Der Landesverband Niedersachsen des Deutschen Juristinnenbundes e.V. (djb) bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme zu dem Entwurf der Verordnungen.
Wie bereits in unserer Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Justizgesetzes vom 21. Februar 2023 ausgeführt begrüßt der djb, dass grundlegende Vorgaben für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen der Richter*innen und Staatsanwält*innen sowie zu deren Erprobung in § 5 des Niedersächsischen Richtergesetzes festgeschrieben wurden und nun weitere Regelungen zumindest durch Rechtsverordnungen getroffen werden sollen.
Zu den Regelungen des Entwurfs der Beurteilungsverordnung im Einzelnen:
Zu § 2:
Der djb begrüßt, dass Absatz 2 der Regelung die Gleichstellung der Geschlechter auch bei der Erstellung von dienstlichen Beurteilungen als besondere Aufgabe und Verpflichtung der Dienstvorgesetzten betont. Die Festschreibung des Benachteiligungsverbots von Teilzeitbeschäftigten sowie bei Inanspruchnahme von Elternzeit oder Beurlaubung aus familiären Gründen in Absatz 3 dient nach Überzeugung des djb der Vermeidung mittelbarer Diskriminierung von Frauen.
Zu § 3:
Die in Absatz 2 vorgesehene Erhöhung der Anzahl von dienstlichen Beurteilungen der Richter*innen auf Probe vor der Ernennung auf Lebenszeit stellt nach Ansicht des djb eine mittelbare Diskriminierung von Frauen dar. Es besteht die Gefahr, dass deren Beurteilungen wegen familienbedingter Abwesenheitszeiten seltener zeitgerecht möglich sind als die der männlichen Kollegen und sich so auch ihre Mindestprobezeit (vgl. § 10 Absatz 1 DRiG) verlängert. Der djb regt daher dringend an, wie bisher (vgl. Begründung zu § 3 Absatz 2 des Verordnungsentwurfs) in den ersten drei Jahren der Probezeit nur zwei Beurteilungszeitpunkte vorzusehen.
Der djb bedauert, dass in Absatz 4 der Vorschlag des djb zur Einführung von Stichtagsbeurteilungen nicht aufgegriffen wurde und regt dies nochmals nachdrücklich an. Regelbeurteilungen in Abhängigkeit von der individuellen Ernennung mindern die Vergleichbarkeit erheblich und tragen zur Intransparenz des Beurteilungswesens wesentlich bei. Stichtagsbeurteilungen sind nicht nur bei Beamt*innen der niedersächsischen Justiz üblich, wie die Richtlinie für die dienstliche Beurteilung von Beamtinnen und Beamten im Niedersächsischen Justizministerium, bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie bei der Norddeutschen Hochschule für Rechtspflege (AV d. MJ v. 15.11.2011 (2000 - 101.397) vom 15. November 2011, Nds. Rpfl. S. 404) zeigt. Sie sind in anderen Bundesländern auch bei Richter*innen und Staatsanwält*innen eingeführt worden, vgl. etwa § 2 Berliner Beurteilungsverordnung für die Richter- und Staatsanwaltschaft vom 23. April 2023 (GVBl. S. 167).
Zu § 4:
Der djb schlägt vor, dass in Nr. 1 geregelte Grenzalter für die letzte Regelbeurteilung um mindestens fünf Jahre hinaufzusetzen. Die im Entwurf vorgesehene Altersgrenze wird dazu führen, dass eine Reihe von Richter*innen und Staatsanwält*innen ihre letzte Beurteilung im Alter von 42 Jahren erhalten werden. Dies ist mit einer Personalentwicklung, die auch Beförderungen im höheren Lebensalter zum Ziel hat und damit insbesondere Frauen zugutekommt, aus Sicht des djb nicht zu vereinbaren. Die im Entwurf vorgesehene Regelung, dass mindestens zwei Beurteilungen vorliegen müssen, schafft hier nach Ansicht des djb nicht ausreichend Abhilfe, auch wenn diese Regelung laut Begründung gerade etwaige Nachteile durch lange Elternzeiten verhindern soll. Auch die Möglichkeit, eine Beurteilung zu beantragen (§ 5 Abs. 2 des Entwurfs), genügt nicht; Regelbeurteilungen führen anders als Anlassbeurteilungen zu einem fortgesetzten Austausch mit der beurteilenden Person auch über die persönliche Entwicklung. Richter*innen und Staatsanwält*innen werden „im Blick“ behalten.
Zu § 5
Der djb begrüßt die auch für den Fall von Mutterschutz und Elternzeit vorgesehene Anlassbeurteilung auf Antrag, Absatz 2 Nr. 1. Es wird aber zu bedenken gegeben, dass in etlichen Fällen die Dienstabwesenheit für mindestens zwölf Monate nicht beantragt werden dürfte, sondern kürzere Zeiträume gewählt werden, die dann u.U. nach und nach verlängert werden. Um keine Nachteile bei den Betroffenen entstehen zu lassen, wird empfohlen, Mutterschutz und Elternzeit in eine eigenständige Regelung (Absatz 2 Nr. 3) zu überführen.
Zu § 6
Die Beurteilungsmerkmale entsprechen den bisherigen, wobei abweichend das schriftliche und mündliche Ausdrucksvermögen zwei gesonderte Merkmale umfassen und nicht in einem Merkmal zusammengefasst sind. Die Verordnung böte Gelegenheit, die Merkmale zu überarbeiten. Aus Sicht des djb ist dies insbesondere hinsichtlich Absatz 1 Nr. 7 (Kooperation und Führungskompetenz) geboten. Die beiden Aspekte behandeln sehr unterschiedliche Untermerkmale, was auch in dem Klammerzusatz zum Ausdruck kommt. Das Merkmal der Führungskompetenz sollte außerdem zeitgemäße Aspekte von Führung umfassen wie die Förderung der Gleichstellung und Diversitätskompetenz. Es wird auf § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 Berliner BeurtVO verwiesen, der u.a. folgenden Aspekt von Führungskompetenz benennt: „Inklusionskraft und Förderung der Mitarbeitenden, auch in Bezug auf Aspekte der Rechte von Menschen mit Behinderungen, der Gleichstellung sowie der Antidiskriminierungs- und Diversitätskompetenz“.
Im Sinne der Transparenz wird angeregt, die Beurteilungsformulare als Anlage zur Verordnung zu erlassen und nicht im Wege einer Verwaltungsvorschrift zu fassen.
Zu § 7
Es wird empfohlen, den bereits in der Begründung als offenen Punkt hinterlegten Gedanken einer Gewichtung der Beurteilungsmerkmale aufzugreifen. Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung sind in der derzeitigen Entwurfsfassung alle in § 6 genannten Beurteilungsmerkmale gleich gewichtet, was nicht ihrer Bedeutung entspricht.
In diesem Zusammenhang wäre es auch denkbar, die bestehenden Anforderungsprofile für Beförderungsämter – die im Sinne eines transparenten und damit geschlechtergerechten Beförderungswesens ohnehin ebenfalls als Verordnung erlassen werden sollten – in die Gewichtung einfließen zu lassen und ihnen damit das angemessene Gewicht zu geben. Ein Beispiel für eine ämterdifferenzierte Gewichtung findet sich in § 7 Abs. 3 Berliner BeurtVO.
Zu § 9:
Der djb schlägt vor, nach Absatz 1 Satz 1 einen neuen Satz 2 einzufügen:
„Der zu beurteilenden Person ist Gelegenheit zu geben, eine Aufstellung ihrer wichtigsten Leistungen als Grundlage für die Beurteilung zur Verfügung zu stellen.“
Mit einer solchen Möglichkeit der Darstellung eigener Leistungen soll die Transparenz der Beurteilungsgrundlage gefördert werden. Außerdem können bei einem Austausch zwischen beurteilender und zu beurteilender Person über die Inhalte der Leistung Erwartungshaltungen und Zielvorstellungen in einer Weise geklärt werden, die zu einer Leistungssteigerung führen. Die Aufweichung paternalistischer Strukturen führt auch zu einer höheren Motivation bei der zu beurteilenden Person und wirkt sich damit auf Qualität und Quantität der Leistungserbringung aus. Nicht zuletzt ist die Zuarbeit der zu beurteilenden Person eine Erleichterung bei der Erstellung der Beurteilung.
Zu § 10
Um eine geschlechtergerechte Beurteilungsbiografie zu sichern, wird angeregt, in den Katalog des Satzes 1 den Fall der Abordnung zur Erprobung aufzunehmen.
Zu § 14:
Zur Erhöhung der Transparenz und zur Vorbeugung von Diskriminierungen bei Beurteilungen sollte eine Regelung ergänzt werden, wonach auf Antrag der zu beurteilenden Person die Gleichstellungsbeauftragte an der Erörterung des Entwurfs und/oder dem persönlichen Gespräch zur Eröffnung der Beurteilung zu beteiligen ist. Wird eine solche Beteiligungsmöglichkeit vorgesehen, sollte diese durch eine Pflicht zur Unterrichtung der zu beurteilenden Person über ihr Antragsrecht flankiert werden. Ein entsprechendes Beteiligungsrecht kann zudem für den örtlichen Richter- bzw. Staatsanwaltsrat sowie die Schwerbehindertenvertretung vorgesehen werden.
Zu § 15:
Der djb begrüßt sehr die differenzierte Regelung in Satz 2 und 3 zur Erstellung der Beurteilungsstatistik, die zur Transparenz des Beurteilungswesens maßgeblich beitragen und ggf. Diskriminierungen aufdecken wird. Der djb regt an, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass auch eine weitere Aufschlüsselung nach einzelnen Beurteilungsmerkmalen und Geschlecht möglich wird (vgl. Begründung zu § 15).
Zu den Regelungen des Entwurfs der Erprobungsverordnung im Einzelnen
Zu § 3:
Der djb begrüßt die hohe Flexibilität, die die Regelungen der Absätze 2 und 3 bei der Auswahl einer Dienststelle bieten, bei der die Erprobung durchgeführt werden kann.
Zu § 4:
Die Festschreibung von Auswahlkriterien für die Erprobung in Absatz 3 ist dem Grunde nach sinnvoll, weil sie Transparenz schafft und einen gleichmäßigen Zugang zur Erprobung sicherstellen kann. Allerdings ist das Verhältnis der Sätze 1 und 2 unklar und lässt Raum für eine intransparente Praxis insbesondere durch die Obergerichte und Generalstaatsanwaltschaften, an denen die Mehrzahl der Erprobungen durchgeführt wird. Zur Klarstellung könnte in Satz 2 vor „zu berücksichtigen“ das Wort „ergänzend“ eingefügt werden.
In einem neuen Absatz 4 sollte die Ausschreibung zur Interessenbekundung von erprobungsgeeigneten Stellen vorgesehen werden, um einen gleichmäßigen und geschlechtergerechten Zugang zu diesen Stellen zu gewährleisten.
Zu § 5:
Der djb begrüßt, dass eine Erprobung in Teilzeit die Dauer der Erprobung nicht verlängert, Absatz 2 Satz 2, und dass klargestellt wird, dass Erholungsurlaub genommen werden kann, Absatz 3 Satz 1.
Brigitte Meyer-Wehage |