Pressemitteilung: 18-26


djb-Stellungnahme anlässlich der Anhörung zu § 219a StGB

Pressemitteilung vom

Heute findet im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestags eine öffentliche Anhörung zu Gesetzentwürfen der Fraktionen FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Reform beziehungsweise Streichung des § 219a Strafgesetzbuch (StGB) statt. Als Sachverständige für den Deutschen Juristinnenbund e.V. (djb) nimmt Prof. Dr. Ulrike Lembke, Vorsitzende des Arbeitsstabs „Reproduktive Gesundheit und reproduktive Rechte“ und Vorsitzende der Kommission „Europa- und Völkerrecht“ im djb, teil.

In seiner heute geltenden Fassung wird nach § 219a StGB mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe sanktioniert, wer „öffentlich“ „seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise“ „eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs“ oder entsprechende Mittel oder Verfahren „anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt“. Damit ist nach herrschender Meinung nicht nur die überschriftgebende „Werbung“ vom Tatbestand erfasst, sondern auch die sachliche Information insbesondere durch Ärztinnen und Ärzte, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen.

Wie der djb in seiner ausführlichen Stellungnahme vom 26. Juni 2018 erläutert, ist § 219a StGB kein integraler Bestandteil des in den 1990er Jahren gefundenen Kompromisses zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs. Darüber hinaus ist die Regelung verfassungsrechtlich höchst fragwürdig. Sie greift unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit von Ärztinnen und Ärzten ein und verletzt das Recht von (potentiellen) Patientinnen auf Zugang zu Informationen, gesundheitliche Selbstbestimmung sowie freie Arztwahl. Schließlich wirft § 219a StGB wesentliche Fragen mit Blick auf das Gebot der Gleichberechtigung der Geschlechter auf.

Des Weiteren ist die Aufrechterhaltung einer Norm, welche die Kriminalisierung von Ärztinnen und Ärzten ermöglicht, die eine (umstrittene) medizinische Dienstleistung für Frauen in Notsituationen anbieten, nicht tragbar. Die steigenden Zahlen von Anzeigen und dutzende Ermittlungsverfahren in den letzten Jahren zeigen, dass dies kein abstraktes Problem darstellt. Entgegen der Entscheidung des demokratischen Gesetzgebers, Schwangerschaftsabbrüche unter bestimmten Bedingungen als tatbestandslos oder rechtmäßig anzusehen, werden Staatsanwaltschaften und Gerichte missbraucht, um eine Rechtswirklichkeit durchzusetzen, für die es keine Mehrheiten gibt.

Der djb fordert daher eine Streichung von § 219a StGB und eine Neuregelung zur Deckung des verbleibenden Regelungsbedarfs im Recht der Ordnungswidrigkeiten. „Verfassungsrechtliche, rechtssystematische und rechtspolitische Argumente sprechen dringend dafür, eine Reform nun zügig auf den Weg zu bringen. Die übereinstimmende Einschätzung der vorliegenden Entwürfe, dass Ärztinnen und Ärzte bezogen auf die Zulässigkeit der sachlichen Information über den Schwangerschaftsabbruch Rechtssicherheit brauchen, macht Hoffnung auf eine fraktionsübergreifende Lösung“, so Prof. Dr. Maria Wersig, Präsidentin des djb.