Stellungnahme: 22-19


zum Entwurf einer Verordnung über die dienstliche Beurteilung der Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Land Berlin (Berliner Beurteilungsverordnung für die Richter- und Staatsanwaltschaft – RiStABeurtV)

Stellungnahme vom

Der Landesverband Berlin des Deutschen Juristinnenbundes e.V. (djb) bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme zu dem vorgelegten Verordnungsentwurf.

Wie bereits in unserer Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Berliner Richtergesetzes vom 14. Februar 2022[1] ausgeführt, begrüßt der djb, dass die grundlegenden Vorgaben für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen der Richter*innen und Staatsanwält*innen gesetzlich geregelt werden sollen. An der Überzeugung, dass der Gesetzentwurf vom 14. Juni 2022 (Drs. 19/0404) dem nicht vollständig gerecht wird, halten wir aus den in unserer Stellungnahme angeführten Gründen (insbesondere Ausführungen zu § 9 Abs. 4) fest. Ungeachtet dessen stellt die nähere Ausgestaltung des Beurteilungswesens durch Rechtsverordnung eine Verbesserung im Vergleich zur bisherigen Regelung durch Verwaltungsvorschrift dar.

Zu den Regelungen im Einzelnen:

Zu § 1:

Der djb begrüßt die Klarstellung des Benachteiligungsverbots von Teilzeitbeschäftigten bei Beurteilungen. Dies dient der Vermeidung mittelbarer Diskriminierung insbesondere von Frauen, die den größten Teil Teilzeitbeschäftigter stellen.

Zu § 2:

Die in Absatz 1 getroffene Festlegung, Regelbeurteilungen stets zu festen Stichtagen und nicht in Abhängigkeit des individuellen Anstellungstages durchzuführen, trägt nach Ansicht des djb zu einer besseren Vergleichbarkeit und damit zu der vom djb für besonders wichtig gehaltenen Transparenz des Beurteilungswesens bei.

Es wird vorgeschlagen, das in Absatz 4 Nr. 1 geregelte Grenzalter für die letzte Regelbeurteilung um mindestens drei Jahre hinaufzusetzen. Die Kombination von Grenzalter und Stichtagsbeurteilung wird dazu führen, dass eine Reihe von Richter*innen und Staatsanwält*innen ihre letzte Beurteilung im Alter von 45 Jahren erhalten werden. Mit einer Personalentwicklung mit dem Ziel einer Beförderung auch im höheren Lebensalter, wie sie insbesondere Frauen zugutekommt, ist dies aus unserer Sicht nicht zu vereinbaren.

Hinsichtlich der nach Absatz 5 eröffneten Möglichkeit, von der zeitgerechten Erstellung der Regelbeurteilung aus Gründen längerer Abwesenheit der zu beurteilenden Person abzusehen, sollte klargestellt werden, dass diese Regelung nicht zu Lasten familienbedingt abwesender Richter*innen oder Staatsanwält*innen angewandt werden darf. Die in Satz 3 vorgesehene Nachholung der Beurteilung kompensiert bei längerer familienbedingter Abwesenheit die möglichen Nachteile nicht immer. Wir schlagen in Absatz 5 deshalb eine Klarstellung entsprechend § 1 Abs. 3 dahingehend vor, dass sich eine familienbedingte Abwesenheit nicht nachteilig auf die Beurteilung auswirken darf. Alternativ schlagen wir eine Ergänzung von Absatz 6 Satz 2 Nr. 5 (Anlassbeurteilung auf Antrag) dahingehend vor, dass vor einer familienbedingten Abwesenheit auf die Möglichkeit einer Anlassbeurteilung auf Antrag vor Eintritt in die Elternzeit oder Pflegezeit hinzuweisen ist.

Zu § 3:

Der djb bedauert, dass § 9 Absatz 1 Satz 3 des Gesetzesentwurfs in der dem Abgeordnetenhaus zugeleiteten Fassung vom 14. Juni 2022 die ursprünglich vorgeschlagene Reduzierung der Mindestanzahl von Beurteilungen der Proberichter*innen auf zwei Beurteilungen nicht mehr enthält und die entsprechende Festlegung der Anzahl nur in der vorgesehenen Rechtsverordnung erfolgen soll.

Die in § 3 Absatz 1 des Verordnungsentwurfs vorgesehene Mindestanzahl von drei dienstlichen Beurteilungen vor der Ernennung auf Lebenszeit stellt eine mittelbare Diskriminierung insbesondere von Frauen dar. Es besteht die Gefahr, dass deren Beurteilungen wegen familienbedingter Abwesenheitszeiten seltener zeitgerecht möglich ist als die der männlichen Kollegen und sich so auch ihre Mindestprobezeit (vgl. § 10 Absatz 1 DRiG) verlängert. Der djb regt daher dringend an, hier wie ursprünglich vorgesehen eine Mindestanzahl von nur zwei Beurteilungen vor der Ernennung auf Lebenszeit festzulegen.

Zu § 7:

Der djb bedauert, dass die in unserer Stellungnahme vom 14. Juni 2022 vorgeschlagene Festlegung weiterer Inhalte der Beurteilungen im Gesetz sowie eine Pflicht zur Evaluierung der Beurteilungskriterien keinen Eingang in die Ermächtigungsgrundlage in § 9 Absatz 4 des Gesetzentwurfs gefunden haben.

Positiv bewertet der djb, dass das Merkmal der Führungskompetenz in § 7 Absatz 2 Nr. 10 des Verordnungsentwurfs das Untermerkmal „Inklusionskraft und Mitarbeiterförderung, auch in Bezug auf Aspekte der Rechte von Menschen mit Behinderungen, der Gleichstellung und der Antidiskriminierungs- und Diversitätskompetenz“ umfasst.

Zu § 9:

Der djb bedauert, dass der Vorschlag einer Regelung zur verpflichtenden Veröffentlichung der Beurteilungsergebnisse nicht in den Gesetzentwurf aufgenommen wurde. Die nunmehr in § 9 des Verordnungsentwurfs vorgesehene Regelung ist nach Überzeugung des djb um eine Aufschlüsselung der Ergebnisse nach Voll- und Teilzeitbeschäftigung zu ergänzen. Nur dies ermöglicht eine effektive Überprüfung des Benachteiligungsverbots in § 1 Abs. 3 Verordnungsentwurf und damit auch die Vermeidung einer mittelbaren Diskriminierung von Frauen. Zudem bedarf es nach Überzeugung des djb auch einer Veröffentlichung der Ergebnisse von Anlassbeurteilungen, die in besonderem Maße relevant für die Besetzung von Beförderungsstellen sind. Erfordernissen des Datenschutzes kann hier gegebenenfalls durch Zusammenfassung der Ergebnisse mehrerer Anlassbeurteilungsrunden (z.B. im Regelbeurteilungszeitraum) Rechnung getragen werden.

 

Georgia von der Wettern, LL.M.

Vorsitzende des Landesverbands Berlin

PD Dr. Sina Fontana, MLE.

Vorsitzende der Kommission Verfassungsrecht, Öffentliches Recht, Gleichstellung

 

 

 


[1] Siehe hier: https://www.djb.de/presse/stellungnahmen/detail/st22-02