Stellungnahme: 12-11


zum Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere – Regelung der vertraulichen Geburt

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) bedankt sich für die Gelegenheit, zum Entwurf einer gesetzlichen Regelung der vertraulichen Geburt Stellung nehmen zu können.

Da der Entwurf innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgestimmt ist, beschränken sich die nachfolgenden Erwägungen auf eine – vorläufige – Einschätzung, ohne detaillierte Befassung mit den Regelungen im Einzelnen.

Vorauszuschicken ist, dass in der Vergangenheit – nicht zuletzt mit Blick auf die Komplexität der Problematik – eine gesetzliche Verankerung (erfolgreich) nicht realisiert worden ist. Der Deutsche Ethikrat hat im Jahr 2009 (BT-Drucks. 17/190)

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/001/1700190.pdf

eine Stellungnahme zum Problem der Kindesabgabe verfasst. Darin wird u.a. empfohlen, Babyklappen und bisherige Angebote zur anonymen Geburt aufzugeben. Die Beendigung der Angebote zur anonymen Geburt – so die Empfehlung – sollte möglichst in einem gemeinsamen Vorgehen aller politisch dafür Verantwortlichen mit den betroffenen Einrichtungen bewirkt werden.  

Der djb hat zur Problematik ebenfalls Stellung genommen:

https://www.djb.de/verein/Kom-u-AS/K2/st01-13-PersonenstandsG/

Die seinerzeit vorgebrachten Bedenken sind bis heute nicht ausgeräumt, auch wenn nicht verkannt wird, dass die (beabsichtigte) gesetzliche Verortung den Vorzug verdient und ein Schritt in die „richtige Richtung“ sein könnte. Andererseits ist bislang in keiner Weise belegt, dass Schwangere, die ihr Neugeborenes zum Tode hin aussetzen, von dieser Handlung abgehalten werden könnten, wenn ihnen bei der Niederkunft in einer Klinik Anonymität zugesichert werden könnte.

Im Gegenteil: Nach den Feststellungen des Deutschen Ethikrats hat sich die Zahl der Findelkinder, die ohne Nutzung anonymer Geburten oder Babyklappe aufgefunden werden, durch die Einführung der Angebote nicht verringert.

Eine gesetzliche Regelung der anonymen oder auch vertraulichen Geburt wird sich daher nach Auffassung des djb (weiterhin) fragen lassen müssen, ob sie nicht „Anreiz und Gelegenheit bieten wird, Kinder auszusetzen und dass es in verstärktem Maße Kinder geben wird, deren Identität niemals mehr klärbar sein wird und die gezwungen sind, zeitlebens mit einer falschen, nicht einmal mit Hilfe der Personenstandsregister aufklärbaren Identität zu leben“ (vgl. Stellungnahme wie vor).

Außerdem ist nicht ersichtlich, inwieweit durch die beabsichtigte Regelung der vertraulichen Geburt die seit mehr als zehn Jahren praktizierte und geduldete anonyme (institutionelle) Kindesabgabe verhindert oder auch nur einschränkt werden kann. Denn zu einer Beendigung der in dem erwähnten Bericht des Ethikrates anschaulich beschriebenen Problematik verhält sich der Entwurf nicht. Ziel einer gesetzlichen Regelung kann und sollte aber aus Sicht des djb sein, jede Form von – faktischer – Illegalität zu beenden; andernfalls erübrigt sich eine Normierung.

In diesem Zusammenhang wirkt es – dies ergänzend – auch eher befremdlich, wenn der Gesetzentwurf in seiner Begründung zu Ziffer IV. 2. ausführt, für die Anbieter anonymer Kindesabgabe Rechts- und Handlungssicherheit herstellen zu wollen.

Zu begrüßen ist aus den vorangestellten Erwägungen, dass Adoptionsvermittlungsstellen als Beratungsstellen im Sinne des geplanten Gesetzes nicht anzuerkennen sind (§ 27 Abs. 1 SchwKG-E). Ob mit Rücksicht auf § 2 Abs. 2 Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG) in den Fällen der anzuerkennenden, insbesondere institutionellen Beratungsstellen allein eine personelle und organisatorische Entflechtung dem Gesetzeszweck genügen wird, ist kritisch zu hinterfragen.

Die in Aussicht genommene – umfassende – Beratung ist ein weiterer positiver Aspekt des Vorhabens, hat aber eine kostenrechtliche Folgeproblematik für die Länder, was im Rahmen der Umsetzung der Regelung zu beachten sein wird (dies gilt ebenso für § 32 SchwKG-E). Zu verkennen ist im Übrigen nicht, dass sich die schwangere Frau einem „Beratungsmarathon“ aussetzt, der in der konkreten Situation zu einer psychischen und physischen Überforderung führen kann.

Kritisch sieht der djb die Ausgestaltung des Widerspruchsrechts der Mutter (§ 30 SchwKG-E):

Nach dem Entwurf steht der Mutter ein Widerspruchsrecht ab Vollendung des 15. Lebensjahres des Kindes mit der Maßgabe zu, dass sie geltend machen kann, dass auch nach der Vollendung des 16. Lebensjahres des Kindes wichtige Belange der Einsicht in die Herkunftsurkunde entgegenstehen. Einer (vereinzelten) Begründung bedarf es nicht. Eine (familien-)gerichtliche Überprüfung ist nicht vorgesehen.

Geht die Kindesmutter also wie beschrieben vor, kann das Kind seine Herkunft nicht (mehr) klären. Dies begegnet nicht nur verfassungsrechtlichen, sondern auch konventionsrechtlichen Bedenken. Soweit sich der Begründung entnehmen lässt, dass der Fall mit Rücksicht auf den „Zeitablauf“ schon nicht so häufig vorkommen werde, vermag das aus Sicht des djb keinen Rechtfertigungsgrund darzustellen. Denn allein die Aussicht, die Frist werde gleichsam „versäumt“ und das Kind komme dem Widerspruch (nach Vollendung des 16. Lebensjahres) durch Einsichtnahme zuvor, genügt nicht. Es ist vielmehr das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Mutter in bedenklicher Weise eingeschränkt, von dem weiteren durch Artikel 6 Grundgesetz geschützten Personenkreis einmal abgesehen.

Ramona Pisal                                                
Präsidentin 

Brigitte Meyer-Wehage
Komm. Vorsitzende der Kommission Zivil-, Familien-                                                                              und Erbrecht, Recht anderer Lebensgemein