Stellungnahme: 08-22


zum Entwurf eines Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG) – Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP – Drs. 16/281

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) nimmt zum Entwurf des NGG wie folgt Stellung, und zwar – wie erbeten – geordnet nach einzelnen Vorschriften:

Zu § 1:

Der djb begrüßt, dass der vorliegende Gesetzesentwurf drei für die Zukunft unserer Gesellschaft wichtige Ziele verfolgt und gesetzlich verankert: den Abbau der Unterrepräsentanz von Frauen, die Vereinbarkeit der Erwerbs- und Familienarbeit von Frauen und Männern sowie die gesetzliche Verankerung des Prinzips Gender Mainstreaming.

Der Abbau der Unterrepräsentanz von Frauen ist uns nach wie vor ein großes Anliegen, weil die Frauen insbesondere in höheren Positionen immer noch deutlich unterrepräsentiert sind. Mit der Vereinbarkeit der Erwerbs- und Familienarbeit von Frauen und Männern wird der Blick auf die Gleichstellung von Männern hinsichtlich ihrer Teilhabe an der Familienarbeit verstärkt. Bislang wurde die Vereinbarkeitsproblematik vor allem unter der Perpetuierung vorhandener Rollenzuschreibungen – „Familienarbeit ist Aufgabe von Frauen“ – diskutiert, ohne die Männer in die Verantwortung einzubeziehen. Die gesetzliche Normierung des Gender Mainstreaming schließlich belegt die Überzeugung des Gesetzgebers, dass das Einbringen unterschiedlicher Sichtweisen die Dinge fördert und die Qualität von Prozessen und  Entscheidungen steigert. Wir begrüßen es, dass alle Adressaten des NGG nun verpflichtet werden, ihre Aufgaben nach dem Prinzip des Gender Mainstreaming zu erfüllen.

Zu § 2 Abs. 3:

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beinhaltet der Gleichstellungsauftrag des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG auch ein Untermaßverbot. Der djb sieht es als einen Verstoß gegen dieses grundgesetzliche Untermaßverbot an, wenn die Selbstverwaltungskörperschaften der Wirtschaft und der freien Berufe aus dem Anwendungsbereich des NGG herausgenommen und vom bisherigen Gebot zur Beachtung der Gleichstellungsziele freigestellt werden. Es gibt keinen überzeugenden Grund, die Selbstverwaltungskörperschaften der Wirtschaft und der freien Berufe aus den Pflichten des NGG zu entlassen. Sie sollten im Gegenteil voll in den Anwendungsbereich des NGG einbezogen werden.

Zu § 3 Abs. 2:

Auch die Herausnahme der selbständigen Betriebe einschließlich der Eigenbetriebe der Kommunen aus dem Anwendungsbereich des NGG durch § 3 Abs. 2 ist nicht nachvollziehbar. Der EuGH hat in der Entscheidung Mangold deutlich herausgestellt, dass die europarechtlichen Diskriminierungsverbote selbst unter Privaten Geltung haben. Insofern sollte gerade der Staat seinen Gleichstellungsverpflichtungen auch dann nachkommen, wenn er öffentliche Aufgaben privatrechtlich erfüllt oder in solche Rechtsformen verlagert, solange die öffentliche Hand Mehrheitsgesellschafter ist.

Zu § 3 Abs. 3:

Für den djb ist nicht nachvollziehbar, warum eine Unterrepräsentanz künftig schon beseitigt sein soll, wenn das unterrepräsentierte Geschlecht mindestens zu  45 vom Hundert vertreten ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beinhaltet der Gleichstellungsauftrag des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ein Untermaßverbot (s.o. zu § 3 Abs. 2). Das bedeutet, dass der Gesetzgeber sein grundgesetzlich vorgegebenes Ziel durch effektive Maßnahmen erreichen muss und nicht hinter einen bereits erreichten Stand zurückfallen darf, indem er wirksame Instrumente durch wirkungslosere ersetzt.

Zu § 7:

Der djb begrüßt ausdrücklich, dass das Prinzip des Gender Mainstreaming durch § 7 nun eindeutig und ausdrücklich im NGG verankert ist (s.o. zu § 1).

Zu § 11:

Freie Stellen sollten wie bisher grundsätzlich öffentlich, zumindest aber intern ausgeschrieben werden. Diese Regelung hat sich aus Frauensicht besonders bewährt und eröffnet auch Quereinsteigerinnen Chancen. Stellen für Unterbringungsfälle unterliegen derartigen Ausschreibungspflichten ohnedies nicht.

Zu § 13 Abs. 4:

Zu Recht stellt die Gesetzesbegründung unter Buchstabe A Ziffer 1 (S. 12) fest, dass eine gleichberechtigte Vertretung von Frauen in höheren und in Führungspositionen bei weitem nicht erreicht ist. Um in diesen Positionen die Unterrepräsentanz von Frauen zu beheben, müssen Maßnahmen ergriffen werden, die mit mehr Nachdruck als bisher den Abbau dieser Unterrepräsentanz fördern.

Aus Sicht des djb ist es daher eine eindeutige Verschlechterung, wenn im Gesetz die bisher zwingend vorgegebene quotierte Stellenbesetzung in § 13 Abs. 4 aufgibt, ohne zugleich das Instrument der Zielvorgaben in den Gleichstellungsplänen entsprechend zu verstärken.

Für den djb ist nicht nachvollziehbar, warum eine Unterrepräsentanz künftig schon beseitigt sein soll, wenn das unterrepräsentierte Geschlecht mindestens zu  45 vom Hundert vertreten ist. Hier gilt das oben zu § 3 Abs. 3 Gesagte.

Zu § 14 Abs. 4:

Mit der neuen Orientierung des NGG auf Familienfreundlichkeit ist es unvereinbar, wenn der bisherige Anspruch auf Kinderbetreuung bei der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen in den §§ 6 und 14 entfällt und stattdessen nur noch vage Ansprüche auf Kostenerstattung gegeben werden. Die Begründung, dass das Anbieten von Kinderbetreuung ein ungestörtes Einlassen auf die Fortbildungsveranstaltung erschweren kann (S. 23 der Begründung), überzeugt nicht. Vielmehr liegt die Gefahr auf der Hand, dass eine Beschäftigte/ein Beschäftigter ohne Kinderbetreuung eine Fortbildungsmaßnahme möglicher Weise überhaupt nicht wahrnehmen kann.

Zu §§ 15, 16 und § 20:

Bei der Erstellung und Erfüllung von Gleichstellungsplänen fehlen ernstzunehmende Sanktionen. Das ist deshalb besonders unverständlich, weil schon die bisherigen Stufenpläne nicht befriedigend erstellt und umgesetzt worden sind. Die im NGG vorgesehenen Mechanismen reichen zur Erstellung und Erfüllung der Gleichstellungspläne nicht aus: Zum einen versteht sich die Pflicht der Dienststelle, den vor ihr selber erstellten Gleichstellungsplan bei anschließenden Personalmaßnahmen und Personalentwicklungskonzepten auch zu berücksichtigen, von selbst. Zum anderen haben nach den Erfahrung der vergangenen Jahre weder die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten an der Erstellung und Erfüllung der Pläne noch die Herstellung von Transparenz durch die Bekanntgabe der Pläne an die Beschäftigten noch die Berichtspflicht gegenüber dem Landtag einen hinreichenden Durchsetzungsdruck auf einzelne Dienststellen. Der djb hält es daher für unerlässlich, über das bloße Beanstandungsrecht der Gleichstellungsbeauftragten in § 20 hinaus einen Devolutiveffekt vorzusehen.

Das NGG sollte deshalb eine Regelung enthalten, die der Gleichstellungsbeauftragten das Recht gibt, sich bei Dissens mit ihrer Dienststellenleitung über die Erstellung oder Umsetzung des Gleichstellungsplanes (aber auch in sonstigen Konflikten im Rahmen ihrer übrigen Aufgaben) an ihre oberste Dienstbehörde zu wenden. Der Vollzug der Maßnahmen sollte bis zum Entscheid der obersten Dienstbehörde ausgesetzt werden.

Um zu verhindern, dass die Gleichstellungsbeauftragte entgegen den gesetzlichen Vorgaben gar nicht erst beteiligt wird, sollten ohne die erforderliche Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten getroffenen Maßnahmen ebenfalls unwirksam bleiben, soweit nicht zwingende andere gesetzliche Regelungen entgegen stehen.

Zu § 21 Abs. 7 Nr. 1:

Aus dem Vorstehenden folgt schließlich unsere Anregung, dieGleichstellungsbeauftragte in § 21 Abs. 7 Nr. 1 auch gegenüber ihrer obersten Dienstbehörde von der Schweigepflicht zu befreien.

Ruth Schimmelpfeng-Schütte
Vorsitzende des Landesverbands Niedersachsen im djb