Das geltende Abstammungsrecht verwehrt Kindern queerer Eltern den zweiten Elternteil. Es diskriminiert zudem weibliche, trans, inter und nicht-binäre Personen als Eltern. Wir fordern die Gesetzgebung auf, umgehend die folgenden Maßnahmen zu ergreifen:
1. Zwei Eltern für alle Kinder ermöglichen.
Das geltende Recht sieht zwei Elternstellen für ein Kind vor. Nach dem Wortlaut des Gesetzes und der Rechtsanwendung durch Standesämter und Gerichte wird die zweite Elternstelle bislang jedoch nur an einen „Mann“ als „Vater“ vergeben.
Das Freibleiben der zweiten Elternstelle dient nicht dem Kindeswohl. Daher ist gesetzlich klarzustellen, dass die Regelungen für die Vaterschaft nach § 1592 BGB auch auf eine Frau oder eine Person ohne oder mit Geschlechtseintrag „divers“ entsprechend anzuwenden sind. Die Elternbezeichnung ist dann „Mutter“ oder „Elternteil“. §§ 1594 und 1600d BGB sind entsprechend anzupassen.
Regelungsmöglichkeit/Forderung: § 1592 BGB wird um folgenden Absatz 2 ergänzt:
Mutter eines Kindes ist eine Frau in entsprechender Anwendung der Regelung in Absatz 1. Elternteil eines Kindes ist eine Person ohne Geschlechtseintrag oder mit dem Geschlechtseintrag „divers“ in entsprechender Anwendung der Regelung in Absatz 1.
2. Gleichbehandlung auch bei den Korrekturmöglichkeiten.
§ 1600 BGB räumt in besonderen Ausnahmefällen Korrekturmöglichkeiten für die Eltern-Kind-Zuordnung ein. Diese Korrekturmöglichkeiten müssen auch auf den zweiten Elternteil im Sinne des § 1592 Abs. 2 BGB n.F. erstreckt werden.
Regelungsmöglichkeit/Forderung: § 1600 BGB wird um folgenden Absatz 5 ergänzt:
Die Absätze 1 bis 4 geltend entsprechend für den zweiten Elternteil gemäß § 1592 Abs. 2 BGB.
3. Identitätsverfälschung von trans Eltern beenden.
Für trans Personen stellt sich ein besonderes Problem. Sie werden, auch wenn ihr Kind nach Abschluss der Transition geboren wird, mit ihrem unzutreffenden Geschlecht und Vornamen im Geburtenregister eingetragen.
Regelungsmöglichkeit/Forderung: § 5 Abs. 3 TSG und § 11 TSG werden ersatzlos gestrichen.
4. Diskriminierungen bei der Besetzung der ersten Elternstelle beseitigen.
§ 1591 BGB ist bislang beschränkt auf Frauen als Mütter. Um der Vielfalt der rechtlichen Geschlechtszugehörigkeit von Menschen gerecht zu werden, ist eine Zuordnung als Elternteil oder Vater auch für gebärende trans, inter, nicht-binäre oder geschlechtslose Personen zu ermöglichen.
Regelungsmöglichkeit/Forderung: § 1591 BGB wird um folgenden Absatz 2 ergänzt:
Vater eines Kindes ist ein Mann in entsprechender Anwendung der Regelung in Absatz 1. Elternteil eines Kindes ist eine Person ohne Geschlechtseintrag oder mit dem Geschlechtseintrag „divers“ in entsprechender Anwendung der Regelung in Absatz 1.
5. Verbindliche Übernahme von Verantwortung unabhängig von Ehe ermöglichen.
Queere Herkunftsfamilien sind vielfältig. Den größten Anteil machen Zwei-Mütter-Familien aus, die zu zweit Eltern sind. Daneben gibt es Regenbogenfamilien, in denen die Elternschaft nicht an die Paarkonstellation gebunden sein soll, etwa wenn ein lesbisches Ehepaar nicht lediglich einen privaten Samenspender sucht, sondern der Samenspender auch eine rechtliche und soziale Vaterrolle einnehmen will und soll.
Das geltende Recht kennt solche Konstellationen in Heterokontexten bei der sogenannten „Dreier-Erklärung“ nach § 1599 BGB. Bislang setzt diese Erklärung voraus, dass ein Scheidungsverfahren anhängig ist, und die Erklärung wird erst mit Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses wirksam. Die Koalition hat bereits angekündigt, die „Dreier-Erklärung“ auch unabhängig von einem Scheidungsverfahren zu ermöglichen.
Die Angleichung der zweiten Elternstelle, wie unter 1. gefordert, führt nicht in jedem Fall dazu, dass die übernommene Elternverantwortung rechtlich abgebildet wird. Die Lösung kann nur sein, alternativ zu der Zuordnung der zweiten Elternstelle auf Grund von Ehe eine verbindliche Verantwortungsübernahme qua übereinstimmender Erklärungen zu ermöglichen.
Regelungsmöglichkeit: § 1599 BGB wird um folgenden Absatz 3 ergänzt:
Die Regelung des § 1592 Abs. 2 in Verbindung mit § 1592 Abs. 1 Nr. 1 BGB gilt nicht, wenn eine dritte Person die Elternschaft vor der Geburt des Kindes anerkannt und der Elternteil nach § 1591 BGB sowie die mit ihm verheiratete Person dem zugestimmt haben.
6. Präkonzeptionelle Übernahme von Verantwortung ermöglichen.
Bisher können Erklärungen zur Übernahme elterlicher Verantwortung erst nach der Zeugung rechtsverbindlich abgegeben werden. Nur bei Anfechtungs- und Feststellungsmöglichkeiten bindet das geltende Recht in §§ 1600 Abs. 4 und 1600d Abs. 4 BGB die Eltern und den Samenspender an präkonzeptionelle Erklärungen. Dies verunsichert werdende Regenbogenfamilien und ist mit dem Kindeswohl nicht zu vereinbaren.
Regelungsmöglichkeit: § 1594 Abs. 4 wird geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Anerkennung ist schon vor der Zeugung des Kindes zulässig.
7. Diskriminierung auch rückwirkend beseitigen.
Die Elternschaft nach § 1592 Abs. 2 BGB n.F. in Verbindung mit § 1592 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann auch begründet werden für Kinder, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens schon geboren sind. Bereits erfolgte Erklärungen nach § 1597 Abs. 1 BGB bleiben wirksam.
Die Elternschaft nach § 1592 Abs. 2 BGB n.F. in Verbindung mit § 1592 Abs. 1 Nr. 1 BGB kann auch begründet werden, wenn die Ehe oder Lebenspartnerschaft des Elternteils nach § 1591 BGB bei Geburt bereits bestanden hat und beide Eltern die Zuordnung dem Standesamt gegenüber formlos anzeigen. Der übereinstimmende Antrag auf Feststellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses an das Familiengericht sowie die Geltendmachung der gemeinsamen Elternschaft im Rahmen der Geburtsanzeige oder im Verfahren auf Eintragung im Geburtenregister gelten als Anzeige im Sinne des vorherigen Satzes.
Eine Rückwirkung ist ausgeschlossen, wenn das Kind im Zeitpunkt, in dem das Gesetz in Kraft tritt, bereits zwei rechtliche Eltern hat. In bestehende Statusverhältnisse soll durch die Reform nicht rückwirkend eingegriffen werden. Bei einer nicht mit §§ 1591 Abs. 2, 1592 Abs. 2 BGB n.F. zu vereinbarenden Bezeichnung eines Elternteils ist auf Antrag ein neuer Geburtenregistereintrag anzulegen.
8. Samenspenderregister öffnen.
Bislang können nur Samenbank-Spender registriert werden. Deshalb ist nur für Kinder, die mittels kommerzieller Kinderwunschbehandlung unter Mitwirkung einer Samenbank gezeugt wurden, das Recht auf Kenntnis der Abstammung sichergestellt. Kindern, die unter Mitwirkung privater Samenspender gezeugt wurden, bleibt diese Rechtssicherheit verweigert.
Regelungsmöglichkeit: Auch private Samenspender müssen ihre Informationen im Spenderregister hinterlegen können, um den Kindern ein unabhängiges Auskunftsrecht ab dem Alter von 16 Jahren zu ermöglichen.
Initiierende:
Deutscher Juristinnenbund, djb
Lesben- und Schwulenverband Deutschland, LSVD
Initiative Nodoption
Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule Juristen, BASJ
Erstunterzeichnende Verbände/Organisationen:
Neue Richtervereinigung, NRV
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein, RAV
Bundesinteressengemeinschaft Regenbogenfamilien-Fachkräfte
Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V., dgti
lesbisch.sichtbar.berlin
Network of European LGBTIQ* Families Associations, NELFA
AllOut
Deutscher Bundesjugendring, DBJR
PRiNa - Politiken der Reproduktion
Der Paritätische Wohlfahrtsverband - Landesverband Berlin
TransInterQueer e.V.
Center for Intersectional Justice, CIJ
Fachstelle Regenbogenfamilien NRW
rubicon e.V.
Lesben* Leben Familie (LesLeFam) e.V.
BerTA – Beratung, Treffpunkt und Anlaufstelle für Regenbogenfamilien, Stuttgart
LSVD Baden-Württemberg
Regenbogenfamilienzentrum Berlin Schöneberg
Regenbogenfamilienzentrum Lichtenberg
LesMamas e.V.
Herausgeber*innenkolletiv Kitchen Politics
fem*ini. Feministische Initiative gegen reproduktive Ausbeutung
Antidiskriminierungsverband Deutschland ADVD
#PaulaHatZweiMamas
Deutsches Kinderhilfswerk e.V.
pro familia Bundesverband
ILSE Baden-Württemberg mit den Regionalgruppen ILSE-Freiburg, ILSE-Göppingen, ILSE-Karlsruhe, ILSE-Konstanz, ILSE-Rhein-Neckar, 3 x ILSE-Stuttgart, ILSE-Süd, ILSE-Tübingen, ILSE-UnterSchluPf
Regenbogenfamilien in Brandenburg stärken!
Bundesverband Trans* (BVT*)
arbeitskreis kritischer jurist*innen Berlin
Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV)
Erstunterzeichnende Personen (alphabetisch sortiert nach Nachnamen A-Z):
Dr. Laura Adamietz, Rechtsanwältin und Notarin, Bremen
Verena Akkermann, #PaulaHatZweiMamas
Buki Akomolafe, Modedesignerin
Lola Arias. Theaterdirektorin
Lea Beckmann, Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.
Prof. Dr. Katharina Boele-Woelki, Bucerius Law School Hamburg
Friederike Boll, Rechtsanwältin (Kanzlei geRechtsanwältinnen, Frankfurt a.M.)
Miri Bouaouina, Sozialpädagogin/ content creator
Teresa Bücker, Publizistin
Dr. Ulf Buermeyer, Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. – GFF
Pablo Charlemoine, Aktivist und Musiker (mal élevé)
Lucy Chebout, Rechtsanwältin
Christina Clemm, Rechtsanwältin und Autorin
Asal Dardan, Autorin
Dr. Laura Dornheim, CDO und Autorin
Tülin Duman, Aktivistin und Inhaberin Mundvoll
Katja Dunkel, Rechtsanwältin, DUNKEL RICHTER Rechtsanwältinnen
Carolin Emcke, Publizistin
Prof. Dr. Anuscheh Farahat, FAU Erlangen-Nürnberg
Ina Feige, Rechtsanwältin und Mediatorin, Anwältinnenbüro Leipzig
Prof. Dr. i.R. Sibylla Flügge, Frankfurt University of Applied Sciences, Frankfurt am Main
Jessica Gedamu, Vorstand EAF Berlin
Alice Gedamu, Coach
Berit Glanz, Autorin
Milena Glimbovski, Autorin und Unternehmerin
Fraence Grethe LL.M., Jurist:in
Dr. Anna Lena Göttsche, Juristin
Kübra Gümüşay, Autorin
Prof. Dr. Sabine_ Hark, TU Berlin
Asha Hedayati, Rechtsanwältin und Autorin
Hans Hengelein, Dipl.Psych.
Heinrich Horwitz, Regisseur*in, Choreograf*in, Performer*in, Aktivist*in, Teil von ActOut
Henri Maximilian Jakobs, Musiker, Autor, Schauspieler - Teil von ActOut
Lisa Jaspers, Gründerin, Autorin und Aktivistin
Georgine Kellermann, Journalistin
Elena Kirova
Christina Klitzsch-Eulenburg, Juristin
Valeska Knarr, Rechtsanwältin
Prof. Dr. Eva Kocher, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Jochen König, Autor
Raul Krauthausen, Gründer, SOZIALHELD*NNEN e.V.
Stephanie Kuhnen, Autorin und Fundraiserin
Ninia LaGrande, Moderatorin & Autorin
Bella Lesnik, TV- Moderatorin
Gabriela Lünsmann, Rechtsanwältin
Kathrin Mahler Walther, Vorstand EAF Berlin
Prof. Dr. Nora Markard, MA (King's College London), Universität Münster
Nina Martin, Mitgründer*in & Fundraising Oyoun
Saskia Michalski, Content Creator*in & Dozent*in für Queerness & Diversity
Lui Michalski, Content Creator*in
Christine Owosekun, Lehrerin
Alan Pauls, writer
Dr. Sarah Ponti, LL.M. (Melbourne), Juristin
Theresa Anna Richarz, Juristin
Rebecca Richter, Rechtsanwältin, DUNKEL RICHTER Rechtsanwältinnen
Prof. Dr. Cara Röhner, Hochschule RheinMain Wiesbaden
Dr. Emilia Roig, Autorin und Gründerin Center for Intersection Justice (CIJ)
Susanna Roßbach, Europa-Universität Flensburg
Tucké Royale, Autor, Regisseur und Schauspieler, Mitunterzeichner von #actout
Naomi Ryland, Autorin und Gründerin
Prof. Dr. Dr. h.c. Ute Sacksofsky, M.P.A. (Harvard), Goethe-Universität Frankfurt am Main
Prof.'in Dr. Anne Sanders, M.Jur. (Oxford), Universität Bielefeld
Asmaa Sbou, Kuratorin, Performerin uvm.
Louna Sbou, Geschäftsleitung Oyoun
Brix Schaumburg, Schauspieler, Moderator und Autor, Teil von Act Out
Irina Schlauch, Juristin
Alena Schröder, Autorin
Dirk Siegfried, Rechtsanwalt und Notar
Ravna Marin Siever, Autorx
Prof. Dr. Leonie Steinl, LL.M. (Columbia), Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Inken Stern, Rechtsanwält*in
Dr. Gesa C. Teichert-Akkermann, #PaulaHatZweiMamas
Zümrüt Turan-Schnieders, Rechtsanwältin
Prof. Dr. Dana-Sophia Valentiner, Universität Rostock
Lucienne Wagner, Sozialwissenschaftlerin
Prof. Dr. Friederike Wapler, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Marcel Weber, Geschäftsführung SchwuZ, Vorstand Clubcommission
Rosa Wernecke, Performance- und Medienkünstlerin, Teil von Swoosh Lieu und Gefährliche Arbeit e.V.
Barbara Wessel, Rechtsanwältin