Stellungnahme: 18-05


zum Referentenentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts – Einführung einer Brückenteilzeit (Stand: 17.4.2018)

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) begrüßt grundsätzlich die Einführung eines befristeten Anspruchs auf Teilzeit – sogenannte Brückenteilzeit – und die damit verbundene Möglichkeit für Arbeitnehmer*innen auf Rückkehr zu der ursprünglich vereinbarten Arbeitszeit. Sehr wichtig ist auch die Vervollständigung dieses Anspruchs um eine effektivere Ausgestaltung des Rechts auf Erhöhung der Arbeitszeit, wie sie der Gesetzentwurf der Bundesregierung enthält.

Teilzeitarbeit wird, statistisch nachgewiesen, ganz überwiegend von Frauen geleistet. Denn sie sind es, die familiäre und andere Sorgeverpflichtungen überwiegend übernehmen (Gender Care Gap).[1] Aufgrund der aktuellen Organisation der Erwerbsarbeit führt dies oft dazu, dass Erwerbstätigkeit nur in Teilzeit möglich erscheint.

Teilzeit ist für viele allerdings zur „Teilzeitfalle“ geworden: „Einmal Teilzeit“ bedeutete bisher oft „immer Teilzeit“ – und dies stellt eine wesentliche Ursache für den Gender Pay Gap und den Gender Pension Gap dar. Die Einführung eines Anspruchs auf befristete Teilzeitarbeit und ein leichter als bisher durchsetzbarer Anspruch für unbefristet in Teilzeit Beschäftigte auf Verlängerung ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit sind daher schon lange überfällig.

I. Anspruch auf Brückenteilzeit in § 9a RefE

Der Anspruch auf eine zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit – im Folgenden: Brückenteilzeit – soll in § 9a RefE verankert werden. Die Anspruchsvoraussetzungen orientieren sich stark am schon nach bisherigem Recht bestehenden unbefristeten Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit in § 8 TzBfG:

  • das Arbeitsverhältnis des*der Arbeitnehmer*in muss länger als 6 Monate bestehen,
  • Geltendmachung bis spätestens 3 Monate vor Beginn (neu aber: in Textform),
  • Erörterung der gewünschten Verringerung zwischen AG und AN mit dem Ziel, zu einer Vereinbarung zu gelangen,
  • Zustimmungspflicht der*des AG, wenn betriebliche Gründe nicht entgegenstehen,
  • Mitteilung der Entscheidung des*der AG spätestens ein Monat vor Beginn der beantragten Verringerung, andernfalls Verringerung im gewünschten Umfang.

Die Möglichkeit einer Brückenteilzeit ist gleichstellungspolitisch ausdrücklich zu begrüßen. Da mit dem Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit nach derzeitiger Rechtslage kein Anspruch auf Aufstockung korrespondiert, verbleiben aktuell vor allem Frauen ungewollt in (unbefristeter) Teilzeit. Eine befristete Ausgestaltung des Anspruchs, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, kann dies zukünftig abmildern. 

1. Keine hinreichende Flexibilität von Arbeitszeitarrangements

Problematisch ist jedoch die Ausgestaltung des Anspruchs. Der Entwurf verlangt von Beschäftigten, sich für mehrere Jahre im Voraus zu binden. Dies äußert sich in folgenden Regelungen:

  1. Der Gesetzentwurf sieht für die Teilzeit einen im Voraus fest zu bestimmenden Zeitraum von mindestens einem Jahr bis höchstens fünf Jahren vor (§ 9a Abs. 1 S. 2 GE).
  2. Anpassungen der Arbeitszeit können im Verlauf einer bereits gewährten Brückenteilzeit nicht beansprucht werden (weder weitere Verringerung noch Verlängerung der Arbeitszeit) nach § 9a Abs. 4 GRefE.
  3. Nach einer Rückkehr aus Brückenteilzeit können Verringerungen erst nach einem weiteren Jahr verlangt werden; gleiches gilt im Falle einer berechtigten Ablehnung eines Antrages auf Verringerung seitens des*der AG (§ 9a Abs. 5 GRefE).

Im Verlauf der Inanspruchnahme einer Brückenteilzeit können also keine Anpassungen vorgenommen werden, und erneute Verringerungen können auch erst nach Ablauf eines weiteren Jahres beansprucht werden. Dies setzt erhebliche Anreize dafür, sich im Fall tendenziell schwer planbarer familiärer Sorgepflichten eher für eine fünf- als eine einjährige Verringerung zu entscheiden, um die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben abzusichern. Solche Regelungen schaffen die Gefahr, dass Beschäftigte bei der Verringerung der Arbeitszeit einen eher langen Zeitraum für ihre Brückenteilzeit auswählen.

Dies läuft aber dem eigentlichen Ziel des Gesetzentwurfes, flexibel(er) auf einen vorübergehenden Bedarf der Änderung der Arbeitszeit reagieren zu können, zuwider. Flexible Arbeits(zeit)arrangements – auch jenseits der Stellschraube Arbeitszeit – sind jedoch gerade für Frauen ein entscheidender Faktor, da sie familienbedingt nach wie vor häufiger als Männer ihre Arbeitszeit reduzieren bzw. ihre Erwerbstätigkeit gar unterbrechen. Daher sollte auch ein befristeter Anspruch auf Teilzeit im TzBfG so ausgestaltet sein, dass damit auf unerwartete Ereignisse reagiert werden kann (vgl. grundlegend das Konzept des vom djb vorgeschlagenen Wahlarbeitszeitgesetzes[2]).

2. Problem des Anwendungsbereichs (mehr als 45 Beschäftigte)

Um tatsächlich flexible Arbeitszeitarrangements zu ermöglichen, sollten die Fristen in § 9a Abs. 5 RefE zudem verkürzt, keinesfalls aber über ein Jahr hinaus verlängert werden.

Neben dem Verfahren ist der Anwendungsbereich des § 9a RefE kritisch zu bewerten.

Arbeitnehmer*innen haben danach nur dann einen Anspruch auf Brückenteilzeit, wenn der Arbeitgeber in der Regel mehr als 45 Arbeitnehmer*innen beschäftigt (ohne Auszubildende). Gegenüber Arbeitgeber*innen mit weniger als 46 regelmäßig Beschäftigten besteht mithin kein Anspruch auf Brückenteilzeit. Dadurch erhält ein großer Teil der berufstätigen Frauen, die überdurchschnittlich häufig in kleineren Unternehmen beschäftigt sind, keinen Anspruch auf Brückenteilzeit. Für Frauen in kleinen Unternehmen verbleibt daher weiterhin nur der Anspruch auf unbefristete Teilzeit nach § 8 TzBfG mit allen seinen negativen Folgen.

Der Anspruch steht generell unter dem Vorbehalt, dass Arbeitgeber*innen keine betrieblichen Gründe nachweisen können, die dem Anspruch entgegenstehen. Darüber hinaus will der Gesetzentwurf aber noch eine zusätzliche „Zumutbarkeitsgrenze“ einführen. Arbeitgeber*innen, die mehr als 45, aber weniger als 200 Beschäftigte haben, sollen das Verlangen auf befristete Teilzeit schon dann ablehnen können, wenn sich bereits eine bestimme Anzahl Beschäftigter in befristeter Teilzeit befindet. Die Geltendmachung des Anspruchs ist deshalb auch bei Arbeitgeber*innen mit 46 bis 200 Beschäftigten erheblich erschwert. Es ist nicht nachvollziehbar, dass auch Arbeitgeber*innen, die keine betrieblichen Hindernisse geltend machen können, dennoch allein aus formalen Gründen die Möglichkeit haben sollen, ein grundsätzlich betrieblich umsetzbares Recht zu verweigern.

§ 8 Abs. 7 TzBfG in geltender Fassung setzt für den Anspruch auf unbefristete Teilzeit 15 Arbeitnehmer*innen voraus. Nicht nachvollziehbar ist, warum der Anspruch auf Brückenteilzeit nicht an diese Beschäftigtenzahl anknüpft. Auch sonst fehlt der 45er-Grenze die Anschlussfähigkeit an bestehende Kleinbetriebsklauseln im Arbeitsrecht mit im Regelfall 5, 10 oder 15 Arbeitnehmer*innen. Zum Beispiel sieht § 11 TVöD für den Rechtsanspruch auf befristete Teilzeit im öffentlichen Dienst gar keine Mindestbeschäftigtenzahl vor. Dies erscheint unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) problematisch. Die Grenze sollte daher auch für den Anspruch auf befristete Brückenteilzeit auf nicht mehr als 15 Beschäftigte abgesenkt werden.

3. Konkurrenz der Teilzeitsuchenden und unbestimmter Rechtsbegriff   
des „billigen Ermessens“

§ 9a Abs. 2 S. 2 RefE begünstigt zudem die Konkurrenz der Teilzeitsuchenden. Denn für den Ablehnungsgrund in § 9a Abs. 2 RefE wird auf den Zeitpunkt des Beginns der begehrten Verringerung abgestellt. Für den Fall, dass die begehrten Brückenteilzeiten mehrerer Arbeitnehmer*innen auf denselben Zeitpunkt fallen, soll nach der Begründung des RefE eine Entscheidung des Arbeitgebers nach billigem Ermessen erfolgen, bei der die persönlichen, sozialen und familiären Gesichtspunkte der Betroffenen zu berücksichtigen sind. Die Ausführungen zum unbestimmten Rechtsbegriff des „billigen Ermessens“ ergeben sich dabei nicht aus dem Gesetz, was aus Gründen der Rechtsklarheit kritisch zu bewerten ist. 

II. Konkretisierung der Darlegungs- und Beweislast bei Beschäftigten in Teilzeit

Positiv bewertet der djb die beabsichtigten Änderungen des § 9 TzBfG für Arbeitnehmer*innen, die bereits in Teilzeit beschäftigt sind und eine Verlängerung ihrer Arbeitszeit anstreben. Zugunsten dieser Gruppe greift eine Beweislastverteilung ein, nach der der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen hat, dass ein entsprechender Arbeitsplatz nicht frei ist, der*die Teilzeitbeschäftigte dafür nicht gleich geeignet ist oder – wie bisher schon – dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer Teilzeitbeschäftigter entgegenstehen. Damit werden Übergänge zwischen Voll- und (bereits bestehender) Teilzeitarbeit weiter erleichtert; dies ermöglicht einen Ausweg aus der sog. Teilzeitfalle und trägt dazu bei, eine gleichmäßigere Verteilung der Arbeitszeit zwischen Männern und Frauen zu erreichen. Die Regelung ist daher sehr zu begrüßen.

Unklar ist § 9 RefE jedoch insoweit, als der*die Beschäftigte einen konkreten „Arbeitsplatz“ benennen muss. Denn hier geht es in der Sache nicht um die Besetzung von Arbeitsplätzen i.S.d. § 2 Abs. 4 ArbStättV („Bereiche, in denen Beschäftigte im Rahmen ihrer Arbeit tätig sind“), sondern um die Besetzung von Arbeits(zeit)volumina. Dies sollte im Gesetzestext klargestellt werden.

III. Erörterung bei Wunsch auf Veränderung von Dauer und/oder Lage der Arbeitszeit

Positiv zu bewerten ist, dass § 7 Abs. 2 S. 1 RefE die Pflicht von Arbeitgeber*innen vorsieht, mit Arbeitnehmer*innen den Wunsch nach Veränderung von Dauer und/oder Lage der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit zu erörtern.

Da dieser Anspruch etwas regelt, das in jedem Betrieb selbstverständlich sein sollte (es leider aber häufig nicht ist), knüpft dieser Anspruch auch richtigerweise nicht an die Beschäftigtengrenze des § 8 Abs. 7 TzBfG oder des § 9a Abs. 1 RefE an, so dass die Erörterungspflicht auch in Betrieben mit weniger als 15 bzw. 45 Beschäftigten besteht.

IV. Fehlen eines eigenständigen Anspruchs auf Neuverteilung der Arbeitszeit 

Der Gesetzentwurf sieht allerdings weiterhin keinen von der Verringerung isolierten Anspruch auf Verteilung der Lage der Arbeitszeit vor. Die Bedeutung eines solchen Anspruchs bringt die Begründung des Referentenentwurfs aber selbst zum Ausdruck, wenn es zum Erörterungsrecht in § 7 Abs. 2 heißt: „Möglicherweise kann für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schon bei einer geringen Veränderung der Lage ihrer Arbeitszeit die Notwendigkeit von Teilzeitarbeit entfallen.“ (S. 12)

Das Fehlen eines isolierten Verteilungsanspruchs wird seitens des djb daher kritisch bewertet. Es schafft unnötige Barrieren, wenn für eine kleine Änderung der Lage der Arbeitszeit zunächst eine Arbeitszeitreduzierung beantragt werden muss – denn in diesem Fall besteht ohnehin schon ein Anspruch auf Neuverteilung der Lage der Arbeitszeit.

V. Gesamtbewertung

Der Detailgrad des Entwurfs läuft Gefahr, Umsetzungsbarrieren bei den Beschäftigten zu schaffen. Demgegenüber betont der djb noch einmal die Vorzüge eines allgemeinen Anspruchs auf Anpassung von Arbeitszeitdauer und/oder Arbeitszeitlage oder anderen Bedingungen, wie ihn der djb mit seinem Vorschlag für ein Wahlarbeitszeitgesetz vorgelegt hat.

 

 

Prof. Dr. Maria Wersig                                Prof. Dr. Heide Pfarr
Präsidentin                                                   Vorsitzende der Kommission Arbeits-, Gleichstellungs-
                                                                       und Wirtschaftsrecht

 


[1] Ausführlich dazu: Zweiter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung vom Juni 2017, abrufbar unter https://www.gleichstellungsbericht.de/ (Zugriff: 15.5.2018).

[2] Abrufbar unter https://www.djb.de/themen/wahlarbeitszeit/wazg-konzept/ (Zugriff: 15.5.2018).