Stellungnahme: 24-27


zu den Neuregelungen des Referendariats durch das Justizministerium NRW

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) lehnt die Neuregelungen des Referendariats durch das nordrhein-westfälische Justizministerium ab und nimmt im Folgenden dazu Stellung.

1. Inhalt der Neuregelungen

Das nordrhein-westfälische Justizministerium hat in den letzten Wochen überraschend drei wesentliche Änderungen des Referendariats angekündigt. So wurde Ende Juni bekannt, dass die mündliche Prüfung nicht wie bisher im 26. Ausbildungsmonat, sondern schon im 25. Ausbildungsmonat und damit unmittelbar im Anschluss an die Wahlstation erfolgen soll. Zudem soll das Ausbildungsverhältnis zukünftig mit dem Tag der bestandenen (oder endgültig nicht bestandenen) mündlichen Prüfung enden. Auch die Unterhaltsbeihilfe soll nicht mehr bis zum Monatsende, sondern nur noch bis zum Tag der mündlichen Prüfung ausgezahlt werden. Bereits vor einigen Wochen war bekannt geworden, dass die Neueinstellungen im Referendariat deutlich reduziert werden sollen, von bisher etwa 3.700 auf langfristig etwa 3.000 Stellen.[1]

Die Neuregelungen sollen auch für Referendar*innen gelten, die sich aktuell schon im Referendariat befinden. Zunächst war angekündigt worden, dass bereits Referendar*innen, die im September 2024 die schriftlichen Klausuren schreiben, erfasst sind.[2] Nach heftiger Kritik[3] wurde nun dahingehend korrigiert, dass die Neuregelungen ab dem Examensdurchgang Dezember 2024 gelten sollen.[4] 

Begründet werden die Neuregelungen mit durch die schwache Konjunktur notwendig gewordenen Sparmaßnahmen.[5]

2. Bewertung der Neuregelungen

Der djb spricht sich gegen diese Neuregelungen aus. Die Neuregelungen sorgen nicht nur für erhebliche Nachteile für alle nordrhein-westfälischen Nachwuchsjurist*innen, sondern verstärken die ohnehin bestehenden strukturellen Ungleichheiten in der juristischen Ausbildung.

Das Referendariat ist infolge der geringen Unterhaltsbeihilfe[6] und der nur beschränkt möglichen Zuverdienstmöglichkeiten[7] ohnehin prekär und wegen der Parallelität von Stationsarbeit und Prüfungsvorbereitung belastend.[8] Der so erzeugte enorme Leistungsdruck wird durch die Neuregelungen noch einmal verschärft: Findet die mündliche Prüfung unmittelbar im Anschluss an die Wahlstation statt, müssen sich Referendar*innen gezwungenermaßen gleichzeitig zur Stationsarbeit auf die Prüfung vorbereiten. Dies wird häufig bedeuten, dass die Wahlstation entweder durch „Erholungsurlaub“ am Ende der Station verkürzt oder bestimmte Stationen, etwa im Ausland, erheblich schwerer realisierbar werden. In beiden Fällen verstärken die Neuregelungen den Druck und die psychische Belastung, denen Nachwuchsjurist*innen während des Referendariats ausgesetzt sind.

Durch die kurzfristig angekündigten Neuregelungen wurde Referendar*innen in Nordrhein-Westfalen zudem wichtige Planungssicherheit genommen. Dies trifft insbesondere Personen mit Care-Verpflichtungen (weiterhin überwiegend Frauen) besonders hart, die auf eine stabile Terminplanung angewiesen sind, um Betreuungen oder Unterstützung organisieren zu können. Gleiches gilt für Referendar*innen mit Behinderungen, die ebenfalls Planungssicherheit benötigen, um etwa Assistenzleistungen buchen zu können. Auch für Referendar*innen ohne finanzielle Rücklagen verstärkt die Kürzung der Unterhaltsbeihilfe ökonomische Nachteile. Frauen und marginalisierte Personen sind in der juristischen Ausbildung ohnehin überproportional mit Herausforderungen und Hürden konfrontiert.[9]

Diese Herausforderungen und Hürden gilt es abzubauen – und nicht, wie durch die Neuregelungen in NRW, weiter zu verschärfen.  Haushaltspolitische Gründe[10] können die beschriebenen Nachteile, die einseitig auf dem Rücken von Nachwuchsjurist*innen ausgetragen werden und bestehende Ungleichheiten weiter verschärfen, nicht rechtfertigen.

3. Fazit

Aus den beschriebenen Gründen spricht sich der djb gegen die Neuregelung aus.

Der djb regt an, die Neuregelung – jedenfalls für alle Referendar*innen, die schon mit dem Referendariat in Nordrhein-Westfalen begonnen haben – zurückzunehmen.

 

 

Henriette Lyndian
Vorsitzende des Landesverbands Nordrhein-Westfalen

Susanna Roßbach
Vorsitzende des Arbeitsstabs Ausbildung und Beruf

 


[1] Zu allen Änderungen Landesjustizprüfungsamt NRW, Zweite juristische Staatsprüfung Verfahrensänderung im Prüfungsablauf, FAQs, 08.07.2024, abrufbar hier.

[2] Dazu Abdulsalam, „Die Justiz ist kein vertrauenswürdiger Arbeitgeber“, LTO vom 26.6.2024, abrufbar hier; Redaktion beck-aktuell, Neue Sparmaßnahmen: NRW verkürzt Referendariat und streicht Unterhaltsbeihilfe, beck-aktuell vom 26.6.2024, abrufbar hier.

[3] Siehe Zitate in Abdulsalam, „Die Justiz ist kein vertrauenswürdiger Arbeitgeber“, LTO vom 26.6.2024, abrufbar hier; offener Brief von 119 AG_Leiter*innen, Ausbilder*innen, Ausbildungsleiter*innen und Prüfer*innen aus den Bezirken Münster, Detmold, Arnsberg, Siegen und Hagen vom 05.07.2024, zitiert in Bucholz/Schneider, Jetzt kritisieren auch Ref-Ausbilder das Justizministerium, LTO vom 09.07.2024 abrufbar hier; Initiative Referendar:innen NRW, abrufbar hier.

[4] Landesjustizprüfungsamt NRW, Zweite juristische Staatsprüfung Verfahrensänderung im Prüfungsablauf, FAQs, 08.07.2021, abrufbar hier; dazu Redaktion beck-aktuell, NRW verschiebt Kürzung des Referendariat um drei Monate, beck-aktuell vom 2.7.2024, abrufbar hier.

[5] Landesjustizprüfungsamt NRW, Zweite juristische Staatsprüfung Verfahrensänderung im Prüfungsablauf, FAQs, 08.07.2024, abrufbar hier.

[6] In Nordrhein-Westfalen beträgt der monatliche Grundbetrag der Unterhaltsbeihilfe 1317,17 €, § 1 Abs. 1 Satz 3 Verordnung über die Gewährung einer monatlichen Unterhaltsbeihilfe an Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare NRW.

[7] Detailliert geregelt in § 3 Verordnung über die Gewährung einer monatlichen Unterhaltsbeihilfe an Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare NRW.

[8] Zur Belastung während des Studiums bereits Drost, Abschlussbericht zur zweiten Umfrage zum psychischen Druck, Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften e.V., Februar 2022, abrufbar hier. Der These, dass die juristische Ausbildung emotional entlastet werden sollte, stimmten in der Studie iur.reform 75,3 % allgemein zu, unter weiblichen Befragten lag die allgemeine Zustimmung sogar bei 84,9 %, iur.reform, Abschlussbericht: Die iur.reform-Studie, Mai 2023, S. 282, 286, abrufbar hier.

[9] Detailliert aufgefächert bei Grünberger/Mangold/Markard/Payandeh/Towfigh, Diversität in Rechtswissenschaft und Rechtspraxis, 2021, abrufbar hier; zu Diskriminierungspotentialen im Staatsexamen Glöckner/Tiwfigh/Traxler, Empirische Untersuchung zur Benotung in der staatlichen Pflichtfachprüfung und in der zweiten juristischen Staatsprüfung in Nordrhein-Westfalen von 2006 bis 2016, Dezember 2017, abrufbar hier; strukturell verwurzelte Vorurteile sind nachzulesen im Instagram-Blog „Üble Nachlese“ (@ueblenachlese), abrufbar hier.

[10] Hinzu kommt, dass die geplanten Sparmaßnahmen nur zu Einsparungen in Höhe von 0,23 % des Justizhaushaltes führen würden, dazu Abdulsalam, Was steckt hinter den Sparmaßnahmen?, LTO vom 16.7.2024, abrufbar hier.