Pressemitteilung: 16-31


Juristinnenbund begrüßt Stärkung von Elternrechten durch den Bundesgerichtshof

Pressemitteilung vom

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) begrüßt die Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 20.  Oktober 2016 zu den Schadensersatzansprüchen von Eltern, denen der Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe nicht rechtzeitig einen Betreuungsplatz für ihr Kind zur Verfügung stellt, so dass diese nicht arbeiten können und Verdienstausfälle erleiden.

„Der Kita-Platz-Anspruch ist durch die Entscheidung des BGH und die Einbeziehung der Erwerbsinteressen der Eltern in den Schutzbereich des primären Kita-Platz-Anspruchs des Kindes endgültig zu dem vom Gesetzgeber gewollten Instrument zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit geworden“, stellt Ramona Pisal, Präsidentin des djb, fest. „Eine andere Entscheidung hätte die gleichberechtigte Teilhabe insbesondere von Frauen um Jahrzehnte zurückgeworfen“, so Pisal.

Klarstellungen zur Rechtslage durch den BGH

Darüber hinaus hat der BGH einige klare Aussagen zur Rechtslage getroffen, die die Position der Eltern nicht nur bei der Geltendmachung von Verdienstausfällen sondern bereits in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren hinsichtlich der Primäransprüche aus § 24 SGB VIII erheblich stärken. So stellt der BGH klar, dass der Anspruch auf einen Kita-Platz aus § 24 SGB VIII eine unbedingte Gewährleistungspflicht enthält. Kommunen können sich endgültig nicht mehr auf eine Ausschöpfung ihrer Kapazitäten an Betreuungsplätzen berufen. Auch Wirtschaftlichkeitserwägungen können einem bestehenden Anspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz nicht entgegen gehalten werden. Der BGH hat wie schon das Bundesverfassungsgericht im Juli 2015 zum Betreuungsgeld klargestellt: Kita-Plätze hat man zu haben. Die Kommunen haben somit keine Chance mehr, Betreuungsplatzansprüche durch Fehlplanung und bloßes Nichtstun ins Leere laufen zu lassen. Voraussetzung ist jedoch immer auch die rechtzeitige Anmeldung des Betreuungsplatzbedarfs durch die Eltern.

Anforderungen an die Kapazitätsplanung der Kommunen

Zwar wurden die Verfahren vom BGH für weitere tatrichterliche Feststellungen zum OLG Dresden, das im Übrigen für seine hier angegriffenen Entscheidungen vielfach kritisiert wurde, zurückverwiesen. Dies jedoch mit einem bemerkenswerten Hinweis an die Instanzgerichte für kommende Verdienstausfall-Verfahren: Hinsichtlich des Verschuldens der Amtspflichtverletzung der Kommune, die nicht rechtzeitig einen Betreuungsplatz zur Verfügung stellt, gilt zugunsten der klagenden Eltern der Beweis des ersten Anscheins. Es ist im gerichtlichen Verfahren also zunächst von einer fehlerhaften Bedarfsplanung des Trägers der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe auszugehen. Die Kommunen werden damit gezwungen, den Bedarf an Betreuungsplätzen äußerst sorgfältig zu beurteilen und zu planen und ggf. Kooperationen mit freien Trägern der Jugendhilfe und privaten Kinderbetreuungsangeboten einzugehen. Erst wenn bewiesen ist, dass der Bedarfsplanung sachlich richtige Bevölkerungsstatistiken und Prognosen zugrunde liegen, kann ein Verdienstausfall für eine eigene Betreuung des Kindes nicht verlangt werden. Diese Anforderungen stärken so im Ergebnis den Eltern den Rücken, die sich auf eine sachgerechte, bedarfsorientierte Planung und die Erfüllung des Rechtsanspruchs verlassen.

Hintergründe zum Thema in der nächsten Ausgabe der djbZ

In der kommenden Ausgabe der djb-Verbandszeitschrift djbZ 4/2016, die im Dezember erscheint, wird der Fokus auf den gesetzlichen Anspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz für Kinder ab dem ersten Geburtstag gelegt. Die Beiträge befassen sich nicht nur mit dem sozialrechtlichen Primäranspruch des Kindes und den Sekundäransprüchen bei Nichterfüllung des Anspruchs. Es werden mehr als drei Jahre nach dem Inkrafttreten des Anspruchs auch die tatsächliche Betreuungssituation in Deutschland untersucht und Verbesserungspotenziale herausgearbeitet.