Deutschland muss bis Juli 2024 die umfassenden europarechtlichen Vorgaben der Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz CSRD (Richtlinie (EU) 2022/2464) hinsichtlich einer transparenten, nachhaltigen und einheitlichen Berichterstattung in nationales Recht umsetzen. Der Referentenentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie wurde am 22. März 2024 vorgelegt und sieht Anpassungen des HGB vor, um die CSRD-Anforderungen aufzunehmen.
Der djb bedankt sich für die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen und positioniert sich zu den geschlechterrelevanten Punkten des Entwurfs wie folgt:
Der djb begrüßt die mit der gesetzlichen Umsetzung der Richtlinie einhergehende Einbettung der Berichtspflichten in einen Governance-Kontext. Die lange als rein formal kritisierten Berichte bekommen damit eine erhöhte inhaltliche Qualität, weil sie mit einer prozeduralen Verpflichtung auf Themen verknüpft werden sowie einer Prüfung unterliegen. Aus frauenpolitischer Perspektive sind aber Nachjustierungen auf der Normtext- und Begründungsebene sowie die Entwicklung einer geschlechtersensiblen Anwendungspraxis zu fordern.
Konkret geht es im Folgenden um die geplante Neufassung des § 289f Abs. 2 Nr. 6 HGB hinsichtlich der Diversitätskonzepte (dazu 1.), eine angemessene gleichstellungsbezogene Standardisierung der Nachhaltigkeitsberichte (dazu 2.), das in der Neufassung des § 289f Abs. 5 HGB bestimmte Verhältnis von Diversitätskonzepten und Nachhaltigkeitsberichten (dazu 3.) sowie schließlich um die Voraussetzungen für die Effektivität der Berichtspflichten und -prüfungen (dazu 4.).
1. Geschlecht als zwingender Bestandteil des Diversitätskonzepts in der Erklärung zur Unternehmensführung
Derzeit haben die in § 289f HGB genannten Aktiengesellschaften eine Erklärung zur Unternehmensführung abzugeben. Bestandteil schon nach der bisherigen Rechtslage ist eine Beschreibung des Diversitätskonzepts, das im Hinblick auf die Zusammensetzung des vertretungsberechtigten Organs und des Aufsichtsrats verfolgt wird, einschließlich der Ziele dieses Diversitätskonzepts, der Art und Weise seiner Umsetzung und der im Geschäftsjahr erreichten Ergebnisse. Diese Erklärung ist nicht identisch mit dem nichtfinanziellen Bericht (künftig Nachhaltigkeitsbericht) auf Grundlage der §§ 289b-e HGB, der Diversitätsangaben für die gesamte Belegschaft abdeckt; auch der Kreis der jeweils verpflichteten Gesellschaften ist nicht identisch. Unter Erhalt des Status Quo soll mit der Neufassung sichergestellt werden, dass auch solche Unternehmen weiterhin ein Diversitätskonzept erstellen und darüber berichten müssen, die nicht zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts verpflichtet sind.
Für die Beschreibung des Diversitätskonzepts in der Erklärung zur Unternehmensführung können auf Grundlage des (noch) geltenden Rechts unterschiedliche Merkmale herangezogen werden. Beispielhaft nennt das Gesetz hier Alter, Geschlecht, Bildungs- oder Berufshintergrund. In der aktuellen Fassung ist Geschlecht somit ein Aspekt unter vielen. Dieser muss als Regelbeispiel auch nicht zwingend aufgegriffen werden („wie beispielsweise (…) Geschlecht“). Darüber hinaus (oder stattdessen) können jedoch auch die geografische Herkunft, internationale Erfahrung, Sachkenntnis zu Nachhaltigkeitsthemen oder der sozio-ökonomische Hintergrund bedeutsame Merkmale für die Diversität in den Leitungs- und Überwachungsorganen sein. Die Diversitätsmerkmale müssen zudem für Vorstand und Aufsichtsrat nicht zwingend identisch sein, da für beide Organe auch unterschiedliche Diversitätskonzepte verfolgt werden können und die Auswahl der Merkmale im Ermessen des Unternehmens steht (siehe MüKo/Kajüter, 5. Auf. 2024, § 289f HGB Rn. 46).
Die Situation, dass nach der bisherigen Rechtslage ein nach § 289f Abs. 2 Nr. 6 HGB berichtspflichtiges Unternehmen ein Diversitätskonzept ausarbeiten und veröffentlichen kann, ohne den Aspekt Geschlecht überhaupt zu berücksichtigen, ist aus Sicht des djb problematisch – vor allem mit Blick auf die normative Bedeutung des Begriffs „Diversität“, wie er in nationalen (FüPoG I und II) und europäischen Vorgaben (Führungspositionenrichtlinie) zum Ausdruck kommt.
Der djb unterstützt daher mit Nachdruck die avisierte Änderung des § 289f Abs. 2 Nr. 6 HGB.
Diese hebt den Aspekt Geschlecht aus dem Kreis der genannten Regelbeispiele heraus („Geschlecht sowie andere Aspekte wie beispielsweise“) und macht ihn zum (einzigen) zwingenden Bestandteil eines unternehmerischen Diversitätskonzepts. Dies entspricht dem Anliegen der CSRD, die in Erwägungsgrund 58 sichergestellt sehen will, dass Unternehmen im Anwendungsbereich „stets über ihr Konzept zur Förderung der Geschlechtervielfalt und dessen Umsetzung Bericht erstatten“. Nur so könnten „Fortschritte in Richtung einer ausgewogeneren Beteiligung von Frauen und Männern am wirtschaftlichen Entscheidungsprozess“ erzielt werden (vgl. Erwägungsgrund 58). In der Unternehmenspraxis muss dies dazu führen, dass selbst bei Vorliegen unterschiedlicher Diversitätskonzepte für Vorstand und Aufsichtsrat ein Gesamtkonzept zur Förderung der Geschlechtervielfalt deutlich werden muss, das keine Widersprüche hinsichtlich der Förderung von Gleichstellung duldet. Die Formulierung „Geschlecht sowie andere Aspekte“ kann zudem nur so gelesen werden, dass zum Geschlecht mindestens ein weiterer Diversitätsaspekt dazu kommen muss.
Dies entspricht einer intersektionalen Ausrichtung, die wir als djb als dringend notwendig erachten und die in der Gesetzesbegründung auch so benannt werden sollte. Durchgehend sollte eine intersektionale Ausrichtung des Geschlechtsbegriffs im Referentenentwurf sichergestellt werden.
Damit diese Berichtspflicht die in der Richtlinie genannte Zielrichtung des Fortschritts „in Richtung einer ausgewogenen Beteiligung von Frauen und Männern“ erreicht, müssen an die in § 289f Abs. 5 S. 1 HGB vorgegebene Erläuterung zur Nichtverfolgung eines Diversitätskonzepts im Sinne von § 289f Abs. 5 S.1 HGB hohe Anforderungen gestellt werden. Die angestrebte Transparenz erfordert es, dass die Gründe, „warum dies nicht der Fall ist“ (vgl. Art. 20 Abs. 1 UAbs. 1 lit. g Bilanz-RL-CSRD) umfassend dargelegt werden. Dies sollte in der Gesetzesbegründung ausdrücklich klargestellt und damit das Regel-Ausnahme-Verhältnis festgehalten werden. Die Möglichkeit der Negativbegründung darf kein Freifahrtschein für die Umgehung der Pflichten zu einem Diversitätskonzept sein.
Ein solches Verständnis eines unternehmerischen Diversitätskonzept steht im Einklang mit den genannten normativen Ausprägungen gesellschaftsrechtlicher Diversität, mit der hohen Bedeutung der Geschlechtergleichstellung im Unionsprimärrecht sowie mit den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs), deren Implementierung die CSRD sowie der vorliegende Referentenentwurf letztlich dienen.
2. Standardisierte Gleichstellungsaspekte im Nachhaltigkeitsbericht
Im Unterschied zu den ausschließlich auf die Zusammensetzung des vertretungsberechtigten Organs und des Aufsichtsrats gerichteten Diversitätskonzepte sollen künftig Nachhaltigkeitsberichte nach §§ 289b-e HGB Angaben für die gesamte Belegschaft umfassen. Die bisher in der nichtfinanziellen Erklärung nach § 289c HGB im Rahmen des Aspekts der Arbeitnehmerbelange unter mögliche Angaben u.a. vorgesehenen „Maßnahmen zur Gewährleistung der Gleichstellung“ wurden jedoch gestrichen und im Umsetzungsgesetz ersetzt durch die Pflicht, im Nachhaltigkeitsbericht über Nachhaltigkeitsaspekte zu berichten. Konkret berichtet werden soll zukünftig unter Nennung relevanter Indikatoren (siehe § 289c Nr. 8 HGB) über zeitgebundene Nachhaltigkeitsziele und dahingehende Fortschritte, über die Rolle und Kompetenz der Unternehmensleitung und -verwaltung im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitszielen, über die nachhaltige Unternehmenspolitik, über vorhandene Anreizsysteme, über Due-Dilligence-Prozesse, über die tatsächlichen oder potenziellen negativen Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit und Wertschöpfungskette sowie über die getroffenen Gegen- und Abhilfemaßnahmen. Die Angaben sind gem. § 289c Absatz 6 HGB „im Einklang mit den nach Artikel 29b der Richtlinie 2013/34/EU angenommenen delegierten Rechtsakten zu machen.“ Angaben zur Geschlechtergleichstellung tauchen damit nicht mehr ausdrücklich im HGB, sondern nur noch über den Verweis auf die als delegierte Verordnung erlassenen Standards für Nachhaltigkeitsberichterstattung (2023/2772/EU KOM) auf.
Der djb fordert, dass dafür Sorge getragen wird, dass dies nicht zu einem Weniger an Gleichstellungsberichtserstattung führen wird. In der Konsequenz heißt dies, dass die Standardisierung geschlechter- und gleichstellungssensibel ausgerichtet sein und entsprechend im Anwendungsprozess interpretiert werden muss. Das Potenzial wird nachfolgend dargelegt.
Zur Ermittlung der zu berichtenden Aspekte muss das Unternehmen die doppelte (interne und externe) Wesentlichkeit der Auswirkungen unter Berücksichtigung „seiner eigenen spezifischen Umstände“ bewerten. Als „Instrument zur Unterstützung der Bewertung“ gibt die Verordnung eine Liste von Nachhaltigkeitsaspekten vor. „Wird ein bestimmter Nachhaltigkeitsaspekt aus dieser Liste im Rahmen der Bewertung der Wesentlichkeit des Unternehmens (siehe ESRS 2 IRO-1) als wesentlich bewertet, so erstattet das Unternehmen gemäß den entsprechenden Angabepflichten des jeweiligen themenbezogenen ESRS Bericht“ (vgl. AR 16 der VO).
Nach ESRS S1 und S2 der Liste sind in diese Prüfung der Wesentlichkeit soziale Aspekte über die eigene Belegschaft und Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette einzubeziehen. Darunter fallen u.a. Arbeitsbedingungen (wie sichere Beschäftigung, Arbeitszeit, angemessene Entlohnung, Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, Gesundheitsschutz und Sicherheit) und Gleichbehandlung und Chancengleichheit für alle. Unter dem letzten Aspekt werden die Stichworte „Gleichstellung der Geschlechter und gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Schulungen und Kompetenzentwicklung, Beschäftigung und Inklusion von Menschen mit Behinderungen, Maßnahmen gegen Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz, Vielfalt“ genannt.
Die Liste enthält also erheblich differenziertere Vorgaben als der bisherige § 289c HGB und funktioniert wie eine Art Checkliste, die über die Bindungswirkung entfaltenden Anlagen der Verordnung noch konkretisiert wird. So enthält z.B. Anlage A.1 nicht abschließende Aufzählungen von Faktoren, die bei der Bewertung der Wesentlichkeit geschlechtsrelevanter Aspekte zu berücksichtigen sind. Für die Bewertung der Gleichstellung sollen Faktoren wie „Frauen in Führungspositionen und in der Belegschaft, Verdienstgefälle zwischen Männern und Frauen“, zur Bewertung des Vereinbarkeitsaspekts Faktoren wie „Urlaub aus familiären Gründen, flexible Arbeitszeiten, Zugang zu Kinderbetreuung“, zur Arbeitszeitbewertung u.a. Faktoren wie Teilzeitstrukturen und die Zufriedenheit der Beschäftigten, zur Bewertung des Aspekts Vielfalt die Faktoren „Vertretung von Frauen und/oder ethnischen Gruppen oder Minderheiten in der eigenen Belegschaft, Altersverteilung in der eigenen Belegschaft, Prozentsatz der Menschen mit Behinderungen in der eigenen Belegschaft“ einbezogen werden. Anlage A.2 enthält korrespondierende „Beispiele für Angabepflichten“. Im Rahmen der Arbeitszeit etwa können Überstundenbegrenzungen oder angemessene Vorlaufzeiten für die Zeitplanung vorgesehen werden. Hinsichtlich der Vereinbarkeit können Angaben zur Gewährung von flexiblen Arbeitszeiten oder Urlaubsgewährung aus familiären Gründen gemacht werden. Gleichstellungsstrategien etwa für Entgeltgleichheit, Null-Toleranz-Strategien gegenüber Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz oder Inklusionsstrategien für ethnische Vielfalt oder Minderheit und positive Maßnahmen können für die Aspekte Gleichstellung und Vielfalt berichtet werden. Anlage A.3 benennt wiederum konkrete Maßnahmen dafür, wie etwa die Ausweitung flexibler Arbeitszeitmodelle, die gezielte Einstellung und Förderung von Frauen und unterrepräsentierten Gruppen, die Verringerung des Verdienstgefälles durch Aushandlung von Tarifverträgen, Schulungen zur Schließung von Qualifikationslücken sowie die Verbesserung von Beschwerdemechanismen. Als Ziele können nach A.4 z.B. die Erhöhung des Frauenanteils in der Belegschaft und die Verringerung des Lohngefälles zwischen Frauen und Männern oder der bessere Zugang zu Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben benannt sein.
Der djb betont diese Fortschritte in der Standardisierung von Berichtspflichten, die auch sektor- und KMU-spezifische Besonderheiten erfasst. Allerdings muss das Verhältnis dieser Standardisierungsprozesse (ihre Konnektivität) zu anderen Prozessen der Berichtspflicht wie im Bereich Lieferketten oder Entgelttransparenz geklärt, weitgehend synchronisiert und mit Blick auf die Globalisierung der Wirtschaft auch globale Standardsetzungsprozesse verstärkt einbezogen werden.[1] Für das Verhältnis zu Berichtspflichten nach der CSDDD und dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) gilt aber, dass sich die vorgesehene Ersetzungsbefugnis (Art. 11 Abs. 2 CSDDD-E, die Berichtspflicht nach dem LkSG soll künftig durch Vorlage eines Nachhaltigkeitsberichts erfüllt werden können) positiv für Gleichstellungsbelange auswirken kann, weil solche detaillierten Standardbildungsprozesse wie in der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Bereich der Lieferkettenberichtspflichten (noch) fehlen und sich die Vorgaben dort auf Mindestangaben beschränken.[2] Es könnten durch die Ersetzung nicht nur Doppelbelastungen vermieden werden, sondern es könnte gerade zu einem Mehr an Informationen bezüglich geschlechtsspezifischer Risiken in der Lieferkette kommen. Denn die dem Risikobegriff des Lieferkettengesetzes innewohnende Konkurrenzproblematik geschlechtsspezifischer Risiken zu anderen Belangen der Menschenrechte und des Umweltschutzes würde so entschärft und Transparenz hinsichtlich Geschlechterthemen gestärkt werden.[3]
Grundsätzlich kann die Umsetzung der Richtlinie nur dann als geglückt gelten, wenn auch die Unternehmenspolitiken hinsichtlich geschlechterspezifischer Belange transparent werden und damit publik wird, welche Strategien die Unternehmen entwickelt haben, um die verfassungsrechtlich bestehenden Gleichstellungspflichten zu erfüllen und Risiken zu minimieren. Mithin muss aus den Berichten der Weg hin zu einer diskriminierungsfreien Unternehmenskultur deutlich werden, wie es schon die djb-Konzeption eines Gleichstellungsgesetzes für die Privatwirtschaft fordert.[4] Das Wesentlichkeitskriterium als Auslöser der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist grundsätzlich geeignet, konkrete Diskriminierungsrisiken und Benachteiligungen zu erfassen. Fehldeutungen in der Anwendung müssen aber vermieden und Auslegungsspielräume klar begrenzt werden. Geschlechtsspezifische Nachhaltigkeitsaspekte sind nach allgemeinen Vorgaben „wesentlich“, wenn sie die Kriterien für die Wesentlichkeit der Auswirkungen oder die finanzielle Wesentlichkeit erfüllen. Mit Blick auf das Kapital weiblicher Arbeitskraft dürfte auch letztere genau in den Blick zu nehmen sein. Die Wesentlichkeit der Auswirkungen dürfte aber schon durch die wissenschaftlich fundierten Indikatoren für die fehlende Gleichstellung und den Handlungsbedarf in privatwirtschaftlichen Unternehmen belegt und nur schwer zu verneinen sein: Dazu zählt die geringere Erwerbsbeteiligung von Frauen gegenüber der von Männern, insbesondere ihre hohe Teilzeitquote sowie ihre Überrepräsentanz in vielen Formen prekärer und atypischer Beschäftigung. Hinzu treten häufigere und längere Erwerbsunterbrechungen. Weiter sind Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert. Trotz besserer Bildungsabschlüsse von Mädchen und Frauen ist die geschlechtshierarchische Segregation des Arbeitsmarktes hierzulande stark ausgeprägt. Deutliche Rückschlüsse auf den Stand der Gleichstellung lassen auch der Gender Pay Gap, der Gender Care Gap, der Gender Pension Gap, der Gender Overall Earnings Gap sowie der Digital Gender Gap zu. Im europäischen Ländervergleich schneidet Deutschland bei diesen Indikatoren besonders schlecht ab.
3. Sichtbarkeit von Geschlechteraspekten im Nachhaltigkeitsbericht; Verhältnis zur Erklärung zur Unternehmensführung
Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Standardisierung der Nachhaltigkeitsberichtspflichten unterstützt der djb grundsätzlich auch die geplante Neufassung des § 289f Abs. 5 HGB, soweit diese eine Befreiung von der Pflicht zur Beschreibung eines Diversitätskonzepts nach § 289f Abs. 2 Nr. 6 HGB vorsieht. Die Befreiungsmöglichkeit gilt für solche Gesellschaften, die schon einen Nachhaltigkeitsbericht nach §§ 289b-e HGB anzufertigen haben. Diese sollen zukünftig somit zwei Möglichkeiten haben, die Informationen über ihr Diversitätskonzept zu verorten (entweder im Nachhaltigkeitsbericht mit entsprechendem Verweis in der Erklärung zur Unternehmensführung oder in der Erklärung zur Unternehmensführung). Die CSRD selbst sieht beide Darstellungsvarianten vor. Die Regelung berücksichtigt, dass auch solche Unternehmen eine Diversitätserklärung abgeben müssen, die gerade nicht zugleich zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts verpflichtet sind (s.o.). Zum Zweck der Vermeidung doppelter bzw. gleichgelagerter Berichtspflichten erscheint die Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Verortung des Diversitätskonzepts insoweit als unumgänglich. Wird das Konzept in einen Nachhaltigkeitsbericht aufgenommen, besteht zudem die Chance, dass die inhaltlichen Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichtspflicht (dazu unter 2.) die Qualität der Angaben noch steigern. Weiter besteht in diesem Rahmen die Möglichkeit, dass die Zusammenhänge zwischen Diversitätsfragen und anderen Nachhaltigkeitsaspekten, wie sonstige gleichstellungsgerichtete oder soziale Unternehmenspolitiken dargestellt werden können und damit unternehmerische Gesamtstrategien befördert werden.
Dazu muss aber ausgeschlossen werden, dass die Dopplung der Darstellungsvarianten sich nachteilig auf die Transparenz, Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit der Informationen zum Diversitätskonzept auswirkt: Adressat*innen der Berichtspflichten haben es aufgrund der zwei verschiedenen Verortungsmöglichkeiten eventuell schwerer, die gewünschten Informationen zu finden. Unterschiedliche Darstellungsvarianten hinsichtlich der Informationen in nichtfinanziellen Berichten und die daraus folgende schlechte Vergleichbarkeit war immerhin ein Grundproblem der NFRD, das die CSRD gerade zu beseitigen versucht. Die Standardbildungsprozesse müssen daher auf die Entwicklung einheitlicher Standards für beide Darstellungsvarianten gerichtet und die Sichtbarkeit des Diversitätskonzept im Nachhaltigkeitsbericht gewährleistet sein. Zur Klarstellung sollte in der Gesetzesbegründung zudem aufgenommen werden, dass die Befreiung nur eintritt, wenndie Angaben im Sinne von § 289f Absatz 2 Nr. 6 HGB auch tatsächlich gemacht werden. Sollten sie für den Nachhaltigkeitsbericht als nicht wesentlich erachtet werden (dazu unter 2.), bleibt die Pflicht zur Beschreibung eines Diversitätskonzepts in der Erklärung zur Unternehmensführung bestehen.
4. Effektive Nachhaltigkeitsberichte und Prüfung
Eine effektive Nachhaltigkeitsberichtspflicht zu Gleichstellungsbelangen hat weitere Voraussetzungen, die im Umsetzungsprozess besonderer Aufmerksamkeit bedürfen.
Gerade die stufenweise Erweiterung des Anwendungsbereichs der Berichtspflicht auf kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen, börsennotierte kleine und mittlere Unternehmen und Betriebe der öffentlichen Hand ist angezeigt, damit die Förderung von Gleichstellung nicht zum Wettbewerbsfaktor wird. Das Potenzial der Nachhaltigkeitsberichte liegt gerade darin, dass sie breite Transparenz über soziale Belange in der Privatwirtschaft schaffen können. Dazu müssen auch kleine und mittlere Unternehmen als wichtige Arbeitgebende in den Blick genommen werden. Dennoch erscheint es angemessen, mit Blick auf ihre eingeschränkten Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten eine angemessene Vorbereitungsphase sowie teilweise reduzierte Berichtslasten (vgl. § 289d HGB) vorzusehen.
In der Praxis wird es entscheidend darauf ankommen, die Unternehmen aller Art in der Erfüllung gerade der geschlechtsspezifischen Berichtspflichten zu unterstützen. Dabei dürfte die Erhebung und Erfassung geschlechtsspezifischer Daten und Risiken eine besondere Herausforderung für die Unternehmen sein, z.B. weil bestimmte Daten wie die Art der ausgeübten Tätigkeiten aller Beschäftigten für die Frage der Entgeltgleichheit nötig werden oder weil die Unsichtbarkeit struktureller Diskriminierungslagen zum Problem wird und sich Unternehmen auf numerische und formale Gleichheitsaspekte zurückzuziehen drohen. Weiterhin wäre auch die intersektionale Dimension geschlechtsspezifischer Risiken und Ungleichheiten zu erfassen. Zudem darf auch die Datenerhebung und -auswertung selbst keine Diskriminierungseffekte aufweisen. Nicht nur die Indikatorik, sondern auch digitale, diskriminierungssensible Erhebungsinstrumente sind auf der Grundlage bisheriger Standardbildungsprozesse weiterzuentwickeln sowie ggfs. zu zertifizieren und können so für die Unternehmen Praktikabilität und nach außen bessere Überprüfbarkeit sichern.[5] Hinweise zur Ausgestaltung eines „soliden und erschwinglichen Rahmens für die Berichterstattung“ durch „wirksame Prüfverfahren“, die „Prüfungssicherheit“ geben, finden sich in den Erwägungsgründen 13 und 60 CSRD.
Dies ist nötig, um die Qualität der Berichte zu sichern und ihre Manipulierbarkeit auszuschließen. Denn nur authentische, inhaltlich richtige Daten können effektive Berichte sichern und ihre Formalisierung und sog. Social Washing verhindern. Es ist zu begrüßen, dass die Richtlinie und mit ihr das Umsetzungsgesetz konkrete Maßnahmen zur Qualitätssicherung vorsieht, indem zum einen als Mindestqualitätskriterien für Daten festgelegt wird, dass sie verständlich, relevant, nachprüfbar, repräsentativ und vergleichbar sein müssen. Die Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung helfen den Unternehmen, zutreffende Daten abzuliefern, indem sie die Inhalte und Art und Weise der Berichte konkretisieren, Handlungsanleitungen für die Erstellung bieten, durch Instrumente wie Kataloge spezifisch abfragen und damit nicht nur die Fehleranfälligkeit der Berichte reduzieren, sondern auch den Umfang der Pflicht rechtssicher und bestimmbar machen. Und zum anderen können nur „gute Daten“ eine externe inhaltliche Prüfung auf die Einhaltung der Nachhaltigkeitsstandards nach §§ 324c III, 324h und 324i II HGB sichern.
Wenn § 1 des Gesetzes zur Einrichtung einer Abschlussprüferaufsichtsstelle beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle nun vorsieht, dass die Abschlussprüferaufsichtsstellen „in den für Abschlussprüfungen relevanten Bereichen über entsprechende Kenntnisse verfügen“ und „in dem für ihre Tätigkeit erforderlichen Umfang über Kenntnisse der für Prüfungen von Nachhaltigkeitsberichten relevanten Bereiche verfügen“, wird auch Genderkompetenz zu fordern sein. Problematisch ist auch insoweit jedoch die Trennung zwischen Nachhaltigkeitsbericht (Prüfungspflicht) und Erklärung zur Unternehmensführung (keine Prüfungspflicht). Hier ist die Verlässlichkeit der Angaben über das Diversitätskonzept weiterhin eingeschränkt. Dem Gesetzgeber ist hier zu raten, langfristig eine einheitliche Prüfungsdichte herzustellen. Zudem spricht sich der djb dafür aus, das von der CSRD vorgesehene Mitgliedstaatenwahlrecht zur Duldung externer Prüfungsdienstleister außerhalb des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer nicht an die Unternehmen weiterzugeben, um eine einheitliche Prüfungsqualität von Finanz- und Nachhaltigkeits- bzw. Diversitätsinformationen herzustellen. Andernfalls droht weiterhin das Risiko eines Social- oder Pinkwashing.[6]
Auch die frühzeitige Beteiligung derArbeitnehmervertretungen ist ein wesentlicher Baustein der Effektivität der Berichtspflichten und kann insbesondere die Berichte über Gleichstellungsbelange fördern. Daher ist es zu begrüßen, dass in Umsetzung des Erwägungsgrundes 52 der Richtlinie nach § 289b IV HGB die Arbeitnehmervertretungen „auf geeigneter Ebene bei der Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts über die vorgesehenen Inhalte des Nachhaltigkeitsberichts zu unterrichten und mit ihnen die einschlägigen Informationen und die Mittel zur Einholung und Überprüfung von Nachhaltigkeitsinformationen zu erörtern“ sowie ihre Stellungnahme bei der Abschlussprüfung zu übermitteln ist. Die Standards für Nachhaltigkeitsberichterstattung sehen ebenfalls vor, dass die Bewertung der Wesentlichkeit auf der Grundlage des Dialogs mit den betroffenen Interessenträgern erfolgt (AR 8). Auch die Gewerkschaften können einbezogen werden. In Ziff. 25 ff. ist vorgegeben, dass die Unternehmen die praktizierten und vorhandenen Verfahren für die Einbeziehung der Belegschaft und deren Arbeitnehmervertreter „in Bezug auf tatsächliche und potenzielle Auswirkungen auf seine eigene Belegschaft anzugeben“ haben. Aus den Berichten soll sich ergeben, wie die Sichtweisen der Arbeitnehmenden berücksichtigt werden und wurden.
Ursula Matthiessen-Kreuder
Präsidentin
Prof. Dr. Isabell Hensel
Kommission Arbeits-, Gleichstellungs- und Wirtschaftsrecht
Valentina Chiofalo
Kommission Europa- und Völkerrecht
[1] So European Reporting Lab @ EFRAG, Final Report: Proposal for a relevant and dynamic EU Sustainability Reporting Standard-Setting, 2021, Rn. 128ff.
[2] Mehr dazu in Hensel/Tempfli, Prämissen einer Gleichstellungsberichtserstattung, djbZ, 3/2023, 116-121.
[3] Siehe djb-Stellungnahme zur Notwendigkeit einer Geschlechterperspektive auf unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten, 23/09, abrufbar unter: https://www.djb.de/presse/stellungnahmen/detail/st23-09.
[4] djb-Konzeption für ein Gleichstellungsgesetz in der Privatwirtschaft, 2021, abrufbar unter: https://www.djb.de/fileadmin/user_upload/Konzeption_Gleichstellungsgesetz_Langfassung_djb.pdf.
[5] Siehe dazu auch die djb-Konzeption für ein Gleichstellungsgesetzes in der Privatwirtschaft (Fn. 4), 21, 33.
[6] So auch Velte, ZCG 2/2024, 84, 92.