Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme zu den Gesetzentwürfen der Hessischen Landesregierung, der Landtagsfraktion der SPD und der Landtagsfraktion Die Linke.
Im Bundesvergleich war das Hessische Gleichberechtigungsgesetz (HGlG) schon vor der umfassenden Novellierung im Jahr 2016 eines der fortschrittlichsten Gesetze zur Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst. Einige Regelungen, die das Gesetz bereits seit 1993 enthält, sucht man in anderen Gleichstellungs- und Frauenförderungsgesetzes auch heute noch vergebens. Hierzu zählen beispielsweise klare und effiziente Vorgaben für die Freistellung der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten in Abhängigkeit zur Dienststellengröße oder weitgehend verbindliche Soll-Regelungen für die geschlechterparitätische Besetzung von Gremien. Auch mit dem Klagerecht für die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten, detaillierten Vorgaben zum Inhalt von Frauen- und Gleichstellungsplänen und der Sanktionierung der Nichterreichung von Zielvorgaben aus dem Gleichstellungsplan ist das HGlG ein Vorbild.
I. Gesetzentwurf der Landesregierung
Zu einzelnen Regelungen:
Zu Ziffer 2. (§ 1 Absatz 1 Satz 2)
Die Einfügung der „strukturellen Benachteiligungen von Frauen“ in den Gesetzestext wird ausdrücklich begrüßt. Hierdurch weist der Gesetzestext unmittelbar auf den für sämtliche Frauenförderungs- und Gleichstellungsinstrumente ausschlaggebenden Verfassungsauftrag aus Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 Grundgesetz hin. Geschlechtsbezogene Förder- und Ausgleichsmaßnahmen (oder: Ungleichbehandlungen) sind verfassungsrechtlich zulässig, wenn dadurch bestehende strukturelle Benachteiligungen abgebaut oder beseitigt werden. Im Erwerbsleben (wie in vielen anderen Lebensbereichen) sind strukturelle Benachteiligungen ausschließlich zulasten von Frauen erwiesen und anerkannt. Im Zuge dieser Erkenntnis hat der Bundesgesetzgeber im Rahmen der Novellierung des Bundesgleichstellungsgesetzes 2021 (BT-Drs. 19/26689, S. 67 f. zu Artikel 2 Nr. 8) alle darin enthaltenen Regelungen aufgehoben, die eine Förderung von Männern in den Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind, vorsahen. Denn solche Unterrepräsentanzen (z.B. in einzelnen Berufszweigen oder eher niedrigeren Vergütungsgruppen) werden nicht durch strukturelle Benachteiligungsmechanismen verursacht.
Zu Ziffer 3 c) (§ 3 Absatz 6)
Es stellt sich einerseits die Frage, welchen Personenkreis der Begriff „Angehörige“ umfasst. Genügt eine irgendwie geartete verwandtschaftliche Beziehung oder gar lediglich eine persönliche Verbundenheit? Oder sind eigentlich nur besonders nahe Familienangehörige gemeint? Andererseits ist eine Überprüfung angezeigt, inwieweit eine Begrenzung, z. B. auf nahe Angehörige, noch den tatsächlichen gesellschaftlichen Entwicklungen und Anforderungen entspricht. Angesichts zunehmend vielfältiger Lebensentwürfe und Formen des Zusammenlebens und füreinander Einstehens, in denen im Pflegefall neben klassischen Familienangehörigen und professionellen Pflegediensten auch andere zentrale Bezugspersonen an Bedeutung und Verantwortung gewinnen, ist eine entsprechende Erweiterung von Regelungen zur Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Sorgearbeit erforderlich. Anknüpfungspunkt könnte z. B. die Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II sein, wobei jedoch der Fokus weg vom Finanziellen hin zur tatsächlichen Betreuung und entsprechenden Verantwortungsbereitschaft gelenkt werden sollte.
Zu Ziffer 5 (§ 9 Absatz 1)
Aus Sicht der nach wie vor notwendigen Frauenförderung, die bei der entsprechenden Formulierung von Stellenausschreibungen beginnt, reicht es nicht aus, eine „geschlechtsneutrale“ Formulierung anzuordnen. Diese Anforderung wird mit dem Zusatz (m/w/d) hinter jeglicher Form von Berufsbezeichnung, also auch einer rein männlichen, erfüllt. Denn nicht für jede Berufsbezeichnung lässt sich eine neutrale Form, wie „Lehrkraft“ oder „Fachkraft für...“ finden. Bestes Beispiel sind die im öffentlichen Dienst häufigen Referentinnen und Referenten. Wird eine solche Stelle ausgeschrieben, genügt zur Erfüllung der Vorgabe des § 9 Absatz 1 die Angabe „Referent (m/w/d)“. Damit wird weibliche Berufstätigkeit nicht sichtbarer, sondern bleibt sprachlich im generischen Maskulinum mitgemeint. Darin enthalten ist außerdem das Bekenntnis zum männlich geprägten „Normalarbeitsverhältnis“ (40 Stundenwoche in vollständiger Präsenz), zu dem klassisch weibliche Arbeitsverhältnisse (Teilzeit mit hohem Bedürfnis an örtlicher und zeitlicher Flexibilität) ein Anhängsel oder ein „Weniger“ sind. Empfohlen wird, nicht nur die geschlechtsneutrale Formulierung anzuordnen, sondern zusätzlich explizit die Verwendung der weiblichen und männlichen Form, soweit eine neutrale Berufsbezeichnung nicht möglich ist. Im obigen Beispiel wäre die Stelle auszuschreiben als „Referentin/Referent (m/w/d).“
Zu Ziffer 7 (§ 12 Absatz 4 Satz 1) und Ziffer 9 (§ 14a)
Sehr positiv wird die Kostenübernahme von unvermeidlichen Betreuungskosten bei (insbesondere überörtlichen) Fortbildungen bewertet, insbesondere weil es sich um einen Anspruch der Bediensteten handelt („werden erstattet“). Zur Vereinfachung des Verfahrens der Kostenerstattung könnte überlegt werden, die Ausschlussfrist zur Geltendmachung der Kosten (derzeit ein Monat) an die allgemeine Frist zur Reisekostenerstattung (sechs Monate) anzupassen. Damit würde die gemeinsame Bearbeitung und Abrechnung von zwei Vorgängen bezüglich derselben Fortbildung der- oder desselben Bediensteten ermöglicht werden. Zur besseren Planbarkeit der Haushaltsmittel könnte von den Bediensteten verlangt werden, bei Beantragung der Fortbildung die wahrscheinliche Kostenentstehung anzuzeigen.
In diesem Zusammenhang wird auch die neue Regelung des § 14a zur entsprechenden Kostenerstattung bei kurzfristiger Heranziehung zu besonderen Einsatzlagen sehr begrüßt. Damit werden die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und auch die kurzfristige Arbeits- und Einsatzfähigkeit des öffentlichen Dienstes gefördert. Hier ist die oben vorgeschlagene Anzeigepflicht jedoch nicht sinnvoll und praktikabel.
Zu Ziffer 8a (§ 14 Absatz 3)
Der djb begrüßt ebenfalls die Einfügung der mobilen Arbeit neben der Telearbeit als weitere Option der flexiblen Arbeitsortgestaltung für Bedienstete und Dienststellen. Die mobile Arbeit sollte die Telearbeit mit ihren etablierten Arbeitsschutzstandards keinesfalls verdrängen oder ersetzen. Vielmehr könnte es in Einzelfällen zu einem Übergang von mobiler zu Telearbeit kommen, wenn sich erstere bewährt hat. Im Interesse der Rechtssicherheit sollte jedoch der Begriff „mobile Arbeit“ legaldefiniert oder zumindest in der Gesetzesbegründung näher bestimmt werden. Eine mögliche Formulierung wäre:
„Mobile Arbeit ist eine auf die Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologie gestützte Tätigkeit, die außerhalb oder losgelöst von einem fest eingerichteten Arbeitsplatz ausgeübt wird, wobei die Bediensteten mit der Dienststelle durch elektronische Kommunikationsmittel verbunden sind.“
Zu Ziffer 11 b) (§ 17 Absatz 4)
Die Einfügung der schriftlichen Begründungspflicht gegenüber der Gleichstellungsbeauftragten bei Verkürzung der Anhörungsfrist wird ausdrücklich begrüßt. Soweit möglich hat die Dienststellenleitung zur Umgehung des Begründungsaufwands ein Interesse an der Einhaltung der regulären Frist. Die Gleichstellungsbeauftragten erhalten durch die Begründungspflicht die Möglichkeit, strukturelle Probleme im Rahmen ihrer Beteiligung zu erkennen und bei der Dienststellenleitung anzusprechen.
II. Gesetzentwürfe der Landtagsfraktionen der SPD und von Die Linke
Die vorliegenden Gesetzentwürfe der Landtagsfraktionen der SPD und Die Linke sind weit überwiegend gleichlautend. Offenbar war im Ergebnis leider dennoch keine Einigung auf einen gemeinsamen Entwurf möglich, obwohl offensichtlich große inhaltliche Übereinstimmung besteht. Soweit die folgenden Ausführungen sich nicht explizit auf einen bestimmten Gesetzentwurf beziehen, gilt die Stellungnahme für beide Entwürfe.
Beide Gesetzentwürfe sind sehr ambitioniert, schießen dabei jedoch etwas über das Ziel hinaus. Sie sind überdimensioniert und normsetzungstechnisch teilweise problematisch, weil sie nicht die gebotene Beschränkung auf eindeutige Handlungsge- und -verbote und Benennung konkreter Normadressaten erkennen lassen. Vielfach beinhalten die Entwürfe eher fachliche Texte und Formulierungen, die in der Gesetzesbegründung zu verorten sind, aber keine verbindlichen rechtlichen Regelungen darstellen können. Viele der Ausführungen sind sehr gut geeignet für Erläuterungen, eine Handreichung oder eine Kommentierung des Gesetzes. Auch sollten die Gesetzentwürfe dringend auf ihre Praxistauglichkeit und die Umsetzbarkeit innerhalb der tatsächlichen Arbeitsabläufe in der Verwaltung hin überprüft werden. Personelle und finanzielle Mehraufwände im Interesse guter Gleichstellungsarbeit sind nicht zu vermeiden. Es besteht aber hohes Effizienzpotential, wenn sich die Anwendung eines Gesetzes gut in Verwaltungsstrukturen und -abläufe einfügt.
Mit beiden Gesetzentwürfen soll der Titel des Gesetzes geändert werden. Während der Entwurf der SPD-Fraktion ein „Gesetz zu Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern“ ohne Beschränkung auf den öffentlichen Dienst vorschlägt, benennt der Entwurf der Fraktion Die Linke die Erweiterung des Gesetzesinhalts durch die Ergänzung „und zum Abbau von Diskriminierungen von Frauen“. Das ist insoweit stringent, als umfangreiche antidiskriminierungsrechtliche Regelungen enthalten sind. Der Entwurf der SPD-Fraktion nimmt hingegen die bereits oben erwähnten Überlegungen (vgl. oben I.) zur Fortentwicklung der Bemühungen um Gleichberechtigung hin zur aktuellen Frage der Gleichstellung auf. Wenn schon so umfangreiche Änderungsvorschläge zum aktuellen Gesetzesstand gemacht werden wie in beiden Entwürfen, sollte überlegt werden, auch den relativ sperrigen bisherigen Titel des Gesetzes zu vereinfachen und zu aktualisieren und z. B. den etablierten schlichten Begriff „Landesgleichstellungsgesetz“ zu verwenden. Damit könnte auch der in beiden Titeln enthaltene, aber dem eigentlichen Gesetzesinhalt widersprechende, Fokus auf das binäre Geschlechterverständnis beseitigt werden.
Zu einzelnen Vorschriften der Entwürfe:
Zu § 1 (Gleichberechtigung)
Der inhaltlicher Mehrwehrt der Überschrift der Norm bleibt unklar. Diese enthält umfassende Zielbestimmungen und sollte daher eine entsprechend aussagekräftigere Überschrift wie z. B. „Ziele“ haben.
Zu § 1 Absatz 2
Begrüßenswert ist die Adressierung und Anerkennung von unterschiedlichen Familienständen, Lebens- und Berufsmodelle von Menschen. Es wäre jedoch eine knappere Formulierung sinnvoll (vgl. die allgemeinen Ausführungen oben). Fraglich ist auch, welche konkreten rechtlichen und praktischen Schlussfolgerungen sich für die Verwaltungen aus der Anerkennung der genannten Aspekte ergeben. Die Ergänzungen sind oft richtige und wichtige Ziele von Gleichstellungspolitik, denen sich politische Akteur*innen verpflichtet fühlen müssen. Der Fokus von Gleichstellungsgesetzen, zu denen auch das HGlG trotz abweichenden Titels zählt, ist jedoch die Geschlechtergleichstellung im öffentlichen Dienst. Daher sollte sich der Gesetzestext auf die wesentlichen Anliegen beschränken (z.B. als Ziele die Vereinbarkeit von Familie/Sorgearbeit und Beruf/Erwerbsarbeit, berufliche Förderung von Frauen und weitere benennen) und in der Gesetzesbegründung betonen, dass davon auch das Leben unterschiedlicher Lebens-, Partnerschafts- und Berufsmodelle erfasst sind.
Zu § 1 Absatz 3
So ist es, wie § 1 Absatz 3 ausführt, wichtig, dass überkommene auf dem Geschlecht beruhende Rollenverteilungen erkannt und aufgebrochen und in Anerkennung des Rechts freier Persönlichkeitsentfaltung für die Angehörigen beider Geschlechter überwunden werden. Allerdings mutet diese Ausführung an dieser Stelle eher wie eine Absichtserklärung an.
Sprachlich widersprüchlich ist außerdem die Adressierung "beider Geschlechter", die scheinbar von einer Binarität ausgeht, die im Folgenden in einer Vielzahl von Regelungen aufgebrochen wird.
Zu § 2 Absatz 3
Es sollte überlegt werden, diesen Absatz und den Absatz davor zusammenzufassen, da sich die Wendung „dieser Grundrechte“ offenbar auf die im Vorabsatz benannten Regelungen bezieht und damit ein enger innerer Zusammenhang besteht. Als inhaltlich problematisch wird die Formulierung „im Sinne strikter Gleichbehandlung“ eingeschätzt. In einer Lebensrealität, die durch ungleiche Ausgangschancen für Frauen, Männer und Menschen ohne binäre Geschlechtszuschreibung sowohl im Berufsleben als auch in anderen Lebensbereichen geprägt ist, führt eine strikte Gleichbehandlung (oder Chancengleichheit) nicht zum Ausgleich der ursprünglichen Ungleichheit. Vielmehr müssen insbesondere Blick auf benachteiligende Strukturen gerechte Rahmenbedingungen geschaffen werden, so dass alle Bediensteten bzw. Menschen je nach ihrer Ausgangsposition ihre individuellen Chancen mit gleicher Erfolgsaussicht und Erfolgswahrscheinlichkeit nutzen könnten. Dies würde eine echte Chancengerechtigkeit mit sich bringen.
Zu § 2 Absatz 4
Statt der gewählten weiten Formulierung „der von diesem Gesetz erfassten privatrechtlich verfassten Arbeitgeber und Organisationen“ wird eine Formulierung empfohlen, die die privatrechtlich organisierten Adressat*innen, z.B. Beteiligungsgesellschaften, ausdrücklich nennt. Hintergrund ist, dass die Gesetzgebungskompetenz des Landes nur für den öffentlichen Dienst des Landes und hierüber für die öffentlich-rechtlichen Anteilseigner*innen in Beteiligungsunternehmen besteht. Eine grundsätzliche Anwendbarkeit auf privatrechtlich verfasste Arbeitgeber und Organisationen kann mangels Gesetzgebungskompetenz nicht bestehen.
Zu § 3 Absatz 1
Die klare Benennung und starke Ausgestaltung des Gender Mainstreaming ist positiv zu bewerten. § 3 enthält klare Anleitungen und Beispiele des Gender Mainstreaming und erleichtert und stärkt damit die Umsetzung in der Verwaltungspraxis.
Zu § 3 Absatz 2
Die zwingende Einbeziehung der Umsetzung des Gender Mainstreamings und der Zusammenarbeit mit der jeweiligen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten als unverzichtbares Kriterium der Leistungsbeurteilung von Personen mit Vorgesetzten- und Leitungsfunktion ist sinnvoll und positiv. Damit werden Gender-Mainstreaming-Kompetenzen und die Motivation der Leitungsebene zur Kooperation mit und Unterstützung der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten auf Leitungsebene gestärkt.
Zu § 3 Absatz 3
Im Vergleich zum bisherigen § 1 Absatz 2 HGlG wird hier der Kreis der geschlechtergerecht zu gestaltenden Dokumente erweitert. Zu begrüßen ist die Adressierung digitaler Prozesse in diesem Zusammenhang. Die Formulierung „dass eine einseitige Ausrichtung auf ein bestimmtes Geschlecht vermieden wird“ erscheint jedoch insgesamt zu unbestimmt.
Zu § 4 Absatz 3
Zu begrüßen ist die Klarstellung, dass als Beschäftigte auch diejenigen Personen gehören, die sich für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst im Geltungsbereich dieses Gesetzes bewerben, soweit nicht die jeweilige Regelung ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis voraussetzt. Hier bestehen in der Rechtspraxis teilweise Unsicherheiten. Die Regelung dürfte auch Bewerber*innen darin bestärken, sich auf entsprechende Vorgaben im HGlG zu berufen und beispielweise auch auf die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten zuzugehen.
Zu § 5 Absatz 1 Nummer 3
Die Geltung des HGlG für das Amt bzw. die Behörde der oder des Hessischen Datenschutzbeauftragten dürfte Artikel 52 der Datenschutzgrundverordnung widersprechen. Dieser gewährt den datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden umfassende Unabhängigkeit, die sich auch auf rein dienstrechtliche Fragestellungen bezieht. Nummer 3 ist daher zu streichen.
Zu § 6 (Institutionelle Leistungsempfangende)
Die Anordnung, dass Geschlechtergerechtigkeit auch bei Zuwendungs- und Förderentscheidungen mitzudenken ist, wird sehr begrüßt. Grundsätzlich ist auch die zwingende Beteiligung der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten positiv zu bewerten. Jedoch dürfte die Beteiligung in jedem Einzelfall der Leistungsgewährung eine immense Arbeitsbelastung mit sich bringen. Hier könnte eine Beschränkung auf wesentliche bzw. umfangreichere Leistungsgewährungen praxisgerecht sein.
Absatz 1 Satz 1 ordnet an, dass die oder der Leistungsempfangende „dieses Gesetz entsprechend anwendet“. In Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 ist dann die Rede von „Grundzüge dieses Gesetzes“. Es müsste dringend klargestellt werden was genau mit „Grundzüge“ gemeint ist. Welche wesentlichen Gesetzesgedanken (z.B. Gleichstellungsplan, Einrichtung des Amtes der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten) sollen in welchem Maß angewendet werden? Die Praxiserfahrung zeigt, dass die Auswahl und der Umfang der Instrumente, die entsprechend angewendet werden, stark variiert. Es ist jedoch bei der Vergabe staatlicher Mittel ein gewisses Maß an Verbindlichkeit und Überprüfbarkeit erforderlich.
§ 6 Absatz 2 enthält mit der Androhung der Beendigung der Leistungsgewährung ein äußerst scharfes Schwert, dessen förderungsrechtliche Zulässigkeit insbesondere vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen zur fehlenden Konkretheit der entsprechend anzuwendenden Regelungen dringend überprüft werden müsste.
Zu § 9 (Bereiche, Unterrepräsentanz)
§ 9 enthält begrüßenswert klare Begriffsbestimmungen, die insbesondere auch die notwendigen Binnendifferenzierungen und Abgrenzungen innerhalb des Oberbegriffs „Bereich“ klärt. Das in vielen Gleichstellungsgesetzen gängige schlichte Abstellen auf „Bereiche“ ohne weitere Erläuterungen führt oft zu Unklarheiten bei der Rechtsanwendung. Problematisch ist allerdings, dass allein aus den Begriffsbestimmungen des § 9 nicht erkennbar wird, wann letztlich eine solche Unterrepräsentanz von Frauen besteht, dass an die die Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzung konkrete Rechtsfolgen geknüpft sind. Mit Blick auf § 23 Absatz 1, der als Tatbestandvoraussetzung offenbar einen Frauenanteil von einem Drittel („weniger als die Hälfte der männlichen Beschäftigten“) verlangt, soll offenbar je nachdem welches materielle Steuerungsinstrument gegenständlich ist, ein anderer Frauenanteil maßgeblich sein. Das kann sinnvoll sein, erschwert aber die Rechtsanwendung erheblich. Es wird dringend die Festlegung eines einheitlichen Wertes für den Frauenanteil für die Definition der „Unterrepräsentanz“ angeregt.
Sehr zu begrüßen ist die Regelung des Absatzes 5, die einen lobenswerten Versuch darstellt, der Realität zu begegnen, ohne Zwangsoutings nichtbinärer Personen zu verursachen.
Zu § 10 (Familienaufgaben)
Die Öffnung des Angehörigenbegriffs ist sehr zu begrüßen und angesichts vielfältiger Lebensentwürfe und Konstellationen des füreinander Einstehens als zeitgemäß zu bewerten. Allerdings ist der Begriff so offen formuliert, dass Abgrenzungs- und Beweisschwierigkeiten absehbar sind. Es wird auf die obigen Ausführungen unter I. zu Ziffer 3 c) verwiesen.
Zu § 11 (Beschäftigtenrechte und Diskriminierungsverbote)
Die hier regelte Ergebnispflicht ist rechtlich bedenklich und sollte gestrichen werden. Arbeitnehmende und Beamtinnen und Beamte schulden niemals konkrete Ergebnisse, sondern lediglich eine bestimmte Leistung.
Zu § 12 (Verbot der unmittelbaren Diskriminierung)
Zu einem großen Teil enthalten beide Gesetzentwürfe antidiskriminierungsrechtliche Regelungen, die den Text des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) wiederholen. Sie beinhalten mithin nicht nur ein klassisches Landesgleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst, sondern auch ein Landes-AGG. Aus juristischer und fachlicher Sicht ist bedenklich, dass bei der Übernahme der Regelungen aus dem AGG der dort bewusst verwendete Begriff „Benachteiligung“ in den vorliegenden Gesetzentwürfen schlicht durch den Begriff „Diskriminierung“ ersetzt wird. Denn dabei werden der Unterschied und die rechtliche Beziehung der beiden Rechtsbegriffe zueinander verkannt. Eine rechtlich relevante und verbotene Diskriminierung liegt nicht bereits in einer ungünstigeren Behandlung z.B. aufgrund des Geschlechts vor. Diese ungünstigere Behandlung oder „Benachteiligung“ stellt erst eine rechtswidrige Diskriminierung dar, wenn sie nicht sachlich oder verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann. Kurz: Eine verbotene Diskriminierung ist die ungerechtfertigte Benachteiligung aufgrund des Geschlechts. Sonst wäre jegliche ungünstigere Behandlung von Männern durch Frauenförderungsinstrumente eine Diskriminierung. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil die Benachteiligung von Männern durch Frauenförderungsinstrumente verfassungsrechtlich durch Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 GG gerechtfertigt werden kann.
Im Bereich des Antidiskriminierungsrechts verlieren die Gesetzentwürfe auch ihren Fokus auf die Geschlechterdimension (vgl. z.B. Absatz 7). Zwar ist es zu begrüßen, wenn mit einem intersektionalen Ansatz insbesondere Frauen mit Behinderungen durch die Regelungen geschützt oder gefördert werden sollen. Teilweise stellen die Gesetzentwürfe aber ausschließlich auf das Geschlecht als Diskriminierungsmerkmal ab. Hier besteht die Gefahr von widersprüchlichen oder Doppelregelungen zu denen des Hessischen Behinderten-Gleichstellungsgesetzes.
Hinsichtlich des in Absatz 8 enthaltenen Anspruchs auf die Rückkehr auf den früheren Arbeitsplatz bei Rückkehr aus dem Mutterschutz wird auf § 25 Mutterschutzgesetz hingewiesen, mit dem der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hat. Diese Regelung sollte gestrichen werden. Entsprechendes dürfte für die entsprechende Regelung in § 44 Absatz 3 gelten.
Auch in den weiteren Paragrafen des vierten Abschnitts befinden sich Regelungen und Wortlaute, die dem AGG entnommen sind. Umso überraschender erscheint es, dass § 16 zum Thema Belästigung und sexuelle Belästigung keinerlei Bezug auf die bestehenden Regelungen des AGG nimmt.
Zu § 18 (Pflicht zur Personalplanung und –entwicklung)
Die umfassenden und detaillierten Vorgaben zu Anforderungsprofilen als Grundlage für Stellenbesetzungen und Leistungsbeurteilungen sind zu begrüßen, weil sie den chancengerechten Zugang zu öffentlichen Ämtern gemäß Artikel 33 Absatz 2 GG fördern. Strukturelle Diskriminierungen durch Anforderungsprofile und Leistungsbeurteilungen bleiben oft unentdeckt und sind im Nachhinein für diejenigen, die die Diskriminierung erfahren, nur schwer angreifbar.
Zu § 19 (Ausschreibung)
Das Ziel in § 19 Absatz 14, Bewerbungsverfahren komplett geschlechterunabhängig zu gestalten, ist sehr lobenswert und zeitgemäß. Der Hinweis in Ausschreibungen, dass geschlechtsbezogene Angaben in Bewerbungsunterlagen unkenntlich gemacht werden dürfen, ist zu begrüßen. Angemerkt sei hier trotzdem, dass die Umsetzung der Norm in vielen Fällen an Grenzen stoßen wird, wenn etwa beglaubigte Kopien und Zeugnissen gefordert werden, regelmäßig nicht geschlechtsneutral gestaltet und formuliert sind.
Zu § 21 (Auswahlkommissionen)
So begrüßenswert die Regelungen des § 21 sind, so rechtlich bedenklich sind sie in Teilen. Durch die Kombination aus § 21 Absatz 1 Satz 1 (nicht erforderlich, dass alle Teilnehmenden die Qualifikation besitzen, die für den zu besetzenden Arbeitsplatz vorausgesetzt wird) und § 21 Absatz 4 (kein dringender dienstlicher Grund ist, dass für eine Auswahlkommission in Betracht kommende Personen aufgrund ihres dienstlichen Arbeitsgebietes in eine Kommission berufen werden sollen, wenn dadurch der Mindestanteil von Frauen verfehlt wird) entsteht der Eindruck, dass zur Erreichung der hälftigen Besetzung mit der Kommission mit Frauen Abstriche an der fachlichen Qualifikation der Kommissionsmitglieder gemacht werden. Dies ist nicht nur Wasser auf die Mühlen der Kritiker von geschlechtergerechten Gremienbesetzungen, sondern insbesondere mit Blick auf die Sanktionsregelung in § 21 Absatz 5 (Rechtswidrigkeit der Personalentscheidung) problematisch.
Zu § 23 (Auswahlentscheidungen – Entscheidungsquote) und § 25 (Ausbildungsplätze)
Zwingende Voraussetzung für die bevorzugte Berücksichtigung von Frauen in Auswahlverfahren im öffentlichen Dienst ist das Vorliegen eines Qualifikationspatts mit einem männlichen Bewerber als Ergebnis der Bestenauslese gemäß Artikel 33 Absatz 2 GG. Wann ein solcher Leistungsgleichstand erreicht ist, ist rechtlich nicht abschließend geklärt bzw. in Grenzen gesetzlich ausgestaltbar. Üblich ist das Erfordernis der „gleichen Qualifikation“ oder der „im Wesentlichen gleichen Qualifikation“ oder einer „vergleichbaren Qualifikation“. Soweit ein Gleichstellungsgesetz Regelungen zur bevorzugten Berücksichtigung von Frauen enthält, sollten diese einheitliche Formulierungen für die Tatbestandsvoraussetzung des Qualifikationspatts verwenden. Das ist in den vorliegenden Entwürfen leider noch nicht der Fall. Während § 23 Absatz 1 eine „fast gleiche Qualifikation“ verlangt, sieht § 25 Absatz 3 die „in etwa gleiche Eignung“ vor. Dies sollte vereinheitlicht werden.
Zu § 26 Fortbildungspflichten
Die Verankerung von Fortbildungspflichten in § 26 Absatz 1 für Beschäftigte mit Leitungsverantwortung (d.h. Dienststellenleitungen, Beschäftigten mit Vorgesetzten- oder Leitungsaufgaben) ist zu begrüßen, weil die Verwaltungspraxis zeigt, dass an Fortbildungen ohne eine entsprechende Verpflichtung oft nicht teilgenommen wird. Dabei ist eine Sensibilisierung von Führungskräften zentral für eine gelungene Gleichstellungsarbeit in Behörden. Es ist begrüßen, dass Personalratsmitglieder und Personalverwaltung als zentrale Akteur*innen dienststelleninterner Gleichstellungsarbeit adressiert werden.
Zu § 27 (Gestaltung der Fortbildung)
Zu Absatz 4 wird empfohlen, für den Mindestanteil an Teilnehmerinnen an einer Fortbildung nicht auf den Frauenanteil in der Zielgruppe der Fortbildung abzustellen, sondern strikt Frauen und Männer zu gleichen Anteilen zu berücksichtigen. Mit dem Abstellen auf den bestehenden Frauenanteil in der Zielgruppe wird der dortige Status Quo im Zweifel gefestigt. Es ist verwaltungspraktisch auch weniger aufwändig von vornherein Frauen und Männer zu gleichen Anteilen zu berücksichtigen, als jeweils vor Besetzung der Fortbildung den Frauenanteil in der entsprechenden Zielgruppe zu ermitteln.
Zu § 30 Absatz 6 und 7 (Geltungsdauer der Frauenförderungs- und Gleichstellungspläne)
Grundsätzlich ist die Verankerung von Sanktionen für den Fall der Nichterstellung eines ordnungsgemäßen Frauenförder- und Gleichstellungsplans oder der Nichterreichung von Zielvorgaben des Plans zum Ablauf seiner Geltungsdauer zu begrüßen. Frauenförder- und Gleichstellungspläne sind ein fundamentales Monitoring- und Gleichstellungsinstrument. Die in Absatz 6 enthaltene Sanktion gibt der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten durch das Erfordernis ihrer Zustimmung allerdings so große Macht, dass es sehr fraglich erscheint, ob derartige Eingriffe in Personalauswahlverfahren und die arbeitsrechtliche Vertragsfreiheit noch mit Artikel 33 Absatz 2 GG vereinbar sind.
Zu § 35 (Grundsatz der Familienfreundlichkeit)
Im Rahmen von § 35 Absatz 2 Satz 2 bleibt unklar, was mit der "Erfüllung dieses Anspruchs" auf eine familienfreundliche Ausgestaltung inhaltlich gemeint und wann dieser Anspruch erfüllt ist. Hier wäre die Formulierung einer Pflicht der Dienststellen zum Angebot familienfreundlicher Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen angebracht, die dann in den folgenden Paragrafen durch konkrete Ansprüche konkretisiert wird.
Zu § 36 (Teilzeit)
Aus der Formulierung des Absatz 3 Satz 1 „Antrags auf – weitere – Arbeitszeitverminderung“ wird nicht hinreichend klar, ob die Regelung nach einem ersten Antrag auf Arbeitszeitverminderung nur weitere Anträge oder auch den ersten Antrag selbst (und auch weitere Anträge) erfassen soll.
Absatz 5 enthält einen guten Absatz zum personellen Ausgleich innerhalb der Dienststelle. Die flexible Bewirtschaftung von durch Teilzeitbeschäftigungen entstehenden Stellenresten ist ein wichtiges Kerninstrument zur Ermöglichung flexibler Arbeitszeiten für alle Bediensteten. Die haushaltsrechtlichen Regelungen zur Bewirtschaftung von Stellen sind hier noch viel zu starr und müssten grundsätzlich den tatsächlichen Erfordernissen angepasst werden. Aufgrund der aktuellen restriktiven Rechtslage müsste Absatz 5 nochmal intensiv haushaltsrechtlich und personalverwaltungspraktisch geprüft werden.
Zu § 40 (Aufstockung der Arbeitszeit)
Das Satz 2 (und auch § 41 Absatz 1 Satz 2) für den Verweis auf die Regelungen des Fünften Abschnitts auf die Konkurrenzsituation zwischen „einer Frau und einer Person anderen Geschlechts“ abstellt, ist mit Blick auf die im Fünften Abschnitt durchgängige Regelung der Konkurrenzsituation zwischen einer Frau und einem Mann inkonsequent. Es sollten innerhalb eines Gesetzes dringend einheitliche Begriffe und Begriffskombinationen verwendet werden, wenn inhaltlich das gleiche gemeint ist und insbesondere, wenn die Regelungen aufeinander Bezug nehmen oder verweisen.
Zu § 45 (Besetzung von Gremien)
In dieser Regelung unterscheiden sich die beiden Gesetzentwürfe voneinander. Beide enthalten jedoch den unbestimmten Begriff der „sonstigen vergleichbaren Gremien“, der in der Verwaltungspraxis oft Schwierigkeiten verursacht. Daher bietet es sich an, den Gremienbegriff anhand ganz konkreter Kriterien, wie z. B. eine gewisse Dauer oder bestimmte Aufgaben (z. B. Steuerung, Auswahl), zu definieren. Ebenfalls in beiden Entwürfen enthalten ist in Absatz 2 Satz 1 die Regelung, dass „mindestens ebenso viele Frauen wie Menschen anderen Geschlechts vorgeschlagen“ werden müssen. Diese Vorgabe ist insoweit zu unbestimmt, als sie in der folgenden Situation die Frage nach der Anzahl der vorzuschlagenden Frauen und weitere Frauen unbeantwortet lässt: Eine Dienststelle darf mehrere Personen für mehrere Gremiensitze vorschlagen. Sie benennt zwei Männer und eine nichtbinäre Person. Ist die Vorgabe mit der Benennung von einer oder zwei oder drei Frauen erfüllt? Soll die Regelung eine Überrepräsentanz von Männern vermeiden oder eine Gleichstellung von Frauen und Männern erreichen? Werden Frauen und nichtbinäre Personen zu einer Gruppe zusammengefasst?
Eine weitere Frage wirft die Formulierung des § 45 Absatz 1 Satz 1 im Entwurf der SPD-Fraktion auf, indem dort eine „paritätische“ Besetzung erfolgen muss. Zunächst wird nicht klar, worauf sich die Parität überhaupt beziehen muss. Das Geschlecht wird nicht ausdrücklich als Kriterium benannt und ist nur anhand des Gesetzeszusammenhangs zu vermuten. Aber auch mit dem Begriff „geschlechterparitätisch“ wird nicht hinreichend klar, welcher Anteil von Frauen, Männern und Personen außerhalb des binären Spektrums gefordert wird. Denkbar wäre angesichts der relativ konsequenten Abkehr vom binären System im Gesetzentwurf auch eine Drittelparität. Hier besteht Überarbeitungsbedarf.
Zu § 47 Absatz 1 (Aufgabenstellung)
Da Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte nicht zwangsläufig Führungskräfte sind, erscheint es fragwürdig, sie ohne weiteres als solche zu bezeichnen. Die dienstrechtliche Einordnung als Führungskraft ist an diverse Voraussetzungen gekoppelt und zieht entsprechende Rechtsfolgen nach sich.
Zu § 52 (Entlastung)
Eine hinreichende Entlastung der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten ist zwingende Voraussetzung für professionelle Gleichstellungsarbeit innerhalb der Dienststelle. Die konkreten Vorgaben zum Entlastungsumfang in Abhängigkeit zur und gestaffelt nach der Dienststellengröße sind ausdrücklich zu empfehlen. Nur mit konkreten gesetzlich festgeschriebenen Zahlen werden Meinungsverschiedenheit zwischen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragter und Dienststellenleitung von vornherein vermieden und die Beauftrage wird entsprechend gestärkt.
Die Regelung des Absatzes 8, nach der der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten Büropersonal zur Verfügung gestellt wird, wenn ihr eigene Entlastung nicht möglich ist, wird sehr begrüßt. Es sollte darüber hinaus überlegt werden, für besonders große Dienststellen (z.B. ab 300 Bedienstete) unabhängig von der Entlastung der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten eine personelle Unterstützung vorzusehen.
Zu Absatz 9 wird angemerkt, dass Streitigkeiten um die Entlastung und Position von Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten in staatlichen oder kommunalen Dienststellen regelmäßig in der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit liegen dürften, ganz unabhängig davon ob die Beauftragte statusrechtlich Arbeitnehmerin oder Beamtin ist.
Zu § 59 (Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte)
Die Klarstellungen zu Zeitpunkt und Art der Beteiligung der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten werden ausdrücklich begrüßt. Dies gilt insbesondere für die Definition der „frühzeitigen Beteiligung“ in Absatz 3 und die Vorgabe der Beteiligung an der „internen Willensbildung“ der Dienststelle. Auch ausdrückliche Anordnung der Beteiligung vor der Personalvertretung entspricht der Position der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten innerhalb der Dienststellen als Teil der Dienststellenleitung.
Zu § 71 (Organschaftliches Antragsrecht) und § 72 (Gerichtliches Beanstandungsrecht)
Die Verortung von Streitigkeiten über die organschaftlichen Rechte der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten bei den Arbeitsgerichten ist unüblich und sollte dringend überprüft werden. Gleiches gilt für gerichtliche Beanstandungen von Entscheidungen der Dienststelle durch die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte. Es handelt sich um Streitigkeiten aus dem öffentlichen (Dienst-)Recht.
Es ist nicht ersichtlich warum von der bisherigen Praxis des § 22 HGlG und der bundesweiten Praxis derart abgewichen werden soll. Die bei den hessischen Verwaltungsgerichten bestehende Expertise und Erfahrung wird damit aufgegeben.
Zu § 76 (Zentrale unabhängige Stelle)
Die Einrichtung einer zentralen Stelle für Gleichberechtigungs- und Gleichstellungsfragen (ähnlich den Landesgleichstellungsbeauftragten in anderen Bundesländern) auf Landesebene ist grundsätzlich begrüßenswert, da sie eine Koordinierungsfunktion zwischen verschiedenen gleichstellungspolitischen Akteur*innen hat und die Gleichstellungsarbeit in den Behörden unterstützen kann.
Ursula Matthiessen-Kreuder
Vorsitzende des Landesverbands Hessen
Prof. Dr. Sina Fontana
Vorsitzende der Kommission Verfassungsrecht, Öffentliches Recht, Gleichstellung