Stellungnahme: 13-07


zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schw

Stellungnahme vom

 

Zusammenfassung der Stellungnahme des djb
zum Vorschlag zur Änderung der Mutterschutzrichtlinie

Allgemeine Erwägungen

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) begrüßt den Änderungsvorschlag, hält allerdings eine Einbeziehung von Vätern in den Mutterschutz aus mehreren Gründen für erforderlich.

Erwägungen im Einzelnen
  • Dauer des Mutterschutzes
    * Obligatorische Schutzzeit für Mütter muss sich auf den Zeitraum beschränken, der für den Gesundheitsschutz der Mutter erforderlich ist.
    * Verlängerung der Schutzfrist darf in Deutschland nicht zu einer Verkürzung der Elternzeit und des Bezugszeitraums für Elterngeld führen.
    * Die Verlängerung des Mutterschutzes auf sechs Wochen nach der Entbindung wird begrüßt. In Deutschland sollte die achtwöchige Schutzfrist nicht verkürzt werden.
    * Das Verbot, schwangerschaftsbedingten Krankheitsurlaub auf den Mutterschutz anzurechnen, ist zu begrüßen.
  • Erweiterung des Kündigungsverbots
    Die Erweiterung des Kündigungsverbots – keine Vorbereitung einer Kündigung während des Mutterschutzes und verlängerte und verstärkte Begründungspflicht – wird begrüßt.
  • Entgeltfortzahlung
    In Deutschland muss es auch bei verlängerter Mutterschutzfrist bei einem 100% Entgeltersatz bleiben.
  • Arbeitszeitreduzierung und Lage der Arbeitszeit
    Regelung zur Änderung der Arbeitszeit und des Arbeitsmusters ist so auszulegen, dass diese nicht ausschließlich aus betrieblichen Gründen verweigert werden darf. Das deutsche Recht ist entsprechend zu ändern.
  • Beweiserleichterung
    Erleichterung der Beweislast ist zu begrüßen; eine Beweislastumkehr wäre wünschenswert.
  • „Günstig“ i.S.v. Art. 2 des Änderungsvorschlags
    Eine Klarstellung der Bedeutung von „ günstiger“ sollte in den Erwägungsgründen erfolgen.

 

Im Einzelnen:

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) ist ein Zusammenschluss von Juristinnen, Volks- und Betriebswirtinnen zur Fortentwicklung des Rechts (Civil Society Organization/NGO). Er ist unabhängig, überparteilich und überkonfessionell.

Der djb wirkt vor allem an der Fortentwicklung des Rechts auf allen Gebieten und der Verwirklichung der Gleichberechtigung und Gleichstellung der Frau in allen gesellschaftlichen Bereichen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene mit. Der djb fordert seit Langem gesetzliche Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter im Erwerbsleben. Um frauenspezifische Forderungen auch auf europäischer Ebene zu realisieren, arbeitet unser Verband mit gleichartigen Vereinigungen auf europäischer und internationaler Ebene zusammen.

Dem djb ist es ein besonderes Anliegen, europäische Gesetzgebung zu begleiten und zu kommentieren, wenn sie frauenpolitisch relevant ist. Um effektive Maßnahmen der Geschlechtergleichstellung zu gewährleisten bzw. zu erreichen, müssen bestehende Regelungen immer wieder geprüft und ggf. abgeändert werden, damit sie den aktuellen gesellschaftlichen Anforderungen genügen. Dies gilt auch für die Mutterschutzrichtlinie[1] und den von der Europäischen Kommission am 3. Oktober 2008 vorgelegten diesbezüglichen Änderungsvorschlag[2]. Insoweit begrüßt der djb den Änderungsvorschlag.

 

A. Allgemeine Erwägungen zum Änderungsvorschlag insgesamt

Die Verhandlungen auf europäischer Ebene sind ins Stocken geraten. Zu wesentlichen Aspekten des Mutterschutzes – Länge, Lage vor und nach der Geburt, Höhe der finanziellen Absicherung, Einbindung der Väter – bestehen zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat erhebliche Differenzen, die unüberwindbar scheinen. Der djb versteht seine Stellungnahme als Diskussionsbeitrag und hofft, dass die Verhandlungsblockade überwunden werden kann.

Der djb ist mit vielen anderen deutschen Verbänden u.a. der Auffassung, dass die deutschen Mutterschutzregelungen[3] in Verbindung mit den deutschen Elterngeld und Elternzeitregelungen[4] grundsätzlich anerkennenswerte Komponenten enthalten, die dem Schutz (werdender) Mütter sowie deren Wiedereinstieg in den Beruf dienen, so dass aus deutscher Sicht kein aktueller Handlungsbedarf für eine Änderungsrichtlinie besteht. Die Mutterschutzrichtlinie enthält auch in der vorgeschlagenen Fassung Mindestbestimmungen, über die die deutschen Regelungen hinausgehen.

Der djb nimmt aber auch zur Kenntnis, dass die Regelungen, die dem Standard in Deutschland entsprechen, nicht in allen weiteren 27 Mitgliedstaaten der Union für (werdende) Mütter gelten. Er erkennt an, dass insbesondere europäische Regelungen zu Elternzeit und Elterngeld sinnvoll wären, die über die Mindestanforderungen der derzeitigen Fassung der Elternzeitrichtlinie[5] hinausgehen. Dies gilt beispielsweise für die fehlende verpflichtende Finanzierung von Elternzeit. Die Elternzeitrichtlinie ist im sozialen Dialog jüngst verhandelt worden, und es ist eine überarbeitete Rahmenvereinbarung 2010 zustande gekommen. Eine zeitnahe weitere Überarbeitung ist nicht wahrscheinlich. Eine Alternative zur verpflichtenden Finanzierung von Elternzeit ist die Verlängerung des Mutterschutzes.

Vor diesem Hintergrund begrüßt der djb den vorgelegten Entwurf ausdrücklich. Er bittet die europäischen Institutionen aber auch, die gleichstellungspolitische Dimension des Vorschlags zu berücksichtigen. Er fordert zugleich die Bundesregierung auf, bei den Verhandlungen auf europäischer Ebene dafür Sorge zu tragen, dass das deutsche Niveau durch eine europäische Regelung nicht unterschritten werden kann.

Insbesondere ist der djb der Überzeugung, dass es einer Perspektive für die Einbeziehung von Vätern in die von der Kommission als „Mutterschutzzeit“ geregelte Elternzeit bedarf. Eine Erziehungszeit von Vätern allein oder gemeinsam mit den Müttern dient auch der Gesundheit und Sicherheit der Mütter. Familien sollen – abgesehen von einer Kernzeit des Mutterschutzes (s.u.) – frei sein, die Schutzzeit ihren Bedürfnissen entsprechend zu organisieren. Mütter und Väter sollen gleichermaßen in Familie und Beruf eingebunden sein. Innerhalb des Schutzzeitraums spricht sich der djb daher für die Aufnahme einer obligatorischen Vaterschutzzeit im Anschluss an die Entbindung aus. Eine solche (unionsrechtliche) Vorgabe rechtfertigt sich sowohl durch den Schutz von Gesundheit und Sicherheit der Mütter als auch durch Gründe der Gleichstellung von Frauen und Männern im Erwerbsleben. Der djb begrüßt deshalb, dass neben die Rechtsgrundlage des Gesundheitsschutzes (ex Art. 137 Abs. 2 EGV, nunmehr Art. 153 Abs. 2 AEUV) für den Mutterschutz nun die Rechtsgrundlage der Gewährleistung der Anwendung des Grundsatzes der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ex Art. 141 Abs. 3 EGV, nunmehr Art. 157 Abs. 3 AEUV) tritt.

Das europäische Sekundärrecht berücksichtigt die Erziehungs- und Betreuungsverantwortung von Vätern schon. Die Elternzeitrichtlinie sieht vor, dass von den vier Monaten Elternzeit ein Monat nicht übertragbar ist (§ 2 Abs. 2 der Elternzeitrichtlinie). Ein Vaterschaftsurlaub ist erstmals in Art. 16 der Gleichbehandlungsrichtlinie[6] insoweit aufgegriffen, als die genannte Richtlinie das Recht der Mitgliedstaaten unberührt lässt, eigene Rechte auf Vaterschaftsurlaub anzuerkennen, und Maßnahmen zum Schutz der Väter fordert, die von diesen Rechten Gebrauch machen. Diese Regelung wurde vom Europäischen Parlament angeregt und durchgesetzt. Der djb hält diesen Ansatz für richtig. Er begrüßt deshalb auch grundsätzlich den Vorschlag des Europäischen Parlaments einer bezahlten zweiwöchigen Vaterschaftszeit während der Mutterschutzzeit.[7]

Der djb spricht sich außerdem dafür aus, dass Mutterschutzzeiten, die nicht mit Beschäftigungsverboten für Mütter belegt sind, in der mitgliedstaatlichen Umsetzung auch für die Nutzung durch Väter geöffnet werden müssen. So hat der EuGH in seiner Entscheidung zum „spanischen Stillurlaub“ vom 30. September 2010 (Rs. C-104/09) bestimmt, dass diese Zeit nicht nur Müttern, sondern auch Vätern zustehen kann (s. dazu im Einzelnen unter B. I.).

Eine Förderung der stärkeren Einbindung von Vätern ist darüber hinaus wichtig zur Beseitigung von stereotypen Einstellungen und Verhaltensweisen von Frauen und Männern. Solche Maßnahmen entsprechen auch den für alle europäischen Staaten geltenden menschenrechtlichen Verpflichtungen, die sich insbesondere aus dem UN-Abkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (CEDAW)[8]ergeben.

 

B. Zum Änderungsvorschlag im Einzelnen:

I. Dauer des Mutterschutzes: Art. 1 Ziff. 1 (Art. 8) des Änderungsvorschlags

1. Art. 1 Ziff. 1 (Art. 8 Abs. 1) des Änderungsvorschlags: Länge von 18 Wochen

Der Änderungsvorschlag sieht vor, die bisherige Mutterschutzzeit von 14 Wochen (Art. 8 der Mutterschutzrichtlinie) auf 18 Wochen zu verlängern. Dies würde auch in Deutschland eine Verlängerung der Mutterschutzzeit von bisher 14 Wochen um weitere 4 Wochen erfordern, denn nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 S. 1 MuSchG besteht in Deutschland die Möglichkeit von sechs Wochen Mutterschutz vor und obligatorischen acht Wochen nach der Entbindung.

Eine Verlängerung der Mutterschutzzeit ist grundsätzlich verständlich vor dem Hintergrund, dass in vielen Mitgliedstaaten keine auf den Mutterschutz folgende Elternzeit oder nur eine solche Elternzeit vorgesehen ist, die nicht über die Mindestforderungen der Elternzeitrichtlinie hinausgeht und deshalb insbesondere nicht finanziert wird. Allerdings birgt eine Ausdehnung des Mutterschutzes auch die Gefahr, dass Einstellungen von Frauen unterbleiben, weil Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber deren verlängerten Arbeitsausfall und die damit verbundenen wirtschaftlichen Lasten vermeiden wollen.[9]Frauen soll nach Auffassung des djb außerdem der schnelle Wiedereinstieg in das Berufsleben real ermöglicht werden. Dies erfordert, dass sich die auf Mütter beschränkte obligatorische Schutzzeit nach der Geburt auf einen für den Gesundheitsschutz der Mütter erforderlichen Zeitraum beschränkt. Dieser Zeitraum wird durch das achtwöchige Beschäftigungsverbot nach der Entbindung sachgerecht umgrenzt.

Innerhalb dieses Zeitraums spricht sich der djb für die Aufnahme einer obligatorischen Vaterschutzzeit im Anschluss an die Entbindung aus (s.o.).

Aus deutscher Sicht ist schließlich darauf zu achten, dass sich mit der Verlängerung der unionsrechtlich geforderten Schutzfristen nicht zugleich die Elternzeit und der Bezugszeitraum des Elterngeldes (§ 3 Abs. 1 BEEG) verkürzen. Denn mit der Erweiterung der unionsrechtlichen Mutterschutzzeit ginge nicht zwingend eine finanzielle Verbesserung für die Mütter einher: Ziff. 3 lit. c (Art. 11 Abs. 3) des Änderungsvorschlags sieht zwar im Gegensatz zur aktuellen Mutterschutzrichtlinie eine finanzielle Absicherung des Mutterschutzes vor, erlaubt den Mitgliedstaaten aber die Beschränkung auf eine Obergrenze, die der Höhe des im jeweiligen Mitgliedstaat als Sozialleistung gezahlten Einkommens im Krankheitsfall entspricht. Eine 100%-ige Lohnfortzahlung wäre damit in der 15. bis 18. Woche nach der Entbindung auch in Deutschland nicht zwingend.

2. Art. 1 Ziff. 1 (8 Abs. 2) des Änderungsvorschlags: obligatorisch sechs Wochen nach der Entbindung

Bislang sieht die RL nur zwei Wochen obligatorisch vor und/oder nach der Entbindung vor. In Art. 1 Ziff. 1 (Art. 8 Abs. 2) des Änderungsvorschlags soll der obligatorische Anteil auf sechs Wochen verlängert und auf die Zeit nach der Entbindung festgelegt werden. Der djb begrüßt, dass auch weiterhin lediglich der Mutterschutz nach der Entbindung obligatorisch sein soll und sich somit Schwangere ohne gesundheitliche Probleme nach deren Willen bis zur Geburt am Erwerbsleben beteiligen können. In Deutschland sollte nach Auffassung des djb die obligatorische Schutzfrist von acht Wochen nach der Entbindung gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 MuSchG nicht verkürzt werden. Der deutsche Gesetzgeber wird insoweit nicht nur durch Unionsrecht, sondern auch durch die Schutzgewährleistung in Art. 6 Abs. 4 GG gebunden.

3. Art. 1 Ziff. 1 (Art. 8 Abs. 5) des Änderungsvorschlags: Krankheitsurlaub vor der Entbindung

Eine weitere Neuerung enthält Art. 1 Ziff. 1 (Art. 8 Abs. 5) des Änderungsvorschlags, der in den letzten vier Wochen vor der Entbindung eine Anrechnung von schwangerschaftsbedingtem Krankheitsurlaub auf den Mutterschutz verbietet. Diese Neuerung ist auch aus deutscher Sicht zu begrüßen, da sich der Gesundheitsschutz der Mutter hierdurch verbesserte: Wünscht diese Mutterschutz vor der Entbindung, darf dieser sich nicht krankheitsbedingt verkürzen.

II. Erweiterung des Kündigungsverbots: Art. 1 Ziff. 2 (Art. 10 Abs. 1 und 2) des Änderungsvorschlags

Die Erweiterung des bisherigen Kündigungsverbots in Art. 10 Abs. 1 auf das Verbot jeglicher Vorbereitung einer möglichen Kündigung während des Mutterschutzes – außer in absoluten Ausnahmefällen – ist zu begrüßen, setzt sie doch die Rechtsprechung des EuGH um und vermeidet Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts. Zum Wohle des Kindes sowie der Gesundheit der Mutter wäre auch ein Kündigungsverbot für Väter in einem bestimmten Zeitraum um die Geburt des Kindes nachvollziehbar.

Weiterhin verlangt Art. 10 Abs. 2 des Änderungsvorschlags in einem längeren Zeitraum als nach bisherigem Recht – wegen der vorgeschlagenen Verlängerung des Mutterschutzes um vier Wochen – schriftlich „gebührend nachgewiesene“ Kündigungsgründe – statt wie bislang nur schriftlich „berechtigte“ Kündigungsgründe anzuführen. Auch diese verlängerte und verstärkte Begründungspflicht begrüßt der djb, denn sie erhöht die Chancen auf größere Transparenz und damit auf ein erfolgreicheres Vorgehen gegen diskriminierende Kündigungen von Schwangeren und Müttern.

III. Deckelung auf Krankengeldniveau: Art. 1 Ziff. 3 lit. c (Art. 11 Abs. 3) des Änderungsvorschlags

Eine Verlängerung des Mutterschutzes kommt in Deutschland aus Sicht des djb allenfalls unter der Prämisse des 100%-igen Entgeltersatzes in Betracht, wie es in Deutschland auch bislang praktiziert worden ist. Die Mutterschutzrichtlinie sah schon bislang eine Deckelung vor. Da hierbei europäisch nur ein Mindestniveau festgelegt wurde, sind die Mitgliedstaaten nicht gehindert, darüber hinauszugehen, wie es in Deutschland geschieht. Insofern ist Ziff. 3 lit. c (Art. 11 Abs. 3) des Änderungsvorschlags dahingehend auszulegen, dass von dem derzeitigen Niveau in Deutschland bei der Umsetzung der Änderungsrichtlinie – auch bei Ausweitung der Mutterschutzzeit – nicht abgewichen werden darf. Artikel 2 des Änderungsvorschlags verpflichtet nämlich die Mitgliedstaaten dazu, dass die Umsetzung keinesfalls als Rechtfertigung für eine Absenkung des garantierten Schutzniveaus benutzt werden darf.

IV. Arbeitszeitreduzierung und Anspruch auf Lage der Arbeitszeit: Art. 1 Ziff. 3 lit. d (Art. 11 Abs. 5 neu) des Änderungsvorschlags

Der djb ist der Auffassung, dass die vorgeschlagene neue Regelung zur Änderung der Arbeitszeit und des Arbeitsmusters nach Rückkehr der Mutter ins Erwerbsleben dahingehend ausgelegt werden muss, dass diese grundsätzlich nicht ausschließlich aus betrieblichen Gründen verweigert werden darf. Vielmehr hat eine Abwägung statt zu finden, in welche gleichberechtigt neben den betrieblichen Gründen auch solche einzustellen sind, auf die die Antrag stellende Person keinen Einfluss hat, die aber zum Wunsch auf Arbeitszeitverlagerung führen, z.B. Öffnungs- und Schließzeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen. Nur so werden die Bedürfnisse der Unternehmen und der Arbeitnehmerin angemessen berücksichtigt. Hier ergibt sich Änderungsbedarf für das deutsche Recht, da nach § 8 Abs. 4 TzBfG[10]der Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitszeit nur zuzustimmen und ihre Verteilung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen hat, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen.

V. Beweislasterleichterung: Art. 1 Ziff. 4 (Art. 12 a) des Änderungsvorschlags

Der djb begrüßt die Einfügung einer Regelung zur Erleichterung der Beweislast für eine Rechtsverletzung – unter Rückgriff auf die typisierenden Regelungen in den bislang beschlossenen Antidiskriminierungsrichtlinien.[11] Wünschenswert wäre auch eine Regelung der Beweislastumkehr. Eine solche ist zwar nach dem vorliegenden Änderungsvorschlag auch in der nationalen Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht ausgeschlossen, denn mit dem Änderungsvorschlag werden nur Mindestvorschriften festgelegt. Hier sollte aber eine einheitliche europäische Beweislastumkehr vorgesehen werden. Der djb hält zumindest eine nationale Regelung zur Beweislastumkehr für notwendig. Diese wäre zulässig, da mit dem Änderungsvorschlag nur Mindestvorschriften festgelegt werden.

VI. „Günstig“ i.S.v. Art. 2 des Änderungsvorschlags

Grundsätzlich erachtet der djb es als sinnvoll, dass die Mitgliedstaaten Vorschriften einführen oder beibehalten können, die für die Arbeitnehmerinnen günstiger als die in dem Änderungsvorschlag vorgesehenen Vorschriften sind. Fraglich ist allerdings, was „günstiger“ bedeutet. Eine Verlängerung der Mutterschutzfristen ist nicht in jedem Fall günstiger. Hier müssen die mittelbaren Folgen von Diskriminierungen in den Blick genommen werden. Bei längeren Freistellungen besteht die Gefahr, dass Frauen als potentiell werdende Mütter nicht eingestellt werden. Die Beförderung traditioneller Rollenbilder ist zu vermeiden. Der djb schlägt eine Klarstellung in einem Erwägungsgrund vor.

VII. Passerelle

Der djb begrüßt die Diskussion um eine sog. Passerelle-Klausel im Rat. Danach können vier der im Änderungsvorschlag vorgesehenen 18 Wochen Mutterschutz der Elternzeit zugerechnet werden – mit einer Bezahlung auf Krankengeldniveau. Dies ist ein annehmbarer Kompromiss, sofern diese vier Wochen auch von Vätern in Anspruch genommen werden können.

 

C. Fazit

Der djb hat ein hohes Interesse an der Überarbeitung der Mutterschutzrichtlinie und bittet die relevanten Akteure – Bundesregierung, Europäisches Parlament und Europäische Kommission – um Berücksichtigung der vorgetragenen Änderungswünsche.

Ramona Pisal
Präsidentin  

Sabine Overkämping
Stellv. Vorsitzende der Kommission
Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht,
Leiterin des Arbeitsstabs Mutterschutz

 


[1] Richtlinie 92/85/EWG des Rates über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (Zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) vom 19. Oktober 1992, im Folgenden: Mutterschutzrichtlinie.

[2] Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz, KOM(2008)637endg., im Folgenden: Änderungsvorschlag.

[3] Mutterschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 2002 (BGBl. I S. 2318), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 23. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2246) geändert worden ist – im Folgenden: MuSchG.

[4] Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz vom 5. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2748), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. Februar 2013 (BGBl. I S. 254) geändert worden ist – im Folgenden BEEG.

[5] Richtlinie 2010/18/EU des Rates vom 8. März 2010 zur Durchführung der von BUSINESSEUROPE, UEAPME, CEEP und EGB geschlossenen überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und zur Aufhebung der Richtlinie 96/34/EG, im Folgenden: Elternzeitrichtlinie.

[6] Richtlinie 2006/54(EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) vom 5. Juli 2006, im Folgenden: Gleichbehandlungsrichtlinie.

[7] Abänderung 125: Art. 8 a (neu) im Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 20. Oktober 2010, P7_TA-PROV(2010)0373.

[8] So hat sich der CEDAW-Sachverständigenausschuss gegenüber Deutschland mehrfach „besorgt über das Fortbestehen durchgängiger stereotyper und traditioneller Einstellungen gegenüber Frauen, die ihre Rechte zu untergraben drohen“ geäußert; so ausdrücklich in Ziff. 27 der abschließenden Bemerkungen des Ausschusses bei der Verhandlungen des letzten deutschen Staatenberichts (43. Sitzung, 2009 – CEDAW/C(DEU/CO 6).

[9] Dieser „Bumerangeffekt“ von arbeitsrechtlichen Schutzmaßnahmen ist hinsichtlich des Mutterschaftsgeldes und des Schwerbehindertenschutzes anerkannt: Das BVerfG (18.?11. 2003, 1 BvR 302/96, NZA 2004, 33) nahm mit Blick auf die Gefahr, dass Frauen bei Einstellungsentscheidungen auf Grund des „drohenden“ Mutterschutzes diskriminiert werden könnten, die Verfassungswidrigkeit des § 14 MuSchG a.F. an. Als Gegenmaßnahme wird das Mutterschaftsgeld seit dem 1.1.2006 nicht vom beschäftigenden Arbeitgeber, sondern über eine Umlage aller Arbeitgeber finanziert (§§ 1?ff. AAG, § 7 AAG). Auch ein Betrieb, der keine ausreichende Zahl Schwerbehinderte beschäftigt (§§ 71 ff. SGB IX), hat eine Ausgleichszahlung zu leisten (§ 77 SGB IX).

[10] Teilzeit- und Befristungsgesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1966), das zuletzt durch Artikel 23 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854) geändert worden ist, im Folgenden: TzBfG.

[11] Beweislastrichtlinie 97/80/EG, Richtlinie Antidiskriminierung Rasse/ethnische Herkunft 2000/43/EG, Beschäftigungsrichtlinie 2000/78/EG, Geschlechtergleichbehandlungsrichtlinie Beschäftigung 2004/56/EG, erweiterte Geschlechtergleichbehandlungsrichtlinie Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen 2004/113/EG.