Stellungnahme: 16-22


zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen (Stand 6. Oktober 2016, Aktenzeichen 313-162800/76)

Stellungnahme vom

I.

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Referentenentwurf.

Im Interesse des Kindes ist es sicherlich zu begrüßen, dass der von der Rechtsprechung entwickelte Auskunftsanspruch gegenüber der die Insemination durchführenden Stelle zur Information über die Identität des Samenspenders (zur Inanspruchnahme des Reproduktionsmediziners: BGH NZFam 2015, 254=NJW 2015, 1098 ff.; OLG Hamm NJW 2013, 1167) durch die Einführung eines Samenspenderregisters ganz erheblich weiterentwickelt wird. Der Entwurf greift allerdings nur ausgewählte Probleme des Abstammungsrechts auf und damit insgesamt zu kurz. Der djb empfiehlt dem Gesetzgeber, eine generelle Überprüfung der gesetzlichen Regelungen zur biologischen, rechtlichen und sozialen Elternschaft vorzunehmen und dabei auch die reproduktiven Rechte der von diesen Regelungen betroffenen Menschen in den Blick zu nehmen. Solange beispielsweise der gleiche Zugang von verschiedengeschlechtlichen und gleichgeschlechtlichen Paaren zur ärztlich assistierten Fortpflanzungsmedizin via Samenspende vom ärztlichen Standesrecht und nicht durch den Gesetzgeber (zum Beispiel durch ein Fortpflanzungsmedizingesetz) geregelt wird, bleiben im Referentenentwurf aufgeworfene Probleme zum Teil ungelöst.

Aber auch der Entwurf selbst, der ein eingeschränktes Vorhaben verfolgt, wirft neue Probleme auf. Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) wird nach dem Entwurf 110 Jahre lang die persönlichen Daten des konkret ermittelbaren Spenders vorhalten. Dieser Zeitraum erscheint mit Blick auf das fehlende Widerspruchsrecht des Samenspenders gegen die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten nicht völlig bedenkenfrei.

Die geplante Gesetzesänderung zu § 1600d BGB schließt die Feststellung des Samenspenders als rechtlichen Vater aus, was mit Blick auf das geltende Recht bedenklich ist.

II. Zu den geplanten Änderungen im Einzelnen:

Art. 1 Gesetz zur Errichtung eines Samenspenderregisters und zur Regelung der Auskunftserteilung über Spender nach heterologer Verwendung von Samen

§ 1 Samenspenderregister

Die Errichtung eines Registers ist grundsätzlich zu begrüßen.

§ 2 Pflichten der Entnahmeeinrichtung bei der Gewinnung von Samen zur heterologen Verwendung für eine künstliche Befruchtung

Die Beratungs- und Informationspflichten, die der Einrichtung aufgegeben werden und die durch eine ärztliche Person zu erfolgen haben, sind umfangreich. Praktisch steht zu befürchten, dass man sich einer schriftlichen Information bedienen wird und sich deren Erhalt bestätigen lässt. Ob dies den Anforderungen des § 2 Abs. 1 S. 2 SaRegG-E genügt, scheint ungewiss.

Der djb regt an, entsprechend den Regeln über die wirksame ärztliche Aufklärung von Patienten vor Eingriffen (grundlegend: BGH 6. Zivilsenat, Urteil vom 25. März 2003 – VI ZR 131/02, Rn. 18 ff. – zitiert nach juris) zu verfahren, um sicherzustellen, dass die Informationen den Vorgaben des Gesetzes gerecht werden.

§ 4 Pflichten der reproduktionsmedizinischen Einrichtung vor der heterologen Verwendung von Samen zur künstlichen Befruchtung

Die Erwägungen zu den Beratungs- und Informationspflichten (§ 2 SaRegG-E) gelten sinngemäß.

§ 4 Satz 3 SaReg-E begegnet indes Bedenken. Die Verpflichtung der Frau zur Anzeige einer Geburt greift in ihr Persönlichkeitsrecht ein. Auch ist eine solche Anzeige zur Sicherung des Anspruchs des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung nicht zwingend notwendig. Denn mit den personenbezogenen Daten der Mutter, die das Kind kennt, seinen eigenen Daten und der Dokumentation hinsichtlich der Verwendung der Samenspende wird es ohne weiteres möglich sein, den Spender zu ermitteln.

§ 5 Pflichten der reproduktionsmedizinischen Einrichtung bei heterologer Verwendung von Samen zur künstlichen Befruchtung

Die Verpflichtung der reproduktionsmedizinischen Einrichtung, sich zu Dokumentationszwecken zu vergewissern, ob und wann es zur Geburt des Kindes oder der Kinder gekommen ist (Abs. 5), ist nur vage ausgestaltet.

Zum einen ist der Fall zu bedenken, dass die Insemination nicht zur Geburt eines Kindes geführt hat (dann entfällt offenkundig die Verpflichtung zur Angabe) und zum anderen, dass die Geburt eines Kindes ursächlich nicht auf die Spende zurückgeht (es entfallen dann die geltenden Anfechtungshindernisse).

§ 6 Übermittlung an das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI)

Die Weitergabe der Spendeninformation unter Angabe der gespeicherten Daten einschließlich der Kennungen soll die lückenlose Dokumentation sicherstellen und damit den Auskunftsanspruch des Kindes absichern. Es erscheint jedoch geboten, die Anforderungen an die Mitteilung nach Abs. 2 Satz 2 zu präzisieren, wobei an eine einfache Schriftform zu denken ist.

§ 8 Speicherung und Löschung der Samenspenderregisterdaten

Nach Abs. 2 Satz 2 der in Aussicht genommenen Regelung sind die Daten zu löschen, zwei Monate nachdem das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information die im Samenspenderregister gespeicherten Daten des Samenspenders den nach § 10 Abs. 1 berechtigten Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, mitgeteilt hat. Die Frist erscheint vor dem Hintergrund der weitreichenden Folgen und der Bedeutung der Auskunft nicht angemessen. Auch sind mögliche Übermittlungsfehler nicht auszuschließen, so dass angeregt wird, die Daten erst nach 12 Monaten zu löschen.

§ 10 Voraussetzungen und Verfahren der Auskunftserteilung

Die Durchsetzung des Anspruchs gegenüber dem DIMDI ist nicht geregelt. Dies wird nachzuholen sein.

Der Auskunftsanspruch gegenüber einer Behörde lässt verfahrensrechtlich und systematisch eher an eine verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit denken. Da es im Ergebnis aber um eine abstammungsrechtliche Angelegenheit geht, ist wegen der engen Verbindung zum Familienrecht eine Verortung dort sachgerechter. Anknüpfend an die Zuständigkeit in Personenstandssachen (Amtsgericht), könnten die Verfahren der Familienabteilung zugewiesen werden.

Dafür spricht die besondere Sachkunde der Familiengerichte. Denn die Zeugung eines Kindes im Wege der ärztlich assistierten heterologen Insemination hat die erwähnten weitreichenden Folgen (Sperrung des Anfechtungsrechts für die rechtlichen Eltern des Kindes nach § 1600 Abs. 5 BGB; Sperre für die Feststellung des biologischen Vaters als rechtlichem Vater nach dem geplanten § 1600d Abs. 4 BGB-E).

Hinzu kommt, dass die Vertretung des minderjährigen Kindes im Fall des Abs. 1 Satz 1 überdacht werden muss. Denn die Eltern könnten entsprechend geltendem Recht mit Blick auf eine mögliche Interessenkollision von der Vertretung ausgeschlossen sein (§ 1629 Abs. 2 Satz 1, Abs. 2a BGB).

Es wäre dann eine Ergänzungspflegschaft anzuordnen, da (erst) ab dem 16. Lebensjahr das Kind selbst die Auskunft einfordern kann. Im Blick zu behalten sein wird zudem die Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG (es ist wohl nicht zweifelhaft, dass ein solches Verfahren die Person des Kindes betrifft).

Artikel 2        
Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

Das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch (…) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In § 1600d wird nach Absatz 3 folgender Absatz eingefügt:

- 9 – Bearbeitungsstand: 06.10.2016 9:10 Uhr

(4) „Ist das Kind durch eine ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung unter heterologer Verwendung von Samen gezeugt worden, der einer Samenbank zur Verfügung gestellt wurde, so kann der Samenspender nicht als Vater dieses Kindes festgestellt werden.“

Die beabsichtigte Regelung soll sicherstellen, dass der Samenspender nicht mit Unterhaltsansprüchen/Erbansprüchen konfrontiert werden kann. Das (minderjährige) Kind soll durch den Feststellungsausschluss letztlich einem adoptierten Kind gleichgestellt werden, das bei einer Volladoption die rechtlichen Bindungen zu dem leiblichen Elternpaar (ebenso) verlieren kann.

Allerdings konkurriert der Schutz des Spenders, der zweifelsohne der biologische Vater des Kindes ist, mit den grundgesetzlich garantierten Rechten des Kindes. Die angedachte „Lösung“ geht jedoch über das geltende Adoptionsrecht hinaus, denn im Falle der – zugegeben – seltenen Aufhebung der Adoption leben die Verwandtschaftsverhältnisse des Kindes zu seinen leiblichen Verwandten und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten (mit Ausnahme der elterlichen Sorge – § 1764 BGB) wieder auf. Es kann daher bei Auflösung des rechtlichen Verhältnisses zu Adoptionseltern nicht geschehen, dass ein Kind rechtlich betrachtet elternlos wird.

Genau das ist aber nach der geplanten Gesetzesfassung nunmehr möglich: Das volljährige Kind kann nach §§ 1600 ff BGB die Vaterschaft des rechtlichen, nicht biologischen, Vaters anfechten. Da gleichzeitig die Feststellung des biologischen als dem rechtlichen Vater unmöglich ist, bliebe das Kind dauerhaft ohne (rechtlichen) Vater. Auch im Fall der Minderjährigkeit ist das Kind – unabhängig von § 1600 Abs. 5 BGB – anfechtungsberechtigt mit der Folge, dass das Recht auf Feststellung der Vaterschaft des Samenspenders nach derzeit geltendem Recht nicht ausgeschlossen werden kann. Diesen Wertungswiderspruch löst der Entwurf nicht auf.

Klärungsbedarf besteht zudem im Zusammenhang mit der Regelung des § 1686 a BGB. Danach hat der biologische Vater eines Kindes ein Recht auf Umgang mit und Informationen über das Kind. § 1686 a BGB dient den Interessen der leiblichen Väter im Sinne des 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB, die wegen der sozialen Elternschaft eines rechtlichen Vaters kein Anfechtungsrecht haben (§ 1600 Abs. 2 BGB). In § 1686 a BGB ist bislang der Begriff der biologischen Vaterschaft nicht definiert. Erst in der Zusammenschau mit § 167a Abs. 1 FamFG wird deutlich, dass hier der biologische Vater gemeint ist, der der Mutter während der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt hat. Nachdem der Status des biologischen Samenspenders durch die beabsichtigte Gesetzesfassung nun ein anderer sein soll, ist die Vorschrift in ihrem rechtlichen Ausgangspunkt zu überdenken.

Festzustellen ist, dass der Gesetzgeber die Gelegenheit ungenutzt lässt, dem Kind die Möglichkeit einer statusunabhängigen Überprüfung der biologischen Vaterschaft eines vermuteten Vaters zu verschaffen. Das jedem Menschen zustehende Recht auf Kenntnis seiner Abstammung wird im Hinblick auf die Samenspende überzeugend geschützt und über einen Auskunftsanspruch abgesichert werden müssen. Die damit eröffnete Möglichkeit, sich statusunabhängig über die eigene Abstammung zu informieren, wird jedoch auf den Sonderfall der ärztlich unterstützten Samenspende in einer Einrichtung beschränkt.

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung vom 19. April 2016 (BVerfG, Aktenzeichen: 1 BvR 3309/13) angemerkt, dass die Entscheidung des Gesetzgebers, ein statusunabhängiges Klärungsverfahren nur dem biologischen Vater, nicht jedoch dem Kind zur Verfügung zu stellen, nicht beanstandet werden kann.

Mit Recht betont aber der Entwurf, dass das Grundrecht auf Kenntnis der eigenen Abstammung wegen der tiefgreifenden persönlichen Implikationen im Abwägungsergebnis die beteiligten Interessen der rechtlichen oder biologischen Eltern überwiegen kann. Die Beschränkung der staatlich gewährleisteten Informationsrechte auf Fälle einer (bestimmten) Samenspende und einer damit einhergehenden abstammungsrechtlichen Sonderstellung des biologischen Vaters könnte als ein Fall der Ungleichbehandlung angesehen werden, weil nun Kinder in vergleichbaren Abstammungssituationen unterschiedliche Möglichkeiten erhalten, die Person des biologischen Vaters feststellen zu lassen.

III.

Mit Blick auf angedachte (grundsätzliche) Reformen erscheint es – zusammenfassend – nicht angezeigt, das Abstammungsrecht im Wege einer Insellösung nur in Teilbereichen einer Änderung zuzuführen.

 

Ramona Pisal 
Präsidentin     

Brigitte Meyer-Wehage
Vorsitzende der Kommission Zivil-, Familien- und Erbrecht,
Recht anderer Lebensgemeinschaften