Stellungnahme: 18-03


zur Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung einer Adoption (1 BvR 673/17)

Stellungnahme vom

I.      Einleitung

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme zur oben genannten Verfassungsbeschwerde.

Die Antragsteller sehen sich durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 8. Februar 2017, Az. XII ZB 586/15[1] in ihren Grundrechten aus Art. 6 und Art. 3 GG verletzt. Dem zugrunde liegt eine Rechtsbeschwerde über einen Antrag auf Adoption zweier minderjähriger Kinder, deren leiblicher Vater verstorben ist, durch den (faktischen) Lebensgefährten der Mutter.

Mit seiner Entscheidung hat der BGH – und vor ihm im Instanzenzug das OLG Hamm[2] und das AG Ahaus[3] – in Auseinandersetzung mit und in Abgrenzung von dem Sukzessivadoptionsurteil des Bundesverfassungsgerichts[4] die in §§ 1741 II, 1755 BGB sowie e contrario §§ 1741 II 3, 1754 I BGB, § 9 VII LPartG niedergelegte, von den Gesetzgebungsmaterialien gestützte[5] gesetzgeberische Entscheidung bekräftigt, dass ein faktischer Lebensgefährte nicht das Kind seiner Partnerin adoptieren kann, ohne dass nach § 1755 BGB die Bindungen des Kindes zum leiblichen Elternteil erlöschen, mithin eine Adoption des „faktischen Stiefkinds“ nicht (oder nur unter Verlust der verwandtschaftlichen Bindung zum leiblichen Elternteil) möglich ist.

Die Antragsteller rügen mit ihrer Verfassungsbeschwerde primär eine Verletzung des Rechts des Kindes auf Erziehung durch seine Eltern und staatliche Unterstützung[6]; eine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 I GG) aus Perspektive der „einseitigen“ Kinder[7] und eine Verletzung des Familiengrundrechts des faktischen Lebensgefährten und der Mutter[8].

Der BGH hat in seiner Entscheidung die Fallkonstellation umfassend gewürdigt und das geltende Recht unter dem Aspekt der Verfassungs- und Konventionswidrigkeit eingehend überprüft.

II.     Verfassungsmäßigkeit

Mit dem BGH ist zunächst davon auszugehen, dass mit der geltenden Rechtslage keine Verletzungdes Elternrechts (Art. 6 II 1 GG) der Mutter und ihres Lebensgefährten verbunden ist, denn die soziale Elternschaft allein begründet keine verfassungsrechtliche Elternstellung.[9]

Im Hinblick auf eine Verletzung des Familiengrundrechtsaus Art. 6 I GG teilt der djb zwar das Vorbringen der Antragsteller, dass die Mutter, ihr Lebensgefährte und die drei Kinder eine Familie i.S.v. Art. 6 I GG bilden. Jedoch folgt daraus, wie in den Entscheidungsgründen der Gerichte im Einzelnen ausgeführt[10], noch kein Anspruch auf eine Adoptionsmöglichkeit im einfachen Recht.

Auch verneint der BGH überzeugend eine Verletzung des Rechts des Kindes auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung (Art. 2 I i.V.m. 6 II 1 GG)[11] mit dem Hinweis darauf, dass die – hier betroffenen – Kinder nicht elternlos sind, sondern ihre Mutter als Elternteil haben.[12]

Rechtlich nicht ganz unproblematisch ist allerdings die Vereinbarkeit des geltenden Rechts mit dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 I GG). Bei der Frage, ob die Situationen faktischer Lebensgemeinschaften und Ehen im Hinblick auf die Adoption von (faktischen) Stiefkindern so ähnlich sind, dass eine nicht wesentlich unähnliche rechtliche Behandlung geboten ist, hat der BGH entscheidend darauf abgestellt, dass zwischen Ehe und faktischer Lebensgemeinschaft erhebliche rechtliche Unterschiede bestehen (rechtliche Stabilität, Familienunterhalt, mittelbar die Regelungen des Güter-, Erb- und Versorgungsausgleichsrechts)[13]. Der BGH argumentiert, wie hervorzuheben ist, in diesem Zusammenhang nicht mit dem rechtlichen Status allein des Adoptionswilligen[14], sondern mit den an diesen Status geknüpften Folgen.[15] Daher ist aus der Sicht des BGH auch nicht entscheidend, dass in tatsächlicher Hinsicht, beispielsweise im Hinblick auf den inneren Zusammenhalt, die emotionalen Bindungen, die tatsächliche Stabilität, die Dauerhaftigkeit etc. eine stabile faktische Lebensgemeinschaft einer Ehe in nichts nachstehen muss und dass die Geeignetheit des konkreten Paares zur Adoption – gleich ob verheiratet oder unverheiratet – in der Kindeswohlprüfung (§ 1741 BGB) der Adoptionsentscheidung durchgeführt werden kann.

Diese tatsächlichen Ähnlichkeiten sind aber – entgegen der Auffassung des BGH – ein ganz entscheidender Faktor, der in seiner Relevanz für die Beurteilung der vorliegenden Situation den rechtlichen Unterschieden zwischen Ehe und faktischer Lebensgemeinschaft nicht nachstehen sollte. Im Rahmen der einzelfallbezogenen Kindeswohlprüfung bei einer Adoption kann der Stabilität und dem inneren Zusammenhalt der faktischen Lebensgemeinschaft hinreichend Rechnung getragen werden.[16] Hinzu kommt, dass die rechtlichen Unterschiede zwischen Ehe und faktischer Lebensgemeinschaft zumindest partiell über Verträge zwischen den faktischen Lebensgefährten kompensiert werden können.[17] Gerade weil die Adoptionsentscheidung kindeswohlorientiert zu sein hat, ist es problematisch, dass der Gesetzgeber die Adoptionsmöglichkeit kategorisch auch in den Fällen ausschließt, in denen zwischen Kind und faktischem Elternteil eine Eltern-Kind-Bindung besteht und die Adoption kindeswohldienlich wäre.[18]

Gleichwohl ist die vom BGH skizzierte, deutlich auf die rechtlichen Unterschiede fokussierte Legitimation der lex lata im Ergebnis wohl deshalb nicht zu beanstanden, weil davon auszugehen ist, dass sie sich noch im Rahmen der dem einfachen Gesetzgeber gegebenen Wertungsspielräume bewegt und sich daher, anders als in der im Sukzessivadoptionsurteil[19] entschiedenen Konstellation, aus Art. 3 I GG keine Verfassungswidrigkeit des geltenden Rechts ergibt.

Zusammenfassend teilt der djb – wie auch die ganz überwiegende Mehrheit im aktuellen Schrifttum[20] – zwar die Auffassung, dass der in den §§ 1741, 1755 BGB enthaltene Ausschluss des faktischen Lebensgefährten von der Stiefkindadoption (zumindest isoliert ohne Einfluss der EMRK betrachtet, siehe sogleich) nicht gegen die Grundrechte aus Art. 3, 6 und 2 I i.V.m. Art. 6 II GG verstößt, sieht aber aus den vorangestellten Gründen gesetzgeberischen Handlungsbedarf.

III.    Konventionsmäßigkeit

1.     Die Entscheidung Emonet u.a./Schweiz

Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), die vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung zur Auslegung des Grundgesetzes herangezogenen wird, gewährleistet in ihrem Art. 8 I jeder Person das Recht auf Achtung ihres Familienlebens.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte sich in der Rechtssache Emonet u.a./Schweiz[21]mit der Adoption eines volljährigen Kindes mit (körperlichen) Behinderungen durch den Lebensgefährten der Mutter zu befassen. Der Familienbegriff des Art. 8 EMRK umfasst – nach dessen Rechtsprechung – auch faktische Lebensgemeinschaften.[22] Der EGMR sah (daher) einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK darin, dass bei dieser Adoption gem. Art. 267 II a.F. schw. ZGB die verwandtschaftlichen Bindungen zur Mutter erlöschen.[23]

2.     Zur Übertragbarkeit der Entscheidung Emonet u.a./Schweiz auf die deutsche Rechtslage

Der Fall Emonet weist von der tatsächlichen Ausgangslage große Ähnlichkeiten mit dem vorliegenden Fall auf. Der BGH hält die Emonet-Rechtsprechunggleichwohl für nicht einschlägig, denn die Volljährigenadoption führe im deutschen Recht grundsätzlich nicht zu einem Erlöschen der verwandtschaftlichen Beziehungen des Angenommenen.[24] Es liegt indes auch eine andere Lesart nahe, nach der, wenn schon die Volljährigenadoption durch den faktischen Stiefelternteil nicht zum Erlöschen der verwandtschaftlichen Beziehungen zum leiblichen Elternteil führen darf, die Minderjährigenadoption diese Folge erst recht nicht zeitigen darf.[25] Allerdings grenzt der EGMR seine Einschätzung hinsichtlich der Volljährigenadoption selbst von der der Minderjährigenadoption ab und ist der Ansicht, dass die Legitimation hinter dem Abbruch der verwandtschaftlichen Beziehungen zur Herkunftsfamilie – nämlich „klare Verhältnisse“ zu schaffen „und die adoptierte Person vor Interessenkonflikten“ zu bewahren[26] – eine „Logik“ sei, die „gültig ist für minderjährige Personen“.[27] Diese Abgrenzung des EGMR scheint jedoch auf andere Konstellationen oder einen breiteren Kreis von Konstellationen als die hier vorliegende ausgerichtet zu sein. Denn die Gefahr eines Interessenkonflikts des Kindes zwischen Herkunftsfamilie und Adoptivfamilie, die am besten durch ein Erlöschen der bisher bestehenden verwandtschaftlichen Verhältnisse vermieden werden kann, besteht in der vorliegenden Konstellation gerade nicht. Ebenso wenig wäre in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens die rechtliche Klarheit beeinträchtigt.[28] Auch die von der erstinstanzlichen Entscheidung vorgenommene Abgrenzung des Falles zur Situation in Emonet überzeugt nur eingeschränkt, da es für die Bewertung der Gesetzeslage keinen Unterschied machen kann, ob wegen bereits durchgeführter Adoption die verwandtschaftlichen Beziehungen zur Mutter schon erloschen sind oder ob dies mangels durchgeführter Adoption noch aussteht.[29] Zwar ist die EGMR-Entscheidung auf ein etwas anderes Szenario bezogen, nämlich die Konventionswidrigkeit des Erlöschens der verwandtschaftlichen Verbindung zur Mutter bei Adoption durch den faktischen Lebensgefährten der Mutter statt Konventionswidrigkeit der Unmöglichkeit der Adoption durch den faktischen Lebensgefährten bei fortbestehender verwandtschaftlichen Verbindung zur Mutter[30]. Dennoch sind die rechtlichen Überlegungen übertragungsfähig: Zunächst entsprechen (bzw. entsprachen) sich in den maßgeblichen Teilen die rechtlichen Vorgaben, die in der Schweiz und in Deutschland Anlass zur Prüfung der Fragestellung geben; außerdem wird in Emonet die etwaige Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Herstellung rechtlicher Bindungen besonders betont.[31] Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich gerade bei einem volljährigen Kind mit Behinderungen (wie im Emonet-Fall) ähnliche Schutzbedarfe des Kindes ergeben können wie bei minderjährigen Kindern.[32]

Zu bedenken ist auch, dass im Instanzenzug des vorliegenden Falles mehrfach darauf hingewiesenen wurde, die Betroffenen könnten die Situation durch Heirat auflösen[33] und dass der EGMR hierzu[34] in aller Deutlichkeit erklärte: „Zum Argument der [Schweizer] Regierung, die Mutter und ihr Lebensgefährte hätten das gewünschte Ziel durch eine Heirat erreichen können, ist der Gerichtshof der Meinung, dass es nicht Sache der nationalen Behörden ist, den beteiligten Personen Ratschläge zu erteilen, wie sie ihr Zusammenleben gestalten sollten.“[35] Es ist folglich nicht konventionsgemäß, eine Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung oder eines Eingriffs in ein Freiheitsrecht auf die „Ausweichmöglichkeit“ der Betroffenen, die Ehe schließen zu können, zu stützen.[36]

3.     Zu den Folgen der Übertragbarkeit der Entscheidung Emonet u.a./Schweiz für die deutsche Rechtslage

In Folge des eben Gesagten bejahen gewichtige Stimmen in der Literatur die Konventionswidrigkeit der deutschen Rechtslage oder deuten sie zumindest an.[37]

Der – von der Emonet-Entscheidung unmittelbar betroffene – Schweizer Gesetzgeber hat in Folge von Emonet das Adoptionsrecht geändert[38] und ist insoweit über Emonet hinausgegangen, als er auch die Minderjährigenadoption entsprechend abgeändert hat (vgl. insbes. Art. 264c schw. ZGB[39]).[40] Der Gehalt von Emonet geht darüber hinaus, rein negativ das Abschneiden der verwandtschaftlichen Verhältnisse nach Art. 267 II a.F. schw. ZGB (wie nach § 1755 I BGB) zu untersagen, sondern sieht, je nach den konkreten Umständen, die Staaten auch positiv in der Pflicht, die Entwicklung rechtlicher Bindungen in der faktischen Familie zu ermöglichen.[41] Die EGMR-Entscheidung hat den Schweizer Gesetzgeber zu einer Gesetzesänderung veranlasst, deren Ziel es war, „das Kindeswohl verstärkt ins Zentrum des Adoptionsentscheids zu stellen und mittels Flexibilisierung gewisser Adoptionsvoraussetzungen die dafür notwendigen Ermessensspielräume zu schaffen.[42]

Die Argumentation des EGMR, wonach ein volljähriges Kind mit körperlichen Behinderungen auf Pflege und Zuwendung (besonders) angewiesen ist, gilt in entsprechender Weise für Minderjährige. Die Gefahr von Interessenkonflikten besteht vorliegend nicht; Interessenkonflikte sind vielmehr (nur) dann zu befürchten, wenn einem Elternpaar der Herkunftsfamilie das Adoptivelternpaar gegenübersteht oder wenn der Annehmende und der leibliche Elternteil sich unverbunden gegenüberstehen. Interessenkonflikte sind indes nicht zu befürchten, wenn, wie hier, ein rechtlicher Elternteil durch einen zweiten – bislang sozialen – Elternteil zum Elternpaar wird. Auch in der Schweizer Literatur zur Emonet-Entscheidung wurde das Interesse des Kindes an zwei (lebenden) Eltern besonders hervorgehoben.[43]

Hinzu kommt die Überlegung, dass nach dem der EGMR-Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt bereits eine Adoption durch den faktischen Lebensgefährten stattgefunden hatte und infolgedessen von einem Schweizer Gericht die Kindeswohldienlichkeit der Adoption bereits bejaht worden war.[44] Dies zeigt in aller Deutlichkeit, dass – trotz rechtlicher Unterschiede bei der Behandlung der faktischen Lebensgemeinschaft und der Ehe – auch bei der Adoption durch einen faktisch-sozialen Stiefelternteil statt durch einen rechtlichen Stief­elternteil die hierfür erforderliche Kindeswohldienlichkeit durchaus gegeben sein kann. Damit stimmen die plausiblen Erwartungen im deutschen Schrifttum überein, wonach im Einzelfall häufig eine tragfähige Eltern-Kind-Beziehung zwischen Kind und faktischem Lebensgefährten besteht und die Annahme dem Kindeswohl dienlich sein wird.[45]

Im Lichte der Emonet-Entscheidung des EGMR bestehen – dies zusammenfassend – mithin nicht unerhebliche Zweifel an der Konventionsmäßigkeit der deutschen Rechtslage.

IV.   Ausblick

Nicht nur die Zweifel an der Konventionsmäßigkeit der deutschen Rechtslage, auch rechtspolitische Erwägungen sprechen für eine Änderung des Adoptionsrechts de lege ferenda, bei der die Adoptionsmöglichkeiten stärker für faktische Lebensgefährten geöffnet werden. Der djb schließt sich insoweit den Vorschlägen zahlreicher Stimmen aus der Literatur und den Verbänden an.[46] Selbst der BGH deutet die Möglichkeit einer solchen Neuregelung angesichts der gestiegenen Zahl von Kindern in faktischen Lebensgemeinschaften an.[47]

Wie im Schweizer Recht kann auch im deutschen Recht die Flexibilisierung der Adoptionsvoraussetzungen kindeswohldienlich sein.[48] Im Einzelfall kann und wird es durchaus trotz der rechtlichen Unterschiede von Ehe und faktischer Lebensgemeinschaft dem Kindeswohl dienen, einem unverheirateten Lebensgefährten die Adoption nur-sozialer Stiefkinder zu gestatten. Dafür streiten die oben genannten Ähnlichkeiten zwischen Ehe und faktischer Lebensgemeinschaft im Hinblick auf Stabilität und Intensität der emotionalen Bindungen. Dafür streiten ferner die zahlenmäßige Zunahme von faktischen Lebensgemeinschaften in den vergangenen Jahrzehnten[49] ebenso wie die Diskrepanz der vorliegenden Situation des verwaisten Kindes zur parallelen Situation des rechtlich vaterlosen Kindes, für das ohne weiteres die Vaterschaftsanerkennung nach §§ 1594 ff. BGB möglich ist.[50] Dafür streitet schließlich die Möglichkeit, die Geeignetheit des konkreten Lebensgefährten und bislang nur-sozialen Elternteils im Rahmen der einzelfallorientierten Adoptionsentscheidung zu beurteilen.

Eine gesetzgeberische Änderung müsste – dies ergänzend – nicht so weit gehen, wie das revidierte Adoptionsübereinkommen vom 27. November 2008, welches in Art. 7 II 2 auch die Einführung gemeinschaftlicher Adoptionen durch faktische Lebensgefährten gestattet. Zwar ist eine derart weitreichende Adoptionsmöglichkeit bereits in zahlreichen europäischen Staaten eingeführt worden, namentlich in Belgien[51], England und Wales[52], den Niederlanden[53] und Portugal[54]. Eine Öffnung allein der (de facto-)Stiefkindadoption nach dem Schweizer Modell würde jedoch den im vorliegenden Fall offenbar werdenden Härten der lex lata bereits abhelfen. Es würde sich anbieten – ähnlich dem Schweizer Vorbild und so wie es auch das belgische, niederländische und portugiesische Recht verlangen – eine faktische Lebensgemeinschaft von gewisser Festigkeit und mit Zusammenleben der Partner für mindestens zwei[55] oder drei[56] zusammenhängende, der Antragstellung vorhergehende Jahre zu verlangen.

 

Prof. Dr. Maria Wersig                                  Brigitte Meyer-Wehage
Präsidentin                                                     Vorsitzende der Kommission Zivil-, Familien- und Erbrecht,
                                                                          Recht anderer Lebensgemeinschaften

 


[1]             FamRZ 2017, 626 = NJW 2017, 1672 = DNotZ 2017, 375 = StAZ 2017, 174.

[2]             OLG Hamm, 13.8.2015, 3 UF 9/14 sowie OLG Hamm, 13.11.2015, II-3 UF 9/14, 3 UF 9/14.

[3]             AG Ahaus, 9.12.2013, 12 F 235/13.

[4]             BVerfG, Urt. v. 19.2.2013, 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, FamRZ 2013, 521.

[5]             BT-Drucks. 7/3061, S. 28 und erneut BT-Drucks. 13/4899, S. 111.

[6]             S. 8 oben/9 unten der Verfassungsbeschwerde. Die Verfassungsbeschwerde hat am oberen Seitenrand eine Paginierung und am unteren Rand eine weitere, die beiden weichen voneinander ab.

[7]             S. 8–10 oben/9–11 unten.

[8]             S. 10 f. oben/11 f. unten.

[9]             BGH, Beschl. v. 8.2.2017, XII ZB 586/15,Rn. 19 ff.; AG Ahaus, 9.12.2013, 12 F 235/13 Rn. 12.

[10]          BGH, Beschl. v. 8.2.2017, XII ZB 586/15,Rn. 22 ff.; AG Ahaus, 9.12.2013, 12 F 235/13 Rn. 13.

[11]          BVerfG, 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09 = E 133, 59; BVerfG, 17.12.2013 – 1 BvL 6/10; BVerfG, 24.6.2014 – 1 BvR 2926/14; siehe Britz, JZ 2014, 1069.

[12]          BGH, Beschl. v. 8.2.2017 – XII ZB 586/15 Rn. 34.

[13]          BGH, Beschl. v. 8.2.2017 – XII ZB 586/15 Rn. 30.

[14]          Oder, um die Diktion der Schweizer Literatur zur Emonet-Entscheidung aufzugreifen, mit der „rechtlichen Pseudo-Garantie der Stabilität des Elternpaares“ – so Sandoz, Adoption d'un majeur par une personne seule ou "les vagues" de l'affaire Emonet, in: FS Schwenzer, 2011, Bd. 2, 1485, 1489.

[15]          Vgl. Beschluss Nr. 29 der familienrechtlichen Abteilung des 71. djt 2016 („Die Voraussetzungen für eine Adoption sind unabhängig vom Status der Adoptionswilligen auszugestalten.“).

[16]          Dethloff, FamR, 31. Aufl. 2015, § 15 Rn. 17; dies., in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, 137, 149; dies., ZRP 2004, 195, 197.

[17]          NK-BGB/Dahm, § 1741 Rn. 44.

[18]          So wohl auch Erman/Saar, 15. Aufl. 2017, § 1741 Rn. 18.

[19]          BVerfG, Urt. v. 19.2.2013, 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, FamRZ 2013, 521.

[20]          Staudinger/Löhnig, 2015, Rn. 171b.1 [Aktualisierung vom 8.3.2017]; Hilbig-Lugani, LMK 2017, 390401; Herzog, jM 2017, 451, 453; Grziwotz, NJW 2017, 1646, 1648; wohl auch Wellenhofer, JuS 2017, 790, 792 und Adamus, jurisPR-FamR 2/2018 Anm. 4; zumindest unkritisch Kemper FamRB 2017, 178, Müller, NotBZ 2017, 263, 264 f. und Ruby/Schindler, ZEV 2017, 382, 384; verhalten a.A. Botthoff, FamRZ 2017, 631.

[21]          Siehe EGMR, Urt. v. 13.12.2007, Nr. 39051/03, FamRZ 2008, 377 und die Folgeentscheidung des Schweizer Bundesgerichts vom 18.7.2008, Az 5F 6/2008, abrufbar in der online-Datenbank des Schweizer Bundesgerichts, https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?lang=de [abgerufen am 15.3.2018].

[22]          EGMR, Urt. v. 13.12.2007, Nr. 39051/03, FamRZ 2008, 377 Rn. 34 m.w.N.

[23]          EGMR, Urt. v. 13.12.2007, Nr. 39051/03, FamRZ 2008, 377 (379 Rn. 88).

[24]          BGH, Beschl. v. 8.2.2017 – XII ZB 586/15 Rn. 53.

[25]          Ähnlich Henrich, FamRZ 2008, 379 („Der Gerichtshof spricht [in Emonet] zwar von einem Einzelfall, aber es ist schwer vorstellbar, dass er anders entschieden hätte, wenn der Lebensgefährte der Mutter nicht deren volljähriges Kind mit Behinderungen, sondern ein minderjähriges Kind angenommen hätte.“).

[26]          EGMR, Urt. v. 13.12.2007, Nr. 39051/03, FamRZ 2008, 377 (378 Rn. 79).

[27]          EGMR, Urt. v. 13.12.2007, Nr. 39051/03, FamRZ 2008, 377 (378 Rn. 80).

[28]          So der Fokus bei P. Meier, L'enfant en droit suisse: quelques apports de la jurisprudence récente de la Cour européenne des droits de l'homme, FamPra.ch 2012, 255, 277.

[29]          AG Ahaus, 9.12.2013, 12 F 235/13 Rn. 14.

[30]          Besonders deutlich wird dies bspw. in EGMR, Urt. v. 13.12.2007, Nr. 39051/03, FamRZ 2008, 377 (378 Rn. 86).

[31]          Näher unten Fn. 41.

[32]          Vgl. EGMR, Urt. v. 13.12.2007, Nr. 39051/03, FamRZ 2008, 377 (378 Rn. 80): „Er [scil. der Gerichtshof] erinnert daran, dass, obgleich die Adoptierte volljährig ist, sie gleichwohl der Pflege und aktiven Zuwendung bedarf.“ Für die Frage der Übertragbarkeit der Emonet-Entscheidung dürfte auch maßgeblich sein, wie man die Formulierung des EGMR auslegt, wonach die ihm vorliegende Situation des volljährigen Kindes mit Behinderungen die „Existenz von Elementen einer Abhängigkeit impliziert, die über die normalen affektiven Bindungen hinausgehen“ – Bezugspunkt der Formulierung könnten entweder die normalen affektiven Bindungen eines Volljährigen zu seinem leiblichen Elternteil (so die Auslegung hier) oder die normalen affektiven Bindungen eines Minderjährigen zu seinem leiblichen Elternteil (so wohl die Deutung von BeckOK BGB/Pöcker, Stand 1.11.2017, § 1741 Rn. 30.1) sein.

[33]          BGH, Beschl. v. 8.2.2017 – XII ZB 586/15 Rn. 45; AG Ahaus, 9.12.2013, 12 F 235/13, Rn. 15.

[34]          Bzw. zum entsprechenden Vortrag der Schweizer Regierung, vgl. EGMR, Urt. v. 13.12.2007, Nr. 39051/03, FamRZ 2008, 377 Rn. 30.

[35]          EGMR, Urt. v. 13.12.2007, Nr. 39051/03, FamRZ 2008, 377 (378 Rn. 82), zust. P. Meier, L'enfant en droit suisse: quelques apports de la jurisprudence récente de la Cour européenne des droits de l'homme, FamPra.ch 2012, 255, 260.

[36]          Krit. auch Herzog, jM 2017, 451, 453 f.

[37]          Siehe etwa Henrich, FamRZ 2008, 379 („Die in diesem Punkt noch vertretene Gegenposition mancher nationaler Gesetzgeber - auch des deutschen - wird sich nach dieser Entscheidung des EGMR auf die Dauer nicht halten lassen.“); auch BeckOGK/Löhnig, Stand 1.7.2016, § 1741 BGB Rn. 92, ist der Ansicht, die Konventionsgemäßheit der lex lata ließe sich bezweifeln; ähnlich BeckOK BGB/Enders, Stand 1.11.2016, § 1741 Rn. 30.1 (aA nun BeckOK BGB/Pöcker, Stand 1.11.2017, § 1741 Rn. 30.1); ähnlich Dethloff, ZKJ 2009, 141 (144); aA Erman/Saar, 15. Aufl. 2017, § 1741 Rn. 18.

[38]          BG vom 17. Juni 2016 (Adoption), in Kraft seit 1.1.2018.

[39]          Die Regelung lautet: „Art. 264c1 Eine Person darf das Kind adoptieren, mit dessen Mutter oder Vater sie: 1. verheiratet ist; 2. in eingetragener Partnerschaft lebt; 3. eine faktische Lebensgemeinschaft führt. 2 Das Paar muss seit mindestens drei Jahren einen gemeinsamen Haushalt führen. 3 Personen in einer faktischen Lebensgemeinschaft dürfen weder verheiratet noch durch eine eingetragene Partnerschaft gebunden sein.“

[40]          Siehe Boente/Hilbig-Lugani RTDciv Heft 3/2017, S. 624, 625.

[41]          So EGMR, Urt. v. 13.12.2007, Nr. 39051/03 Rn. 66: "In this context the Court reiterates that the right to adoption is not included as such among the rights guaranteed by the Convention ... However, this does not preclude the possibility, in certain circumstances, of States Parties to the Convention finding themselves under an obligation to take positive measures to permit the formation and development of legal family ties." (Rn. 66 ist nicht in der deutschen Übersetzung in FamRZ 2008, 377 enthalten.) Siehe auch P. Meier, L'enfant en droit suisse: quelques apports de la jurisprudence récente de la Cour européenne des droits de l'homme, FamPra.ch 2012, 255, 260.

[42]          Botschaft zur Änderung des Schweizer ZGB vom 28.11.2014, Nr. 14.094, S. 877, 898 (Hervorhebung d. Verf.), siehe auch S. 899.

[43]          Sandoz, Adoption d'un majeur par une personne seule ou "les vagues" de l'affaire Emonet, in: FS Schwenzer, 2011, Bd. 2, 1485, 1488 f.

[44]          Vgl. heute Art. 264 I schw. ZGB.

[45]          Erman/Saar, § 1741 Rn. 18; Heiderhoff, FamRZ 2015, 1484.

[46]          Für Änderungen im Adoptionsrecht etwa aktuell Botthoff, FamRZ 2017, 631; Lugani, LMK 2017, 390401; n.n., JAmt 2017, 447; s.a. Boente/Lugani RTDciv Heft 3/2017, S. 624 f.; aus der Zeit vor der BGH-Entscheidung: Erman/Saar, § 1741 Rn. 18; NK-BGB/Dahm, § 1741 Rn. 44; Heiderhoff, FamRZ 2015, 1484; Dethloff, FamR, 31. Aufl. 2015, § 15 Rn. 17; dies., in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, 137, 149; dies., ZRP 2004, 195, 197; für Änderungen im Sorgerecht Herzog, jM 2017, 451, 453.

[47]          BGH, Beschl. v. 8.2.2017 – XII ZB 586/15 Rn. 30.

[48]          Vgl. Botschaft zur Änderung des Schweizer ZGB vom 28.11.2014, Nr. 14.094, S. 877, 898, 899, siehe oben bei Fn. 42.

[49]          In diese Richtung n.n., JAmt 2017, 447.

[50]          Wellenhofer, JuS 2017, 790 (792).

[51]          Vgl. Art. 343 § 1 belg. Bürgerliches Gesetzbuch: „Man versteht unter dem Begriff: a) Adoptierender: eine Person, Ehegatten oder Zusammenwohnende;, b) Zusammenwohnende: zwei Personen, die eine Erklärung über das gesetzliche Zusammenwohnen abgegeben haben oder zwei Personen, die ... auf beständige und affektive Weise seit mindestens drei Jahren zusammenleben ...".

[52]          Sec. 49 Adoptions- und Kindergesetz 2002 („Abs. 1: Einen Antrag auf Erlass eines Adoptionsdekrets kann stellen ... (a) ein Paar oder (b) eine Einzelperson ...".).

[53]          Art. 227 I, II BW: „Abs. 1: Adoption erfolgt durch eine Entscheidung des Landgerichts auf Antrag von zwei Personen gemeinsam oder auf Antrag einer Person allein. Zwei Personen gemeinsam können keinen Antrag auf Adoption stellen, wenn sie gemäß Art. 41 keine Ehe miteinander eingehen dürfen. Abs. 2: Der Antrag kann von zwei Personen gemeinsam nur gestellt werden, wenn sie mindestens drei zusammenhängende, der Antragstellung unmittelbar vorausgehende Jahre miteinander zusammengelebt haben. Der Antrag kann vom Annehmenden, der Ehegatte, registrierter Partner oder anderer Lebensgefährte des Elternteils ist, nur gestellt werden, wenn er mindestens drei zusammenhängende, der Antragstellung unmittelbar vorausgehende Jahre mit diesem Elternteil zusammengelebt hat."

[54]          Art. 7 Gesetz Nr. 7/2001 i.V.m. Art. 1979 Zivilgesetzbuch, vgl. Länderbericht Portugal S. 44 in Bergmann/Ferid. Art. 7 lautet: „Adoption. Nach Maßgabe der geltenden Bestimmungen über eine Adoption, wie sie sich aus Buch IV, Titel IV des Zivilgesetzbuchs ergeben, wird allen Personen, die in einer faktischen Lebensgemeinschaft ... leben, das Recht der Adoption zu Bedingungen, welche den in Art. 1979 des Zivilgesetzbuches vorgesehenen entsprechen, zuerkannt … ."

[55]          So in Portugal (oben Fn. 52) und Art.  1 II Gesetz Nr. 7/2001 v. 11.5.2001, das Maßnahmen zum Schutz der faktischen Lebensgemeinschaft trifft i.d.F. v. 29.2.2016.

[56]          So in Belgien (oben Fn. 51), den Niederlanden (oben Fn. 53) und der Schweiz (oben Fn. 39).