Pressemitteilung: 15-25


Fresenius SE & Co. KGaA: Weichen müssen neu gestellt werden

Pressemitteilung vom

Auch bei der Hauptversammlung der Fresenius SE & Co. KGaA in Frankfurt am Main setzte der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) die von ihm initiierte Aktion "European Women Shareholders Demand Gender Equality" fort. Im Rahmen des Projektes stellt der djb durch Rechtsanwältin Ursula Matthiessen-Kreuder, Bad Homburg, kritische Fragen zum Anteil der Frauen in Führungspositionen bei Fresenius.

Matthiessen-Kreuder befragte das ausschließlich männliche besetzte Podium, ob es denn für die heutige Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds zumindest weibliche Kandidatinnen gab. Die Antwort beschränkte sich auf den Hinweis, dass der vorgeschlagene Kandidat ohne Zweifel ein hervorragender Kandidat sei. Fragen nach der Transparenz des Auswahlverfahrens blieben so unbeantwortet.

Der djb begrüßt jedoch die Ankündigung des Vorstands, dass sich Fresenius zu den Aufsichtsratswahlen im nächsten Jahr mit mehr Geschlechtervielfalt bei den Kandidaten befassen werde. Der djb wird Verfahren und Ergebnis sehr genau beobachten.

Nach Auskunft des Vorstands beträgt der Frauenanteil bei Fresenius in den obersten beiden Führungsebenen rund 30 bzw. 44 Prozent. Weltweit seien 30 Prozent der 1.000 Topmanager weiblich. Eine Zielquote für den Führungskräftebereich werde es kurzfristig jedoch nicht geben und bleibt damit weiterhin eines der letzten beiden 30 DAX-Unternehmen, die dies nicht tun.

Matthiessen-Kreuder: "Der hohe Anteil von Frauen an der Gesamtbelegschaft spiegelt sich bei weitem nicht in den Führungsgremien des Unternehmens wider. Der Hinweis auf den hohen Anteil von Frauen im Pflegebereich ändert nichts daran, dass das Unternehmen einerseits in seinem Gesamtkonzern erheblich von weiblicher Arbeitskraft profitiert, sich aber andererseits in seiner Steuerung mehrheitlich auf männliche Führungskräfte verlässt. Hier müssen dringend die Weichen neu gestellt werden."

Hintergrund

Das am 6. März 2015 im Bundestag verabschiedete "Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst" legt u.a. eine feste Quote von 30 Prozent Frauen für die Aufsichtsräte der circa 100 größten deutschen Unternehmen fest. Der djb begrüßt die Frauenquote grundsätzlich als einen wichtigen ersten Schritt zur Verwirklichung der im Grundgesetz und auf europäischer Ebene garantierten Gleichstellung der Frauen. Die Größenordnung ist aber wenig ambitioniert. Gefordert wird daher weiterhin eine Frauenquote von mindestens 40 Prozent für Aufsichtsräte, Vorstände und alle Führungspositionen.

Dies wird auf europäischer Ebene ähnlich gesehen. Der derzeit verhandelte Entwurf der EU-Richtlinie zur "Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen" sieht die vom djb geforderte Zielquote von 40 Prozent vor. Allerdings wurde mit Art. 4b) dort kürzlich eine "Flexibilitätsklausel" eingefügt, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, diese Zielquote unter bestimmten Bedingungen auszusetzen. Darauf könnte Deutschland sich jetzt berufen, denn dafür soll eine verbindliche Quote von 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten ausreichen.

Das vom djb initiierte Projekt "European Women Shareholders Demand Gender Equality" erhielt 2014 von der Europäischen Kommission neben 16 weiteren europäischen Projekten den Zuschlag für eine Förderung nach dem PROGRESS-Programm. Es wird kofinanziert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), dem Ministerium für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt und der Finnischen Handelskammer. Zu den Projektpartnern gehören neben dem djb: die vier Juristinnenorganisationen European Women Lawyers Association (EWLA), EWLA Bulgarien, Association française des femmes juristes (AFFJ), der Ungarische Anwältinnenverband sowie die Finnische Handelskammer und die Universität von Westengland. Die Hochschule Magdeburg Stendal ist für Medienarbeit zuständig.

Derzeit besuchen Juristinnen und andere Fachfrauen in elf EU-Mitgliedstaaten circa 100 Hauptversammlungen großer börsennotierter Aktiengesellschaften. In den Beneluxstaaten, Deutschland, Frankreich, Irland, Italien und Spanien müssen sich die im EURO STOXX 50 notierten Unternehmen den kritischen Fragen der Juristinnen stellen, in Bulgarien, Ungarn und dem Vereinigten Königreich sind es die im BUX-, SOFIX- und FTSE notierten Unternehmen.

Das Projekt schließt an das vom BMFSFJ geförderte deutsche Projekt "Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung" an und setzt es europaweit fort. Mitglieder des djb und andere Aktionärinnen haben von 2009 bis 2013 insgesamt 300 Hauptversammlungen börsennotierter Aktiengesellschaften in Deutschland besucht und von ihrem Auskunftsrecht Gebrauch gemacht. Die Antworten der Aufsichtsräte und Vorstände auf die Fragen nach den Frauen in Führungspositionen des Unternehmens sind ausgewertet und in vier Studien veröffentlicht worden.