Pressemitteilung: 15-41


Offener Brief an die Bundeskanzlerin des überfraktionellen Bündnisses „Berliner Erklärung“

Pressemitteilung vom

Überfraktionelles Bündnis „Berliner Erklärung“ setzt auf klares Commitment der Kanzlerin und fordert Ende der deutschen Blockade gegen die EU-Aufsichtsrätinnenrichtlinie: „Es ist Zeit für die EU-Richtlinie für Frauen in Leitungsorganen. Gefragt ist ein klares ‚Ja’ Deutschlands zu einheitlichen Mindeststandards in Europa.“

 

Nachfolgend der Brief an die Bundeskanzlerin:

 

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

seit 2001 hatten die deutsche Politik und die Verbände beim Thema Chancengleichheit in Führungspositionen der Wirtschaft auf freiwillige Selbstverpflichtungen der Unternehmen gesetzt. Dieser Ansatz blieb wirkungslos und ist somit gescheitert. Das am 6. März 2015 im Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im Öffentlichen Dienst setzt nun endlich einen spürbaren Impuls für Veränderungen in den Unternehmenskulturen.

Sie, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, haben immer wieder deutlich gemacht, dass es eine gesetzliche Regelung geben muss, wenn sich die Wirtschaft nicht genügend bewegt. Als dieser Befund nicht mehr zu übersehen war, haben Sie gehandelt. Das Gesetz ist da. Ihrer konsequenten Haltung zollen wir hohen Respekt.

Auf europäischer Ebene ist Ihr klares Commitment nun erneut gefragt.

Die Europäische Kommission hat am 27. Oktober 2015 das neue Arbeitsprogramm 2016 vorgestellt. Die Kommission setzt darin einen wichtigen geschlechtergleichstellungspolitischen Schwerpunkt. Als langjährige Wegbereiterinnen der gesetzlichen Regelung in Deutschland begrüßen und unterstützen wir nachdrücklich den darin enthaltenen Appell, die seit Jahren verhandelte Richtlinie für europäische Mindeststandards zu Frauen in Leitungsorganen von Unternehmen endlich zu beschließen.

Der von der Europäischen Kommission 2012 initiierte europäische Rechtsetzungsvorschlag (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen, Ratsdokument 16300/14) sieht in seiner derzeit dem Rat vorliegenden Fassung eine 40%-ige Zielvorgabe für Frauen in Leitungsorganen vor. Unter italienischer Ratspräsidentschaft wurden hierzu Ende 2014 Ausnahmeregelungen aufgenommen. Das geltende deutsche Quotengesetz mit seiner 30%-igen Zielvorgabe in Deutschland würde unter diese Ausnahmeregelungen fallen, so dass in Deutschland zur Umsetzung der Richtlinie keine gesetzlichen Maßnahmen erforderlich sind.

Wir bauen auf Sie, dass Deutschland seine Blockadehaltung im Rat aufgibt. Was wir in Deutschland von Privatwirtschaft und Öffentlichem Dienst gesetzlich fordern, können wir auf europäischer Ebene doch nicht glaubwürdig behindern. Dies umso weniger, als Deutschland von einer europaweiten Regelung durch diese Richtlinie überhaupt nicht mehr betroffen wäre. Eine deutsche Enthaltung und damit Ablehnung des nur noch auf absolute Mindeststandards setzenden Kompromissvorschlages der italienischen Ratspräsidentschaft würde die Glaubwürdigkeit und Vorbildwirkung des gerade erlassenen deutschen Gesetzes erheblich schwächen und wäre damit nicht im nationalen Interesse. Sie unterstützte lediglich die Verweigerungshaltung jener Mitgliedstaaten, die sich selbst minimalen Regelungen für mehr Gleichstellung verwehren.

Am 7. Dezember 2015 tagt der Beschäftigungsrat in Brüssel. Dort könnten die Ministerinnen und Minister der 28 Mitgliedstaaten als nächsten wichtigen Schritt eine allgemeine Ausrichtung annehmen, wenn Deutschland mit einem klaren „Ja“ zustimmt. Bitte schaffen Sie diese Voraussetzung für die Annahme der Richtlinie durch das Europäische Parlament.

Wir sind davon überzeugt, dass ein gemeinsames Bekenntnis der Mitgliedstaaten und Ihr klares Commitment für mehr Frauen in Leitungsorganen auf europäischer Ebene ein wichtiges und unentbehrliches Signal für mehr Geschlechtergerechtigkeit in Europa ist. Die entsprechende Richtlinie wird auch entscheidend zu einem Umdenken in den Mitgliedstaaten beitragen.

 

Hochachtungsvoll,

die Initiatorinnen der Berliner Erklärung

 

Rena Bargsten,
Past-Präsidentin
EWMD Deutschland e.V.

 

Stephanie Bschorr,
Präsidentin
des Verbands Deutscher Unternehmerinnen e.V.

 

Ekin Deligöz, MdB

 

Sibylle Laurischk, ehem. MdB

 

Cornelia Möhring, MdB

 

Rita Pawelski, ehem. MdB

 

Ramona Pisal,
Präsidentin
des Deutschen Juristinnenbundes e.V.

 

Brigitte Scherb,
Präsidentin
des Deutschen LandFrauenverbands e.V.

 

Monika Schulz-Strelow,
Präsidentin
von FidAR – Frauen in die Aufsichtsräte e.V.

 

Henrike von Platen,
Präsidentin
von Business and Professional Women (BPW) Germany e.V.

 

Dagmar Ziegler, MdB