Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) begrüßt den vom Bundesministerium der Justiz vorgelegten Reformentwurf zur Verbesserung des Schutzes von gewaltbetroffenen Personen im familiengerichtlichen Verfahren, zur Stärkung des Verfahrensbeistands und zur Anpassung sonstiger Verfahrensvorschriften. Grundsätzlich werden die vorgeschlagenen besonderen Vorschriften bei Anhaltspunkten für Partnergewalt als zielführend erachtet. Der djb befürwortet u.a. die Einführung der zweiten Instanz bei Umgangsentscheidungen, die per Eilanordnung ergangen sind; ebenso wie die vorgeschlagenen Neuregelungen zur finanziellen Entlastung der Verfahrensbeistände. Ergänzend fordert der djb jedoch die gesetzliche Regelung der Qualifikation von Verfahrensbeiständen im Hinblick auf Partnergewalt, die ohnehin für alle beruflichen Verfahrensbeteiligten optimal wäre.
Der djb begrüßt darüber hinaus, dass der Reformentwurf einen Versorgungsausgleich bezüglich vergessener oder übergangener Anrechte vorsieht und damit dafür sorgt, dass ein nicht berücksichtigtes Anrecht noch einem Ausgleich unterliegen kann. Die vorgesehene Regelung eines nachträglichen Ausgleichs im schuldrechtlichen Verfahren stellt allerdings nicht den Zustand her, der nach Auffassung des djb vorzugswürdig wäre: Ein Ausgleich im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich, der ohne weiteres möglich wäre und die ausgleichsberechtigten Personen besser absichern würde.
Ein zentraler Begriff des Entwurfs ist der Begriff „Partnerschaftsgewalt“, der allerdings nicht näher definiert wird. Der Entwurf lässt an dieser Stelle ein klares Bekenntnis zur Istanbul-Konvention vermissen. Um die Vertragspflichten konsequent umzusetzen, muss das Verständnis der Konvention von Gewalt, die von (Ex-)Partnern ausgeht, übernommen werden.
Im Einzelnen bezieht der djb wie folgt Stellung:
Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 57 Satz 2 FamFG-E)
Der djb befürwortet, dass die umgangsberechtigte Person eine Beschwerdemöglichkeit erhalten soll, wenn der Umgang im Wege einer einstweiligen Anordnung ausgeschlossen worden ist. Der Umgangsausschluss ist ein erheblicher Eingriff in die durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützten Rechte der umgangsberechtigten Elternteile. Ein derart erheblicher Eingriff erfordert es auch, dass ein Beschluss, der einen Umgangsausschluss anordnet, beschwerdefähig ist.
Die Intention des Gesetzgebers, einstweilige Anordnungen zum Umgang nicht anfechtbar zu gestalten, war letztlich auch darauf gestützt, dass Umgang ohne Anfechtungsmöglichkeiten im einstweiligen Anordnungsverfahren schnell und wirksam angeordnet werden können sollte. Der gewünschte Effekt ist jedoch bereits durch die sofortige Wirksamkeit einer einstweiligen Anordnung im Sinne des § 38 FamFG hergestellt worden, ein Rechtsmittel hemmt die Wirksamkeit – und Vollstreckbarkeit – der Anordnung nicht. Deswegen ist es bereits nicht notwendig, betroffenen Eltern und Kindern die Anfechtungsmöglichkeit zu nehmen. Gerade beim Umgangsausschluss ist es aus rechtsstaatlichen Gründen dringend geboten, eine Anfechtungsmöglichkeit zu schaffen.
Anmerkungen/Begründungen zur Erweiterung von § 57 FamFG auf alle im einstweiligen Anordnungsverfahren getroffenen Umgangsentscheidungen
Die Auswirkungen einer Eilanordnung sind in allen Fällen gravierend und es ist wenig nachvollziehbar, warum hier kein zweiter Instanzenzug eröffnet ist.
Deswegen ist es angezeigt, dass jede einstweilige Anordnung, die das Umgangsrecht regelt, anfechtbar sein muss. Auch eine positive einstweilige Umgangsregelung hat auf faktischer Ebene einen erheblichen Einfluss auf alle Beteiligten. Zudem sind bei umgangsrechtlichen Regelungen auch Grundrechte des anderen Elternteils und des Kindes berührt. Oft erfolgen deshalb in hochstrittigen Angelegenheiten in den parallel geführten Hauptsacheverfahren Begutachtungen, die in der Regel mehrere Monate dauern. Sind Eilverfahren nicht anfechtbar, bleiben womöglich äußerst belastende Umgangsanordnungen unangefochten stehen, während sich das Hauptsachverfahren in die Länge zieht.
Besonders dann, wenn über eine einstweilige Anordnung die paritätische Betreuung von Kindern im Umgangsverfahren beschlossen wird, ist es aus rechtstaatlichen Gründen nicht länger hinnehmbar, dass keine Überprüfung durch eine weitere Instanz eröffnet ist. Durch einstweilige Anordnungen werden Eltern ggf. von beabsichtigten Wohnortwechseln – auch zum Zweck der Aufnahme einer Berufstätigkeit – abgehalten, während das Hauptsacheverfahren geführt wird. Gerade diese Hauptsacheverfahren nehmen oft Monate in Anspruch, weil Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen.
Die geplante Öffnung soll auch Verfahren betreffen, in denen trotz eines entsprechenden Antrags kein Umgangsausschluss verhängt worden ist. Hier würden enorme Abgrenzungsschwierigkeiten entstehen, auch deswegen, weil Umgangsverfahren Amtsverfahren sind und daher die förmliche Antragstellung bereits nicht verfahrenssteuernd wirkt. Auch die in der Begründung dargestellte Abgrenzung zwischen kurzen und längeren Umgangsausschlüssen (in Abhängigkeit vom Alter des Kindes) erscheint nicht zielführend für die Reglementierung. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels darf nach Auffassung des djb nicht von Ermessenserwägungen abhängig gemacht werden.
Insgesamt sollte daher die Anfechtbarkeit von vornherein weiter geöffnet werden als bislang vorgesehen. Es sollte jede einstweilige Anordnung in Umgangsverfahren anfechtbar sein. Das wird auch die Beschwerdeinstanz nicht über Gebühr belasten, denn hier können Entscheidungen in jedem Fall auch unter Fortgeltung des § 68 Abs. 5 FamFG im schriftlichen Verfahren und /oder vom Einzelrichter getroffen werden.
Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 68 Absatz 3 FamFG-E)
In Kindschaftssachen finden keine mündlichen Verhandlungen, sondern Anhörungs- und Erörterungstermine statt. Die geplante Fassung des Gesetzes ist daher zur Klarstellung erforderlich.
Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 68 Absatz 5 FamFG-E)
Die Gesetzesänderung wird im Wesentlichen begrüßt. Allerdings sollte der Gesetzgeber klarer formulieren, was mit „offensichtlich unbegründet“ gemeint ist. Nach Auffassung des djb kommt außerdem in Betracht, sich an der Regelung des § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zu orientieren, der eine Zurückweisung durch einstimmigen schriftlichen Beschluss vorsieht.
Diese Auffassung des djb ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
I. § 68 Abs. 2, Abs. 5 FamFG führt im Falle offenkundig unbegründeter Beschwerde wegen der Zeit, die das Beschwerdeverfahren in Anspruch nimmt, für die Kinder bei erfolgtem Sorgerechtsentzug zu erheblichen Gefährdungen. Das hat folgende Gründe:
- Einen Anhörungstermin mit einem Senat in voller Besetzung, den Eltern, ggf. zwei Anwält*innen, dem Jugendamt, dem*r wirksam für die Kinder bestellten Ergänzungspfleger*in und Pflegefamilie abzustimmen, ist oft schwierig und deswegen dauert es oft Monate, bis der Termin stattfinden kann. Die Kinder bleiben oft zunächst in den Familien, weil das Jugendamt sie nicht während eines Beschwerdeverfahrens aus den Familien nimmt. Denn für die Mitarbeitenden der Jugendämter ist gelegentlich schwer einzuschätzen, wie die Beschwerdeinstanz die Angelegenheit bewertet. So kommen Kinder zu spät aus gefährdenden Verhältnissen.
- Auch wenn die Kinder aus den Familien genommen worden sind, entstehen für Kinder und Eltern mitunter unerträgliche Belastungen. Die Kinder sind dann in der Regel in Bereitschaftspflegefamilien aufgenommen worden. Sie können nicht aus der Bereitschaftspflege in Dauerpflege gegeben werden, solange nicht eine Entscheidung des zuständigen OLG ergeht. Denn die zu einer Dauerpflege bereiten Eltern müssen Gewissheit haben, dass das Kind bei ihnen bleibt, alles andere ist emotional schwer zu verkraften. So profitieren die Kinder nicht von einem längeren Verfahrensgang oder einer erneuten Anhörung vor dem Oberlandesgericht, sondern bleiben in der Bereitschaftspflegefamilie und bauen dort Bindungen auf, deren sicher zu erwartender Abbruch durch den späten Wechsel in die Dauerpflegefamilie zu einer sekundären Kindeswohlgefährdung führt.Die Anhörung vor einem Familiensenat dürfte bei offensichtlich unbegründeten Rechtsmitteln die Kinder frustrieren. Ihnen kann bei absolut unbegründeten Rechtsmitteln letztlich nur vermittelt werden kann, dass es infolge einer Erziehungsunfähigkeit der Eltern auf ihre eigenen nachvollziehbaren Wünsche nicht ankommt.
- Außerdem sollte dringend die aktuell angeordnete zwingende Inaugenscheinnahme von Kleinstkindern durch OLG-Senate auf die Fälle begrenzt werden, in denen die Kinder überhaupt noch bei den eigenen Eltern leben. Anlass für die Regelung einer persönlichen Inaugenscheinnahme ist doch, dass der Staat im Wächteramt für das Kindeswohl sichergehen muss, dass die Kinder im elterlichen Haushalt nicht gefährdet sind. Hier kann ein persönlicher Eindruck einen Erkenntnisgewinn bringen. Sind Kinder aber schon seit Monaten aus dem Haushalt der Eltern herausgenommen worden, wie dies bei erfolgtem Sorgerechtsentzug oft der Fall ist, dann sehen die Richter*innen der zweiten Instanz einen für die Sachentscheidung letztlich völlig irrelevanten Pflegezustand. Der Aufwand für Pflegefamilien und Kleinkinder ist hier nicht durch ein sachliches Ergebnis gerechtfertigt.
II. Wenn kein Sorgerechtsentzug erfolgt ist und ein Jugendamt eine Beschwerde führt, weil es die Gefährdung für das Kind gravierender einschätzt als das erkennende Familiengericht, sollte das 2021 eingeführte System beibehalten werden. Hier muss – das haben die entsetzlichen Geschehnisse beim Missbrauchsfall in Staufen gezeigt – das staatliche Wächteramt gestärkt bleiben.
III. In Umgangsausschlussverfahren sollte bei offenkundiger Unbegründetheit einer Beschwerde das Gesetz zu dem vor der Einführung des § 68 Abs. 5 FamFG geltenden Rechtzustand zurückkehren, der auch eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ermöglichte. Hier ist besonders zu berücksichtigen, dass vor allem für Familien mit einer Gewaltproblematik über das absolute Gebot zu verhandeln weitere Gefahrenquellen eröffnet werden können. Wenn etwa im Falle von Morddrohungen gegenüber der Mutter das Gesetz trotz eines völlig richtigen Umgangsausschlusses zwingend vorsieht, dass alle Beteiligten noch einmal vor einem OLG-Senat angehört werden müssen, ist das nicht nur sinnlos, sondern für die anreisende Mutter (und die Kinder) auch gefährlich.[1]
IV. Das Gebot zu verhandeln sollte unter anderem deswegen noch weitergehender als nun geplant eingeschränkt werden. Nach der nun beabsichtigten Einschränkung muss wohl nach wie vor z.B. auch dann angehört werden, wenn nur das „falsche“ Jugendamt zum Vormund bestellt worden ist. Aktuell ist ein Anhörungstermin vor dem Senat zwingend – selbst, wenn alle Beteiligten einig sind, dass der Fehler korrigiert werden muss. Das belastet Familien und vergeudet behördliche und justizielle Zeitressourcen.
Zu Artikel 1 Nummer 5 (§ 152 Absatz 2 FamFG-E)
Die Vorschrift dient der Sicherstellung eines nach Gewalterfahrungen geheim zu haltenden Wohnorts. Angesichts der Tatsache, dass viele Gewaltbetroffenen aus unterschiedlichen Gründen kein Verfahren nach dem GewSchG anstrengen, ist der geplante Wortlaut allerdings zu eng gefasst. Die Voraussetzungen des Wahlgerichtstands in Fällen von Partnergewalt zwingend an ein Gewaltschutzverfahren zu knüpfen, stellt eine zu hohe Hürde für manche Betroffenen dar. Vorzugswürdig ist daher die Anknüpfung etwa an „Anhaltspunkte von Partnergewalt“ wie in 156a FamFG-E oder eine vergleichbare Formulierung.
Es sollte außerdem klargestellt werden, ob für die Anhängigkeit nur Hauptsacheverfahren gemeint sind, oder auch einstweilige Anordnungserfahren reichen. Für letzteres spricht die offene Fassung der geplanten Vorschrift. Nach Auffassung des djb sollte auch ein Eilverfahren ausreichen, dauerhaft eine Zuständigkeit an einem besser geheim zu haltenden Ort zu eröffnen.
Allerdings gelten die hier angeführten Gründe auch für die Ehesachen, die zwischen miteinander verheirateten Eltern in der Regel ein Jahr nach Trennung anstehen. Der djb regt daher dringend an, auch für Verfahren zur Ehescheidung/Eheaufhebung einen Wahlgerichtsstand in Ergänzung zu § 122 FamFG zu eröffnen. Sonst wird der Wohnort einer gewaltbetroffenen verheirateten Mutter offenbart, sobald sie den Scheidungsantrag stellen will.
Zu Artikel 1 Nummer 6 (§ 156a Absatz 1 FamFG-E)
Die geplante Einführung der Regelungen zu § 156 a FamFG werden grundsätzlich begrüßt. Die Neuregelung ist zur Umsetzung der Instanbul-Konvention nach diesseitiger Auffassung zwingend erforderlich. Der djb begrüßt sehr, dass die teilweise bei den Familiengerichten aufgetretenen Umsetzungsschwächen zum Anlass genommen werden, an deutlich sichtbarer Stelle auf die geltenden Regelungen der Istanbul-Konvention hinzuweisen.
Allerdings entspricht der Gewaltbegriff in dem Entwurf nicht dem in der Istanbulkonvention formulierten Verständnis von Partnergewalt und ist deutlich enger gefasst. Diese Verengung ist nicht nachvollziehbar und dürfte auch gegen die vertragsstaatlichen Pflichten der Bundesrepublik Deutschland verstoßen. Der djb regt daher an, auf die Istanbulkonvention zu verweisen oder die in Art. 3 b Istanbulkonvention formulierte Definition der Partnerschaftsgewalt zu übertragen.
Die Vorschrift wird bei Gewaltvorwürfen die Tatsachenbasis erweitern helfen. Möglicherweise kann ein Merkposten für die Amtsermittlungspflicht die Familiengerichte ermutigen, Gewaltvorwürfen durch Zeugenvernehmungen oder die Beiziehung von Ermittlungsakten der Strafverfolgungsbehörden häufiger nachzugehen. Die Familiengerichte gehen aktuell zu oft nur von dem – streitigen – Vortrag der Beteiligten aus und werden im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes zu selten proaktiv tätig. Die Istanbul-Konvention gebietet eine Zusammenarbeit der Behörden in Fällen von Partnerschaftsgewalt. Der djb regt an, die Beteiligung der Jugendämter nach § 213 FamFG zu stärken. Diese für Familiengerichte oft einzige externe Erkenntnisquelle sollte zwingend in die Verfahren mit eingebunden werden, damit auch vor Ort tätige Mitarbeitende der Jugendämter ihre Wahrnehmungen dem Familiengericht zutragen können. Eine Berichtspflicht des Jugendamts wäre hier zu begrüßen. Denn sonst wird es oft infolge der zu schmalen zeitlichen Ressourcen der Familiengerichte nicht zu zusätzlichen Ermittlungen kommen. Gerade die in Umgangsverfahren immer wieder sichtbare Tendenz, Gewaltbetroffenen – insbesondere Müttern – Bindungsintoleranz zu unterstellen und damit den im Gewaltschutzverfahren garantierten Schutz im Umgangs- oder Sorgerechtsverfahren nicht mehr ernstlich zu verfolgen, muss durch klare gesetzliche Regelungen unterbunden werden. § 156 a FamFG in der nun vorgeschlagenen Fassung kann dieses Ziel unterstützen. Der djb erlaubt sich allerdings den Hinweis darauf, dass hier ergänzend Regelungen in §§ 1671, 1684 BGB erforderlich sein dürften.
Ergänzend ist anzuführen, dass eine anwaltliche Vertretung gerade für von Gewalt betroffene Personen enorm wichtig ist. Mit der Regelung, dass das Gericht die Beteiligten getrennt anhören soll, erhöht sich der Aufwand für die anwaltliche Vertretung ebenfalls, da in solchen Angelegenheiten dann regelmäßig zwei Termine wahrgenommen werden müssen. Das muss sich auch auf die Gebühren der anwaltlichen Vertretung auswirken. Deswegen regt der djb an, dass die Gegenstandswerte in § 49 FamGKG erhöht werden. Sonst werden gerade finanzschwächere Gewaltopfer erleben, dass sie keine zur Vertretung bereiten Anwält*innen finden.
Etwas unklar bleibt, wieso die Gesetzesbegründung recht unbeschwert darüber hinweggeht, dass das Vorrang- und Beschleunigungsgebot in diesen Sachen künftig dazu beitragen kann, dass statt eines „frühen“ Termins weitere Termine hinzutreten. Die zeitlichen Ressourcen dafür sind weder bei den Familiengerichten noch bei den Anwält*innen und Jugendamtsmitarbeitenden vorhanden, die nach § 213 FamFG in Gewaltschutzverfahren zu beteiligen sind. Der djb regt an, in Verfahren mit Gewaltbetroffenheit stattdessen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot anzupassen. Mehrere Termine können für Beteiligte äußerst belastend sein. Es sollte daher flankierend in § 155 FamFG aufgenommen werden, dass bei stichhaltigen Indizien für Gewaltbetroffenheit Ausnahmen vom Gebot möglich sind, die Sache binnen eines Monats nach Eingang auf Termin zu bringen.
Zu Artikel 1 Nummer 6 (§ 156a Absatz 2 FamFG-E)
Schon im Ausgangspunkt ist die Idee, konstruktive Lösungen im Vergleichswege mit Beteiligten zu suchen, in von Gewalt geprägten Beziehungen kaum umzusetzen, ohne Opfer ein weiteres Mal zu belasten. Das erkennt der Entwurf völlig zutreffend. Dazu kommt, dass Vergleiche oft auch deswegen vorgeschlagen werden, um weiteren Ermittlungsaufwand zu meiden. Es ist deswegen außerdem durchaus zu begrüßen, dass ein Ausgleich in den Fällen nicht mehr vorgeschlagen werden soll, in denen er möglicherweise Opfer familiärer Gewalt mit dem Eindruck zurücklässt, ihre negativen Erfahrungen spielten vor Gericht keine Rolle.
Zu Artikel 1 Nummer 7 (§ 158b Absatz 1 FamFG-E)
Die Vorschrift enthält eine sinnvolle redaktionelle Änderung und liest sich durch die eingeführte Nummerierung deutlich besser. Es ist – auch vor dem Hintergrund der aktuellen Praxis der Familiengerichte, die Verfahrenbeistände mit dem erweiterten Aufgabenkreis zu bestellen – zu begrüßen, dass dies nun in geeigneten Fällen immer zum Pflichtenkanon der Verfahrensbeistände gehören soll.
Zwingend notwendig ist allerdings, dass auch Verfahrensbeistände zur Problematik der Partnergewalt geschult und sensibilisiert werden. Wie alle am Verfahren beteiligten Personen ist die Kenntnis von Gewaltdynamiken und das Wissen um geschlechtsbezogene Gewalt in Kontext Partnerschaft sowie deren Auswirkungen auf Kinder für Verfahrensbeistände unerlässlich. Der djb fordert daher eine entsprechende Ergänzung des § 158a FamFG – dies umso deutlicher, da mit der Neuregelung die Position der Verfahrensbeistände gestärkt wird.
Zu Artikel 1 Nummer 7 (§ 158b Absatz 2 FamFG-E)
Sofern die Beteiligten für die Kommunikation auf eine Sprachmittlung angewiesen sind, ist die Bestellung einer dolmetschenden Person zwingend geboten. Es ist nicht nachvollziehbar, wie Verfahrensbeiständ*innen ihre Aufgaben ansonsten sinnvoll erfüllen können.
Zu Artikel 1 Nummer 7 (§ 158c Absatz 1 FamFG-E)
Auch der Anhebung der Vergütung von Verfahrensbeiständen ist grundsätzlich zuzustimmen.
Die Anhebung der Vergütung ist nach rund 15 Jahren überfällig. Da sich erst nach Inkrafttreten des FamFG 2009 ergeben hat, dass Verfahrensbeistände je Kind, Instanz und Verfahrensgegenstand eine Pauschalvergütung abrechnen können, weichen die Verdienstmöglichkeiten jedoch teilweise erheblich von den geringeren Anwaltsgebühren ab. Diese werden bei Gegenstandswerten nach § 45 FamGKG unabhängig von der Anzahl der Kinder gewährt und fallen wegen der für die Mandanten letztlich günstigen Abrechnung nach Gebührenprogression bei der Verbindung von Umgangs- und Sorgerechtsverfahren aktuell deutlich niedriger als die der Verfahrensbeistände aus. Vor diesem Hintergrund ist die Absenkung der Vergütung der Verfahrensbeistände bei der Bestellung für Geschwisterkinder in jeder Hinsicht nachvollziehbar, denn es müssen nur einmal Gespräche mit Eltern geführt werden und auch die Anhörungstermine sind zeitlich nicht so ausgedehnt wie die für mehrere Einzelkinder.
Zu Artikel 1 Nummer 7 (§ 158c Absatz 2 FamFG-E)
Aus der pauschalen Vergütung – auch in der beabsichtigt erhöhten Form – kann ein Verfahrensbeistand die Kosten für eine dolmetschende Person nicht aufbringen; die Qualität der Berichterstattung leidet aber, wenn eine umfassende Kommunikation nicht möglich ist. Die Gestattung durch das Gericht ist allerdings durchaus auch im Interesse der Eltern notwendig. Denn für sog. „Selbstzahler“ können hier sehr erhebliche Mehrkosten entstehen. Gerade Personen, die zwar im Gerichtssaal auf einen Dolmetscher angewiesen sind, weil sie hier alle Gesprächsinhalte sicher verstehen wollen, können sich im Gespräch mit dem Verfahrensbeistand durchaus noch verständigen und sollten nicht mit Kosten konfrontiert werden, die ggf. durch eine Unterstützung aus der Verwandtschaft oä vermieden werden könnten.
Zu Artikel 1 Nummer 7 (§ 158d Absatz 1 FamFG-E)
Abzulehnen ist die geplante Möglichkeit für Gerichte, anordnen zu können, dass die Eltern eines Kindes ein Gespräch mit dem Verfahrensbeistand ermöglichen müssen.
Die Erfahrungen aus der sowohl anwaltlichen als auch richterlichen Praxis geben keinen Anlass für diese Regelung, denn eine absolute Verweigerungshaltung ist bei Eltern in den seltensten Fällen beobachtet worden. Zur Frage nach der Erforderlichkeit einer solchen Regelung wäre es insofern zunächst notwendig zu wissen, ob tatsächlich in nennenswerter Zahl die Kontakte zu Verfahrensbeiständen grundlos auf Dauer verweigert werden. Eine solche Erhebung liegt dem djb bisher nicht vor. Auch deshalb werden die bislang bestehenden Möglichkeiten der Verfahrensbeistände, in Kontakt mit den Kindern zu treten, als ausreichend eingeschätzt.
Dabei gibt der djb folgendes zu bedenken: Die Interessen des Kindes, durch eine*n Verfahrensbeiständ*in im Verfahren vertreten zu sein, werden durch die bisherigen Regelungen auf hilfreiche Weise ermöglicht. Eine Anordnung von Gesprächen gegen den Willen des Kindes oder der Eltern erscheint hingegen als nicht zielführend. Eltern ist die Bedeutung der Gespräche ihrer Kinder mit Verfahrensbeiständen in der Regel sehr wohl bewusst. Ist das verweigernde Verhalten Ausdruck einer fehlenden Kompetenz, wird sich das auch anderweitig zeigen und im Interesse des Kindes lösen lassen.
Schließlich ist anzumerken, dass für die gerichtliche Kindesanhörung Gründe vorgesehen sind, bei denen die gerichtliche Kindesanhörung unterbleiben soll (§ 159 Abs. 2 FamFG). Eine solche Einschränkung sieht das Gesetz für das Gespräch des Verfahrensbeistandes mit dem Kind nicht vor.
Zu Artikel 1 Nummer 7 (§ 158d Absatz 2 FamFG-E)
Eine Verpflichtung erhöht den Druck auf Eltern und Kinder vor allem in den hochkonflikthaften Verfahren, wenn sich kurz nach Abschluss eines Verfahrens bereits das nächste Verfahren abzeichnet, weil ein Elternteil mit der getroffenen Regelung nicht einverstanden ist. Gerade hier muss ein Obhutselternteil auch verhindern können, dass das Kind durch sich ständig wiederholende Besuche von Verfahrensbeiständen zu sehr in den elterlichen Konflikt miteinbezogen wird. Ein Gespräch mit dem Kind kann aus ähnlichen Gründen nicht zielführend sein, die auch das Absehen von einer Anhörung vor Gericht im Sinne des § 159 Abs. 2 FamFG rechtfertigen.
Vor allem die beabsichtigte Möglichkeit, diese Verpflichtung mit Zwangsmitteln durchsetzen zu können, § 35 FamFG, zeigt sich bei näherem Hinsehen als kontraproduktiv. Zwangsmittel gegen die eigenen Eltern als Mittel der Erzwingung zu erleben, kann das Kind in den Konstellationen belasten, in denen sich eine absolute Verweigerung ergibt. Solche Zwangsmittel werden kaum zu einem vertrauensvollen Gespräch mit dem Kind beitragen.
Da das Kind – im Beisein seines Verfahrensbeistandes – in der Regel ohnehin vom Gericht angehört wird, findet hier eine Kontaktaufnahme statt. Das kann in den Verfahren ausreichen, in denen sich die Fronten derart verhärtet haben, dass jeder Verfahrensbeistand abgelehnt wird. Wenn sich jedoch herausstellt, dass es die konkrete Person des Verfahrensbeistandes ist, die die Eltern in eine Verweigerungshaltung bringt, sollte eher über einen Austausch des Verfahrensbeistandes nachgedacht werden, als das Kind einem Verfahrensbeistand an die Seite zu stellen, den es ggf. unter Koalitionsdruck mit seinen Eltern absolut ablehnt.
Zu Artikel 1 Nummer 7 (§ 158d Absatz 3 FamFG-E)
Da der djb bereits die Regelungen ablehnt, nach denen überhaupt die elterlichen Pflichten zur Ermöglichung von Gesprächen der Verfahrensbeistände mit Kindern strenger gefasst werden, ist auch eine Fristsetzung entbehrlich.
Zu Artikel 1 Nummer 7 (§ 158d Absatz 4 FamFG-E)
Da der djb bereits die Regelungen ablehnt, nach denen überhaupt die elterlichen Pflichten zur Ermöglichung von Gesprächen der Verfahrensbeistände mit Kindern strenger gefasst werden, ist auch eine Anzeige von Änderungen der Rahmenumstände entbehrlich. Denn hier soll offenbar verhindert werden, dass die Festsetzung von Ordnungsmitteln erfolgt, obwohl mittlerweile Gespräche ermöglicht wurden.
Zu Artikel 1 Nummer 7 (§ 158d Absatz 5 FamFG-E)
Da der djb bereits die Regelungen ablehnt, nach denen überhaupt die elterlichen Pflichten zur Ermöglichung von Gesprächen der Verfahrensbeistände mit Kindern strenger gefasst werden, bleibt bereits keine anfechtbare Anordnung.
Zu Artikel 1 Nummer 8 (§ 164 FamFG)
Solange sorgerechtliche Regelungen nur den Familiengerichten zustehen und sich – besonders bei Entscheidungen über Sorgerechtsanträge nach § 1671 BGB oder Umgangsanregungen auch als Produkt einer richterlichen Willensbildung darstellen, muss sich das in einer Entscheidungsbegründung niederschlagen. Allein wegen der Vorschriften zur Abänderung von Entscheidungen nach § 1696 BGB muss für spätere Entwicklungen deutlich sein, ob sich gravierende, das Kindeswohl betreffende Umstände geändert haben und auch das ist nur möglich, wenn die Entscheidung – wenn auch nur in aller Kürze – begründet wird. Für Kinder ist hier durchaus bedeutsam, dass eine etwaige vorausgegangene Einigung ihrer Eltern über eine begründete staatliche Billigung in Form einer Begründung Akzeptanz herstellen kann.
Zu Artikel 1 Nummer 9 (§ 170 Absatz 1 FamFG-E)
Der djb teilt die Auffassung, dass auch in Abstammungsverfahren eine Gewaltproblematik das Interesse einer Mutter begründen kann, an einem anderen Gerichtsort als dem für ihren Wohnsitz zuständigen Familiengericht die Vaterschaft feststellen zu lassen.
Zu Artikel 1 Nummer 12 (§ 211 FamFG-E)
Der djb begrüßt ausdrücklich die geplante Schaffung eines weiteren, sicheren Gerichtsstands in Gewaltschutzsachen. Von Gewalt betroffene Personen, die sich durch einen Wohnortwechsel dem gewalttätigen Menschen entziehen, haben ein absolut schützenswertes Interesse daran, dass der neue Wohnort nicht durch die Zuständigkeit eines Familiengerichts ermittelbar ist.
Zu Artikel 1 Nummer 13 (§ 211a Absatz 1 FamFG-E)
Die neue Vorschrift entspricht der Vorgabe in Art. 31 Istanbul-Konvention zur Gewährleistung der Sicherheit der antragstellenden gewaltbetroffenen Person und der mitbetroffenen Kinder. Die Angaben zu gemeinsamen Kindern sind aus der Perspektive des djb deswegen unerlässlich, weil über die Mitteilungspflichten dem Jugendamt gegenüber weiterer Schutz für von Gewalt betroffene Kinder eröffnet werden und die betroffenen Partner*innen Hilfestellungen vom Jugendamt vor Ort erhalten sollten. Auch der Hinweis auf laufende Kindschaftsverfahren ist elementar, weil die in diesen Verfahren beteiligten Jugendämter Kenntnis von den Verfahren haben müssen. Außerdem muss verhindert werden können, dass einander widersprechende Entscheidungen ergehen und etwa Umgangskontakte mit Abholung vor der eigenen (geheimen) Haustür angeordnet werden. Der Hinweis in der Begründung dieser Vorschrift, dass auch das Aktenzeichen anzugeben ist, sollte in den Gesetzestext übernommen werden.
Zu Artikel 1 Nummer 13 (§ 211a Absatz 2 FamFG-E)
Der djb schlägt vor, diese im Grundsatz zu begrüßende Regelung zu präzisieren. Es sollte klargestellt werden, dass das nach dem konkret angewählten Wahlgerichtsstand zuständige Gericht nach § 211 Nr. 1- 4 FamFG Gericht gemeint ist.
Zu Artikel 1 Nummer 13 (§ 211a Absatz 3 FamFG-E)
Der djb hält es für sinnvoll, das mit einer Kindschaftssache befasste andere Gericht unverzüglich zu informieren; im Sinne der Effizienz müssen so auch die Aktenzeichen mitgeteilt sein, s.o. Entsprechende Mitteilungen sind auch deswegen sinnvoll, weil ein geeigneter Austausch der beteiligten Familienrichter*innen im Sinne der Amtsermittlungspflichten fruchtbar sein kann.
Die Information der zuständigen Polizeibehörde ist für einen lückenlosen Schutz innerhalb der von der Polizei in der Regel – hoffentlich – angeordneten Wegweisungsfrist von grundlegender Bedeutung: Erfährt die Polizei nicht von der Antragstellung – die in der Entscheidungshoheit der gewaltbetroffenen Person liegt, wird sie nach Ablauf der Wegweisungsfrist keine ernsthaften Anstrengungen zum Schutz der gewaltbetroffenen Person (mehr) unternehmen. Die Mitteilung ist auch für die Frage schneller Reaktionen im Kontext von § 4 GewSchG notwendig und im FamFG besser verortet als in den ggf. vorhandenen landesrechtlichen untergesetzlichen Vorgaben.
Zu Artikel 1 Nummer 14 (§ 212 FamFG-E)
Gewaltopfer müssen sichergehen können, dass ein Gewaltschutzantrag nicht dazu führt, dass sie bezüglich der elterlichen Sorge Schwierigkeiten bekommen. Dem djb sind Konstellationen bekannt, in denen – auch nach der bisherigen Gesetzesfassung des § 213 FamFG – Jugendämter Kinder aus den Haushalten gewaltbetroffener Frauen genommen haben – mit der Begründung, die Mütter selbst hätten die Kinder nicht hinreichend vor partnerschaftlicher Gewalt geschützt.
Ob die förmliche Beteiligung notwendig ist, ist fraglich. Denn wenn sorgerechtliche Maßnahmen notwendig sind, kann und muss das Jugendamt eigene Anregungen im Sinne des § 1666, 1666a BGB an das zuständige Familiengericht richten und ist in diesen Verfahren ohnehin förmlich beteiligt.
Das Jugendamt erhält durch die geplante Erweiterung durchaus weitergehende Rechte und kann durch die förmliche Beteiligung erreichen, in Verfahren Ladungen zu erhalten. Es muss geklärt sein, ob das Jugendamt – wie in den Kindschaftssachen i.S.d. § 162 FamFG – durch die förmliche Beteiligung auch die Stellung eines beschwerdeberechtigten Beteiligten erhalten soll.
Zu Artikel 1 Nummer 15 (§ 214 Absatz 2 Satz 3 FamFG-E)
Die Erweiterung der Zustellmöglichkeiten gewährleistet besseren Opferschutz und ist daher – auch wegen der Schonung der begrenzten Ressourcen der Gerichtsvollzieher – zu begrüßen.
Zu Artikel 1 Nummer 16 (§ 214a Satz 2 FamFG-E)
Der djb geht davon aus, dass diese Vorschrift ausschließlich dann zum Tragen kommt, wenn entweder ein Vergleich in Abwesenheit der antragstellenden Person protokolliert worden ist oder es sich um einen schriftlichen Vergleich gem. § 36 FamFG handelt. In diesen – ohnehin höchst seltenen Fallkonstellationen – dürfte es manchmal sinnvoll sein, die persönliche Anhörung eines Gewaltopfers nachzuholen, um zu verhindern, dass die – bestätigte – Vergleichsfassung ihren Vorstellungen entspricht. Da es sich um eine Sollvorschrift handeln wird, kann das Familiengericht sich darauf beschränken, geeignete Konstellationen berücksichtigen.
Zu Artikel 1 Nummer 17 (§ 216a Satz 1 FamFG-E)
Es handelt sich um eine im Sinne der allseitigen Informationsverschaffung sinnvolle Weitergabe von Schutzanordnungen.
Zu Artikel 1 Nummer 18 (§ 224 Absatz 3 FamFG-E)
Die Reichweite der Rechtskraft einer Versorgungsausgleichsentscheidung hat auch vor dem Hintergrund der beabsichtigten Änderungen zu den vergessenen/ übergangenen Anrechten besondere Bedeutung. Deswegen ist es nach Auffassung des djb unerlässlich, dass alle Anrechte, die in der Versorgungsausgleichsentscheidung tatsächlich berücksichtigt, aber nicht ausgeglichen wurden, im Tenor der ersten Entscheidung über den Versorgungsausgleich aufgeführt werden. Das wird im Falle einer nachträglichen Entscheidung die notwendige Klarheit herstellen und ist der bisherigen Fassung deutlich vorzuziehen, wonach lediglich in den Beschlussgründen dazu ausgeführt werden soll, wie das Familiengericht die – geklärten – Anrechten behandeln wollte.
Zu Artikel 1 Nummer 19 (§ 227 FamFG-E)
Die Vorschrift wird eine Unklarheit beseitigen und ist daher zu begrüßen.
Zu Artikel 1 Nummer 20 (§ 232 Absatz 1 Nummer 2 FamFG-E)
Der djb hält es mit dem Gesetzentwurf für notwendig, einen (vom geheim zu haltenden Wohnort der gewaltbetroffenen Personen abweichenden) Wahlgerichtsstand für die Kindesunterhaltssachen zu schaffen.
Weitere Vorschläge und Anmerkungen zu Artikel 2
Auch wenn die Geschäftsverteilungspläne der meisten Familiengerichte durch Vorbefassungsregelungen auch anhand der bisherigen Fassung des § 23 b GVG die Zuständigkeit eines Richterdezernats für eine Familie herzustellen versuchen, ist es zur Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen notwendig, hier gesetzlich Klarheit zu schaffen. Nur über eine klare, der Geschäftsverteilung vorgehende Vorgabe im Gerichtsverfassungsgesetz können etwaige Lücken in Geschäftsverteilungsplänen geschlossen werden und damit sichergestellt sein, dass ein*e Richter*in tatsächlich alle eine Familie betreffende Verfahren bearbeitet. Mit dem geänderten § 23 Abs. 2 S. 1 GVG wird auch dann, wenn ein Verfahren ursprünglich versehentlich einem*r Richter*in zugeordnet worden ist, die Zuständigkeit des*der zuvor mit der Familie befassten Familienrichters*in hergestellt werden. Da § 23b GVG auch auf die Familiensenate der Oberlandesgerichte anzuwenden ist, wird auch im zweiten Rechtszug die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen vermieden.
Weitere Vorschläge und Anmerkungen zu Artikel 3
Es dürften nicht sehr viele Verfahren von einer Beibehaltung der alten Rechtslage betroffen sein, weil die meisten Geschäftsverteilungspläne der Gerichte ohnehin schon jetzt dafür sorgen, dass es nicht zu einer Bearbeitung der eine Familie betreffenden Verfahren in unterschiedlichen Dezernaten kommt. Das Interesse der Beteiligten an einer zügigen (Weiter-)Bearbeitung ihrer Rechtssache sollte hier tatsächlich im Übergang zur neuen Zuständigkeitsordnung berücksichtigt werden. Die ressourcenschonende Regelung des § 44 EGGVG ist daher nach Auffassung des djb sachgerecht.
Zu Artikel 8 (§ 20 Absatz 1 Satz 1 Versorgungsausgleichsgesetz-E)
Der djb begrüßt es außerordentlich, dass der Gesetzgeber sich der vergessenen oder übergangenen Anrechte annimmt und hier dafür sorgt, dass ein aus unterschiedlichsten Gründen in der Erstentscheidung zum Versorgungsausgleich nicht berücksichtigtes Anrecht noch einem Ausgleich unterliegen kann. Die vorgesehene Regelung eines nachträglichen Ausgleichs im schuldrechtlichen Verfahren stellt allerdings nicht den Zustand her, der nach Auffassung des djb vorzugswürdig wäre: Einen Ausgleich im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich. Der schuldrechtliche Ausgleich hat den Nachteil, dass – auch wenn er als verlängerter schuldrechtlicher Ausgleich über den Tod des Ausgleichspflichtigen hinaustragen kann – in bestimmten Konstellationen nicht gewährt wird. Der Gesetzentwurf nennt die Wiederverheiratung. Dazu kommen Zeiträume, die vor der Geltendmachung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs verstrichen sind. Hier besteht die Möglichkeit - vor allem, wenn der ausgleichspflichtige, möglicherweise jüngere Ehegatte noch nicht im Rentenbezug steht - auch eine rückwirkende Auszahlung von Renten. Denn es handelt sich ja gerade um übergangene Anrechte und es darf nicht darauf ankommen, wann sie „entdeckt“ werden. Der Verweis auf etwaige Schadensersatzpflichten dem Ausgleichpflichtigen gegenüber geht vor allem bei nicht vermögenden Personen faktisch ins Leere. Das gilt auch für die in der Gesetzesbegründung genannten Abfindungsansprüche. Auch diese sind nur dann hilfreich, wenn Vermögen vorhanden ist.
Die Begründung des Gesetzentwurfs dafür, dass es im Sinne der Rechtsklarheit und der Rechtskraft der Ausgangsentscheidungen dabei bewenden soll, dass ausschließlich der schuldrechtliche Versorgungsausgleich stattfindet, trägt nach Auffassung des djb nicht. Insbesondere nach Einführung des sog. Hin- und Her-Ausgleichs durch die Strukturreform 2009 werden die einzelnen Anrechte im Versorgungsausgleich in erster Linie als Einzelanrechte ausgeglichen und isoliert betrachtet. Dem tragen auch die Abänderungsvorschriften der § 225 FamFG Rechnung, die für das Abänderungsverfahren nicht – wie nach dem bis zum 1.9.2009 geltenden Recht – eine Totalrevision unter Einbeziehung aller Anrechte vorsehen (Schwamb, in: Bumiller/Harders/Schwamb, 13. Aufl. 2022, Rn. 6 zu § 225 FamFG).
Deswegen wäre es ohne weiteres möglich, einen nur das vergessene Anrecht betreffenden, ergänzenden öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich durchzuführen. Insbesondere dann, wenn das Anrecht im Erstverfahren völlig übergangen worden ist, wäre damit auch nicht etwa ein unzumutbarer Aufwand beim Versorgungsträger verbunden, denn dieser Versorgungsträger hat noch nie in einem Versorgungsausgleichsverfahren Auskünfte erteilen müssen. Auch dann, wenn ein Anrecht trotz Auskunftserteilung im Ausgangsverfahren übergangen worden ist, dürfte es den Interessen der Versorgungsträger entsprechen, wenn eine nachträgliche Anordnung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs möglich wäre. Nur so können diese Versorgungsträger nämlich vor den in der Gesetzbegründung benannten Schadensersatzprozessen sicher sein, die wegen der Unzulänglichkeiten des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs auf sie zukommen können. Ist etwa die Ehefrau, zu deren Gunsten bei einem übergangenen Anrecht an sich der nun geplante schuldrechtliche Versorgungsausgleich durchgeführt werden müsste, erneut verheiratet und besteht für das betroffene Versorgungsanrecht eine sog. Wiederverheiratungsklausel, wird sie den Ehemann auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Diesem gegenüber ist der Versorgungsträger möglicherweise schutzpflichtig, sodass auch Schadensersatzansprüche wegen einer Pflichtverletzung in Betracht kommen, die den Versorgungsträger treffen können. Hier ist die Rechtslage auch 15 Jahre nach Inkrafttreten des Versorgungsausgleichsgesetzes noch höchst unklar – und auch unberechtigte Klagen können beim Versorgungsträger kostenträchtig sein. Dazu kommt, dass für die Schadensersatzklagen in der Regel nicht die Familiengerichte, sondern andere Fachgerichte zuständig sind, sodass faktisch höherer Aufwand im Prozess betrieben werden muss.
Es sollte daher weitergehend als hier geplant eine Sondervorschrift für die Ergänzung eines öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs bei Übergehen / Vergessen eines Anrechts eingeführt werden. Eine Aufnahme in das bisherige Abänderungsrecht wäre deswegen problematisch, weil nach § 225 Abs. 1 FamFG nur Anrechte nach § 32 VersAusglG einer Abänderung zugänglich sind. Da auch Betriebsrentenanrechte und private Anrechte übergangen worden sein können, darf diese Begrenzung nicht auf übergangene oder vergessene Anrechte übertragen werden.
Zu Artikel 8 (§ 55 Versorgungsausgleichsgesetz-E)
Der djb hält es für verfehlt, einen Ausgleich von übergangenen Anrechten nur für die Zeit ab Gesetzesänderung vorzusehen. Es ist in keiner Weise nachvollziehbar, wer hier geschützt werden soll. Sind Anrechte – vollständig – an einen Rentenbezieher ausgekehrt worden, sind die Versorgungsträger über § 30 VersAusglG absolut hinreichend vor einer Doppelbelastung geschützt. Die Neuregelung sollte daher auch in die Vergangenheit reichen können. Sonst bleiben nur Schadensersatzansprüche, die im Übrigen auch in die Vergangenheit hinein geltend gemacht werden können.
Allgemeine und weitere Anmerkungen
Die im Referentenentwurf formulierten Änderungen insb. des familienrechtlichen Verfahrensrechts sind in großen Teilen zu begrüßen, Änderungen bedarf es aus Sicht des djb vor allem hinsichtlich des verengenden Gewaltbegriffs und an den weiteren hier jeweils erläuterten Punkten. Die Reform des Verfahrensrechts ist ein wesentlicher Schritt hin zu einem besseren Schutz von Frauen vor Gewalt, die sie in ihrer Partnerschaft erleben bzw. erleben mussten. Die Reform kommt jedoch nicht ohne die auch im materiellen Familienrecht notwendigen Überarbeitungen zum Schutz von Frauen und Kinder vor Partnergewalt aus. Der djb drängt angesichts der auslaufenden Legislatur darauf, auch hier Gesetzesreformen zeitnah auf den Weg zu bringen.
Ursula Matthiessen-Kreuder
Präsidentin
Prof. Dr. Anna Lena Göttsche
Vorsitzende der Kommission Familien-, Erb- und Zivilrecht
[1] Vgl. dazu etwa das djb Policy Paper „Strafrechtlicher Umgang mit (tödlicher) Partnerschaftsgewalt“ vom 04.11.2020, abrufbar unter https://www.djb.de/presse/pressemitteilungen/detail/st20-28.