und fehlende Vollmacht

Pressemitteilung vom

Wer die Steuererklärung selbst einreicht, muss sich sputen. Die gute Nachricht: Die Frist endet in diesem Jahr erstmals erst am 31. Juli. Die schlechte Nachricht: Für Verheiratete versprühen die Steuerformulare immer noch den Geist der 1950er Jahre. Denn sie halten nach wie vor am Bild des männlichen „Ernährers“ und der weiblichen „Zuverdienenden“ fest. Selbst wenn die Frau mehr verdient, ist eine Abgabe ohne den Ehemann an erster Stelle unzulässig. Zudem birgt die elektronische Abgabe der Steuererklärung erhebliche Risiken, denn auf das Einverständnis des Ehepartners oder der Ehepartnerin kommt es faktisch nicht an. Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) fordert die Einführung geschlechtsneutraler Steuerformulare nicht nur für gleichgeschlechtliche Ehen und für gemeinsame Steuererklärungen die Pflicht zur Abgabe einer ausdrücklichen Vollmacht.

Geschlechtsneutrale Steuerformulare – ein Ding der Unmöglichkeit?

„Dass es im Bundesfinanzministerium in vier Jahren nicht geschafft wurde, die Steuerformulare gleichstellungsgerecht zu gestalten, zeigt, wie wenig Beachtung diesem Thema geschenkt wird.“, kritisiert die Präsidentin des djb Prof. Dr. Maria Wersig. „Wir brauchen endlich diskriminierungsfreie Steuerformulare bzw. Erläuterungen und Beispiele, die frei sind von Stereotypen. Warum kann nicht Frau Mustermann mal die gemeinsame Steuererklärung übernehmen? Zudem sind auch im Onlineverfahren rechtlich wirksame Vollmachten notwendig und Eheleute sollten auf Haftungsrisiken hingewiesen werden.“

Die Gleichstellungs- und Frauenminister*innen und -senator*innen der Länder (GFMK) haben mehrfach eine diskriminierungsfreie Ausgestaltung von Steuervordrucken eingefordert. Der djb hat zuletzt im Mai 2018 auf die Probleme hingewiesen. Im Bundesfinanzministerium wird – so die Antwort auf eine kleine Anfrage –­ bereits seit 2015 „nach Lösungsmöglichkeiten gesucht, wie die vielschichtigen automationstechnischen Belange mit unter Gendergesichtspunkten wünschenswerten Eintragungsoptionen in Einklang gebracht werden können“ (BT-Drs. 18/7170). Vier Jahre später hat sich kaum etwas geändert.

Auf den ersten Blick räumen die Formulare der Einkommensteuererklärung seit letztem Jahr die Möglichkeit ein, sich als „Person A“/„Person B“ bzw. „Ehegatte A“/“Ehegatte B“ einzutragen. Auch in den folgenden Zeilen und in den Erklärungen sind Ansätze für geschlechtsneutrale Formulierungen und stereotypenfreie Beispiele erkennbar. Doch der erste Eindruck täuscht. Die Option Ehegatte A/Ehegatte B ist auf gleichgeschlechtliche Ehen, die Option Person A/Person B auf eingetragene Lebenspartnerschaften beschränkt. An der Zuordnung von „Ehemann“ und „Ehefrau“ für verschiedengeschlechtliche Ehen hat sich nichts geändert. In den Formularen ist ausdrücklich der „Ehemann“ als steuerpflichtige Person einzutragen. Die nachrangige zweite Rubrik ist ausdrücklich für die „Ehefrau“ vorgesehen. Diese Reihung ist selbst dann einzuhalten, wenn sie mehr verdient als er oder wenn Frauen das Familieneinkommen allein erwirtschaften.

Risiken der Online-Steuererklärung: Ohne Vollmacht in die Haftung?

Dazu kommen die Risiken der Online-Steuererklärung. Während die Steuererklärung auf Papier von beiden Eheleuten unterzeichnet werden muss(te), wird die elektronische Steuererklärung mit einem Mausklick auf den Weg gebracht, ohne dass es auf das Einverständnis der anderen Person ankommt. Selbst der bei Elster notwendige Antrag auf die Zertifikatsdatei, praktisch eine elektronische Unterschrift, setzt keine Vollmacht der anderen Person voraus. Für die Steuerschuld haften dennoch beide. Die Möglichkeit des vollmachtlosen Handelns ist zum einen vertretungsrechtlich bedenklich. Eheleute können nicht alleine deshalb, weil sie verheiratet sind, ohne weiteres füreinander rechtsgeschäftlich handeln. Ausnahmen sind Alltagsgeschäfte. Bei der Steuererklärung kann es jedoch um erhebliche Summen gehen und die Eheleute schulden die Steuernachzahlungen im Zweifel gemeinsam.

Zum anderen ist die Regelung gleichstellungspolitisch problematisch. Das Beispiel Güterstand zeigt, dass die mit der Ehe verbundenen Rechtsfolgen häufig nicht bekannt sind oder falsch verstanden werden. Zudem befassen sich Frauen nach wie vor seltener mit dem Thema Steuern als Männer. Kein Wunder, wenn sogar die Steuerformulare den Ehemann als die relevante steuerpflichtige Person suggerieren. Es ist wichtig, dass Frauen sich in Sachen Steuern weiterbilden und auch bei gemeinsamer Steuererklärung oder Kontenführung informierte Entscheidungen treffen. Dennoch ist auch der Staat in der Pflicht: im Hinblick auf die Ausgestaltung der Steuerformulare, deren Erläuterungen und Beispiele und in Bezug auf rechtlich wirksame und transparente Vertretungsregelungen. Eheleute müssen außerdem wissen, welche rechtlichen und finanziellen Folgen auf sie zukommen. Dazu gehört die ausdrückliche Vollmacht. Weiterhin wären Hinweise zu den Auswirkungen einer gemeinsamen Steuererklärung in den Erläuterungen zur Steuererklärung wünschenswert.