Stellungnahme: 13-05


zu den Entwürfen eines Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt

Stellungnahme vom

Öffentliche Anhörung im Bundestagsausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 13. Mai 2013

I.

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) bedankt sich für die Möglichkeit, in Vorbereitung der Sachverständigenanhörung zum Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt am 13. Mai 2013 Stellung nehmen zu können.

Der djb hat sich in der Vergangenheit kritisch zur vertraulichen Geburt geäußert. In der Stellungnahme vom 30. Mai 2001 sind diese Kritikpunkte vor allem an den beabsichtigten Änderungen des Meldegesetzes festgemacht worden. Die im aktuellen Entwurf beabsichtigten Regelungen tragen dieser Kritik Rechnung. Die Kliniken sind nun von einer Auskunfts- und Nachweispflicht befreit (§ 10 Abs. 4 Personenstandsgesetz-E). Sie müssen zwar die Geburt des Kindes melden (§ 20 Personenstandsgesetz), sind aber im Übrigen nur verpflichtet, das Pseudonym der Mutter und die gewünschten Vornamen anzugeben. Das vermeidet die Risiken, die mit den ursprünglich verfolgten Erweiterungen der Meldefristen einhergingen, insbesondere die Gefahr eines grauen Adoptionsmarktes.

In der Stellungnahme vom 30. Mai 2001 hat der djb auch hervorgehoben, dass sich die bestehenden Angebote zur anonymen Geburt und der Babyklappe als Anreiz dafür auswirken könnten, Kinder auszusetzen. Die Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) „Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland“[1] hat dies nicht bestätigt, denn trotz eines Ausbaus der Möglichkeiten zur anonymen Geburt sind die absoluten Fallzahlen nicht gestiegen. Die Studie hat auch ergeben, dass die absolute Zahl tot oder lebend aufgefundener, nach der Geburt ausgesetzter Kinder sich nicht verändert hat.

Richtigerweise konzentriert sich das Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt deswegen darauf, mit einem niedrigschwelligen Angebot die betroffenen Schwangeren zu einer Beratung einzuladen und damit die Chancen auf eine medizinisch begleitete Geburt zu erhöhen. Die notwendigen flankierenden Maßnahmen zur Unterstützung betroffener Frauen sind noch ergänzungsbedürftig. Das Verfahren der vertraulichen Geburt sieht nun wohl keinen Beratungsmarathon mehr vor; nach der nunmehr geplanten Fassung der §§ 25 ff. SchwKG-E ist zu erwarten, dass die Schwangere die notwendigen Angaben anlässlich der ersten Beratung machen kann.

Das Angebot der vertraulichen Geburt – darauf hat der djb in der Vergangenheit wiederholt hingewiesen – muss daraufhin überprüft werden, ob die Anzahl der Kinder, die ohne Kenntnis ihrer Herkunft aufwachsen, durch einen damit verbundenen Fehlanreiz steigt. Da die gesetzliche Regelung eines die Frauen und Kinder schützenden legalen Angebots letztlich unausweichlich ist, weil die mit der bisherigen rechtlichen Grauzone verbundenen Risiken unvertretbar sind, ist der beabsichtigte Gesetzentwurf im Ergebnis zu begrüßen. Allerdings hält der djb es für ebenso unabdingbar, dass die zeitnahe Evaluation der Entwicklung in das Gesetz aufgenommen wird.

II.

Die folgende Stellungnahme orientiert sich am Fragenkatalog, der in Vorbereitung der Anhörung übersandt worden ist.

1. Allgemeine Fragen zum Gesetzentwurf zur vertraulichen Geburt

a) Sind die Ergebnisse der Studie des Deutschen Jugendinstituts „Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland“ im Gesetzentwurf berücksichtigt?

Nach Auffassung des djb berücksichtigt der Gesetzentwurf die Ergebnisse der Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI)„Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland“ (DJI)[2]. Die Studie hat ergeben, dass die betroffenen Frauen vor allem für ein niedrigschwelliges Angebot offen sein werden und dass sie Informationen über Wege zu einer Geburt ihres Kindes suchen, die eine Offenbarung der Schwangerschaft und Geburt in ihrem näheren sozialen Umfeld meidet. Die Einrichtung einer 24-Stunden Hotline ist in diesem Zusammenhang sehr zu begrüßen, denn die Schwangeren suchen oftmals auch verzweifelt nach einem Weg, das noch ungeborene Leben zu schützen, sie haben außerdem Angst vor einer Alleingeburt. Eine jederzeit erreichbare Person, die die Mütter hier über das Hilfsangebot informiert, dürfte daher dem Ziel des Gesetzes, medizinisch begleitete Geburten zu ermöglichen, sehr dienlich sein. Der djb regt zusätzlich an, dass die Forderung des DJI nach einem Internetauftritt umgesetzt wird (S. 294 f. der DJI-Studie), z.B. das BMFSFJ etwa auf seiner Homepage einen Leitfaden veröffentlicht, der den betroffenen Frauen erste Einblicke in ihre Möglichkeiten bei einer Internetrecherche eröffnet. Denn das Internet scheint sich als Informationsmedium hier in jeder Hinsicht zu bewähren und die Hemmschwelle ist hier am leichtesten zu überwinden.

Zweifel bestehen nach Auffassung des djb, ob die in der DJI-Studie hervorgehobenen Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den beteiligten Institutionen ausreichend berücksichtigt worden sind. Vor allem das bei den Jugendämtern bestehende Meinungsbild, die Anbieter anonymer Geburten bzw. der Babyklappen handelten rechtswidrig oder gar strafwürdig (S. 13, 100 ff. der DJI-Studie), wird zu wenig berücksichtigt. Insofern wäre eine Klarstellung z.B. in § 29 E-SchKflG wünschenswert, dass jede geburtshilfliche medizinische Einrichtung berechtigt ist, vertrauliche Geburten durchzuführen. Nach Auffassung des djb muss im Interesse einer medizinisch begleiteten Geburt zweifelsfrei festgehalten werden, dass eine geburtshilfliche Klinik ihre Hilfe bei der Geburt nicht davon abhängig machen muss, dass die Schwangere ihre Identität offenbart. Ebenfalls wäre wünschenswert, dass die Aufgaben des Jugendamts genauer umschrieben werden; derzeit wird das Jugendamt nur nach § 26 Abs. 5 SchwKflG darüber informiert, dass eine vertrauliche Geburt ansteht. Das Jugendamt sollte enger in die Betreuung des Kindes nach der Geburt eingebunden werden.

b) Macht der Gesetzentwurf ein Angebot, das geeignet ist, die Zielgruppe (Frauen, die ihr Kind sonst anonym abgegeben, ausgesetzt oder getötet hätten) zu erreichen?

Nach den statistischen Meta-Erhebungen der Studie sind Frauen, die eine Kindesaussetzung (ggf. verbunden mit der Gefahr des Todes des Kindes) nach der Geburt vornehmen oder die ihr Kind unmittelbar nach der Geburt töten, mit den bisherigen Angeboten kaum zu erreichen gewesen. Das schließt die Studie daraus, dass trotz des seit 1999 deutlich erweiterten Angebots zur anonymen Geburt bzw. der anonymen Übergabe oder Ablage des Kindes in einer Babyklappe die absoluten Zahlen der lebend oder tot aufgefundenen, ausgesetzten Säuglinge konstant geblieben ist (S. 39 ff. DJI-Studie).

Nach Auffassung des djb ist deswegen nur sehr eingeschränkt zu vermuten, dass Kindstötungen oder Aussetzungen verhindert werden können. Dass könnte auch an der bestehenden Praxis liegen, weshalb der djb empfiehlt, gesetzgeberische Sorge für eine Aufklärung zu tragen, welche Hilfsangebote die betroffenen Frauen in der von ihnen als ausweglos empfundenen Situation der unerwarteten Schwangerschaft wahrnehmen können. Da sowohl die anonyme Geburt als auch die Babyklappen derzeit in einer rechtlichen Grauzone agieren, haben die Anbieter weitgehend darauf verzichtet, ihre Angebote zu öffentlich zu machen. Eine „Werbung“ scheidet nach Auffassung der meisten Träger aus ethischen Gründen aus. Oft ist nur regional bekannt, welche Möglichkeiten es gibt. Da gleichzeitig Einigkeit besteht, dass gerade die Information betroffener Frauen der beste Weg dafür ist, das Leben der Mutter und des Kindes zu schützen und die Frau zu ermutigen, sich medizinischer Hilfe bei der Geburt zu vergewissern, könnte die plakative Veröffentlichung einer Notrufnummer dazu beitragen, mehr Frauen zu erreichen. Dazu kommt, dass die Geburtskliniken in den Stand gesetzt werden, jeder hilfesuchenden Frau unter der Geburt Vertraulichkeit anzubieten. Da eine vorherige Beratung gerade nicht Voraussetzung dafür ist, sondern auch nachgeholt werden kann (§ 29 Abs. 1, 3, § 30 SchwKG-E), ist eine niedrigschwellige Lösung vorgesehen, die viele Frauen erreichen kann.

c) Werden die Rechte der biologischen Väter bzw. die Elternrechte sowie die Kinderrechte durch die Regelungen zur vertraulichen Geburt entsprechend gewahrt oder gibt es hier aus Ihrer Sicht noch Änderungs- bzw. Ergänzungsbedarf?

Der Gesetzentwurf nimmt die biologischen (und rechtlichen) Väter explizit kaum in den Blick. Die Frage, wie sich deren Rechte unter Berücksichtigung der Zielvorstellungen des Gesetzentwurfs überhaupt realistisch einbeziehen lassen, ist allerdings auch besonders kritisch zu sehen. Denn die Väter gehören letztlich nach der Erhebung des DJI zum Kernbereich der Personen, denen gegenüber die Mütter Geheimhaltung für wichtig erachten (S. 147 DJI-Studie). Dazu kommt, dass der biologische Vater der Mutter nicht zwingend bekannt sein muss und dass in anderen Fällen das Auseinanderfallen von rechtlicher (ehelicher) Vaterschaft und biologischer Vaterschaft gerade der Grund für die verzweifelte Lage der betroffenen Frauen darstellt.

Nach Auffassung des djb ist es nicht möglich, die Väter gegen den Willen der betroffenen Frauen in das Verfahren einzubinden, weil damit das Angebot der vertraulichen Geburt von Anfang an entanonymisiert würde. Im Interesse des Schutzes der Frauen und Kinder muss dieses Ergebnis hingenommen werden. Allerdings werden die Väter in ihren Rechten im Ergebnis geschützt, wenn ein legales Angebot der vertraulichen Geburt sich etabliert, weil die Studie auch zeigt, dass eine ergebnisoffene Beratung den Frauen am ehesten den Weg dahin öffnet, sich aus der zunächst gewünschten Anonymität herauszubegeben und eine gemeinsame Lebensplanung mit dem Kind zu beginnen. Damit führt das Konzept der vertraulichen Geburt zum Teil dazu, dass die Väter sich in die Verantwortlichkeit für das Kind einbringen können. Gleiches gilt für die Entkriminalisierung der künftig geduldeten Ablage eines Säuglings in einer Babyklappe oder einer anonymen Übergabe. Hier steht der in der Regel wünschenswerten Rückführung des Kindes in die Obhut der Mutter zurzeit noch die Angst vor Bestrafung im Wege.

Der djb ist allerdings auch der Meinung, dass das Beratungsgespräch die Mütter nicht nur über Rechte der Väter informieren sollte (§ 25 Abs. 2 Nr. 3 SchwKG-E), sondern auch über deren Pflichten im Fall der späteren Entscheidung für eine Aufgabe der Vertraulichkeit. Die Erhebung des DIJ zeigt, dass 30% der Frauen sich recht kurzfristig für ein Leben mit ihrem Kind entscheiden. Einigkeit besteht unter den betroffenen Institutionen, dass die Beratung der Frauen über Hilfestellungen hier bestärkend wirken kann, wobei auch und vor allem finanzielle Hilfen eine Rolle spielen. Es leuchtet dem djb nicht ein, dass im Spannungsfeld zwischen Vertraulichkeit und dem Recht eines Vaters auf Kenntnis der Geburt eines Kindes seine Pflichten ausgeblendet werden. Denn die Unterhaltspflichten dem Kind und der Mutter gegenüber können gerade bei nichtehelichen Geburten die überbordenden Existenzängste der Frauen eindämmen.

Das besondere Elternrecht der Mutter im Sinne des Art. 6 Abs. 4 Grundgesetz wird durch das niedrigschwellige Angebot einer unzweifelhaft legalen Möglichkeit der vertraulichen Geburt geschützt. Die Mutter kann in einem geregelten Verfahren ohne Angst vor Strafverfolgung Entscheidungen treffen – aber auch revidieren. Damit stellt die beabsichtigte Gesetzesfassung eine deutliche bessere Umsetzung der staatlichen Pflicht dar, Müttern Schutz und Fürsorge angedeihen zu lassen.

Bezüglich der Rechte der Kinder beinhaltet der Entwurf ein im Kern dem Adoptionsrecht nachgebildetes Konzept, das es den Kindern nach Erreichen des 16. Lebensjahres ermöglicht, die Herkunft in einem rechtsstaatlichen Verfahren nachzufragen. Diese für adoptierte Kinder grundsätzlich als ausreichend angesehene Option, ihrem berechtigten Interesse an Wissen um ihre Abstammung nachzukommen, ist auch für Kinder ausreichend, die vertraulich geboren worden sind. Die Einschränkungen aus dem Widerspruchsrecht der betroffenen Mütter stellen eine Besonderheit her, die sich als unumgänglich erweist, um den geschützten Raum herzustellen, der für die Kinder im Rahmen einer vertraulichen Geburt geschaffen wird.

2. Freigabe der Daten der Mutter/Widerspruchsrecht

a) Ist das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft in dem Gesetzentwurf grundsätzlich angemessen berücksichtigt und speziell vor dem Hintergrund der vorgesehenen Widerspruchsregelungen und wie beurteilen Sie diese?

Das Kind hat nach dem Entwurf ein Recht auf Kenntnis seiner Abstammung; die Abstammung vom Vater bleibt möglicherweise allein deswegen ungeklärt, weil die Mutter ihn bereits in den schriftlichen Unterlagen als „unbekannt“ aufnehmen lässt. Das Recht des Kindes, seine Herkunft väterlicherseits klären zu können, ist damit aber nicht besser oder schlechter ausgestaltet als das Recht eines nichtehelichen Kindes, das unter Angabe aller Daten geboren wird. Denn auch hier sind die Offenbarungspflichten der Mütter faktisch eingegrenzt (vgl. nur BVerfG 1. Senat, Beschluss vom 6.5.1997 zu 1 BvR 409/90, zitiert nach Juris).

Der Gesetzentwurf geht nun in § 31 Abs. 2 SchwKG-E davon aus, dass eine Mutter nach 15 Jahren aktiv werden muss, um eine Einsicht des Kindes in die beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben verwahrten Unterlagen zu verhindern. Damit dürfte wegen des weiten zeitlichen Abstands zwischen Geburt und Einsichtnahmemöglichkeit eher selten davon auszugehen sein, dass das Einsichtsrecht Frauen von einer vertraulichen Geburt abhält. Denn aus der Perspektive der Gebärenden vergeht bis dahin eine sehr lange Zeit. Außerdem kann ihr die Zusage gemacht werden, dass sie einer Einsichtnahme berechtigte Interessen entgegenhalten könne (§ 31 Abs. 2 SchwKG-E). Da die Studie des DIJ zeigt, dass der Geheimhaltungswunsch dem Kind gegenüber am geringsten ausgeprägt ist (S. 15, 160), besteht auch eine Aussicht darauf, dass die Mütter eher selten ein Einspruchsrecht geltend machen werden.

Der djb hatte in seiner Stellungnahme vom 26. November 2012 darauf hingewiesen, dass dem Kindeswohl nicht hinreichend Rechnung getragen wird, wenn das Widerspruchsrecht der Mutter endgültig die Einsichtnahme verhindert. Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass in dem nun nach § 32 SchwKflG-E vorgesehenen familiengerichtlichen Verfahren für das Kind eine Möglichkeit eingeräumt wird, auch gegen den Willen der Mutter Einsicht zu erhalten; die beiderseits bestehenden Interessen werden gegeneinander abgewogen werden können.

Diese notwendige Abwägung mit Interessen der Mutter ist zwar möglicherweise Ursache dafür, dass die Abstammung dauerhaft ungeklärt bleibt. Allerdings werden hier Gründe, die auch nach 16 Jahren noch die Geheimhaltungsinteressen der Mutter stärker wirken lassen als den berechtigten Wunsch des Kindes nach Kenntnis um seine Abstammung, kommuniziert werden müssen. Das kann für das Kind eine Entlastung darstellen, weil es aktuell über valide Gründe für die Geheimhaltung informiert wird. So wird es beispielsweise bei fortbestehender Gefahr für Leib und Leben der Mutter unwahrscheinlich sein, dass die Anonymität der Mutter aufgehoben wird – hier wird das Kind jedoch auch am ehesten Verständnis für die Haltung der Mutter aufbringen können.

Von daher ist nach Auffassung des djb die familiengerichtlich überprüfbare Widerspruchslösung auch vor dem Hintergrund der Interessen des Kindes eine angemessene Lösung für ein bestehendes Problem, das bislang durch absolute Anonymität stärker wirkt.

b) Wie bewerten Sie die vorgesehene familiengerichtliche Überprüfung des Widerspruchs auf Antrag des Kindes? Kann das dazu führen, dass die Mutter das Angebot der vertraulichen Geburt nicht wahrnimmt, weil sie Angst hat, dass ihre Anonymität aufgehoben wird? Kann das dazu führen, dass die Mutter auch für die Beratungs- und Hilfsangebote nicht erreichbar ist?

Nach der Studie des DIJ schätzen die beteiligten Institutionen das Geheimhaltungsbedürfnis der betroffenen Frauen gegenüber den Kindern im Verhältnis zu dem Geheimhaltungsinteresse den eigenen Eltern, dem Partner, dem sozialen Umfeld und dem Arbeitgeber gegenüber am geringsten ein (S. 15, 159 ff.). Findet die Beratung der betroffenen Frau vor der Geburt statt, dann sind die konkreten Hilfsangebote in der aktuellen Situation mit einer ebenso konkreten Entlastung und Erleichterung der Frau verbunden. Da eine anonyme Beratung vorgeschaltet ist (§ 2 Abs. 1 SchwKG) und die Beratungsperson die Gelegenheit nutzen kann, Vertrauen in das Verfahren der vertraulichen Geburt bei der Schwangeren zu wecken, dürfte kaum zu erwarten sein, dass die zeitlich sehr weit entfernte Möglichkeit der Einsichtnahme Frauen ernsthaft von dem – zugleich unterbreiteten – Hilfsangebot abhält.

c) Sind aus Ihrer Sicht die Regelungen zum Einsichtsrecht des Kindes in den Herkunftsnachweis ein ausgewogener Kompromiss zwischen dem Recht der Mutter auf Anonymität und dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft?

Der djb geht davon aus, dass die beabsichtigte Regelung eine ausgewogene Lösung darstellt. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die zitierte Studie des DJI aufzeigt, dass allein eine ergebnisoffene Beratung der Schwangeren dazu beiträgt, ihr einen Weg aus der Anonymität heraus zu ermöglichen (S. 292). Eine stärkere Betonung des Rechts des Kindes auf Abstammung, die in einer früheren Einsichtnahme in die Unterlagen verbunden sein könnte oder die keinen Widerspruch der Mutter vorsieht, wäre hier kontraproduktiv und würde Mütter in die rechtliche Grauzone der – nach dem Entwurf beizubehaltenden – Angebote der anonymen Geburt zurückverweisen. Eine stärkere Betonung des Rechts der Mutter auf – lebenslange – Anonymität würde dazu beitragen, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung unzumutbar beschnitten würde.

3. Verhältnis bzw. Umgang mit den Angeboten der anonymen Kindesabgabe (Babyklappen, anonyme Geburt etc.)

a) Was zeichnet das neue Modell der vertraulichen Geburt gegenüber den bestehenden Angeboten der anonymen Kindesabgabe aus?

Herausragender Unterschied ist zuerst die Legalität des geregelten Verfahrens der vertraulichen Geburt und damit die Möglichkeit der beteiligten Hilfesysteme, verlässliche Zusagen für die Schwangere zu machen. Die Entkriminalisierung des Vorgangs senkt die Hemmschwelle für die betroffenen Frauen ganz erheblich ab, was wiederum dazu beiträgt, dass die Geburt medizinisch begleitet, der Säugling mithin ärztlich und kompetent versorgt wird. Dazu kommt, dass mit der vertraulichen Geburt der Weg zu einem gemeinsamen Leben mit dem Kind geebnet wird, der offenbar für viele Frauen nach Abschluss des Geburtsvorgangs vorstellbar wird.

Diese Vorteile könnte eine gesetzliche Regelung der anonymen Geburt auch mit sich bringen. Allerdings können die Angebote zur anonymen Geburt die Rechte des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung nicht oder nur sehr schlecht gewährleisten. Das stellt aus der Perspektive des Kindes den ganz entscheidenden Vorteil im Gegensatz zu anonymen Geburten dar.

b) Wie wirkt sich die fehlende Kenntnis der eigenen Herkunft auf die Entwicklung einer Person aus?

Im rechtlichen Kontext ist die Kenntnis um die eigene Herkunft als Teil des Grundrechts der eigenen Persönlichkeit von überaus großer Bedeutung. Im Adoptionsrecht gehört es seit geraumer Zeit zum Standard, das Kind nicht in dem Glauben zu erziehen, die sozialen Eltern seien auch die leiblichen Eltern. Erfahrungen mit offenen Adoptionen zeigen auch, dass Kinder es nicht nur gut verkraften, die Person/en der leiblichen Mutter/Eltern zu kennen, sondern dass sie davon durchaus auch profitieren können. Schädlich scheint es in jedem Fall zu sein, wenn Kinder über die Abstammung getäuscht werden.

Im Rahmen der vertraulichen Geburt kann jedenfalls gewährleistet werden, dass Kinder nicht getäuscht werden müssen, weil mit der Verrechtlichung des Verfahrens einhergehen dürfte, dass auch Adoptiveltern offener mit der – ungewissen – Herkunft des Kindes umgehen können. Gelingt die Bindung im Rahmen der sozialen Elternschaft, dann ist es für das betroffene Kind zwar mit einiger Sicherheit schmerzlich, wegen berechtigter Widersprüche der leiblichen Mutter gegen die Einsichtnahme in den bei der Geburt verwahrten Umschlag mit den Angaben zur Identität nicht erfahren zu können, wer die Mutter ist. Allerdings geht der djb davon aus, dass allein aus einer Verweigerung heraus die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes nicht gravierend gestört werden kann, sondern dass hier weitere Faktoren hinzukommen müssen.

c) Inwieweit ist es aus Ihrer Sicht vertretbar, dass der Gesetzentwurf zur Regelung der vertraulichen Geburt ausdrücklich die anonyme Geburt und die Babyklappen bestehen lässt und für diese lediglich eine Evaluierung vorsieht, und erhält mit dieser Duldung der rechtlichen „Grauzone“ der anonymen Geburt und der anonymen Kindesabgabe durch den Gesetzgeber diese selbst einen anderen Stellenwert, womit ggf. auch Auswirkungen auf die Zielsetzung der Regelung der vertraulichen Geburt verbunden sein könnten?

Hier dürfte zwischen dem Angebot auf anonyme Geburt und Babyklappen zu differenzieren sein:

Das Angebot der anonymen Geburt dürfte sich mit der Regelung der vertraulichen Geburt weitestgehend überschneiden; die bisherigen „Anbieter“ anonymer Geburten können als geburtshilfliche Einrichtungen tätig werden und die Beratung zur vertraulichen Geburt anbieten. Hier könnte das Fortbestehen des Angebots der anonymen Geburt das – aus Sicht des Kindes vorzuziehende – Konzept der vertraulichen Geburt stören. Das gilt nicht für Babyklappen, die aller Wahrscheinlichkeit nach von nicht beratenen oder beratungsfernen Frauen genutzt werden.

Da sich die Studie des DJI bezüglich der anonymen Geburten und Ablagen der Kinder in Babyklappen letztlich auf Vermutungen beschränken muss, was die Motive der betroffenen Frauen angeht, scheint es unumgänglich, wenigstens während der Evaluationsphase die Babyklappen und Angebote einer anonymen Geburt nicht zu verbieten. Das mit einem solchen Verbot einhergehende Risiko, dass betroffene Frauen den Weg in die medizinisch für Kind und Mutter unvertretbar riskante Alleingeburt mit nachfolgender Ablage des Kindes an gefährlichen Orten einschlagen, wäre zu hoch. Die Erwartung, dass die Notfallnummer und die Beratung in den qualifizierten Beratungsstellen den „Bedarf“ für diese Möglichkeiten auf Dauer senken wird, ist nach Auffassung des djb realistisch, da erstmals die Chance besteht, die breite Öffentlichkeit auf diese Hilfsangebote aufmerksam zu machen. Die Information wird indes nur langsam in das Bewusstsein der Bevölkerung eindringen. In dieser Zeit sollten bestehende Hilfsangebote – vor allem das Hilfsangebot der Babyklappen – nicht ersatzlos gestrichen werden.

d) Die vertrauliche Geburt ist als zusätzliches Angebot zur bisherigen Praxis der anonymen Geburt konzipiert. Macht der Gesetzentwurf hinreichend deutlich, dass nicht beabsichtigt ist, die anonyme Geburt im Krankenhaus nicht mehr zu dulden?

Der djb geht davon aus, dass die alternative Möglichkeit, straffrei anonym ein Kind zu bekommen, weil der Gesetzgeber eine stillschweigende Duldung aufnimmt, nicht hinreichend deutlich wird. Es kann daher auch zukünftig zu den in der Studie des DJI angedeuteten Konflikten zwischen den Institutionen kommen. Hier sind in der Vergangenheit Strafanzeigen gegen Krankenhäuser oder Hilfspersonen erstattet worden, Standesbeamte haben Geburtseinträge verweigert etc. Da nur die Begründung des Gesetzentwurfs die Duldung ausspricht, werden diese Probleme – die sich wegen der Angst vor Strafe oder Sanktion auch auf betroffene Frauen auswirken – nicht ausgeräumt werden können.

Das Nebeneinander zwischen vertraulicher Geburt und den bisher bestehenden Angeboten zur anonymen Geburt und Babyklappe ist jedoch ohnehin kritisch zu hinterfragen. Zur Wahrung des Kindesrechts ist es vorzuziehen, wenn die vertrauliche Geburt den betroffenen Frauen, die überhaupt mit einer Beratung erreicht werden, als der (einzige) legale Weg für die Entbindung und Weggabe des Kindes bekannt gemacht wird. Deswegen ist es nach Auffassung des djb nicht erforderlich und auch nicht wünschenswert, das faktische Nebeneinander des Angebots der gesetzlich geregelten vertraulichen Geburt und der straffreien Bereitstellung von Babyklappen und anonymen Geburten deutlicher herauszustellen. Das dürfte eher dazu führen, dass die beteiligten Beratungspersonen irritiert werden. Der djb hält es vor allem für notwendig, die rechtliche Situation der aus einer anonymen Geburt stammenden Kinder verbindlich zu regeln, damit die Gefahren eines grauen Adoptionsmarktes gemieden werden. Der Gesetzentwurf ist insoweit noch nicht weitreichend genug. Deswegen kann – im Interesse der betroffenen Frau – nur der Vorgang der anonymen Geburt und das Ablegen des Kindes in einer Babyklappe als nicht strafbar und legal bezeichnet werden.

e) Ermöglicht der Gesetzentwurf weiterhin die Tätigkeit der Betreiber von Babyklappen oder werden sie in ihrer Arbeit eingeschränkt?

Die Regelung der vertraulichen Geburt kann bei den beteiligten Institutionen den Eindruck erwecken, Babyklappen seien nicht legal. Der Gesetzentwurf bietet allerdings für eine solche Annahme keine Anhaltspunkte. Die rechtliche Grauzone, in der Babyklappen letztlich die Straftat der gefährdenden Aussetzung des hilflosen Kindes verhindern, bleibt bestehen –allerdings ist bislang auch anerkannt, dass eine strafrechtliche Verfolgung der Betreiber ausscheidet.

4. Mindeststandards für den Betrieb von Babyklappen

a) Sollte aus Ihrer Sicht der Gesetzgeber, wenn er die Duldung von Babyklappen zunächst weiter vorsieht, nicht zwingend bestimmte Qualitätsstandards und Verfahren für die Betreiber einführen und welche müssten dies sein?

Der djb geht davon aus, dass die bestehende Kritik an den Babyklappen, die vor allem das Nachfeld der Versorgung und Adoptionsvermittlung eines Kindes betrifft, dahin umgesetzt werden muss, dass Bedenken an diesem Angebot ausgeräumt werden. Die für die vertrauliche Geburt vorgesehenen Regelungen hinsichtlich des weiteren Verfahrens für das betroffene Kind könnten ohne weiteres auf Kinder übertragen werden, die in einer Babyklappe abgelegt (oder anonym übergeben) werden. Hier sind Standards einzuführen, die im Sinne des Kindeswohles sicherstellen, dass das Kind unter Einhaltung der bestehenden Schutzregelungen in Obhut genommen und ggf. einer Adoption zugeführt werden kann; es sind außerdem Standards dazu einzuführen, wie eine Mutter die Rückgabe des Kindes bewirken kann. Bislang wird unter Verwendung eines in der Babyklappe abgelegten Erkennungsmerkmals (Puzzleteilchen o.Ä.) ein Identitätsnachweis versucht. Hier ist zwingend zu fordern, dass ein DNA-Abgleich stattfindet.

b) Im Referentenentwurf war eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorgesehen, um Verbesserungen bei der Qualitätssicherung der vorhandenen Babyklappen (Mindeststandards) zu erreichen. Im vorliegenden Gesetzentwurf wird dagegen nicht mehr erwähnt, ob/wie Mindeststandards geschaffen werden sollen. Sind solche Standards sinnvoll? Wie könnten sie etabliert und kontrolliert werden?

Beim technischen Betrieb der Babyklappen ist in der Vergangenheit wohl keinerlei Gefährdung für Kinder sichtbar geworden, im Gegenteil sind die technischen Vorkehrungen hier offenkundig auf der Basis der karitativen Tätigkeit der Betreiber sorgfältig gewartet worden. Da der Betreiber strafrechtlich betrachtet eine Garantenstellung für ein Kind innehat, das abgelegt wird (§ 13 Abs. 1 StGB), und damit die Strafdrohung fahrlässiger Tötung durch Unterlassen bei Fehlbetrieb im Raum steht, scheinen Qualitätsstandards für das Betreiben nicht zwingend notwendig zu sein. Auch Verletzungen des Persönlichkeitsrechts des Kindes durch eine zeitnahe Öffentlichmachung einer Aufnahme haben sich offenbar nur sehr selten und – soweit aus der zitierten Studie ersichtlich – vor geraumer Zeit ereignet. Von daher ist – auch angesichts der äußerst geringen Zahl der abgelegten Kinder – die Einsetzung einer Arbeitsgruppe derzeit nicht notwendig. Denn die Ergebnisse der Studien lassen sich hier auch dahin verwerten, dass notwendige Standards ohne die Einsetzung einer Arbeitsgruppe festgehalten werden.

5. Fortbildung der Beratungsfachkräfte/Zusammenarbeit der beteiligten Institutionen

a) Welche Standards sollten unbedingt in den Fortbildungen für die Beratungskräfte hinsichtlich der Zusammenarbeit von Schwangerschaftsberatungsstellen mit Adoptions- und Pflegekinderdiensten entwickelt werden?

Die Beratungskräfte müssen vor allem Sicherheit in der ergebnisoffenen und gleichzeitig die Abläufe der vertraulichen Geburt beherrschenden Beratung erlangen. Die Studie des DJI zeigt vor allem, dass die vor Ort gut vernetzten Institutionen am wirksamsten für die Schwangeren arbeiten konnten.

Schon jetzt gehört die Information über den Ablauf einer Adoption in den Beratungskanon nach § 2 SchwKG. Die Schwangere hat einen Anspruch auf Informationen zu den rechtlichen und psychologischen Gesichtspunkten im Zusammenhang mit einer Adoption. Hier muss sichergestellt sein, dass die von den Landesjugendämtern vorgehaltenen Informationen rezipiert werden. Im Übrigen ist die Organisation der Adoptionsdienste und Pflegekinderdienste regional sehr unterschiedlich. Elementar wichtig dürfte die Kenntnis der im Adoptionsvermittlungsgesetz enthaltenen Schutzvorschriften sein, so z.B. § 5 AdVermG, der die Adoptionsvermittlung anderen als den zertifizierten Stellen untersagt. Ebenso notwendig dürfte es sein, den beratenden Personen das Pflegekindverhältnis in seinen rechtlichen Grundzügen – wie z.B. eine Verbleibensanordnung nach § 1632 BGB zu verlangen – zu vermitteln.

b) Wie soll die Zusammenarbeit mit einer „mobilen“ Fachkraft erfolgen, wenn eine Schwangerschaftsberatungsstelle keine eigene qualifizierte Beraterin für die vertrauliche Geburt hat und wie wird dieser Einsatz finanziert? Ist es ausreichend, wenn nur jede vierte Schwangerschaftsberatungsstelle an einer Qualifikation teilnimmt?

Die absolute Zahl der betroffenen Geburten ist bundesweit sehr gering. Gleichzeitig wird bundesweit eine Notfallnummer eingerichtet. Deswegen sollte die Kompetenz der Berater/innen dieser Notfallnummer genutzt und mit der „mobilen Fachkraft“ vernetzt werden. Da die Ansprechpartner der Notfallnummer ohnehin die Kontaktdaten aller verfügbaren qualifizierten Stellen vorrätig halten müssen, sollte das Notfallangebot dahin ausgeweitet werden, dass die nicht qualifizierten Schwangerschaftsberatungstellen sich dorthin wenden können, um Kontaktdaten zu erhalten. „Mobile“ Fachkräfte, die für einen bestimmten räumlichen Aufgabenbereich zuständig sein können, könnten auf diese Art und Weise erreichbar sein. Denkbar ist auch, der betroffenen Schwangeren auf diese Art und Weise die Möglichkeit zu geben, selbst mit der/dem zuständigen „mobilen“ Berater/in Kontakt aufzunehmen.

Angesichts der geringen Anzahl betroffener Geburten im Jahr kann der Kostenaufwand für derartige mobile Beratungskräfte nicht zu hoch sein. Die Kosten sollte der Bund tragen, denn die Verantwortlichkeit eines Bundeslandes kann nur über den (unbekannten) Wohnsitz der beratenen Schwangeren hergestellt werden.

c) Wie kann das Gesetz aus Sicht der Schwangerschaftsberatungsstellen erfolgreich umgesetzt und die Kooperationen mit den Kliniken sowie den Jugendämtern entwickelt werden?

Schwangerschaftsberatungsstellen sollten ermutigt werden, vorsorglich mit geburtshilflichen Einrichtungen vor Ort, den Jugendämtern und den Familiengerichten einen Kontakt anzubahnen. Hier sollten Vereinbarungen für Abläufe verbindlich festgehalten werden, damit nicht im konkreten Fall, der möglicherweise mit erheblicher Zeitnot abgehandelt werden muss, erstmals kommuniziert wird.

Eine erfolgreiche Umsetzung setzt vor allem voraus, dass die beteiligten Institutionen geeignet und niedrigschwellig informiert werden. Das vom DJI angeregte Internetportal sollte einen Leitfaden zum Umgang mit dem Wunsch auf vertrauliche Geburt verfügbar halten, der die Abläufe für die geburtshilflichen Abteilungen, die Hebammen, die Jugendämter, die Polizeibehörden, die Familiengerichte und die Standesämter übersichtlich zusammenstellt. Dieser Leitfaden kann als jederzeit verfügbares und valides Informationsmedium auch dazu beitragen, diese Abläufe aktuell abzufragen, wenn der – statistisch seltene – Fall einer vertraulichen Geburt eintritt.

Redaktionelle Beiträge in den Fachpublikationen der genannten beteiligten Kreise (Mitteilungen der Ärztekammern, DIJuF etc.) könnten unterstützend die Anfangsphase des Gesetzes begleiten.

6. Einbindung der außerklinischen Geburtshilfe

Wie sollen Hebammen, die im häuslichen Umfeld arbeiten, in das Angebot eingebunden werden? Wie kann die Anonymität bei Hausgeburten gewahrt bleiben? Wie sollen die Hebammen abgesichert werden – sowohl finanziell als auch rechtlich, insbesondere im Falle einer anonymen Hausgeburt?

Im Rahmen einer Hausgeburt im eigenen Haus der Schwangeren sind der Hebamme die Kontaktdaten bekannt, gleichzeitig steht sie nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 Personenstandsgesetz derzeit in der Pflicht, die Geburt des Kindes dem Standesamt anzuzeigen. Ist eine vertrauliche Geburt bei ihr angemeldet (§ 26 Abs. 4 SchwKflG-E), dann entfällt diese Verpflichtung nach § 10 Abs. 4 Personenstandsgesetz. Die finanzielle Absicherung der Hebamme erfolgt bei der vertraulichen Geburt wie in den Kliniken: Die Hebamme erhält eine Vergütung durch das Bundesland, in dem die Geburt stattgefunden hat (§ 34 SchwKflG–E). Nach der Stellungnahme des Bundesrats ist hier möglicherweise auch eine andere zentrale Kostenstelle in der Pflicht. Hier ist allerdings mit dem Bundesrat kritisch zu hinterfragen, wie der Nachweis dazu gelingen soll, dass die Schwangere ihren Wohnsitz in dem angefragten Bundesland hat; bedeutend praktikabler dürfte es sein, statt auf den Wohnsitz der Mutter auf den Ort der Entbindung abzustellen.

7. Evaluation

a) Wann sollte eine erste Evaluation des Angebots vertraulicher Geburt erfolgen und ist es möglich, daraus Rückschlüsse für Standards für das Betreiben von Babyklappen zu entwickeln?

Der Gesetzentwurf sieht in Art. 8 vor, dass nach drei Jahren eine erste Evaluation vorgenommen werden soll. Das ist wegen der geringen absoluten Fallzahlen wohl der frühestmögliche Zeitpunkt, belastbare Zahlen verwerten zu können. Allerdings sollte dennoch nicht länger abgewartet werden. Denn das Konzept der vertraulichen Geburt steht in dieser Zeit in Konkurrenz mit den – weiterbestehenden – Angeboten zur anonymen Geburt und den Babyklappen. Nach Auffassung des djb sollte die Annahme des Angebots zeitnah evaluiert werden, damit ebenso zeitnah die aus der Perspektive der betroffenen Kinder vorzuziehende vertrauliche Geburt sich als Standardmethode für betroffene Frauen in Not etabliert.

b) Die Studie des Deutschen Jugendinstituts hat deutlich gezeigt, dass es keine Datensicherheit gibt, sowohl was die Abgabe von Kindern betrifft (Babyklappe, anonyme Übergabe) als auch die anonym Geborenen sowie die getöteten Kinder. Wie kann eine verbesserte Datenlage erlangt werden?

Erforderlich wäre hier die bereits angeregte gesetzliche Regelung der Abläufe um das Kind herum (medizinische Versorgung, Information des Jugendamts, Anmeldung beim Standesamt, Inobhutnahme des Kindes) nach erfolgter anonymer Geburt oder Ablage des Kindes in einer Babyklappe. Damit wäre eine Datenerfassung für diese Kinder über die üblichen Wege gewährleistet.

8. Ruhen des Sorgerechts ab Geburt

Ist aus Ihrer Sicht die Regelung zur elterlichen Sorge (Neueinfügung eines § 1674a BGB), die das sofortige Ruhen der elterlichen Sorge nach der Geburt des Kindes vorsieht, sachgerecht?

§ 1674 a BGB-E stellt in einem ersten Schritt das Ruhen der elterlichen Sorge her, ohne dass – wie nach § 1674 BGB notwendig – ein familiengerichtlicher Beschluss ergeht, der das Ruhen der elterlichen Sorge feststellt. Damit ist für ehelich geborene Kinder jedoch nur eine Teillösung zur elterlichen Sorge verbunden, denn der eheliche Vater des Kindes ist nach §§ 1592 Nr. 1, 1626 BGB mit der Geburt des Kindes sorgeberechtigt. Deswegen wird bei den vertraulich geborenen Kindern mit dem geplanten § 1674 a BGB-E nicht zu vermeiden sein, dass die elterliche Sorge nach dem Automatismus des § 1675 BGB allein von dem ehelichen Vater ausgeübt wird. Da ein tatsächliches Hindernis im Sinne des § 1674 BGB vorliegt, weil der eheliche Vater von der Geburt seines Kindes keine Kenntnis hat, wäre ein familiengerichtlicher Beschluss notwendig, um das Ruhen seiner elterlichen Sorge festzustellen.

Damit ist die Einfügung des § 1674 a BGB nur bedingt praktikabel, denn die Ehelichkeit eines vertraulich geborenen Kindes kann nicht ausgeschlossen werden. Die Begründung zu diesem Teil des Entwurfs stellt als entscheidenden Vorteil in den Vordergrund, dass die Mutter des Kindes das Ruhen der elterlichen Sorge beenden kann, wenn sie die Angaben zu ihrer Person nachholt; dann kann und soll die/der zuständige Rechtspfleger/in das Verfahren an die/den Richter/in abgeben, damit die Notwendigkeit von flankierenden Maßnahmen und Hilfestellungen nach §§ 1666, 1666 a BGB geprüft werden kann. Es leuchtet nicht recht ein, warum das Familiengericht nicht sogleich – wie bisher – mit der Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge beider Eltern betraut wird. Das führt gerade bei der in jedem Fall vorerst notwendigen Vormundbestellung im Sinne des § 1773 Abs. 1 BGB zu einer klaren Sorgerechtslage. Denn ein Vormund kann ohnehin nur bestellt werden, wenn ein Kind nicht unter elterlicher Sorge steht.

Alternativ könnte das Gesetz für Mutter und Vater das Ruhen feststellen. Der eheliche Vater eines Kindes soll – wie auch der nichteheliche – in seinen Rechten unbeschränkt bleiben, deswegen wird in der bisher beabsichtigten Fassung des § 1674 a BGB-E nur das Ruhen der elterlichen Sorge der Mutter ohne familiengerichtlichen Beschluss vorgesehen. Da ein Auffinden des Kindes und die Geltendmachung einer bestehenden elterlichen Sorge nach Fortfall des tatsächlichen Hindernisses im Sinne der §§ 1674 Abs. 2, 1882, 1773 BGB dazu führt, dass der eheliche Vater die elterliche Sorge ausübt, könnte es sinnvoller sein, wenn nach vertraulichen Geburten die elterliche Sorge der Mutter und des Vaters ruht. Denn eine tatsächliche Einschränkung der elterlichen Grundrechte eines Vaters verbindet sich damit nicht.

Ramona Pisal                                     
Präsidentin  

Brigitte Meyer-Wehage
Komm. Vorsitzende der Kommission Zivil-, Familien-
und Erbrecht, Recht anderer Lebensgemeinschaften

Dr. Gudrun Lies-Benachib
Kommission Zivil-, Familien- und Erbrecht, Recht
anderer Lebensgemeinschaften

[1] Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland – Fallzahlen, Angebote, Kontexte, DJI 2011 (Zugriff: 10.5.2013)

[2] Ebd.