Pressemitteilung: 15-16


Manche tun es, andere sprechen darüber: VORWEG GEHEN ist gefragt!

Pressemitteilung vom

Mit den Hauptversammlungen der RWE AG in Essen und der Münchner Rückversicherungs-Gesellschaft AG (Munich Re) in München setzt der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) heute sein Projekt European Women Shareholders Demand Gender Equality fort.

„Eine Energiewende braucht innovative Kooperationen“, so RWE in einer Pressemitteilung vom 13. März 2015 – die Umsetzung des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst ebenfalls. Auch hier ist entsprechend dem Slogan, den RWE seit 2011 nutzt, „VORWEG GEHEN“ gefragt: Die RWE AG hat am 4. März 2015 – noch vor dem Bundestagsbeschluss über das Quotengesetz am 6. März 2015 und in Vorwegnahme der bald geltenden gesetzlichen Verpflichtung – entschieden, die Zielquote für den Anteil von Frauen im Aufsichtsrat von 20 auf 30 Prozent zu erhöhen. 15 Prozent sind es derzeit. Im Vorstand gibt es aber nach wie vor keine Frau. Der Anteil von Frauen an Führungspositionen in Deutschland liegt bei nur 10,8 Prozent (genannt im Statusbericht der 30 DAX-Unternehmen 2014, Stand 31.12.2013).

Rechtsanwältin Mechtild Düsing wird bei der heutigen Hauptversammlung der RWE AG die kritischen Fragen des Projektes „European Women Shareholders Demand Gender Equality“ zu Frauen in Führungspositionen stellen. Düsing ist die Ideengeberin und Initiatorin des Vorgängerprojektes „Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung“ des djb. Düsing: „Von einem Unternehmen, das sich in der Werbung seit 2011 mit dem Slogan „VORWEG gehen“ vorstellt, erwarten wir große Schritte. Angesichts der vielen gut ausgebildeten Frauen sollte RWE auch hier energisch auf eine Wende und auf Innovation setzen, um frischen Wind ins Unternehmen zu bringen und auf Worte sichtbare Taten folgen lassen! Der viel zu lange Verzicht auf erneuerbare und die neuen Energien der Frauen hat die Zukunftsfähigkeit von RWE beeinträchtigt und geht damit auch zu Lasten der Aktionärinnen und Aktionäre.“

Sabine Lutzenberger wird bei der Munich Re die Fragen stellen, die hier weniger kritisch als bei anderen Unternehmen ausfallen, denn Munich Re hat bereits 40 Prozent Frauen im Aufsichtsrat und als eines von nur drei DAX-Unternehmen sogar zwei Frauen im Vorstand. Konzernweit kann das Unternehmen mit 30 Prozent Frauen in Führungspositionen punkten. Lutzenberger: „Munich Re ist bereits sehr gut aufgestellt und der Beweis, dass es genug Frauen für Führungspositionen gibt. Bei einem Frauenanteil von 50 Prozent an der Belegschaft gibt es aber auch hier noch ‚Luft nach oben’ für mehr Frauen in Führungspositionen.“

Hintergrund

Das am 6. März 2015 im Bundestag verabschiedete „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ legt u.a. eine feste Quote von 30 Prozent Frauen für die Aufsichtsräte der circa 100 größten deutschen Unternehmen fest. Der djb begrüßt die Frauenquote grundsätzlich als einen wichtigen ersten Schritt zur Verwirklichung der im Grundgesetz und auf europäischer Ebene garantierten Gleichstellung der Frauen. Die Größenordnung ist aber wenig ambitioniert. Gefordert wird daher weiterhin eine Frauenquote von mindestens 40 Prozent für Aufsichtsräte, Vorstände und alle Führungspositionen.

Dies wird auf europäischer Ebene ähnlich gesehen. Der derzeit verhandelte Entwurf der EU-Richtlinie zur „Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen“ sieht die vom djb geforderte Zielquote von 40 Prozent vor. Allerdings wurde mit Art. 4b) dort kürzlich eine „Flexibilitätsklausel“ eingefügt, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, diese Zielquote unter bestimmten Bedingungen auszusetzen. Darauf könnte Deutschland sich jetzt berufen, denn dafür soll eine verbindliche Quote von 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten ausreichen.

Das vom djb initiierte Projekt „European Women Shareholders Demand Gender Equality“ erhielt 2014 von der Europäischen Kommission neben 16 weiteren europäischen Projekten den Zuschlag für eine Förderung nach dem PROGRESS-Programm. Es wird kofinanziert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), dem Ministerium für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt und der Finnischen Handelskammer. Zu den Projektpartnern gehören neben dem djb: die vier Juristinnenorganisationen European Women Lawyers Association (EWLA), EWLA Bulgarien, Association française des femmes juristes (AFFJ), der Ungarische Anwältinnenverband sowie die Finnische Handelskammer und die Universität von Westengland. Die Hochschule Magdeburg Stendal ist für die Medienarbeit zuständig.

Juristinnen und andere Fachfrauen besuchen seit Beginn des Jahres in elf EU-Mitgliedstaaten circa 100 Hauptversammlungen großer börsennotierter Aktiengesellschaften. In den Beneluxstaaten, Deutschland, Frankreich, Irland, Italien und Spanien müssen sich die im EURO STOXX 50 notierten Unternehmen den kritischen Fragen der Juristinnen stellen, in Bulgarien, Ungarn und dem Vereinigten Königreich sind es die im BUX-, SOFIX- und FTSE-notierten Unternehmen.

Das Projekt schließt an das vom BMFSFJ geförderte deutsche Projekt „Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung“ an und setzt es europaweit fort. Mitglieder des djb und andere Aktionärinnen haben von 2009 bis 2013 insgesamt 300 Hauptversammlungen börsennotierter Aktiengesellschaften in Deutschland besucht und von ihrem Auskunftsrecht Gebrauch gemacht. Die Antworten der Aufsichtsräte und Vorstände auf die Fragen nach den Frauen in Führungspositionen des Unternehmens sind ausgewertet und in vier Studien veröffentlicht worden.