Stellungnahme: 07-18


des Deutschen Juristinnenbundes zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts. Da Gesetzeswirklichkeit und Lebenswirklichkeit im Einklang stehen müssen, begrüßt der djb ausdrücklich, dass die Voraussetzung „Verzicht auf berufliches Einkommen des Pflegenden“ gestrichen wird. Häufig haben pflegende Personen darauf verzichtet, ein höheres Einkommen zu erzielen, weil sie die Pflege einer oder eines Familien­angehörigen übernommen haben, die Höhe des Verzichts war hier schwierig nachzuvollziehen. Es ist dem Gesetzesvorschlag aber auch darin zuzustimmen, dass auch die pflegende Person zur Vermögensmehrung der Erblasserin oder des Erblassers beiträgt, die trotz Pflege weiterhin erwerbstätig ist.

Im Folgenden wird nur auf die Normen des Gesetzesvorschlags eingegangen, die aus Sicht des djb erörterungs- und verbesserungsbedürftig sind.

Artikel 1 Nr. 14: § 2057b BGB-E; Verstärkter Ausgleich von Pflegeleistungen bei gesetzlicher Erbfolge

Die Ausweitung auf die gesetzlichen Erben statt nur auf die Abkömmlinge ist grundsätzlich begrüßenswert, der djb weist aber darauf hin, dass nicht nur diese, sondern auch sehr häufig die Schwiegertochter oder die nichteheliche Lebenspartnerin die Erblasserin bzw. den Erblasser pflegt und diese von der neuen Regelung nicht erfasst werden, da kein Fall der gesetzlichen Erbfolge vorliegt.

Die pflegenden Schwiegertöchter werden nach § 2057a BGB (aktuelle Fassung) damit erfasst, dass der Abkömmling nicht in eigener Person zu pflegen braucht, er kann diese Dienstleistung auch durch seine Angehörige oder bezahlte Dritte ausführen lassen (Bothe in Damrau, Praxiskommentar ErbR § 2057a Rn. 13 u.H.a. Soergel/Wolf § 2057 a Rn. 7). Der Abkömmling erhält dann den Ausgleich für die Pflege im Rahmen der Erbauseinandersetzung. Das dürfte dann auch für die geplante Regelung gelten. Die pflegende Schwiegertochter selbst hat keinen eigenen Anspruch im Erbfall. Der Gedanke, dass die Schwiegertochter hier mittelbar partizipiert, kann nicht zufrieden stellen, da dies nicht in jedem Fall vorausgesetzt werden kann. Das Ausgleichungsrecht ist kein selbständiger Anspruch, sondern kann nur im Rahmen der Erbauseinandersetzung (§2042 BGB) geltend gemacht werden (Dütz in: MünchKomm-BGB, § 2057a Rn. 4). Im Falle der Scheidung der Ehe des Ausgleichsberechtigten von der pflegenden Ehefrau geht der Vorteil dann verloren. Gemäß § 1374 Abs. 2 BGB wird Vermögen, welches ein Ehegatte nach Eintritt des Güterstandes von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, dem Anfangsvermögen zugerechnet und fällt damit nicht in den Zugewinnanspruch. Der Vorteil verbleibt dann alleine beim Abkömmling, obwohl er nicht gepflegt hat. Da der Gedanke der lebenslangen Ehe gesamtgesellschaftlich nicht mehr trägt, sollte die Vorschrift diesbezüglich überarbeitet werden.

Ein weiteres Problem sieht der djb in der Behandlung von nichtehelichen Lebensgefährtinnen, die oftmals, um ihre Renten zu erhalten (sog. Rentenkonkubinat), nicht heiraten. Wenn beispielsweise die nichteheliche Lebensgefährtin ihren kinderlosen Lebensgefährten über Jahre hinweg aufopfernd pflegt, wird sie nicht gesetzliche Erbin. Gesetzliche Erbin bzw. gesetzlicher Erbe ist dann ein Geschwister oder Nichten und/oder Neffen des Lebensgefährten, die an eine freiwillige Partizipierung der pflegenden Lebensgefährtin in seltenen Fällen denken.

Warum sollte die Lebensgefährtin schlechter gestellt werden als z.B. eine Schwester, die ihren Bruder pflegt und dann unter die Neuregelung des § 2057b-E fällt.

Die Lebensgefährtin ist zwar nicht gesetzliche Erbin, sie entlastet aber die Gesellschaft durch ihre Pflege. Der djb ist der Ansicht, dass auch die Lebensgefährtin einen Ausgleichsanspruch für ihre Pflegeleistung erhalten sollte. Das Problem wird angesichts einer künftig ansteigenden Zahl an pflegebedürftigen Menschen in den nächsten Jahrzehnten noch offensichtlicher werden. Dass die Zahl an Frauen in Alten- und Pflegeheimen erheblich über der Zahl der Männer liegt, liegt nicht zuletzt in der Tatsache begründet, dass die Frauen ihre Männer in der Regel zu Hause pflegen und die Frauen dann nach dem Tode des Ehegatten/Lebensgefährten nicht mehr alleine leben können und ins Pflegeheim gehen. Wenn aber diese Frauen über Jahre die Gesellschaft durch eigene Pflege entlastet haben, sollten sie auch einen eigenen Anspruch auf Ausgleich dieser Pflegeleistungen haben und zwar über das Sozialversicherungsrecht hinaus.

Der djb ist der Ansicht, dass eine Anrechnung auch bei gewillkürter Erbfolge, jedenfalls in einigen Fällen erfolgen sollte. Der neue § 2057b BGB-E soll über § 2052 BGB wie der bisherige § 2057a BGB bei gewillkürter Erbfolge nur dann gelten, wenn mehrere Abkömmlinge kraft Gesetzes oder in Quoten entsprechend dem gesetzlichen Erbteil gemäß § 2052 BGB gewillkürt erben. Sobald ein (darüber hinaus gehendes) Testament errichtet wird, soll eine Anrechnung nicht erfolgen. Dies wird in der Regel sachgerecht sein, wenn sich die Erblasserin oder der Erblasser über den Ausgleich der Pflegeleistung Gedanken gemacht hat und diesen Ausgleich testamentarisch geregelt oder eben unterlassen hat, einen Ausgleich zu regeln.

Ein Problem stellt sich aber dann, wenn zunächst ein Testament errichtet worden ist, das den Pflegefall nicht berücksichtigt und dann Testierunfähigkeit eintritt, die Erblasserin bzw. der Erblasser also gar nicht mehr in der Lage ist, ihr/sein Testament ihren/seinen Bedürfnissen anzupassen. Über den Fall des § 2052 BGB hinaus will der Entwurf in die Testierfreiheit nicht eingreifen. Das ist nachvollziehbar, gleichwohl gibt der djb zu bedenken, dass Frauen oft stillschweigend pflegen, eine Vergütung nicht besprochen und/oder nicht ausdrücklich geregelt wird. Wenn sich der Gesetzgeber auf der anderen Seite die häusliche Pflege erhalten will, wird auch hier über eine Regelung nachzudenken sein.

Die Bundesjustizministerin appellierte in ihrer Rede zum 1. Deutschen Erbrechtstag im März 2006 an die Bundesbürgerinnen und -bürger, mehr zu testieren und sich mit Erbrecht und Vermögensnachfolge auseinanderzusetzen. Dazu gehören auch Regelungen für den Pflegefall. Allerdings kann ein Gesetz­entwurf allein sicher keine solche Anregung darstellen. Eine Änderung des tatsächlichen Rechts kann erst nach und nach eintreten.

Artikel 1 Nr. 24: § 2331a BGB-E, Stundung des Pflichteils

Die geplanten Erleichterungen der Stundungsvoraussetzungen für Härtefälle sind sachgerecht und für die Pflichtteilsberechtigten zumutbar.

Die Erweiterung des Personenkreises ist sinnvoll. Ziel der Stundung ist es, die Gefährdung des Nachlasses durch rücksichtslose Geltendmachung oder Durchsetzung im Wege der Zwangsvollstreckung vorzubeugen. Diese Interessenlage besteht gleichermaßen in der Person einer oder eines Pflichtteilsberechtigten wie einer oder eines nicht pflichtteilsberechtigten Erben.

Die Interessen der oder des Pflichtteilsberechtigten an der Erfüllung ihrer/seiner Ansprüche bleiben auch bei der geplanten Herabsetzung der Eingriffsschwelle ausreichend gewahrt. Bei der Abwägung der Interessen der Erbin/des Erben einerseits und der/des Pflichtteilberechtigten andererseits überwiegen die ersteren bei bestimmen Arten von Nachlassgegenständen. Die Aufgabe der Familienwohnung oder des Familienheims bedeutet oft einen schweren Einschnitt in die bisherige Lebensführung der Erbin bzw. des Erben. Deshalb ist eine gewisse Erleichterung der Stundungsvoraussetzungen bereits für den Fall des Vorliegens einer unbilligen Härte sinnvoll. Die bisherige Regelung, dass eine Stundung nur verlangt werden kann, wenn die sofortige Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs die Erbin/den Erben ungewöhnlich hart treffen würde, ist zu eng. Das gilt umso mehr, wenn es um die Veräußerung eines Wirtschaftsguts, insbesondere eines Unternehmens geht, das die wirtschaftliche Lebensgrundlage für die Erbin/den Erben und ihre/seine Familie bildet. In diesem Zusammenhang ist auch der Wille der Erblasserin oder des Erblassers, die Erbin oder den Erben gegenüber der oder dem Pflichtteilsberechtigten zu bevorzugen, angemessen zu respektieren.

In die verfassungsrechtliche Position der/des Pflichtteilberechtigten wird nicht unzumutbar eingegriffen, denn auch in Härtefällen sind ihre/seine Belange angemessen zu berücksichtigen Die bisherige Voraussetzung, dass ihr/ihm die Stundung zumutbar sein muss, hat sich als zu eng erwiesen.
 

Jutta Wagner
Präsidentin

Dr. Angelika Nake
Vorsitzende der Kommission Zivil-, Familien- und Erbrecht,
Recht anderer Lebensgemeinschaften