Policy Paper: 23-01


Mutterschutz für schwangere Selbstständige

Policy Paper vom

Gleichwertiger Mutterschutz für Selbstständige steht seit mehr als einem Jahrzehnt auf der politischen Agenda, insbesondere von Seiten der Europäischen Union mit der Richtlinie 2010/41/EU des Europäischen Parlaments. Dennoch hat dies in Deutschland bisher nicht zu einer politischen Initiative geführt. Das Thema ist überfällig.

Der Koalitionsvertrag 2021 – 2025 (KOAV) nennt zwar Ansatzpunkte für eine bessere soziale Absicherung von Selbstständigen in den Sozialsystemen der Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung und Rentenversicherung.[1] Im Handlungsfeld Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird für Selbstständige eine Modernisierung des Elterngeldanspruches in Aussicht gestellt. Mutterschutz mit Einkommensabsicherung für Schwangere und für frisch entbundene Mütter, die als Unternehmerinnen oder freiberuflich tätig sind, ist dagegen nicht erwähnt. Ihr „Mutterschaftsrisiko“ bleibt vollständig individualisiert und kommt auch an anderer Stelle nicht vor: weder bei den Hilfen zur Gründungsförderung speziell für Frauen (S. 30 KOAV) noch dort, wo aufgrund der Erfahrungen in der Corona-Pandemie steuerfinanzierte Wirtschaftshilfen bei nicht selbst verantworteten Erwerbsausfällen thematisiert werden (S. 69 KOAV).  

Im Mai 2022 wurde aus den Kreisen selbstständiger Handwerksmeisterinnen das Thema wieder in die Öffentlichkeit gebracht, indem die Petition 133680 „Gleiche Rechte im Mutterschutz für selbstständige Schwangere“ initiiert und im August 2022 dem Deutschen Bundestag zugeleitet wurde. Dort befindet sie sich seit Anfang 2023 in der Prüfung.

Am 26. September 2022 führte der Petitionsausschuss unter Beteiligung der Parlamentarischen Staatssekretärinnen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) eine öffentliche Anhörung durch. Die Berechtigung des Anliegens und die Notwendigkeit einer Lösung wurden anerkannt. Die Parlamentarische Staatssekretärin des BMWK Franziska Brantner teilte mit, es gebe zu diesem Thema eine Arbeitsgruppe mit Verbänden und Betroffenen. Damit ist offenbar die bestehende Arbeitsgruppe „Female Entrepeneurship“ gemeint, in der die Petition als ein weiteres wichtiges Anliegen aufgegriffen wurde.[2] Die für das Mutterschutzgesetz zuständige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Lisa Paus, stellte im Dezember 2022 eine Lösung in Aussicht.[3]

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) sieht einen wirksamen Mutterschutz für Selbstständige als ein gleichstellungspolitisches Thema von grundsätzlicher Bedeutung. Das Policy Paper schlägt einen policy mix vor. Dabei wird an die Kernforderungen der Petition angeknüpft und darauf bezogen der rechtliche Handlungsbedarf erörtert. In diesem Kontext sollen auch Missverständnisse über die grundlegende Funktionsweise des betrieblichen Mutterschutzes – für Arbeitnehmerinnen und zukünftig auch für Selbstständige – klargestellt bzw. vermieden werden. 

 


[1]https://www.bundestag.de/resource/blob/194886/696f36f795961df200fb27fb6803d83e/koalitionsvertrag-data.pdf :  S. 54 zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung, S. 75 zur Kranken- und Rentenversicherung unter Beibehaltung der Wahlfreiheit zwischen gesetzlicher und privater Versicherung, S. 101 zum Elterngeld. 

[2]https://www.vgsd.de/schickt-uns-eure-ideen-und-forderungen-der-vgsd-engagiert-sich-in-der-arbeitsgruppe-female-entrepreneurship-des-bundeswirtschaftsministeriums/ (zuletzt abgerufen am 02.01.2023).

[3]https://www.tagesschau.de/inland/mutterschutz-selbststaendige-101.html (zuletzt abgerufen am 05.01.2023).